IZPR: Internationale Zuständigkeit nach Art. 15 I
lit. c EuGVO (Verbrauchergerichtsstand) - kein Erfordernis eines
Fernabsatzvertrags; "Ausrichten" durch "passive Webseite"
BGH, Urteil vom 24. April 2013 - XII
ZR 10/10 - OLG Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die Anwendbarkeit von Art. 15 Abs.
1 lit. c EuGVVO setzt nicht voraus, dass der Vertrag zwischen Verbraucher
und Unternehmer mit Mitteln des Fernabsatzes geschlossen wurde (im Anschluss
an EuGH Urteil vom 6. September 2012 - C-190/11
-ABl EU 2012, Nr. C 355, 6 = NJW 2012, 3225).
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
EuGH NJW 2012, 3225 sowie zu
BGH, Beschluss vom 1. Februar 2012 - XII ZR 10/10
(Vorlagebeschluss zum EuGH). Vorliegend geht es um die Fortsetzung desselben
Verfahrens, nachdem der EuGH die Vorlagefrage in einem anderen Verfahren
entschieden hatte. Der BGH hatte daraufhin seine Vorlage zurückgezogen (weil
jetzt ein "acte clair" vorliegt). S. dazu auch EuGH
NJW 2011, 505 ff. Zur Beweislast s. BGH v.
15.1.2015 - I ZR 88/14.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht gegen den
Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines Mietvertrags über ein
Wohnmobil geltend. Zwischen den Parteien ist die internationale
Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts streitig.
2 Die Klägerin, die ihren Geschäftssitz in Deutschland hat, vermietet
Wohnmobile. Im Januar 2008 unterhielt sie eine Homepage, auf der die
Möglichkeit bestand, einen mit "Wegbeschreibung" bezeichneten Link
anzuklicken. Dieser Link führte zu einer Straßenkarte, in der auch die
Anfahrt aus der Grenzregion der Niederlande eingezeichnet war. Außerdem
befand sich an mehreren Stellen des Internet-Auftritts der Klägerin neben
einer niederländischen Flagge der Hinweis "Wij spreken Nederlands!".
3 Der Beklagte, der in den Niederlanden wohnt, erkundigte sich im Januar
2008 nach der Anmietung eines Wohnmobils. Nachdem die Parteien mehrere
E-Mails gewechselt hatten, schickte die Klägerin dem Beklagten per Fax einen
Reservierungsantrag, den der Beklagte unterschrieben an die Klägerin -
ebenfalls per Fax - zurückschickte. Auf der Rückseite des
Reservierungsantrags waren die von der Klägerin verwendeten Allgemeinen
Mietbedingungen für die Anmietung eines Reisemobils abgedruckt, die in
Ziffer 19 eine Gerichtsstandsvereinbarung enthielten, nach der für alle
Streitigkeiten aus oder über diesen Vertrag als Gerichtsstand der Sitz des
Vermieters vereinbart wird, soweit der Mieter keinen allgemeinen
Gerichtsstand im Inland hat.
4 Zu einem späteren Zeitpunkt leistete der Beklagte in den Geschäftsräumen
der Klägerin die für die Reservierung des Fahrzeugs vereinbarte Anzahlung.
Im Juli 2008 schlossen die Parteien in den Geschäftsräumen der Klägerin den
Mietvertrag über das reservierte Wohnmobil.
5 Wegen technischer Defekte des Motors, die zwischen den Parteien streitig
sind, erhielt die Klägerin das Fahrzeug erst nach Ablauf der vereinbarten
Mietzeit zurück. Mit der Klage macht sie den ihr aus der verspäteten
Rückgabe entstandenen Schaden geltend.
6 Das Landgericht hat über die Zulässigkeit der Klage gesondert verhandelt
und durch Zwischenurteil festgestellt, dass es für die Entscheidung des
Rechtsstreits international zuständig sei. Die Berufung des Beklagten ist
erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
möchte der Beklagte weiter die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils.
