Abgrenzung Kaufvertrag/gemischter Vertrag;
Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses nach § 309 Nr. 7 a,b BGB;
Verbot geltungserhaltender Reduktion
BGH, Urteil vom 29. Mai 2013 - VIII
ZR 174/12 - LG Verden
Fundstelle:
NJW 2013, 2584
Amtl. Leitsatz:
a) Eine Klausel in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (hier: eines Gebrauchtwagenkaufvertrags), mit der die
gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines
Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die
Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB insgesamt unwirksam, wenn
die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von
der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden (Bestätigung von
BGH, Urteile vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06,
BGHZ 170, 31 Rn. 19; vom 26. Februar 2009 - Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486
Rn. 17).
b) Zu der Frage, ob bei einem Gebrauchtwagenkauf, wenn der Verkäufer vor der
Übergabe des Fahrzeugs auf Wunsch des Käufers eine Flüssiggasanlage einbaut,
ein Kaufvertrag oder ein gemischter Vertrag vorliegt.
c) Zu den Anforderungen an eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO
(Fortführung von BGH, Urteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 45/09, NJW 2010,
3434 Rn. 19; vom 24. Juni 2009 - VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404 Rn. 16;
vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23 f.; vom 23.
Oktober 1991 - XII ZR 144/90, WM 1992, 36 unter 3 a).
Zentrale Probleme:
Es geht einmal mehr um das klassische Problem einer an
sich möglichen, aber an § 309 Nr. 7 a, b BGB scheiternden Verkürzung der
kaufrechtlichen Verjährung bei gebrauchten Sachen gegenüber Verbrauchern (§
475 II BGB); s. dazu auch die Anm. zu BGHZ
170, 31 sowie zu
BGH v. 9.10.2013 - VIII ZR 224/12
sowie BGH v. 19.6.2013 - VIII
ZR 183/12. S. weiter BGH v. 29.4.2015 - VIII
ZR 104/14.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Kläger, Eheleute, kauften von
der beklagten GmbH, einem Autohaus, am 14. August 2006 einen gebrauchten
Geländewagen H., den sie durch die Beklagte vor der Übergabe mit einer
Anlage für den Flüssiggasbetrieb ausstatten ließen. In dem
Kaufvertragsformular ist unter dem Punkt "Zubehör" eingetragen
"Flüssiggasumrüstung, schwarz getönte Scheiben, gebr. Winterräder komplett,
Trenngitter". Der "Gesamtpreis" ist mit 16.463 € angegeben. Die dem
Kaufvertrag beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten
lauten auszugsweise wie folgt:
"VI. Sachmangel
1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab
Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
Bei arglistigem Verschweigen von Mängeln oder der Übernahme einer Garantie
für die Beschaffenheit bleiben weitergehende Ansprüche unberührt.
VII. Haftung
1. Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nach Maßgabe
dieser Bedingungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig
verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt: Die Haftung besteht
nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten und ist auf den bei
Ver-tragsabschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. Diese
Beschränkung gilt nicht bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. ...
2. Unabhängig von einem Verschulden des Verkäufers bleibt eine etwaige
Haftung des Verkäufers bei arglistigem Verschweigen des Mangels, aus der
Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos und nach dem
Produkthaftungsgesetz unberührt. ..."
2 Das Fahrzeug wurde den Klägern mit der eingebauten Flüssiggasanlage am 12.
Oktober 2006 übergeben. Die Beklagte stellte unter diesem Datum eine mit
"Fahrzeugrechnung" überschriebene Rechnung in Höhe von 13.018,91 € und eine
"Teile-Rechnung" in Höhe von 3.356,36 €, jeweils einschließlich
Mehrwertsteuer, aus. Die letztgenannte Rechnung enthielt neben Kosten für
eine Verglasung und ein Trenngitter einen Betrag von 2.700 € einschließlich
Mehrwertsteuer für die Flüssiggasumrüstung.
3 An der Gasanlage traten in der Folgezeit Funktionsstörungen auf, die nach
dem im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten
auf einem fehlerhaften Einbau der Flüssiggasanlage beruhten. Im Zeitraum von
Juni 2007 bis August 2008 brachten die Kläger das Fahrzeug mehrfach zur
Durchführung von Reparaturarbeiten, deren Ursachen im Einzelnen zwischen den
Parteien streitig sind, zur Beklagten. Mit Schreiben vom 16. Oktober
2008 setzten die Kläger der Beklagten erfolglos eine Frist bis zum 22.
