IPR: Internationales Kindschaftsrecht; Konkurrenz
mehrerer Abstammungsstatute bei Feststellung der Vaterschaft; Ausschluss der
Rückverweisung bei Art. 19 I EGBGB gem. Art. 4 I 1 EGBGB (Sinn der
Verweisung)
BGH, Beschluss vom 19. Juli 2017 -
XII ZB 72/16 - KG Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Führt von den nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB für
die Feststellung der Vaterschaft alternativ berufenen Rechtsordnungen zum
Zeitpunkt der Geburt allein das Personalstatut des geschiedenen Ehemanns der
Mutter zur rechtlichen Vaterschaft (hier: des geschiedenen Ehemanns nach
polnischem Recht), so ist eine später von einem anderen Mann nach dem
hierfür anwendbaren deutschen Recht erklärte Anerkennung der Vaterschaft
unwirksam (Fortführung des Senatsbeschlusses vom
3. August 2016 - XII ZB 110/16 - FamRZ 2016, 1847).
b) Die zum Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes begründete Vaterschaft kann
grundsätzlich nur nach dem gemäß Art. 20 EGBGB anwendbaren Anfechtungsstatut
beseitigt werden (im Anschluss an Senatsurteil vom
23. November 2011 - XII ZR 78/11 - FamRZ 2012, 616).
Zentrale Probleme:
Es geht erneut um die Konkurrenz verschiedener Abstammungsstatute bei der
Begr ündung der Vaterschaft. Vom BGH bislang ungeklärt war die Frage, wie sich eine bereits bei der
Geburt gesetzlich begründete Vaterschaft zu einer durch nachträgliche
Anerkennung begründeten Vaterschaft verhält. Art. 19 Abs. 1 EGBGB stellt
nämlich für die Feststellung der Vaterschaft mehrere, alternativ berufene
Rechtsordnungen zur Verfügung. Im vorliegenden Fall bestand bei Geburt wegen
einer Vaterschaftsvermutung des polnischen Rechts eine Vaterschaft des
geschiedenen Ehemanns fest. Nach der Geburt hatte ein anderer Mann die
Vaterschaft nach deutschem Recht anerkannt. Der BGH stellt - wie bereits
früher angedeutet - allein auf den Zeitpunkt der Geburt ab. Die Vaterschaft
kann also nicht in der Schwebe gehalten werden, bis es zu einer Anerkennung
durch einen anderen Mann kommt. Es bestehe auch keine überwiegende
Wahrscheinlichkeit, dass der Anerkennende der "wirkliche", d.h. biologische
Vater ist. Da hier somit eine Vaterschaft zum
Zeitpunkt der Geburt bereits nach polnischem Recht etabliert war, war eine
Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht gemäß
§ 1594 Abs. 2 BGB (Verbot der statusfeindlichen Anerkennung) unwirksam.
Zu konkurrierenden Vaterschaften bereits zum Zeitpunkt der Geburt s.
BayObLG NJW-RR 2002, 1009 = IPRax 2002, 405.
S. dazu auch BGH v.
23.11.2011 - XII ZR 78/11 sowie die Anm. zu
BGH v. 3.8.2016 - XII ZB
110/16 und BGH v. 12.1.2022
- XII ZB 562/20.
©sl 2017
Gründe:
I.
1 Die Antragsteller, beide deutsche Staatsangehörige,
begehren die Eintragung des im Juli 2014 von der Antragstellerin geborenen
Kindes und des Antragstellers als dessen Vater im Geburtenregister.
Der Antragsteller erklärte vier Tage nach der Geburt mit Zustimmung der
Kindesmutter die Anerkennung der Vaterschaft. Die Antragstellerin
war seit 2006 mit dem Beteiligten zu 5, einem polnischen Staatsangehörigen,
verheiratet. Die Ehe ist seit dem 17. Juni 2014 rechtskräftig
geschieden.
2 Das Standesamt hat die Sache wegen Zweifeln an der Eintragung dem
Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Amtsgericht hat die beantragte
Anweisung des Standesamts abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die
Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der
Antragsteller mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er seine
Eintragung als Vater weiterverfolgt.
II.