Auf die Berufung des Beklagten ist das landgerichtliche Zwischenurteil
abzuändern und die Klage als unzulässig abzuweisen, weil das Landgericht
international für die Entscheidung nicht zuständig ist.
I.
8 Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NZM 2010, 495 ff.
veröffentlicht ist, hat zur Begründung ausgeführt, die internationale
Zuständigkeit richte sich nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr.
44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.
Dezember 2000 (ABl. EG 2001 Nr. L12 S. 1; Brüssel I-VO = EuGVVO). Die
Parteien hätten eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen, die entsprechend
der Bestimmung des Art. 23 EuGVVO wirksam sei und als Gerichtsstand den Sitz
der Klägerin bestimme.
9 Die getroffene Gerichtsstandsvereinbarung sei nicht gemäß Art. 17 EuGVVO
i.V.m. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam, weil keine Verbrauchersache im Sinne
des hier allein in Betracht kommenden Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO vorliege.
Zwar sei der Beklagte Verbraucher im Sinne des Art. 15 Abs. 1 EuGVVO. Es
liege aber gleichwohl keine Verbrauchersache vor, weil die Klägerin ihre
berufliche Tätigkeit nicht im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO auf den
Wohnsitzstaat des Beklagten "ausgerichtet" habe. Diese Voraussetzung sei nur
erfüllt, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers eine "aktive" Website
betreibe, bei der über das Internet Verträge abgeschlossen werden könnten.
Eine solche "aktive" Website habe die Klägerin nicht betrieben. Bei einer
"passiven" Website könne ein "Ausrichten" i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c
EuGVVO nur dann angenommen werden, wenn der Verbraucher im Internet zum
Vertragsschluss zumindest motiviert worden sei. Ob der Beklagte durch den
Internetauftritt der Klägerin zum Vertragsschluss motiviert worden sei,
könne aber dahinstehen. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO finde jedenfalls
deshalb keine Anwendung, weil der Abschluss des Mietvertrags nicht im
Fernabsatz erfolgt sei, sondern anlässlich eines persönlichen Kontaktes der
Parteien am Sitz der Klägerin.
II.
10 Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Parteien eine
wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO geschlossen
und als Gerichtsstand den Sitz der Klägerin bestimmt haben.
11 1. Ob das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit eines
deutschen Gerichts zu Recht oder zu Unrecht abgelehnt hat, ist in der
Revision unbeschadet des § 545 Abs. 2 ZPO uneingeschränkt zu überprüfen
(vgl. BGHZ 167, 83 = NJW 2006, 1672, 1673 mwN).
12 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im vorliegenden
Fall gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 EuGVVO nach Maßgabe der Art.
5 bis 24 EuGVVO bestimmt, da die Parteien ihren Sitz jeweils im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben und der in den Niederlanden
wohnhafte Beklagte abweichend von Art. 2 EuGVVO vor den Gerichten eines
anderen Mitgliedstaates, nämlich in Deutschland, verklagt wird. Der
Beklagte hat das Fehlen der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte
in beiden Rechtszügen von Anfang an gerügt und in zulässiger Weise lediglich
vorsorglich für den Fall, dass sich das angerufene deutsche Gericht für
international zuständig halten sollte, auch zur Hauptsache vorgetragen, so
dass es an einer zuständigkeitsbegründenden Einlassung auf das Verfahren im
Sinne von Art. 24 EuGVVO fehlt (vgl. Gei-mer/Schütze Europäisches
Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 24 EuGVVO Rn. 46 mwN).
