Leistungskondiktion nach § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB;
Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit; Beweislast für eine Schenkung
BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR
150/11 - OLG Frankfurt/Main
Fundstelle:
NJW 2014, 2275
Amtl. Leitsatz:
Beruft sich der
Leistungsempfänger gegenüber dem Bereicherungsanspruch auf ein nicht
notariell beurkundetes Schenkungsversprechen als Rechtsgrund, so beschränkt
sich die ihn treffende Beweislast auf den Nachweis, dass die Leistung mit
Wissen und Wollen des Leistenden bewirkt und der Formmangel damit geheilt
worden ist. Das Fehlen eines Schenkungsversprechens muss demgegenüber der
Leistende beweisen (Fortführung von BGH, Urteil vom
14. November 2006 - X ZR 34/05, BGHZ 169, 377).
Zentrale Probleme:
Es geht um die Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit
einer Leistung im Rahmen eines Bereicherungsanspruchs aus
Leistungskondiktion (§ 812 I S. 1 Alt. 1 BGB). Grundsätzlich
muss der Anspruchssteller alle anspruchsbegründenden Tatsachen behaupten und
im Falle des Bestreitens auch nachweisen. Die Beweislastverteilung bedeutet
freilich nicht, dass derjenige, der einen Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB
geltend macht, das Fehlen jedweden denkbaren Rechtsgrundes
nachweisen muss. Es genügt, wenn er die von dem
Schuldner behaupteten und die sonst nach den Umständen in Betracht kommenden
Rechtsgründe ausräumt (s. BGH NJW 2003, 1039).
Auch besteht eine sekundäre Behauptungslast (Darlegungslast) des
Anspruchsgegners. Er muss die Umstände
darzulegen, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen. Dies
wiederum muss der Bereicherungsgläubiger durch eigenen Vortrag und - im Falle
des Bestreitens - durch geeigneten Nachweis widerlegen, um das Fehlen eines
rechtlichen Grundes darzutun (BGH ZEV 2003, 207).
Hier geht es nun um die Frage einer Schenkung: Auch hier muss nicht der als
Bereicherungsschuldner in Anspruch genommene das Vorliegen einer Schenkung
nachweisen, vielmehr muss der Bereicherungsgläubiger eine solche widerlegen,
wenn er sich auf die Rechtsgrundlosigkeit beruft. Da eine Schenkung aber
formunwirksam gewesen und lediglich nach § 518 II BGB geheilt
gewesen wäre, muss sich die Beklagte hier die Voraussetzungen einer solchen
Heilung, nämlich die bewusste Leistung des Betrags durch die Klägerin an
sich nachweisen: Wer sich als Rechtsgrund auf eine Schenkung beruft, die
nicht in der Form des § 518 I BGB vereinbart wurde, beruft sich damit auf
ein formnichtiges Schenkungsversprechen, dessen Heilung nach § 518 II BGB er
behauptet. Letzteres aber ist ein für die Bekl. günstiger Umstand, den er
darzulegen und zu beweisen hat. Eine solche Heilung würde aber voraussetzen, dass die Bekl. die Beträge mit Wissen und
Wollen der Kl. erhalten hat, was sie nachweisen muss (s. dazu die Anm. zu
BGHZ 169, 377).
©sl 2014
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt, soweit für das
Revisionsverfahren noch von Interesse, von der Beklagten, ihrer Tochter, die
Rückzahlung eines Betrags von 36.450 € nebst Zinsen. Die Hauptsumme hat die
Klägerin der Beklagten mit mehreren teils durch Überweisung, teils in bar
geleisteten Teilzahlungen überlassen. Das Landgericht hat insoweit
antragsgemäß erkannt, die Berufung der Beklagten hat nur zu einer
Teilabweisung des Zinsanspruchs geführt.
2 Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag
auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
3 I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne ihre Zahlungen
zwar nicht aufgrund einer Darlehensabrede, jedoch wegen ungerechtfertigter
Bereicherung der Beklagten zurückverlangen.
4 Für einen Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin fehle es an
hinreichenden Darlegungen zu einer ausdrücklichen Darlehensabrede,
insbesondere zum Zeitpunkt einer solchen Vereinbarung und den daran
beteiligten Personen. Die Beklagte habe jedoch den ihr obliegenden Nachweis,
die von der Klägerin erhaltenen Zuwendungen endgültig behalten zu dürfen,
nicht führen können.
5 Der von der Beklagten behauptete Zweck, ihr mit den Zahlungen eine neue
Ehe zu ermöglichen, führe nicht zu der Annahme, es habe keine
Rückzahlungsverpflichtung bestanden. Dieser Zweck habe ebenso gut durch eine
vorübergehende Zurverfügungstellung finanzieller Mittel erreicht werden
können, auch wenn keine Darlehensabsprache festgestellt werden könne.