Oktober 2008 zur Erklärung der Reparaturbereitschaft für den "Gastank" und
kündigten die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens und die
Reparatur des Fahrzeugs bei einem anderen Autohaus an.
4 Mit der Klage begehren die Kläger, soweit für das Revisionsverfahren noch
von Interesse, einen Vorschuss für die gemäß dem Gutachten des
Sachverständigen zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten in Höhe von
1.313,70 € einschließlich Mehrwertsteuer sowie die Zahlung eines pauschalen
Schadensersatzes in Höhe von 800 € und eines Betrages von 849,72 € für
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen. Die
Beklagte hat die Mangelhaftigkeit bestritten und sich zudem auf die
Verjährung von Gewährleistungsansprüchen berufen. Sie begehrt
widerklagend die Bezahlung dreier das streitgegenständliche Fahrzeug
betreffender Reparaturrechnungen in Höhe von insgesamt 1.119,92 € nebst
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen. Die Kläger haben insoweit
ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Klageansprüche geltend gemacht und zudem
hilfsweise die Aufrechnung mit diesen erklärt.
5 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage bis auf die
Rechtsverfolgungskosten stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der
Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren und ihr
Klageabweisungsbegehren hinsichtlich der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat zum ganz überwiegenden Teil Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
8 Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche seien vom Amtsgericht zu
Recht zurückgewiesen worden. Den Ansprüchen der Kläger stehe jedenfalls die
von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) entgegen. Die
Parteien hätten einen einheitlichen Vertrag über den Erwerb des
Gebrauchtfahrzeugs und dessen Umrüstung auf den Flüssiggasbetrieb
geschlossen. Insoweit handele es sich nicht um einen reinen Kaufvertrag,
sondern um einen gemischten Vertrag, der sowohl kauf- als auch
werkvertragliche Elemente enthalte. Die Vereinbarung der Parteien betreffe
nämlich zum einen den Gebrauchtwagenkauf, zum anderen die Umrüstung auf
Flüssiggasbetrieb, die im Gegensatz zu dem sonstigen einzubringenden,
lediglich als Ausstattungsergänzung zu bewertenden Zubehör eine wesentliche
Veränderung des Fahrzeugs bewirke und damit eine gesonderte Werkleistung
darstelle. Für die rechtliche Behandlung derartiger gemischter Verträge
seien zunächst für jede Leistung die entsprechenden Regelungen
heranzuziehen, wobei in einem Kollisionsfall das Recht des Vertragstyps
heranzuziehen sei, der den wirtschaftlichen oder rechtlichen Schwerpunkt
bilde. Vorliegend sei die Gewährleistung für den kaufrechtlichen Teil des
Vertrags wirksam auf ein Jahr verkürzt worden. Für den werkvertraglichen
Teil des Vertrags betrage die Verjährung gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB
jedoch zwei Jahre. Der Schwerpunkt des Vertrages liege indes ersichtlich im
Kauf des Gebrauchtfahrzeugs. Demgegenüber stelle sich die Umrüstung des
Fahrzeugs, auf deren Möglichkeit die Kläger nach eigenem Vortrag erst am
Ende der Vertragsverhandlungen durch ein entsprechendes Schild im
Verkaufsraum der Beklagten aufmerksam geworden seien, wie sich schon aus
deren Aufnahme unter den Punkt "Zubehör" des Kaufvertrags und auch im
Hinblick auf die Kosten von nur 2.327,59 € [netto] im Verhältnis zum
Gesamtkaufpreis von 16.463 € [brutto] ergebe, wirtschaftlich betrachtet als
untergeordnet dar, zumal das Fahrzeug auch weiterhin mit Benzin habe
betrieben werden können. Es sei daher sachgerecht, auf diesen Vertrag
insgesamt die verkürzte Verjährungsfrist von einem Jahr anzuwenden. Das
eingebaute Neuteil werde damit entgegen der Ansicht der Kläger nicht
automatisch zur gebrauchten Sache, sondern die Mängelhaftung richte sich in
diesem speziellen Fall des einheitlichen gemischten Vertrags nach dem Recht
des Kaufvertrags, weil dieser hier den Schwerpunkt der Vereinbarung
darstelle.