3 Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
4 1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung in FamRZ
2016, 922 veröffentlicht ist, ist der Beteiligte zu 5 seit der Geburt des
Kindes dessen rechtlicher Vater. Diese Vaterschaft sei bisher nicht durch
eine wirksame Rechtshandlung beseitigt worden.
5 Die in Art. 19 Abs. 1 EGBGB für das anwendbare Recht aufgeführten
Anknüpfungsalternativen seien gleichrangig. Welches Recht berufen sei,
beurteile sich nach dem Günstigkeitsprinzip. Danach solle das Recht zur
Anwendung kommen, das für das Wohl des Kindes günstiger sei. Hier komme das
deutsche Recht in Betracht, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland habe und der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger sei.
Ferner könne aufgrund der Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 5
polnisches Recht zur Anwendung kommen.
6 Nach polnischem Sachrecht (Art. 62 § 1 Satz 1 des Familien- und
Vormundschaftsgesetzbuchs vom 25. Februar 1964 - FVGB) werde vermutet, dass
ein Kind, das vor Ablauf von 300 Tagen seit Beendigung der Ehe geboren
werde, vom (ehemaligen) Ehemann der Mutter abstamme. Darauf, ob das
polnische Recht auf das deutsche Recht zurückverweist, komme es an dieser
Stelle nicht an, weil eine Rückverweisung, die den Kreis der für eine
Abstammungsbestimmung zur Verfügung stehenden Rechtsordnungen einschränkt,
nach Art. 4 EGBGB nach dem Sinn der alternativen Anknüpfung in Art. 19 EGBGB
nicht zu beachten sei. Nach polnischem Recht sei deshalb bei der
Geburt die rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 5 begründet worden.
7 Bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt sei die Vaterschaft nach polnischem
Recht zu bestimmen gewesen, weil dies dem Wohl des Kindes entspreche.
Die Vaterschaft eines Mannes, der womöglich nicht der biologische
Vater sei, sei für das Kind günstiger als Vaterlosigkeit. Dies
ergebe sich schon aus den unterhalts- und erbrechtlichen Konsequenzen der
Vaterschaft, auch wenn das deutsche Sachrecht bei einem reinen Inlandsfall
Vaterlosigkeit in Kauf nähme. Eine andere Beurteilung sei auch dann nicht
gerechtfertigt, wenn ein anerkennungswilliger Dritter zur Verfügung stehe,
solange dieser die Anerkennungserklärung nicht abgegeben habe. Die
zukünftige Entwicklung, ob eine geplante und zugesagte
Vaterschaftsanerkennung tatsächlich durchgeführt werde, sei nicht
vorauszusehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit könne bei der Bestimmung des
Abstammungsstatuts nicht auf derartige ungewisse zukünftige Ereignisse
abgestellt werden.
8 Die Prüfung, welche Rechtsordnung für das Kind günstiger sei,
könne nicht bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung der Geburt unter
Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Anerkennung eines Dritten erneut
durchgeführt werden. Die Anerkennung sei nach § 1594 Abs. 2 BGB unwirksam,
wenn bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes begründet sei, auch wenn
sich diese Vaterschaft nur aus einer anderen Rechtsordnung ergebe.
Selbst wenn die nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB gleichberechtigt nebeneinander
berufenen Sachrechte jeweils isoliert für sich geprüft werden müssten, wäre
zu berücksichtigen, dass eine Rechtsordnung, die dem Kind zeitlich als erste
einen Vater zuordne, nicht durch eine spätere Anerkennungserklärung wieder
verdrängt werden könne, und eine ex lege bestehende Vaterschaft sich nicht
wieder verflüchtige, sondern nur auf dem gesetzlich dafür vorgesehenen Weg
der nach dem internationalen Privatrecht berufenen Rechtsordnung wieder
beseitigt werden könne.
9 Die Vaterschaft des Beteiligten zu 5 sei bisher nicht beseitigt worden.
Gemäß Art. 20 Satz 1 EGBGB könne die Vaterschaft nur nach polnischem Recht
angefochten werden, weil das Kind nach diesem auch die polnische
Staatsangehörigkeit habe. Eine Klage auf Anfechtung der Vaterschaft sei
bisher nicht erhoben worden.
10 Auch eine gemäß Art. 20 Satz 2 EGBGB nach deutschem Recht mögliche
Anfechtung der Vaterschaft durch das Kind sei nicht durchgeführt worden.
