Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Art. 15
I lit. c Brüssel I-VO (= Art. 17 I lit. c Brüssel Ia-VO); Beweislast,
sekundäre Beweislast; Pflicht zum substantiierten Bestreiten (§ 138 II ZPO);
"effet utile"
BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I
ZR 88/14
Fundstelle:
NJW 2015, 2339
Amtl. Leitsatz:
a) Für eine Klage auf Zahlung von Maklerlohn ist
eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 1
Brüssel-I-VO unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes gegeben, wenn der
Makler seine Leistungen in Deutschland erbracht hat.
b) Beruft sich der Kunde des Maklers darauf, der Maklervertrag stelle eine
Verbrauchersache im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO dar, so
dass eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte seines Wohnsitzlandes
nach Art. 16 Abs. 2 Brüssel-I-VO in Betracht kommt, ist er dafür
darlegungsund beweispflichtig, dass der Makler bei Abschluss des
Maklervertrags seine Tätigkeit auf Verbraucher in seinem Wohnsitzland
ausgerichtet hat.
c) Hat der Verbraucher zuständigkeitsleugnende Tatsachen zum Zeitpunkt der
Einleitung des Klageverfahrens im Einzelnen dargelegt und bewiesen und hatte
er bei Abschluss des Vertrags mit dem Makler keinen Anlass, Beweise hierfür
zu sichern, obliegt es dem Makler, diesen Vortrag mit detailliertem
Vorbringen zu bestreiten, wenn er sich auf in seiner Sphäre liegende
zuständigkeitsbegründende Vorgänge beruft.
Zentrale Probleme:
Die für die entsprechenden Schwerpunktbereiche
interessante Entscheidung erging noch zur früheren Fassung der EuGVO (sog.
Brüssel I-VO). Er wäre
aber nach der seit dem geltenden neuen Fassung der
EuGVO (Brüssel Ia-VO) nicht anders
zu entscheiden. Die hier relevante Regelung des Art. 15 EuGVO entspricht
wortgleich Art. 17 EuGVO 2015.
Der Sache nach geht es um das "Ausrichten" einer Geschäftstätigkeit auf ein
bestimmtes Land zur Begründung des Verbrauchergerichtsstands nach Art. 15
EuGVO bzw. Art. 17 EuGVO n.F.. Hier ist schon lange anerkannt, dass das
Unterhalten auch einer nur "passiven" Webseite in der Sprache eines Staats
ein solches "Ausrichten" der Geschäftstätigkeit des Unternehmers auf diesen
Staat begründen kann und ein Vertragsabschluss im Fernabsatz nicht
erforderlich ist, um die Zuständigkeit zu begründen (s. dazu
BGH NJW 2009, 298,
EuGH NJW 2011,
505 sowie die Anm. zu
EuGH v. 6.9.2012 -
Rs. C-190/11 (Mühlleitner), BGH v.
1.2.2012 - XII ZR 10/10 sowie
BGH v. 28.2.2012 - XI ZR 9/11 und
BGH vom 24. April 2013 - XII ZR
10/10, ZIP 2013, 1141 ).
Hier geht es jetzt um die Frage der Beweislast, da nicht klar war, ob die
Webseite des Klägers bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf die
Niederlande "ausgerichtet" war. An sich hat das der beklagte Verbraucher,
der sich auf die Unzuständigkeit der Gerichte des Erfüllungsorts nach Art. 5
Nr. 1 EugVO (= Art. 7 Nr. 1 EuGVO 2015) beruft zu beweisen, weil es sich um
einen "zuständigkeitsleugnenden Ausnahmetatbestand" handelt (s. dazu bei
Rn. 26 ff.). Der Senat legt dem Kläger hier aber eine
prozessuale sekundäre Behauptungslast auf, um die "praktische Wirksamkeit"
des durch die Vorschrift verfolgten Verbraucherschutzes (also den "effet
utile") zu wahren (s dazu bei Rn. 29 ff). Der Begriff der
sekundären Behauptungslast entstammt dem Prozessrecht: Steht eine
darlegungs- und beweispflichtige Partei außerhalb des für seine
Rechtsposition erheblichen Geschehensablaufs und kennt die andere Partei
alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den Grundsätzen über die
sekundäre Darlegungslast sein einfaches Bestreiten nicht, sofern ihm nähere
Angaben zuzumuten sind. Einfaches Bestreiten führt dann zu einer
Geständnisfiktion nach
§ 138 Abs.