9 Die Verjährung hemmende, dauernde Verhandlungen (§ 203 BGB) der Parteien
über Mängel der Gasanlage seien auch unter Zugrundelegung des Vortrags der
Kläger einschließlich der von ihnen vorgelegten Rechnungen nicht zu
erkennen. Die beiden Rechnungen aus dem Jahr 2007 wiesen nur teilweise einen
Bezug zu der Flüssiggasanlage auf, nämlich deren Überprüfung laut Rechnung
vom 27. September 2007. Ausweislich der Rechnung vom 20. Juni 2007 sei von
den Klägern zwar ein Ruckeln des Fahrzeugs bei Feuchtigkeit beanstandet
worden, aus den durchgeführten Arbeiten ergebe sich jedoch nicht, dass
dieses unmittelbar mit der Gasanlage in Verbindung gestanden habe. Die
Rechnungen seien von den Klägern auch bezahlt beziehungsweise über die
"Car-Garantie" abgewickelt worden, so dass von einer beanstandungsfreien
Ausführung auszugehen sei. Der nächste Reparaturauftrag datiere erst vom 21.
Januar 2008, weise aber ausweislich der hierauf bezogenen Rechnung vom 8.
Februar 2008 keinen konkreten Bezug zu einer dauerhaft mangelhaften
Gasanlage auf. Dies gelte ebenso für die späteren Rechnungen vom 30. Juni
2008 und vom 9. August 2008. Allein die Behauptung weiterer kostenloser
Reparaturversuche an der Gasanlage im Sommer 2008 sei damit in einer
Gesamtschau nicht geeignet, die insoweit angebotene Parteivernehmung der
Kläger, der von der Beklagten widersprochen worden sei, gemäß § 448 ZPO zu
rechtfertigen.
10 Hinsichtlich des mit der Klage geltend gemachten pauschalen
Schadensersatzes von 800 € hat sich das Berufungsgericht der Beurteilung des
Amtsgerichts angeschlossen, wonach es insoweit bereits an einer schlüssigen
Darlegung fehle, da die Kläger die einzelnen Schadenspositionen - auch durch
die erfolgte Vorlage mehrerer aus der Zeit nach der Klageerhebung stammender
Tankquittungen - nicht konkret vorgetragen und unter Beweis gestellt hätten.
11 Mangels aufrechenbarer Gegenansprüche sei der Kläger zu 2 gemäß § 631 BGB
zur Zahlung des mit der Widerklage geltend gemachten unstreitigen Werklohns
von insgesamt 1.119,92 € verpflichtet.
II.
12 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung ganz überwiegend nicht
stand.
13 1. Die in Ziffer VI.1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten enthaltene Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr ist - was
das Berufungsgericht verkannt hat - unwirksam, weil sie gegen die
Klauselverbote in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB verstößt.
14 a) Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB beträgt die gesetzliche
Verjährungsfrist für die hier geltend gemachten Ansprüche zwei Jahre.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich vorliegend nicht
um einen gemischten Vertrag, sondern um einen Kaufvertrag (vgl. LG
Osnabrück, Urteil vom 27. September 2010 - 2 O 2244/09, juris Rn. 16 ff.;
OLG Hamm, Urteil vom 5. August 2010 - 28 U 22/10, juris Rn. 21; LG Itzehoe,
Urteil vom 13. August 2012 - 6 O 118/11, juris Rn. 29 ff.; LG Leipzig, DAR
2011, 532; Reinking/ Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 2553, 2557 ff.).
Denn im Mittelpunkt des vorliegenden Vertrages stand die Übertragung
von Eigentum und Besitz an dem - umgerüsteten - Fahrzeug auf die Kläger; der
Verpflichtung zum Einbau der Flüssiggasanlage kommt im Vergleich dazu kein
solches Gewicht zu, dass sie den Vertrag prägen würde (vgl.
Senatsurteile vom 3. März 2004 - VIII ZR 76/03, NJW-RR 2004, 850 unter II 1;
vom 22. Juli 1998 - VIII ZR 220/97, NJW 1998, 3197 unter II 1; vgl. BGH,
Urteil vom 9. Oktober 2001 - X ZR 132/99, juris Rn. 5).
15 b) Nach den Klauselverboten in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB kann in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und
Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher
Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden (Senatsurteile vom
15. November 2006 - VIII ZR 3/06,
BGHZ 170, 31 Rn. 19; vom
19. September 2007 - VIII ZR
141/06, BGHZ 174, 1 Rn. 10; BGH, Urteil vom 26. Februar
2009 - Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486 Rn. 17).