13 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch die in Ziffer
19 der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Mietbedingungen der Klägerin
für die Anmietung eines Reisemobils enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung
gemäß Art. 17 i.V.m. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam. Die Streitigkeit der
Parteien ist eine Verbrauchersache nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO, bei
der die Klage gegen einen Verbraucher gem. Art. 16 Abs. 2 EuGVVO nur vor den
Gerichten des Mitgliedstaates erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet
der Verbraucher seinen Wohnsitz hat und eine Gerichtsstandsvereinbarung nur
unter den - im vorliegenden Fall nicht gegebenen Voraussetzungen - des Art.
17 EuGVVO möglich ist.
14 a) Nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO handelt es sich um eine
Verbrauchersache, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers in dem
Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat,
eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf
irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten,
einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den
Bereich dieser Tätigkeit fällt. Durch diese Regelung soll neben der gezielt
auf den Wohnsitzstaat des jeweiligen Verbrauchers gerichteten Werbung vor
allem auch der so genannte elektronische Handel über das Internet erfasst
werden, bei dem ein Vertragsschluss auf ausschließlich elektronischem Wege
zustande kommt (BGH Urteil vom 17. September 2008 - III ZR 71/08 - NJW 2009,
298 Rn. 8; Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 15
EuGVVO Rn. 37; Krophol-ler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl.
Art. 15 EuGVO Rn. 23). Da bei Verträgen, die über das Internet abgeschlossen
wurden, nur selten festzustellen ist, wo die Handlung, die zum
Vertragsschluss führte, vorgenommen worden ist, kommt es, anders als nach
dem bisherigen Recht (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b EuGVÜ), auf den Ort des
Vertragsschlusses oder der Vornahme der dafür erforderlichen
Rechtshandlungen nicht an. Nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO wird die
notwendige Verbindung zum Staat des Verbrauchers schon dadurch geschaffen,
dass dessen Vertragspartner seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet
(vgl. BGH Urteil vom 17. September 2008 - III ZR 71/08 - NJW 2009, 298 Rn.
8; Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 15 EuGVO
Rn. 23 mwN).
15 b) Unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmer, der eine
Internetseite unterhält, in diesem Sinne seine Tätigkeit auf einen
Mitgliedstaat ausrichtet, war umstritten. Die herrschende Meinung
in Rechtsprechung und Schrifttum differenzierte danach, ob der Unternehmer
eine aktive oder nur eine passive Website betreibt. Während Einigkeit
darüber bestand, dass der Verbraucherschutzgerichtsstand des Art. 15 Abs. 1
lit. c EuGVVO jedenfalls dann gegeben ist, wenn der Unternehmer eine aktive
Website betreibt, bei der unmittelbar über die Internetseite, etwa durch das
Anklicken eines entsprechenden Symbols, ein Vertragsschluss erfolgen kann
(vgl. BGH Beschluss vom 17. September 2009 - III ZR 71/08 - NJW 2009, 298 Rn.
9 mwN), wurde der Betrieb einer passiven Website nur dann für
ausreichend gehalten, wenn sie eine Aufforderung zum Vertragsschluss im
Fernabsatz enthielt und es auf diesem Weg auch tatsächlich zu einem
Vertragsschluss kam (vgl. zum Streitstand Kropholler/von Hein
Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 15 EuGVO Rn. 27; Geimer/Schütze
Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 15 EuGVVO Rn. 37 f.).
16 c) Nach Erlass des angegriffenen Berufungsurteils hat sich der
Gerichtshof der Europäischen Union (nachfolgend: Europäischer Gerichtshof)
aufgrund einer Vorlage des Österreichischen Obersten Gerichtshofs in einem
Vorabentscheidungsverfahren erstmals zu der Frage geäußert, unter welchen
Voraussetzungen ein Gewerbetreibender durch einen Internetauftritt seine
Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedstaat i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c
EuGVVO ausrichtet (Urteil
vom 7. Dezember 2010 - C-585/08 und C-144/09 - Pammer/Schlüter und
Alpenhof/Heller - ABl EU 2011, Nr. C 55, 4-5 = NJW 2011, 505 ff.).
