Rechtsfähigkeit der
BGB-Gesellschaft; Grundbuchfähigkeit (offen gelassen); Verpflichtung der
Gesellschaft zur Abgabe einer Willenserklärung: Keine Passivlegitimation der
Gesellschafter
BGH, Urt. v. 25. Januar
2008 - V ZR 63/07
Fundstelle:
NJW 2008, 1378
Amtl. Leitsatz:
Die Haftung der
Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die
Verbindlichkeiten der Gesellschaft ermöglicht es nicht, die Gesellschafter
zur Abgabe einer Willenserklärung zu verurteilen, die die Gesellschaft
schuldet.
Zentrale Probleme:
Es geht um ein Folgeproblem, daß sich aus der Anerkennung
der Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft ergibt (s. dazu
BGH NJW
2001, 1056 = BGHZ 146, 341;
zu den Konsequenzen für die
Haftung der Gesellschafter s. die Anm. zu
BGH NJW 2003, 1445
sowie
BGH v.
24.6.2003 - VI ZR
434/01;
zur Verbrauchereigenschaft eine GbR i.S.v. § 13 BGB s.
BGH
NJW 2002, 368; zur Abgabe einer Willenserklärung durch einen
alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter und die Möglichkeit ihrer
Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB s. BGH NJW 2002,
1194). Selbst wenn die Gesellschaft als solche nicht grundbuchfähig
ist (BGH NJW 2006, 3716),
kann sie nach der Rspr. doch Eigentümer des Grundstücks sein. Hier war der
Eigentümer des Grundstücks, d.h. die Gesellschaft als solche, gesetzlich zur
Bestellung einer Grunddienstbarkeit verpflichtet. Damit ging es in dem
Rechtsstreit um die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung (die
durch Rechtskraft des Urteils nach § 894 ZPO fingiert wird. Da die
Verpflichtung die Gesellschaft als solche trifft, waren die Gesellschafter
hierbei nicht passivlegitimert (d.g. die falschen Beklagten): Der Anspruch
richtet sich gegen die Gesellschaft als solche, woran auch die Tatsache, daß
die Gesellschafter als gesetzliche Vertreter Willenserklärungen für die
Gesellschaft abgeben und persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft
haften, nichts ändert.
Zur Grundbuchfähigkeit s. jetzt
BGH v. 4.12.2008 - V ZB 74/08.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Z. straße 32, Flur 48,
Flurstück 130, in W. . 1972 wurde die Z. straße höher gelegt. Deshalb nutzen
die Kläger seither einen Teil des angrenzenden früher volkseigenen
Grundstücks D. Str. 2, Flurstück 112/27, als Zufahrt zu der Garage auf ihrem
Grundstück. Aufgrund Auflassung vom 21. Juli 1998 wurden die Beklagten am
28. Mai 2003 "als Gesellschafter in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" als
Eigentümer dieses Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
2 Mit der Klage verlangen die Kläger von den Beklagten als Eigentümern des
Flurstücks 112/27 zur Sicherung der Zufahrt zu der Garage auf ihrem
Grundstück die Bewilligung einer Grunddienstbarkeit nach § 116 Abs. 1
SachRBerG. Die Beklagten haben eine Verpflichtung hierzu verneint und im
Wege einer hilfsweise erhobenen Widerklage beantragt, die Kläger zu
verurteilen, die Verkehrssicherungspflicht, die öffentlichen Lasten und die
Instandhaltung des von ihnen in Anspruch genommenen Teils ihres Grundstücks
zu übernehmen. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen und der
Widerklage in geringem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist
erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision
erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage und verfolgen die mit der
Widerklage erhobenen Ansprüche weiter, soweit diese ohne Erfolg geblieben
ist.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht meint, die Beklagten seien zur Bewilligung der
verlangten Dienstbarkeit verpflichtet. Durch die Eintragung in das Grundbuch
seien sie und nicht die zwischen ihnen vereinbarte Gesellschaft bürgerlichen
Rechts Eigentümer des Grundstücks geworden. Die Gesellschaft sei nicht
grundbuchfähig und habe das Grundstück, auf dessen Nutzung die Kläger zur
Erschließung ihres Grundstücks angewiesen seien, nicht erwerben können. Die
Widerklage sei allein in dem von dem Landgericht erkannten Umfang begründet.
II.