3 ZPO (s. bei Rn. 30).
©sl 2015
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist eine in Kleve
ansässige Immobilienmaklerin. Sie unterhält einen deutschsprachigen
Internetauftritt. Im Jahr 2011 enthielten ihre Internetseiten und das dort
abrufbare Kontaktformular eine niederländische Flagge und in
niederländischer Sprache in orangefarbener Schrift den sinngemäßen Hinweis
"Informationen auch auf Niederländisch!". Zwischen den Parteien ist
umstritten, ob der Internetauftritt der Klägerin auch im Jahr 2009 derart
gestaltet war.
2 Die Beklagten, die in den Niederlanden wohnen, interessierten sich zu
diesem Zeitpunkt für ein Grundstück im Kreis Kleve. Sie schlossen mit der
Klägerin einen provisionspflichtigen Maklervertrag und unter Vermittlung der
Klägerin am 28. Dezember 2009 einen notariellen Kaufvertrag über ein
Grundstück in Kranenburg, der jedoch später rückabgewickelt wurde.
3 Mit der Klage beansprucht die Klägerin von den Beklagten die Zahlung einer
Maklerprovision in Höhe von 10.370,85 € nebst Zinsen sowie die Erstattung
außergerichtlicher Kosten in Höhe von 430,66 €.
4 Das Landgericht hat die Klage für zulässig und begründet gehalten und ihr
stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die
Klage als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, deren Zurückweisung die
Beklagten beantragen.
Entscheidungsgründe:
5 A. Das Berufungsgericht hat die Klage mangels internationaler
Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig angesehen. Dazu hat es
ausgeführt:
6 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich nicht aus
Art. 5 Nr. 1 der Verordnung
(EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.
Dezember 2000 (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1 - nachfolgend
Brüssel-I-VO). Nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 2 Brüssel-I-VO
sei vielmehr von einer ausschließlichen Zuständigkeit der niederländischen
Gerichte auszugehen, weil die Beklagten den Maklervertrag mit der Klägerin
als Verbraucher abgeschlossen hätten und die Klägerin ihre gewerbliche
Tätigkeit auf die Niederlande ausgerichtet gehabt habe. Dies folge aus der
Verwendung der niederländischen Flagge sowie des orangefarbenen nieder
ländischen Textes bei der Gestaltung ihres Internetauftritts. Ob die
Internetseiten schon im Jahr 2009 derart gestaltet gewesen seien, stehe nach
der Beweisaufnahme zwar nicht fest. Etwaige Zweifel gingen aber zu Lasten
der Klägerin.
7 B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision sind
nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint.
8 I. Die internationale Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach der
Brüssel-I-Verordnung. Diese Verordnung ist zwar durch Art. 80 der Verordnung
(EU) Nr. 1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen (ABl. EU Nr. L 351 vom 20. Dezember 2012, S. 1) mit Wirkung ab
dem 10. Januar 2015 aufgehoben worden. Nach Art. 66 Abs. 1 dieser Verordnung
gilt die neue Verordnung aber nur für Verfahren, die nach dem 9. Januar 2015
eingeleitet worden sind. Da die Klägerin die Klage vorher erhoben hat,
bestimmt sich die internationale Zuständigkeit weiter nach der
Brüssel-I-Verordnung.