17 In der von der bisher herrschenden Meinung herangezogenen Unterscheidung
zwischen Websites, die eine Kontaktaufnahme mit dem Gewerbetreibenden per
E-Mail oder sogar einen Vertragsschluss online mittels einer sogenannten
"interaktiven" Website ermöglichen, und Websites ohne diese Möglichkeit
sieht der Europäische Gerichtshof kein taugliches Kriterium für die
Auslegung des Begriffs des "Ausrichtens" i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO.
Diese Kontaktmöglichkeit bestehe unabhängig davon, ob der Gewerbetreibende
Geschäfte mit Verbrauchern zu tätigen beabsichtige, die in anderen
Mitgliedstaaten als dem seiner Niederlassung wohnhaft sind (EuGH aaO Rn.
79).
18 Für die Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO sieht der
Europäische Gerichtshof als entscheidendes Merkmal an, ob der
Gewerbetreibende bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss seinen Willen
zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder
mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des
Verbrauchers, herzustellen (EuGH aaO Rn. 75). Deshalb sei im Fall
eines Vertrags zwischen einem Gewerbetreibenden und einem bestimmten
Verbraucher zu ermitteln, ob vor dem Vertragsschluss mit diesem Verbraucher
Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, dass der Gewerbetreibende Geschäfte
mit Verbrauchern tätigen wolle, die in anderen Mitgliedstaaten wohnhaft
sind, darunter in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche
Verbraucher seinen Wohnsitz habe, und zwar in dem Sinne, dass der
Gewerbetreibende zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit
gewesen sei (EuGH aaO Rn. 76).
19 Anhaltspunkte dafür, dass ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit
auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat, können sich
nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs beispielsweise aus dem
internationalen Charakter der Tätigkeit des Gewerbetreibenden, der Angabe
von Anfahrtsbeschreibungen aus anderen Mitgliedstaaten zu dem Ort, an dem
der Gewerbetreibende niedergelassen ist, oder der Verwendung einer anderen
Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des
Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der
Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache
ergeben (EuGH aaO Rn. 93; kritisch dazu Leible/Müller NJW 2011,
495, 496 f.; Hein JZ 2011, 954, 955; Clausnitzer EuZW 2011, 104, 105).
20 Dabei obliege es dem nationalen Richter zu prüfen, ob diese Anhaltspunkte
vorliegen (EuGH aaO Rn. 93).
21 d) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs
hat die Klägerin durch die Gestaltung ihres Internetauftritts ihre
Geschäftstätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Beklagten ausgerichtet.
22 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin zwar nur
eine "passive" Webseite betrieben, weil ihr Internetauftritt die Möglichkeit
nicht vorsah, "online" einen Mietvertrag abzuschließen. Sie hat jedoch durch
die Gestaltung ihrer Website ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, Personen
mit Wohnsitz in den Niederlanden als Kunden werben zu wollen. Mit der
Verwendung der niederländischen Flagge und dem ausdrücklichen Hinweis "Wij
spre-ken Nederlands!" auf den Seiten ihrer Homepage hat sich die Klägerin
gezielt an Personen aus den Niederlanden gerichtet. Außerdem konnte über die
Website eine Anfahrtsskizze aufgerufen werden, in die auch eine
Wegbeschreibung aus dem Grenzbereich der Niederlande eingezeichnet war. Auf
der Grundlage der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Dezember
2010 liegen damit ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin
i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ihre Geschäftstätigkeit auf den
Wohnsitzstaat des Beklagten ausgerichtet hat.
23 4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der
Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO im vorliegenden Fall auch
nicht entgegen, dass der Mietvertrag nicht im Wege des Fernabsatzes
abgeschlossen wurde.