4 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
5 1. Nach § 116 Abs. 1 Halbs. 1 SachRBerG kann der Eigentümer eines
Grundstücks im Beitrittsgebiet unter den Voraussetzungen von § 116 Abs. 1
Halbsatz 2 SachenRBerG die Bestellung einer Grunddienstbarkeit an einem
fremden Grundstück verlangen. Der Anspruch richtet sich gegen den Eigentümer
des fremden Grundstücks. Daran fehlt es bei den Beklagten. Sie sind nicht
Eigentümer des von den Klägern als Zufahrt in Anspruch genommenen
Grundstücks.
6 a) Durch die Auflassung des Grundstücks und die Eintragung vom 28. Mai
2003 hat die zwischen den Beklagten vereinbarte Gesellschaft bürgerlichen
Rechts das Eigentum an dem Grundstück erworben. Auf die Frage, ob eine
Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundbuchfähig ist, wegen derer das
Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, kommt es insoweit nicht an.
7 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist rechtsfähig, soweit sie durch
Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet
(grundlegend BGHZ 146, 341 ff.). Ihre
Rechtsfähigkeit umfasst die Fähigkeit, Eigentümer von Grundstücken zu sein (BGH,
Urt. v. 25. September 2006, II ZR 218/05, DNotZ 2007, 119 f. m.
Anmerkung Volmer; Nagel, NJW 2003, 1646, 1647; Häublein, EWiR 2007, 279,
280; ferner Senat, Beschl. v. 6. April 2006, V ZB 158/05; BayObLGZ 2002,
137, 141 f.). Die hiergegen geäußerten Bedenken (BayObLGZ 2002, 330, 335;
OLG Celle NJW 2006, 2194; Demharter, FGPrax. 2007, 7, 8) übergehen, dass
die Verneinung der Möglichkeit, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als
solche unter der für diese von ihren Gesellschaftern vereinbarten
Bezeichnung in das Grundbuch einzutragen, nicht dazu führt, dass die
Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Eigentum an einem Grundstück nicht
erwerben könnte (so zutreffend Heil, DNotZ 2004, 379, 380; Münch, DNotZ
2001, 535, 545; Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330, 332; ferner Dümig, Rpfleger
2007, 24 f.). Die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft
bürgerlichen Rechtes führt vielmehr dazu, dass das Verfahrensrecht an das
geänderte Verständnis des Wesens der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts
anzupassen ist (Münch DNotZ 2001, 535, 548 ff.; Volmer DNotZ 2007, 119,
121). Dass diese dem Gesetzgeber vorbehaltene Anpassung bisher nicht
erfolgt ist, schließt den Erwerb von Eigentum an Grundstücken durch eine
Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht aus, sondern erschwert nur den zum
Vollzug von Verfügungen der Gesellschaft im Grundbuch notwendigen Nachweis
der Befugnis der Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft (vgl.
Ulmer/Steffek NJW 2002, 330, 336; Nagel NJW 2003, 1146, 1147; Behrens ZfIR
2008, 1, 2 ff.). Derartige Schwierigkeiten bestehen im vorliegenden Fall
nicht. Die von den Beklagten gegründete Gesellschaft ist Eigentümerin des
von den Klägern in Anspruch genommenen Grundstücks. Allein sie kann zur
Bestellung einer Dienstbarkeit verpflichtet sein. Die Gesellschaft ist
parteifähig. Wird sie zur Bewilligung der von den Klägern erstrebten
Dienstbarkeit und zur Bewilligung von deren Eintragung verurteilt, führt die
Rechtskraft eines entsprechenden Urteils dazu, dass die Kläger die zur
Entstehung der Dienstbarkeit notwendige Eintragung erwirken können.
8 b) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Bestellung der verlangten
Dienstbarkeit besteht nicht. Sie folgt insbesondere nicht daraus, dass
die Beklagten in entsprechender Anwendung von § 128 Satz 1 HGB für die
Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich persönlich haften
(grundlegend BGHZ 146, 341, 358 f.) und die
Gesellschaft die von den Klägern verlangte Dienstbarkeit zu bestellen hätte.
Eine Haftung der Beklagten für diesen Anspruch scheitert daran, dass
Gegenstand der von den Beklagten erstrebten Leistung eine Willenserklärung,
nämlich die Bestellung einer Dienstbarkeit an dem Grundstück der
Gesellschaft, ist. Die hierzu notwendige Erklärung der Gesellschaft wird
nach dem Verständnis des Klageantrags durch das Berufungsgericht von den
Klägern weder verlangt, noch kann sie durch eine entsprechende Erklärung der
Beklagten ersetzt werden (MünchKomm-HGB/Karsten Schmidt, 2. Aufl., § 128
Rdn. 30; Staub/Habersack, HGB, § 128 Rdn. 37; ferner Senat, Urt. v. 22.