Eine Beseitigung der Vaterschaft des Beteiligten zu 5 entsprechend § 1599
Abs. 2 BGB komme nicht in Betracht. Denn für die qualifizierte Anerkennung
gelte auch hier Art. 20 EGBGB. Anfechtungsstatut sei danach das polnische
Recht, welches eine § 1599 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung nicht enthalte.
Auf Art. 20 Satz 2 EGBGB könne hier nicht zurückgegriffen werden, weil
dieser ein zusätzliches Anfechtungsstatut nur für das Kind begründe, das an
einer qualifizierten Anerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB nicht beteiligt sei.
Im Übrigen habe der Beteiligte zu 5 seine Zustimmungserklärung nicht in der
§ 1599 Abs. 2 iVm § 1597 Abs. 2 BGB entsprechenden Form abgegeben.
11 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12 a) Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung
eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Sie kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2
EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates
bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut), oder, wenn
die Mutter verheiratet ist, gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB
nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach
Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterliegen (Ehewirkungsstatut). Der Senat hat bereits
ausgesprochen, dass das Personalstatut und das Ehewirkungsstatut dem
Aufenthaltsstatut grundsätzlich gleichwertige Zusatzanknüpfungen sind (Senatsbeschlüsse
BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 28 und vom 3.
August 2016 - XII ZB 110/16 - FamRZ 2016, 1847 Rn. 8 mwN).
13 aa) Ist ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland nach der
Scheidung der Ehe seiner Mutter geboren worden und könnte es deshalb nach
deutschem Recht von einem Dritten ohne weiteres anerkannt werden,
kann dies zur Konkurrenz mit solchen über Art. 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 EGBGB
berufenen Rechtsordnungen führen, die das Kind als Abkömmling des
(geschiedenen) Ehemanns ansehen, wenn die Empfängniszeit noch in die Zeit
vor Beendigung der Ehe fiel (Senatsbeschluss
vom 3. August 2016 - XII ZB 110/16 -FamRZ 2016, 1847 Rn. 9 mwN).
14 Welchem der konkurrierenden Abstammungsstatute in diesen Fällen
der Vorrang gebührt, ist umstritten (vgl. bereits Senatsbeschluss
vom 3. August 2016 - XII ZB 110/16 - FamRZ
2016, 1847 Rn. 10 ff. mwN). Zum Teil wird vertreten, das Abstammungsstatut
in solchen Fällen vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes
anzuknüpfen, weil der Gesetzgeber Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB einerseits als
Regelanknüpfung ausgestaltet habe und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes
andererseits die engste Beziehung zum Sachverhalt aufweise (vgl. Andrae
Internationales Familienrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 27 und 33 ff.; Dethloff IPrax
2005, 326, 329 f.).
15 Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht mit
dem Beschwerdegericht davon aus, dass diejenige Rechtsordnung maßgeblich
sein soll, die dem Kind schon mit der Geburt zu einem Vater verhelfe
(Prioritätsgrundsatz), wofür teilweise auf das sogenannte
Günstigkeitsprinzip verwiesen wird. Dem Wohl des Kindes entspreche
es im Hinblick auf seine unterhalts- und erbrechtliche Absicherung am
besten, wenn ihm schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Vater zugeordnet
werde (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 686, 687; OLG Frankfurt FamRZ 2002,
688, 689; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698 und FamRZ 2016, 920, 922; OLG
Hamm FamRZ 2014, 1559, 1560 und FamRZ 2009, 126, 128; OLG Köln StAZ 2013,
319, 320; Dutta StAZ 2016, 200, 201 f.; Frie StAZ 2017, 104, 107 f.;
NK-BGB/Bischoff 3. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 24). Teilweise wird der
Prioritätsgrundsatz nicht aus einem kindeswohlbezogenen Günstigkeitsprinzip,
sondern aus dem formalen Ordnungskriterium hergeleitet, dass alle
nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechte gleichrangig seien (vgl.
Frank StAZ 2009, 65, 67) und diejenige Rechtsordnung, die dem Kind
zeitlich als erste einen Vater zuordne, demzufolge nur durch eine
Vaterschaftsanfechtung wieder verdrängt werden könne (vgl.
MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 16).
16 Weisen alternativ berufene Rechtsordnungen dem Kind hingegen
schon bei der Geburt verschiedene Väter zu, wird von der überwiegenden
Auffassung nach dem Günstigkeitsprinzip derjenigen Rechtsordnung der Vorzug
gegeben, die zum „wirklichen" Vater des Kindes führt (vgl. hierzu
im Einzelnen Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38; jurisPK-BGB/Duden
[Stand: März 2017] Art. 19 EGBGB Rn. 72 ff.).
17 Über die Fälle von schon bei Geburt des Kindes konkurrierenden
Abstammungsstatuten hinausgehend wird von einer Ansicht der Gesichtspunkt
der Abstammungswahrheit von vornherein als wesentliches Kriterium des
Günstigkeitsprinzips angesehen und deshalb generell der Rechtsordnung der
Vorzug gegeben, die dem Kind ohne Umwege möglichst schnell und ohne unnötige
Kosten zu seinem „wirklichen" Vater verhelfe (Henrich FamRZ 1998, 1401,
1402). Eine wirksame postnatale Vaterschaftsanerkennung durch den
mutmaßlichen Erzeuger soll sich gegenüber der auf einer geschiedenen Ehe
gegründeten Vaterschaftsvermutung nach ausländischem Recht durchsetzen
können, wenn die Anerkennung der Vaterschaft "zeitnah" nach der Geburt
angekündigt wird und die wirksame Vaterschaftsanerkennung im Zeitpunkt der
Beurkundung der Geburt durch den Standesbeamten vorliegt (vgl. OLG
Karlsruhe [11. Zivilsenat] FamRZ 2015, 1636, 1638; OLG München FamRZ 2016,
1599; AG Karlsruhe FamRZ 2007, 1585, 1586; AG Regensburg FamRZ 2003, 1856,
1857; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38, 43; jurisPK-BGB/Duden
[Stand: März 2017] Art. 19 EGBGB Rn. 68; vgl. auch AG Hannover FamRZ 2002,
1722, 1724 f.).
18 bb) Der Senat hat bislang offengelassen, in welchem Verhältnis
die Anknüpfungsalternativen zueinander stehen, wenn diese zu
unterschiedlichen Eltern-Kind-Zuordnungen führen, und welcher Alternative im
Konkurrenzfall der Vorrang gebührt (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 210,
59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 29 mwN und vom 3. August
2016 - XII ZB 110/16 - FamRZ 2016, 1847 Rn. 14). In der
vorliegenden Fallkonstellation bedarf es einer Entscheidung der Frage, ob
eine nach der Geburt nach deutschem Recht erklärte Anerkennung der
Vaterschaft den bereits zum Zeitpunkt der Geburt aufgrund einer anderen nach
Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechtsordnung begründeten Status im
Konkurrenzwege verdrängen kann. Die Frage ist zu verneinen.
19 (1) Die rechtliche Vater-Kind-Zuordnung ist bereits zum Zeitpunkt der
Geburt des Kindes festzustellen. Die Abstammung im Sinne von Art. 19 EGBGB
ist die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung kraft Gesetzes (Senatsbeschluss
BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 27). Sinn und Zweck der durch das
Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942)
eingeführten mehrfachen Anknüpfung bestehen wie bei der zuvor in Art. 20
Abs. 1 EGBGB aF für die nichteheliche Kindschaft enthaltenen
Mehrfachanknüpfung darin, dem Kind nach Möglichkeit zu einem rechtlichen
Vater zu verhelfen (Henrich FamRZ 1998, 1401, 1402; zum früheren Recht vgl.
MünchKommBGB/Klinkhardt 3. Aufl. Art. 20 EGBGB Rn. 4 mwN). Da die
statusrechtliche Eltern-Kind-Zuordnung kraft Gesetzes erfolgt, ist diese
bereits mit Erlangung der Rechtsfähigkeit durch das Kind festzustellen. Die
Rechtsfähigkeit tritt nach § 1 BGB (iVm Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, § 4 Abs.