9 II. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die
internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1,
Art. 3 Abs. 1 Brüssel-I-VO nach Maßgabe der Art. 5 bis 24 Brüssel-I-VO
bestimmt, da die Parteien ihren Sitz jeweils im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats haben und die in den Niederlanden wohnhaften Beklagten
abweichend von Art. 2 Brüssel-I-VO vor den Gerichten eines anderen
Mitgliedstaates, nämlich in Deutschland, verklagt werden. Die Beklagten
haben das Fehlen der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte von
Anfang an gerügt, so dass es an einer zuständigkeitsbegründenden Einlassung
auf das Verfahren im Sinne von Art. 24 Brüssel-I-VO fehlt.
10 III. Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht nach der besonderen
Zuständigkeitsvorschrift des Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO begründet. Zwar sind
die Voraussetzungen dieser Bestimmung an sich erfüllt (dazu unter III. 1).
Die Anwendung des Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO ist aber durch die
Zuständigkeit bei Verbrauchersachen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c
Brüssel-I-VO ausgeschlossen (dazu unter III. 2).
11 1. Grundsätzlich ist nach Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO für
die Klage auf Zahlung des Maklerlohns der besondere Gerichtsstand des
Erfüllungsortes gegeben. Nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich
Brüssel-I-VO gilt für die Erbringung von Dienstleistungen und der
Gegenleistung ein einheitlicher Erfüllungsort der vertragscharakteristischen
Leistung (vgl. zu Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich
Brüssel-I-VO EuGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - C-386/05, Slg. 2007, I-3699 =
NJW 2007, 1799 Rn. 26 - Color Drack/Lexx; Urteil vom 25. Februar 2010 -
C-381/08, Slg. 2010, I-1255 = NJW 2010, 1059 Rn. 50 - Car Trim/KeySafety; zu
Art. 5 Nr.1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich Brüssel-I-VO EuGH, Urteil vom 9.
Juli 2009 - C-204/08, Slg. 2009, I-6073 = NJW 2009, 2801 Rn. 36 - Rehder/Air
Baltic; Urteil vom 11. März 2010 - C-19/09, Slg. 2010, I-2121 = NJW 2010,
1189 Rn. 25 - Domberger/Silva; MünchKomm.ZPO/ Gottwald, 4. Aufl., Art. 5
EuGVO Rn. 26; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 4b).
Erfüllungsort für die Erbringung von Dienstleistungen ist der Ort in einem
Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten
erbracht werden müssen. Der autonom auszulegende Begriff der
Dienstleistungen erfasst sämtliche tätigkeitsbezogenen entgeltlichen
Leistungen wie insbesondere solche gewerblicher, kaufmännischer,
handwerklicher oder freiberuflicher Art (vgl. BGH, Urteil vom 2.
März 2006 - IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806 Rn. 12). In den Anwendungsbereich
der Vorschrift fallen Maklerverträge (österr. OGH, Beschluss vom 17. Februar
2005 - 6 Ob 148/04i, IPRax 2006, 608, 610; Kienle, IPRax 2006, 614, 615 f.).
Die Klägerin hat ihre Dienstleistungen in Deutschland erbracht, so
dass dort der Erfüllungsort liegt.
12 2. Zu Recht ist das Berufungsgericht jedoch davon
ausgegangen, dass eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
ausscheidet, weil es sich vorliegend um eine Verbrauchersache im Sinne von
Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO handelt, die nach Art. 16 Abs. 2
Brüssel-I-VO eine ausschließliche Zuständigkeit der niederländischen
Gerichte begründet.
13 a) Nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO bestimmt sich die
Zuständigkeit nach Art. 15 bis 17 Brüssel-I-VO, wenn den Gegenstand des
Verfahrens Ansprüche aus einem Vertrag bilden, den ein Verbraucher zu einem
Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit
dieser Person zugerechnet werden kann, die Voraussetzungen des Art. 15 Abs.
1 Buchst. a und b der Verordnung nicht vorliegen und der
Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der
Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit
ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder
auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und
der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Durch diese Regelung soll
neben der gezielt auf den Wohnsitzstaat des jeweiligen Verbrauchers
gerichteten Werbung vor allem auch der so genannte elektronische Handel über
das Internet erfasst werden, bei dem ein Vertragsschluss auf ausschließlich
elektronischem Wege zustande kommt (BGH,
Urteil vom 17. September 2008 - III ZR 71/08, NJW 2009, 298 Rn. 8;
Urteil vom 24. April 2013 - XII ZR 10/10, ZIP
2013, 1141 Rn. 14; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3.