Dezember 1982, V ZR 315/81, WM 1983, 220, 221). Dass die Beklagten
gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt und damit zu der von
den Klägern erstrebten Leistung in der Lage sind, führt nicht dazu, dass
eine durch die Rechtskraft eines Urteils fingierte Erklärung der Beklagten
(§ 894 ZPO) namens der Gesellschaft abgegeben wäre und damit gegen diese
wirkte. Hierzu bedarf es vielmehr einer Verurteilung der Gesellschaft.
9 c) Entgegen der Meinung der Revisionserwiderung ergibt sich aus § 736 ZPO
nichts anderes.
10 § 736 ZPO lässt die Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts aus einem Titel zu, der im Hinblick auf
die persönliche Mithaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft ergangen ist (grundlegend BGHZ 146,
341, 356). Die Vollsteckungsbefugnis des Gläubigers wird um die Befugnis
erweitert, in Vermögen zu vollstrecken, das einem rechtlich von dem Vermögen
des Schuldners zu trennenden Vermögen zugeordnet ist. Die Durchbrechung des
Grundsatzes, dass ein Titel nur die Vollstreckung in das Vermögen des im
Titel bezeichneten Schuldners eröffnen kann, ist hinnehmbar, wenn Gegenstand
der titulierten Verpflichtung eine Verbindlichkeit ist, für die die
Gesellschaft ebenso wie die in Anspruch genommenen Gesellschafter haftet (K.
Schmidt, NJW 2001, 993, 1000 f.) und alle Gesellschafter dem
Vollstreckungszugriff unterworfen sind. Durch die Vollstreckung in das
Vermögen der Gesellschaft wird die von allen Gesellschaftern geschuldete
Leistung bewirkt. Mittelbar vermindert die Vollsteckung im selben Umfang das
Vermögen der Gesellschafter. Der Umfang der Verpflichtung der Gesellschafter
wird hierdurch nicht erweitert.
11 So verhält es sich jedoch nicht, wenn es, wie vorliegend, an einer
Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeit der Gesellschaft fehlt.
Ebenso wenig folgt aus § 736 ZPO, dass die Gesellschafter zu einer
Leistung verurteilt werden können, die nicht von ihnen, sondern von der
Gesellschaft geschuldet wird, oder dass die Fiktion einer Erklärung der
Gesellschafter gemäß § 894 ZPO zur Folge hätte, dass eine von der
Gesellschaft abzugebende Willenserklärung ohne ein Urteil gegen die
Gesellschaft abgegeben wäre.
12 2. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die
Prüfung unterlassen, ob die Klage dahin auszulegen ist, dass die
Gesellschaft Beklagte des Rechtsstreits ist. Dies ist nachzuholen.
13 Die Kläger erstreben mit der Klage die Sicherung der von ihnen genutzten
Zufahrt zu der Garage auf ihrem Grundstück. Die hierzu notwendige
Dienstbarkeit kann nur von der Gesellschaft als Eigentümerin des
angrenzenden Grundstücks bestellt werden. Ein Verständnis der Klage dahin,
dass die Kläger nicht die Verurteilung der Gesellschaft, sondern die
Verurteilung von deren Gesellschaftern beantragen, läuft dem Interesse der
Kläger offenbar zuwider. Daher ist im Wege der Auslegung der Klage zu
prüfen, ob diese tatsächlich gegen die Beklagten oder aber gegen die
Gesellschaft gerichtet ist (BGH, Urt. v. 16. Mai 1983, VIII ZR 34/82,
NJW 1983, 2448, 2449; ferner Urt., v. 17. Oktober 1987, II ZR 21/87, NJW
1988, 1585, 1587 f.; Urt. v. 15. Januar 2003, XII ZR 300/99, NJW 2003,
1043). Umgekehrt können die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche
allein der Gesellschaft zustehen. Das ist insbesondere von den Klägern
bisher nicht gesehen worden. Im Hinblick auf den unzutreffenden Hinweis des
Berufungsgerichts in der Verfügung vom 12. Januar 2007 und die Ausführungen
des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung bestand für sie auch
kein Anlass, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Durch die Aufhebung des
Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits erhalten sie
Gelegenheit, dies nachzuholen. Soweit die notwendige Auslegung der Klage
dazu führt, dass die Gesellschaft Beklagte des Verfahrens und Widerklägerin
ist, ist ihr gegenüber zu entscheiden und das Rubrum entsprechend zu
berichtigen.
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