1 Satz 1 StAG) mit Vollendung der Geburt ein; eine
Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes sieht das deutsche
Abstammungsrecht nicht vor (Senatsbeschluss vom 24. August 2016 -
XII ZB 351/15 - FamRZ 2016, 1849 Rn. 28), was jedenfalls
grundsätzlich auch für die kollisionsrechtliche Regelung des Art. 19 Abs. 1
EGBGB gilt (zur möglichen analogen Anwendung vgl. Senatsbeschluss
vom 24. August 2016 - XII ZB 351/15 - FamRZ 2016, 1849 Rn. 11 ff.).
Dementsprechend kann auch (entgegen Dethloff IPRax 2005, 326, 329 f.) nicht
mit der Vaterschaftszuordnung abgewartet werden, bis das Aufenthaltsstatut
nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ebenfalls eine rechtliche
Vater-Kind-Zuordnung ergibt.
20 (2) Ist dem Kind schon bei der Geburt nach einer der von Art. 19
Abs. 1 EGBGB alternativ berufenen Rechtsordnungen nur ein Vater zugeordnet,
so steht dieser jedenfalls grundsätzlich als rechtlicher Vater des Kindes
fest.
21 Eine erneute Beurteilung der Vater-Kind-Zuordnung zum Zeitpunkt der
Eintragung in das Geburtenregister ist nicht vorzunehmen, nachdem bereits
eine Vater-Kind-Zuordnung kraft Gesetzes erfolgt ist. Denn die
erstmalige rechtliche Festlegung der Vaterschaft darf nach Sinn und Zweck
der alternativen Anknüpfung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB nicht bis zur späteren
Eintragung der Geburt im Geburtenregister in der Schwebe bleiben.
Anderenfalls bestünde für das Kind zunächst eine rechtliche Vaterlosigkeit,
die durch Art. 19 Abs. 1 EGBGB gerade vermieden werden soll. Die Eintragung
in das deutsche Geburtenregister eignet sich als zeitlicher Anknüpfungspunkt
der Vater-Kind-Zuordnung schon deswegen nicht, weil der Eintragung
hinsichtlich der Eltern-Kind-Zuordnung keine konstitutive Wirkung zukommt
(vgl. Hepting/Dutta Familie und Personenstand 2. Aufl. Rn. I-10). Zwar
werden mit der Eintragung vom Gesetz zuweilen materiellrechtliche Wirkungen
verknüpft, so etwa der Erwerb der Staatsangehörigkeit mit der Eintragung der
Auslandsgeburt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn.
18). Eine solche Wirkung kommt nach deutschem Recht dem
Personenstandsregister bezüglich der Eltern-Kind-Zuordnung hingegen
grundsätzlich nicht zu (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 203, 350 = FamRZ 2015, 240
Rn. 22).
22 Das Beschwerdegericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei
Geburt des Kindes zunächst ungewiss ist, ob eine Anerkennung der Vaterschaft
erfolgen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 3. August 2016 - XII ZB
110/16 -FamRZ 2016, 1847 Rn. 14; Hepting StAZ 2000, 33, 40). Dass
der Anerkennende, wie die Gegenauffassung anführt, in der Regel der
„wirkliche" (biologische) Vater ist, ist mangels entsprechender Überprüfung
keineswegs gesichert (vgl. Senatsurteil BGHZ 197, 242 = FamRZ 2013,
1209 Rn. 2). So hat der Umstand, dass gerade in grenzüberschreitenden Fällen
Anerkennungen nicht selten zu gesetzesfremden Zwecken erklärt werden, jüngst
zu Maßnahmen des Gesetzgebers geführt, durch die missbräuchliche
Vaterschaftsanerkennungen unterbunden werden sollen (Entwurf eines Gesetzes
zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, BT-Drucks. 18/12415, Art. 4,
§ 1597a BGB-E: Verbot der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft; Art.
1, § 85a AufenthG-E).
23 Nicht zu verkennen ist allerdings, dass es in den Fällen, in denen eine
von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufene Rechtsordnung die Vaterstellung auch bei
Geburt des Kindes nach Rechtskraft der Scheidung noch dem geschiedenen
Ehemann der Mutter zuweist, dieser in den meisten Fällen nicht der
biologische Vater des Kindes sein und demzufolge regelmäßig ein
Vaterschaftsanfechtungsverfahren erforderlich wird. Hiermit verbundenen
Schwierigkeiten ist indessen erst bei der Frage der Beseitigung der
Vaterschaft Rechnung zu tragen.