Aufl., Art. 15 EuGVVO Rn. 37; Kropholler/von Hein, Europäisches
Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 15 EuGVO Rn. 23). Da bei
Verträgen, die über das Internet abgeschlossen wurden, nur selten
festzustellen ist, wo die Handlung, die zum Vertragsschluss führte,
vorgenommen worden ist, kommt es, anders als nach dem im Verhältnis
der Mitgliedstaaten geltenden bisherigen Recht (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst.
b des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen [ABl. 1972, L 299, S. 32] in der durch die
aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten
zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung, im Folgenden: EuGVÜ),
auf den Ort des Vertragsschlusses oder der Vornahme der dafür erforderlichen
Rechtshandlungen nicht an. Nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c
Brüssel-I-VO wird die notwendige Verbindung zum Staat des Verbrauchers schon
dadurch geschaffen, dass dessen Vertragspartner seine Tätigkeit auf diesen
Staat ausrichtet (BGH, ZIP 2013, 1141 Rn.
14).
14 b) Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht für die
Anwendbarkeit des autonom auszulegenden Art. 15 Abs. 1 Buchst. c
Brüssel-I-VO als entscheidend an, dass der Gewerbetreibende bereits vor dem
eigentlichen Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat,
Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines Mitgliedstaats oder mehrerer
anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des
Verbrauchers, herzustellen (EuGH, Urteil
vom 7. Dezember 2010 - C-585/08 und C-144/09,
Slg. 2010 I-12527 = NJW 2011, 505 Rn. 75 f. - Pammer/Schlüter und
Alpenhof/Heller). Deshalb ist im Fall eines Vertrags zwischen einem
Gewerbetreibenden und einem bestimmten Verbraucher zu ermitteln, ob vor dem
Vertragsschluss mit diesem Verbraucher Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben,
dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern in dem anderen
Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche Verbraucher seinen
Wohnsitz hat, tätigen wollte (EuGH, NJW 2011, 505 Rn. 76 - Pammer/Schlüter
und Alpenhof/Heller).
15 Anhaltspunkte dafür, dass ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit
auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat, können sich
aus dem internationalen Charakter der Tätigkeit des Gewerbetreibenden, der
Angabe von Anfahrtsbeschreibungen aus anderen Mitgliedstaaten zu dem Ort, an
dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, oder der Verwendung einer
anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung
des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der
Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache
ergeben. Dabei obliegt es den Gerichten der Mitgliedstaaten zu
prüfen, ob diese Anhaltspunkte vorliegen (EuGH, NJW
2011, 505 Rn. 93 - Pammer/Schlüter und Alpenhof/Heller; Urteil vom 17.
Oktober 2013 - C-218/12, NJW 2013, 3504 Rn. 31 - Emrek/Sabranovic).
16 c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Bundesgerichtshof
entschieden, dass sich ein deutscher Gewerbetreibender an Personen aus den
Niederlanden richtet, wenn er eine niederländische Flagge und den Hinweis
auf Kenntnisse der niederländischen Sprache auf einer Internetseite
verwendet und über die Internetseite eine Anfahrtsskizze aufgerufen werden
konnte, in die auch eine Wegbeschreibung aus dem Grenzbereich der
Niederlande eingezeichnet war (BGH, ZIP 2013,
1141 Rn. 22).
17 d) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat
ohne Rechtsfehler angenommen, dass es sich bei dem zwischen den Parteien
geschlossenen Maklervertrag um ein Verbrauchergeschäft im Sinne von Art. 15
Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO handelt.
18 aa) Es steht zwischen den Parteien nicht in Streit, dass die Beklagten
bei Abschluss des Maklervertrages mit der Klägerin im Jahr 2009 als
Verbraucher gehandelt haben.