6 Die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für das Behaltendürfen der
Zuwendungen ergebe sich im Streitfall aus den näheren Umständen des
unstreitigen Sachverhalts. Aufgrund der finanziellen Verhältnisse der
Klägerin habe diese die geleisteten Zahlungen nicht vollständig zur freien
Verfügung gehabt, vielmehr habe sie hierfür einen Kredit in Höhe von 15.000
€ aufnehmen müssen. Die Beklagte habe deshalb nicht davon ausgehen können,
die Zahlungen vereinnahmen zu dürfen, ohne zu einer Rückzahlung verpflichtet
zu sein.
7 Das Beweisergebnis zu der Frage, ob und inwieweit die Beklagte die
Zuwendungen der Klägerin habe behalten dürfen, sei nach persönlicher
Anhörung beider Parteien und der Vernehmung des Ehemanns der Beklagten
unklar geblieben. Während die Klägerin angegeben habe, die Beklagte habe
versichert, die wegen eines finanziellen Engpasses infolge der Scheidung des
Ehemanns der Beklagten von seiner früheren Ehefrau zur Verfügung gestellten
Beträge mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen, habe die Beklagte zwar
geltend gemacht, die Klägerin habe ihre neue Ehe unterstützen wollen, eine
ausdrückliche Schenkungsabrede aber "selbst so nicht behauptet"; die Aussage
ihres Ehemanns sei unergiebig.
8 II. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen
Bereicherungsanspruch der Klägerin bejaht hat, hält in einem entscheidenden
Punkt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9 1. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass sich ein Anspruch der Klägerin aus
ungerechtfertigter Bereicherung nicht gegen die Beklagte als
Anspruchsschuldnerin richte. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts
ergibt sich nichts dafür, dass die Klägerin mit ihren Zahlungen nicht an die
Beklagte geleistet hat. Insbesondere folgt dies nicht daraus, dass die der
Beklagten zur Verfügung gestellten Beträge nach ihrem Vortrag dazu dienen
sollten, Zahlungspflichten ihres künftigen Ehemanns aus einem noch zu
schließenden Scheidungsvergleich erfüllen zu können. Daraus lässt sich nicht
ableiten, dass die Klägerin nicht gleichwohl eine Leistung gegenüber ihrer
Tochter, der Beklagten, erbringen und deren Interesse an einem erfolgreichen
Ende des Scheidungsverfahrens ihres Lebenspartners und der daraus folgenden
Möglichkeit, diesen heiraten zu können, unterstützen wollte. Konkrete
Umstände, aufgrund deren angenommen werden könnte, die Beklagte habe nur als
Zahlstelle oder Zahlungsvermittler für eine Leistung an ihren Lebenspartner
fungieren sollen, sind vom Berufungsgericht weder festgestellt noch werden
sie von der Revision als vorgetragen aufgezeigt.
10 2. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft der Beklagten
die Beweislast für eine sich aus ihrem Vorbringen ergebende Handschenkung
zugewiesen.
11 a) Die Darlegungs- und Beweislast für die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung trägt grundsätzlich der Anspruchsteller. Er
hat das Risiko des Unterliegens im Prozess zu tragen, wenn sich die sein
Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Dies gilt auch,
soweit zur Anspruchsbegründung eine negative Tatsache wie das Fehlen eines
Rechtsgrundes gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB oder das Ausbleiben eines mit
einer Leistung bezweckten Erfolgs gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB gehört
(vgl. statt vieler BGH, Urteile vom 14. November 2006
- X ZR 34/05, BGHZ 169, 377 Rn. 9; vom 18.
Februar 2009 - XII ZR 163/07, NJW-RR 2009, 1142 Rn. 19 jeweils mwN).
Entgegen den Ausführungen im angegriffenen Urteil ändert sich diese
Beweislast, die regelmäßig wie im Streitfall zum materiellen Recht zählt
(vgl. BGH, Urteile vom 14. März 1988 - II ZR 302/87, NJW-RR 1988, 831 unter
1.; vom 11. Juli 2007 - VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 14 jeweils mwN),
nicht aufgrund von Plausibilitätserwägungen, wie sie das Berufungsgericht
aus dem unstreitigen Teil des vorgetragenen Sachverhalts ableitet; solche
Erwägungen sind lediglich im Rahmen einer Beweiswürdigung von Bedeutung.
12 b) Der Beweis des Rechtsgrundes der geleisteten Zahlungen obliegt
der Beklagten im Streitfall auch nicht deshalb, weil sie eine Schenkung
behauptet.
13 (1) Nach dem Berufungsurteil hat die Beklagte geltend gemacht, bei den
Zahlungen der Klägerin habe es sich um eine "unbenannte Zuwendung ohne
Rückzahlungsverpflichtung" gehandelt. Da eine familienrechtliche Grundlage
für eine unentgeltliche Zuwendung nicht in Betracht kommt, hat sie damit
einen Schenkungsvertrag behauptet. Von einer Schenkung spricht in anderem
Zusammenhang auch das Berufungsgericht; seine Ausführungen, die Beklagte
habe eine "ausdrückliche Absprache" mit der Klägerin, nach der sie die
Zuwendungen unbedingt endgültig vereinnahmen dürfe, selbst "so nicht
behauptet", besagen nichts Gegenteiliges.