24 a) Zu der Frage, ob Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO in Fällen, in denen der
Internetauftritt eines Gewerbetreibenden das Merkmal des "Ausrichtens"
erfüllt, zusätzlich voraussetzt, dass der mit dem Verbraucher geschlossene
Vertrag mit Mitteln des Fernabsatzes zustande gekommen ist, verhält sich das
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Dezember 2010 allerdings nicht
(vgl. hierzu die Entscheidungsbesprechungen von Staudinger/Steinrötter EWS
2011, 70, 73 f.; Mankowski EWiR 2011, 111, 112; Höppner jurisPR-ITR 8/2011
Anm. 3; Clausnitzer EuZW 2011, 104, 105). Daher wurde im Schrifttum auch
nach dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Auffassung
vertreten, eine Verbrauchersache i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO könne
nur unter der zusätzlichen Voraussetzung angenommen werden, dass es zu einer
vertraglichen Bindung mit den Mitteln des Fernabsatzes gekommen ist
(Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 15 EuGVO
Rn. 27; von Hein JZ 2011, 954, 957). Die überwiegende Meinung in
Rechtsprechung und Literatur hielt dagegen einen Vertragsschluss im Wege des
Fernabsatzes nicht für zwingend erforderlich. Um eine unangemessene
Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO zu
verhindern, sei es jedoch neben der Erfüllung des Begriffs des "Ausrichtens"
erforderlich, dass der Internetauftritt des Unternehmers für den konkreten
Vertragsschluss mit dem Verbraucher zumindest ursächlich geworden sei (vgl.
BGH Urteil vom 17. September 2008 - III ZR 71/08 - NJW 2009, 298 Rn. 11; OLG
Karlsruhe IPRax 2008, 348, 349; OLG Dresden IPRax 2006, 44, 46; LG München
IPRspr. 2007 Nr. 143, 405, 406; Rauscher/Staudinger EuZPR/EulPR [2011] Art.
15 Brüssel l - VO Rn. 18; Schlosser EuGVVO 3. Aufl. Art. 15 Rn. 8; Leible/Müller
NJW 2011, 495, 497; Mankowski IPRax 2009, 238, 242 f.; Höppner jurisPR-ITR
8/2011 Anm. 3; Staudinger/Czaplinksi NZM 2010, 461, 462 f.; Musielak/Stadler
ZPO 10. Aufl. Art. 15 EuGVVO Rn. 8).
25 b) Der erkennende Senat hat mit
Beschluss vom 1. Februar 2012 (XII
ZR 10/10 - NJW-RR 2012, 436 ff.) das Verfahren ausgesetzt
und die Frage, ob eine Verbrauchersache i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO
nur vorliegt, wenn der Vertragsschluss mit Mitteln des Fernabsatzes erfolgt,
dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zur
Vorabentscheidung vorgelegt. Nachdem der Europäische Gerichtshof in einem
weiteren Vorabentscheidungsverfahren mit
Urteil vom 6. September 2012
(C-190/11 - ABl EU 2012, Nr. C 355, 6 = NJW 2012, 3225 ff.)
die Vorlagefrage dahingehend beantwortet hat, dass die
Anwendung von Art. 15 Abs. 1 lit c EuGVVO nicht voraussetzt, dass die von
ihm erfassten Verträge im Fernabsatz geschlossen wurden, hat der Senat auf
Anregung des europäischen Gerichtshofs seine Vorlage zurückgenommen.
26 Zur Begründung hat der Europäische Gerichtshof in der genannten
Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
27 Obwohl Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO keinen absoluten
Verbraucherschutz gewähre und das Erfordernis eines Abschlusses der
Verbraucherverträge im Fernabsatz in der zu Art. 15 und 73 EuGVVO
abgegebenen gemeinsamen Erklärung der Kommission und des Rates (abgedruckt
in IPRax 2001, 259, 261) und im 24. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr.