19 bb) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die
Klägerin ihre gewerbliche Tätigkeit bereits bei Abschluss des
Maklervertrages mit den Beklagten im Jahr 2009 auf die Niederlande
ausgerichtet hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag
eine Ausrichtung der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin auf die Niederlande
zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2011 vor (dazu B III 2 d
bb (1) bis (3)). Danach oblag es der Klägerin im Rahmen ihrer
sekundären Darlegungslast, im Einzelnen vorzutragen, dass eine entsprechende
Ausrichtung vor dem Vertragsschluss mit den Beklagten noch nicht gegeben war
(dazu B III 2 d cc und dd). Das ist der Klägerin nicht gelungen
(dazu B III 2 d ee).
20 (1) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, die an der deutsch-niederländischen Grenze
geschäftsansässige deutsche Klägerin habe jedenfalls zum Zeitpunkt der
Klageerhebung in ihrem Internetauftritt von 2011 durch den orangefarbenen
Text mit dem Hinweis auf ihre Kenntnisse der niederländischen Sprache und
die Verwendung der niederländischen Flagge ihre Tätigkeit auf die
Niederlande ausgerichtet.
21 (2) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die auf den Internetseiten der
Klägerin angebrachten Sätze in niederländischer Sprache, verbunden mit der
niederländischen Flagge und der Fassung dieser Sätze in der für Niederländer
bedeutsamen Farbe Orange, belegten ein Ausrichten im Sinne des Art. 15 Abs.
1 Buchst. c Brüssel-I-VO. Das Werben mit einer Informationsgewährung in
einer anderen Sprache als der eigenen zeige, dass die Klägerin Geschäfte mit
Verbrauchern habe tätigen wollen, die in den Niederlanden wohnhaft seien.
Dies gelte umso mehr, als die Klägerin ihr Geschäft im grenznahen Bereich zu
den Niederlanden betreibe, in dem auch um niederländische Kundschaft
geworben werde.
22 (3) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, dass angesichts der Umstände des zur Entscheidung
stehenden Falls von einer Ausrichtung der Tätigkeit der Klägerin auf
Verbraucher aus den Niederlanden auszugehen ist. Diese Beurteilung steht in
Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und
des Bundesgerichtshofs. Mit ihrer gegenteiligen Würdigung begibt sich die
Revision auf das ihr revisionsrechtlich verschlossene Gebiet der
tatrichterlichen Würdigung. Allein der Umstand, dass im Raum Kleve
niederländische Staatsbürger wohnen, rechtfertigt nicht den Schluss, der
Internetauftritt der Klägerin sei trotz der Hinweise in niederländischer
Sprache und trotz der Verwendung auf die Niederlande hinweisender Zeichen
ausschließlich auf in Deutschland ansässige Verbraucher ausgerichtet.
23 cc) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der
internationalen Zuständigkeit nach der Brüssel-I-VO ist allerdings nicht der
Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2011, sondern der Zeitpunkt des
Vertragsschlusses zwischen den Parteien im Jahr 2009. Anders als
die Revisionserwiderung meint, ist das Merkmal des Ausrichtens im Sinne des
Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO nicht als erfüllt anzusehen, wenn der
Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit erstmalig nach dem
Zustandekommen des Rechtsgeschäfts bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung auf
den Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ausrichtet. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des
Bundesgerichtshofs ist eine Zuständigkeit der Gerichte am
Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO nur
begründet, wenn der Gewerbetreibende seine Tätigkeit bereits bei Abschluss
des in Streit stehenden Geschäfts auf den Mitgliedstaat ausgerichtet hat, in
dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (vgl. EuGH,
NJW 2011, 505 Rn. 76 - Pammer/Schlüter und Alpenhof/Heller; BGH, Urteil
vom 30. März 2006 - VII ZR 249/04, BGHZ 167, 83 Rn. 25).