14 (2) Soweit der Leistungsempfänger sich gegenüber einem
Bereicherungsanspruch mit einem nicht notariell beurkundeten
Schenkungsversprechen als Rechtsgrund verteidigt, trifft ihn allerdings die
Beweislast, dass die zu seinen Gunsten erfolgte Vermögensmehrung auf einer
den Formmangel heilenden Leistungserbringung gemäß § 518 Abs. 2 BGB beruht,
die Leistung also mit einem konkreten Willen des Leistenden an ihn erbracht
wurde. Diese zu Lasten des Leistungsempfängers abweichende
Beweislastverteilung beruht auf dem Zweck der gemäß § 518 Abs. 1 BGB für
einen Schenkungsvertrag erforderlichen notariellen Beurkundung, unter
anderem eine sichere Beweisgrundlage für solche ohne Gegenleistung
vereinbarten Vertragsbeziehungen sicherzustellen (vgl.
BGH, Urteil vom 14. November 2006, aaO Rn. 13). Im Falle eines Streits
über dieses Sachverhaltselement hat der Leistungsempfänger nachzuweisen,
dass die Vermögensverschiebung mit Wissen und Wollen des Leistenden bewirkt
worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2006,
aaO Rn. 15).
15 Dieser Nachweis kann zwar gegebenenfalls nur durch den Beweis eines
Schenkungsvertrags erbracht werden. Die den Leistungsempfänger
treffende Beweislast beschränkt sich indessen auf den Willen des Leistenden
zur Leistungsbewirkung. Der Tatbestand der Leistungsbewirkung heilt den
Formmangel für einen Schenkungsvertrag und genügt damit dem Zweck des § 518
Abs. 1 und 2 BGB, eine sichere Beweisgrundlage und Rechtsfrieden zu schaffen.
Dieser Zweck würde nicht erreicht, wenn der Leistungsempfänger zur
Verteidigung gegen einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch auch
beweisen müsste, dass die mit Willen des Leistenden bewirkte Leistung
tatsächlich auf einem Schenkungsvertrag mit entsprechendem Schenkungswillen
beruht. Eine so weitgehende Beweislast hätte zur Folge, dass der
Beschenkte sich über die Beweisbarkeit der Leistungsbewirkung hinaus um
weitere Beweismittel für den Schenkungswillen sorgen müsste. Damit
würde allein die Leistungsbewirkung noch nicht den Rechtsfrieden schaffen,
wie er von § 518 Abs. 2 BGB bezweckt ist, und die Möglichkeit der formfreien
Handschenkung ausgehöhlt.
16 Kann der Leistungsempfänger den Nachweis für eine mit Wissen und
Wollen des Leistenden erfolgte Leistungsbewirkung erbringen oder steht eine
solche Leistungsbewirkung wie im Streitfall außer Streit, obliegt es dem
Anspruchsteller, die weiteren Voraussetzungen einer ungerechtfertigten
Bereicherung nachzuweisen.
17 (3) Die sekundäre Darlegungslast des Leistungsempfängers bleibt
hiervon unberührt. Wer geltend macht, ohne Rechtsgrund geleistet zu
haben, muss nur denjenigen Rechtsgrund ausräumen, der sich aus dem
Vortrag des Leistungsempfängers ergibt (vgl. BGH,
Urteile vom 18. Februar 2009, aaO Rn. 20 f.;
vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 20 jeweils mwN). Dem
Berufungsurteil ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Beklagte ihrer
sekundären Darlegungslast zu einem Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen
nicht genügt hat.
18 III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben und die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sollte das Berufungsgericht einen Schenkungsvertrag feststellen oder
jedenfalls nicht ausschließen können, wird es sich auch - gegebenenfalls
nach erneuter Anhörung der Parteien - mit der Frage zu befassen haben, ob
sich im Rahmen der Beweiswürdigung aus dem von der Beklagten nach dem
Berufungsurteil eingeräumten Zusammenhang mit einer geplanten Rückabwicklung
der Übertragung eines Hausgrundstücks der Klägerin auf ihre vier Töchter und
der erklärten Bereitschaft der Beklagten, die Zahlungen der Klägerin auf
eine Forderung der Beklagten gegen ihre Schwester Barbara anzurechnen,
weitergehende vertragliche Absprachen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juni
1992 - XII ZR 253/90, NJW 1992, 2690 unter 2) oder eine Zweckschenkung (vgl.
dazu BGH, Urteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 179/05,
BGHZ 177, 193 Rn. 34 f.) ableiten lassen.
20 Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht ferner den von der Beklagten
erhobenen Entreicherungseinwand zu prüfen haben.
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