593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 17. Juli 2008 (Abl. EU Nr. L 177,
S. 6; ber. 2009 Nr. L 309 S. 87 - Rom l - VO) genannt sei, ergebe sich aus
der grammatikalischen Auslegung, der Entstehungsgeschichte und der
teleologischen Auslegung, dass Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO einen
Vertragsabschluss mit Mitteln des Fernabsatzes nicht voraussetze (EuGH aaO
Rn. 33 f.).
28 Nach dem Wortlaut mache Art. 15 Abs. 1 lit. c EUGVVO seinen
Anwendungsbereich nicht ausdrücklich davon abhängig, dass die von ihm
erfassten Verträge im Fernabsatz geschlossen worden seien (EuGH aaO Rn. 35
f.). Die Vorschrift sei anwendbar, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt seien.
Erstens sei es erforderlich, dass der Gewerbetreibende seine berufliche oder
gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausübe oder
sie auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten,
einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichte, und zweitens, dass der
streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit falle.
29 Außerdem habe der Unionsgesetzgeber die Voraussetzungen des Art. 13 des
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September
1968 (EuGVÜ), wonach auf der einen Seite der Gewerbetreibende im
Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot gemacht oder
Werbung betrieben und auf der anderen Seite der Verbraucher die zum
Vertragsschluss erforderlichen Rechtshandlungen in diesem Staat vorgenommen
haben müsse, durch Voraussetzungen ersetzt, die sich allein auf den
Gewerbetreibenden beziehen (EuGH aaO Rn. 39).
30 Schließlich sei zur teleologischen Auslegung von Art. 15 Abs. 1 lit. c
EuGVVO festzustellen, dass das zusätzliche Erfordernis eines
Vertragsschlusses im Fernabsatz dem mit dieser Bestimmung in ihrer weniger
restriktiven neuen Formulierung verfolgten Ziel - Schutz der Verbraucher als
der schwächeren Vertragspartei - zuwiderliefe (EuGH aaO Rn. 42).
31 Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs vom 7. Dezember 2010 (C-585/08
und C-144/09 - Pam-mer/Schlüter und Alpenhof/Heller - ABl EU 2011, Nr. C 55,
4-5 = NJW 2011, 505 Rn. 86 f.). Dort habe der Europäische
Gerichtshof zum Vorbringen der Gewerbetreibenden, Art. 15 Abs. 1 lit. c
EuGVVO sei nicht anwendbar, weil der Vertrag mit dem Verbraucher an Ort und
Stelle und nicht im Fernabsatz geschlossen werde, zwar festgestellt, dass
dieses Vorbringen im konkreten Fall ins Leere gegangen sei, da die Buchung
des Hotelzimmers und ihre Bestätigung tatsächlich im Fernabsatz erfolgt
waren. Dabei sei der Europäische Gerichtshof aber nur auf das
Parteivorbringen eingegangen, ohne dass diesen Ausführungen eine über die
spezifischen Umstände dieser Rechtssache hinausreichende Bedeutung
beizumessen gewesen sei (EuGH aaO Rn. 43 f.).
32 Daher sei Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO dahin auszulegen, dass er nicht
verlange, dass der Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im
Fernabsatz geschlossen worden sei.
33 5. Nach dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der
sich der Senat anschließt, ist es im hier zu entscheidenden Fall für die
Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO unerheblich, dass der
Mietvertrag über das Wohnmobil nicht mit Mitteln des Fernabsatzes
abgeschlossen wurde. Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage der
Kausalität zwischen dem Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit und dem
Vertragsschluss (vgl. hierzu LG Saarbrücken Vorlagebeschluss vom 27. April
2012 - 5 S 68/12 - juris) kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil der
Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die von der
Klägerin betriebene Webseite auf deren Unternehmen aufmerksam geworden ist.
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34 Liegt somit eine Verbrauchersache vor, ist die in den allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung
gemäß Art. 17 EuGVVO i.V.m. Art. 23 Abs. 5 EuGVVO unwirksam. Dies
führt zur fehlenden internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
und zur Unzulässigkeit der Klage.
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