24 dd) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, die
Klägerin müsse darlegen, dass sie ihre gewerbliche Tätigkeit nicht schon bei
Abschluss des Maklervertrages im Jahr 2009 mit den Beklagten auf die
Niederlande ausgerichtet hat.
25 (1) Der Auffassung des Berufungsgerichts, es sei bei offenem
Beweisergebnis zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass die Klägerin
ihre Tätigkeit auf die Niederlande ausgerichtet habe, kann allerdings in
dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden.
26 (2) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts
obliegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gerichtsstand des
Art. 16 Abs. 2 Brüs-sel-I-VO gegeben ist, den Beklagten. Art. 15 Abs. 1
Buchst. c Brüssel-I-VO stellt eine Abweichung sowohl von der allgemeinen
Zuständigkeitsregel des Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung dar, nach der die
Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der
Beklagte seinen Wohnsitz hat, als auch von der besonderen
Zuständigkeitsregel des Art. 5 Nr. 1 der Verordnung für Verträge oder
Ansprüche aus Verträgen, nach der das Gericht des Ortes zuständig ist, an
dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre (EuGH,
NJW 2011, 505 Rn. 53 - Pammer/Schlüter und Alpenhof/Heller;
Urteil vom 6. September 2012 - C-190/11, NJW 2012,
3225 Rn. 26 - Mühlleitner/ Ysufi). Der Ausnahmecharakter der Art. 15, 16
Brüssel-I-VO gebietet eine enge Auslegung (EuGH, Urteil vom 14. März 2013 -
C-419/11, RIW 2013, 292 Rn. 26 - Ceskä sporitelna/Feichter; BGH, NJW 2009,
298 Rn. 12; BGH, Urteil vom 29. November 2011 - XI ZR 172/11, NJW 2012, 455
Rn. 11). Es entspricht allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast,
dass die Partei, die sich auf eine zuständigkeitsleugnende Vorschrift mit
Ausnahmecharakter beruft, die hierfür maßgeblichen Tatsachen darzulegen und
zu beweisen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - C-464/01, Slg.
2005, I-439 = NJW 2005, 653 Rn. 46 - Gruber/Bay Wa AG zu Art. 13 bis 15
EuGVÜ). Die verbraucherschützenden Vorschriften der Brüssel-I-VO
sind dabei allerdings so auszulegen, dass ihnen nicht die praktische
Wirksamkeit genommen wird (EuGH, NJW 2005, 653 Rn. 50 - Gruber/Bay
Wa AG). Bei der Auslegung ist das Ziel der Regelung des Art. 15 Abs. 1
Buchst. c Brüssel-I-VO zu berücksichtigen, den Verbraucher als die
schwächere Vertragspartei zu schützen (EuGH, NJW 2013, 3504 Rn. 24 - Emrek/Sabranovic).
27 (3) Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass die Beklagten ihrer
Darlegungslast hinsichtlich solcher Tatsachen genügt haben, die die Annahme
der Unzuständigkeit der deutschen Gerichte rechtfertigen. Es ist zunächst
nicht streitig, dass auf Seiten der Beklagten ein Verbrauchergeschäft
vorliegt. Fest steht weiter, dass die Internetseiten der Klägerin im Jahr
2011 Hinweise enthielten, die die Annahme rechtfertigen, die Klägerin habe
zu diesem Zeitpunkt ihre Tätigkeit auf Verbraucher aus den Niederlanden
ausgerichtet. Dies stellt ein Indiz dafür dar, dass dies auch schon im Jahr
2009, als die Klägerin Dienstleistungen für die Beklagten erbracht hat, der
Fall war.
28 (4) Haben die Beklagten in dieser Weise zuständigkeitsleugnende
Tatsachen hinreichend dargelegt und bewiesen, obliegt es der Klägerin,
diesen Vortrag gemäß § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert zu bestreiten. An dieses
Bestreiten sind erhöhte Anforderungen zu stellen, um einen wirksamen
Verbraucherschutz zu gewährleisten.