24 (3) Aufgrund der bereits seit Geburt bestehenden rechtlichen Vaterschaft
ist die Anerkennung durch einen anderen Mann nach § 1594 Abs. 2 BGB
versperrt. Eine Anerkennung der Vaterschaft wird mithin erst nach
Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft möglich.
25 Dabei ist auf die Anerkennung im vorliegenden Fall gemäß Art. 19 Abs. 1
Satz 1 und 2 EGBGB das deutsche Recht anzuwenden, weil sowohl der
gewöhnliche Aufenthalt des Kindes als auch die Staatsangehörigkeit des
Beteiligten zu 4 zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts führen.
26 Die rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 5 führt dazu, dass
die seitens des Beteiligten zu 4 erklärte Anerkennung nach § 1594 Abs. 2 BGB
unwirksam ist (vgl. Dutta StAZ 2016, 200, 201). Ob etwas anderes
gelten könnte, wenn die auf die Anerkennung anwendbare Rechtsordnung im
Unterschied zum deutschen Recht eine Anerkennungssperre nicht vorsieht und
das ausländische Recht der Anerkennung eine die Vaterschaftsvermutung des
Ehemanns verdrängende Wirkung zumisst (vgl. Hepting/Dutta Familie und
Personenstand 2. Aufl. Rn. V-201 ff.), oder ob auch auf eine solche Folge
vorrangig Art. 20 EGBGB anzuwenden ist, braucht hier nicht entschieden zu
werden.
27 (4) Das Beschwerdegericht ist daher zutreffend davon ausgegangen,
dass auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen ist und zu diesem Zeitpunkt
allein das Personalstatut des Beteiligten zu 5 eine Vaterschaftszuordnung
ergibt. Bezüglich der Anwendung des polnischen Rechts sind im
Rechtsbeschwerdeverfahren keine Beanstandungen erhoben worden. Das
Beschwerdegericht hat eine etwaige im polnischen Recht enthaltene
Rückverweisung im Ergebnis zutreffend dahingestellt sein lassen, weil eine
solche mit dem Ergebnis der Vaterlosigkeit dem Sinn der alternativen
Anknüpfung in Art. 19 EGBGB zuwider liefe (vgl. OLG Celle 2011,
1518, 1520; OLG Hamm FamRZ 2009, 126; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697;
MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 29 mwN; Palandt/Thorn BGB 76.
Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 2; vgl. auch Dutta StAZ 2016, 200, 201).
28 b) Eine nachträgliche Beseitigung der mit Geburt des Kindes entstandenen
rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 5 hat das Beschwerdegericht zu
Recht verneint.
29 Nach der Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beseitigung
der Vaterschaftszuordnung auch dann nach Art. 20 EGBGB, wenn diese nicht
durch ein gerichtliches Anfechtungsverfahren, sondern im Wege
rechtsgeschäftlicher Erklärungen möglich ist (Senatsurteil vom
23. November 2011 - XII ZR 78/11 - FamRZ 2012,
616 Rn. 19).
30 aa) Die Anwendung des Art. 20 Satz 1 EGBGB führt im vorliegenden
Fall zum polnischen Recht als der Rechtsordnung, aus der sich die
Vaterschaft ergibt. Das polnische Recht sieht nach den nicht zu
beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts eine Beseitigung der
Vaterschaft nur im Wege eines gerichtlichen Anfechtungsverfahrens vor,
welches im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden ist.
31 bb) Ob Art. 20 Satz 2 EGBGB auch auf eine mögliche Beseitigung der
Vaterschaft durch qualifizierte Anerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB anwendbar
ist (dafür etwa Hepting/Dutta Familie und Personenstand 2. Aufl. Rn. V-329
f.) oder ob dies entsprechend der Auffassung des Beschwerdegerichts deswegen
ausgeschlossen ist, weil das Kind an dem Verfahren nicht (unmittelbar)
beteiligt ist, kann hier offenbleiben. Denn nach den Feststellungen des
Beschwerdegerichts fehlt es bereits an der nach § 1599 Abs. 2 BGB
erforderlichen Zustimmungserklärung des Beteiligten zu 5.
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