29 Die beklagten Verbraucher hatten bei der
Herstellung des Kontakts zur Klägerin im Jahr 2009 keine Veranlassung,
Maßnahmen zu ergreifen, um Beweise für die Gestaltung des Internetauftritts
der Klägerin zu sichern. In der Klageerwiderung aus dem Monat Juli 2011
haben sie aktuelle Ausdrucke vom Internetauftritt der Klägerin vorgelegt,
aus denen sich die Elemente ergeben, die eine Ausrichtung ihrer Tätigkeit
auf die Niederlande belegen. Bei einer solchen Sachlage ist es
gerechtfertigt, den Gewerbetreibenden, der sich darauf beruft, er habe erst
nach dem Abschluss eines Vertrages mit einem Verbraucher aus einem anderen
Mitgliedstaat seine Unternehmensstrategie auf diesen Mitgliedstaat
ausgerichtet und dementsprechend erst später seinen Internetauftritt
entsprechend gestaltet, für verpflichtet zu halten, den entsprechenden
Vortrag mit einem detaillierten Vorbringen zu bestreiten.
Anderenfalls würde der mit Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO intendierte
Verbraucherschutz beeinträchtigt. Die im Ausland verklagten Verbraucher
könnten sich im Regelfall nur auf ihre eigene Vernehmung als Partei berufen,
wenn ihnen keine Zeugen zur Verfügung stehen. Dem Gewerbetreibenden, der die
Gestaltung seines Internetauftritts vornimmt und die für dessen Veränderung
maßgeblichen Entscheidungen trifft, ist es ohne weiteres möglich, hierzu im
Einzelnen vorzutragen, weil es sich um Vorgänge handelt, die in seiner
Sphäre liegen.
30 ee) Dieser Erklärungslast hat die Klägerin nicht
genügt, so dass der Vortrag der Beklagten zur fehlenden internationalen
Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden
anzusehen ist.
31 Die Klägerin hat nur allgemein behauptet, ihr Internetauftritt habe zum
Zeitpunkt der Kontaktaufnahme zwischen den Parteien im Jahr 2009 noch keinen
niederländischen Text und keine niederländische Fahne aufgewiesen. Sie hat
dagegen nicht näher vorgetragen, wann die behauptete Änderung des
Internetauftritts vorgenommen worden sein soll. Sie hat in beiden
Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen, wer diese Änderungen vorgenommen haben
soll und auf welche Weise dies geschehen ist. Ein solcher ins Einzelne
gehende Vortrag war jedoch angesichts des detaillierten Vorbringens der
Beklagten zum Internetauftritt der Klägerin bei Klageerhebung erforderlich.
Darauf, dass es notwendig sein könnte, hierzu näher vorzutragen, hat das
Berufungsgericht sowohl vor und als auch nach der zweitinstanzlichen
Beweisaufnahme hingewiesen. Dennoch hat die Klägerin keinen entsprechenden
Vortrag gehalten. Sie hat lediglich zwei Zeugen benannt, die auf die
Gestaltung ihres Internetauftritts keinen Einfluss genommen haben. Außerdem
hat sie einen Ausdruck einer Sicherungskopie vorgelegt, der ihren
Internetauftritt am 23. Mai 2009 belegen soll. Aus diesem Ausdruck lässt
sich jedoch weder das Datum nachvollziehen noch ist erkennbar, ob die dort
ersichtliche Gestaltung der Homepage der Klägerin tatsächlich über das
Internet abrufbar war.
32 Auf die vom Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme zu der Frage,
welche Gestaltung der Internetauftritt der Klägerin im Jahr 2009 aufwies,
und die Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe insoweit nicht alle
angebotenen Beweise erhoben, kommt es angesichts des ungenügenden
Tatsachenvortrags der Klägerin nicht an.
33 3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267
Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 -
287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom
11. September 2008 - C-428/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 757 Rn. 42
-UGT Rioja u.a.). Im Streitfall stellt sich im Blick auf die Auslegung der
Bestimmung des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO keine Frage, die nicht
schon in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt
oder zweifelsfrei zu beurteilen ist.
34 III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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