Eine Begrenzung der Haftung im Sinne des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB ist
auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender
Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen
(Senatsurteil vom
15. November 2006 - VIII ZR 3/06, aaO; BGH, Urteil vom
26. Februar 2009 - Xa ZR 141/07, aaO).
16 Hiergegen verstößt Ziffer VI.1. Satz 1 der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, da darin die Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln
insgesamt einer Verjährungsfrist von einem Jahr unterstellt und somit auch
Schadensersatzansprüche des Käufers umfasst werden, die auf Ersatz eines
Körper- oder Gesundheitsschadens wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden
Mangels gerichtet oder auf grobes Verschulden des Verkäufers oder seiner
Erfüllungsgehilfen gestützt sind.
17 Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ändert Ziffer VII.1. Satz 3
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen daran nichts. Denn diese Regelung ist
- zumindest gemäß § 305c Abs. 2 BGB - so auszulegen, dass sie die Haftung
für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit
zwar von der gegenständlichen Haftungsbeschränkung der Ziffer VII.1. Satz 2,
nicht dagegen von der zeitlichen Haftungsbegrenzung in Ziffer VI.1.
Satz 1 ausnimmt.
18 c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf dieser
Rechtsverletzung, da die Entscheidung ohne den Gesetzesverstoß im Ergebnis
für die Kläger günstiger ausgefallen wäre (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar
2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 31 mwN). Nach dem im
Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden Sachvortrag der Kläger war die
Gewährleistungsfrist von zwei Jahren für die eingebaute Flüssiggasanlage bei
Beantragung des selbständigen Beweisverfahrens am 29. Oktober 2008 noch
nicht abgelaufen, weil sie durch die in den Jahren 2007 und 2008
durchgeführten Mängelbeseitigungsversuche ausreichend lange gehemmt war (§
203 BGB). Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus
folgerichtig - die Hemmung der Verjährung bisher allein unter dem
Blickwinkel einer einjährigen Verjährungsfrist erörtert. Die Einzelheiten
der von den Klägern vorgetragenen und unter Zeugenbeweis (Zeuge B. und Zeuge
W. ) gestellten möglichen verjährungsunterbrechenden Verhandlungen der
Parteien bedürfen daher noch einer genauen tatrichterlichen Aufklärung und
Feststellung.
19 2. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die vom
Berufungsgericht gebilligte Annahme des Amtsgerichts, der von den Klägern
geltend gemachte Anspruch auf "pauschalen Schadensersatz" in Höhe von 800 €
wegen vermeintlicher Mehrkosten für die Betankung des Fahrzeuges mit Benzin
statt mit Flüssiggas und wegen Nutzungsausfalls scheitere bereits daran,
dass die Kläger einen derartigen Schaden nicht konkret vorgetragen und unter
Beweis gestellt hätten. Mit dieser Begründung kann ein
Schadensersatzanspruch der Kläger nicht verneint werden. Das
Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Möglichkeit einer
Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO und der Zuerkennung jedenfalls eines
Mindestschadens nicht in Betracht gezogen.
20 a) Steht, wie hier revisionsrechtlich zugrunde zu legen ist, der geltend
gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich
der Ausfüllung zur Höhe, kommt dem Geschädigten die Beweiserleichterung des
§ 287 ZPO zugute. Im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286
Abs. 1 ZPO reicht bei der Entscheidung über die Schadenshöhe eine
erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die
richterliche Überzeugungsbildung aus (BGH, Urteil vom 9. April 1992 - IX ZR
104/91, NJW-RR 1992, 997 unter II 1). Zwar ist es Sache des
Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu
beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen.
Enthält der diesbezügliche Vortrag Lücken oder Unklarheiten, so ist es in
der Regel jedoch nicht gerechtfertigt, dem jedenfalls in irgendeiner Höhe
Geschädigten jeden Ersatz zu versagen. Der Tatrichter muss vielmehr nach
pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die
Schätzung eines Mindestschadens möglich ist, und darf eine solche Schätzung
erst dann gänzlich unterlassen, wenn sie mangels jeglicher konkreter
Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (st. Rspr.;
Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 45/09, NJW 2010, 3434 Rn. 19; vom
24. Juni 2009 - VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404 Rn. 16; BGH, Urteile vom
6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23 f.; vom 23. Oktober
1991 - XII ZR 144/90, WM 1992, 36 unter 3 a mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom
8. Mai 2012 - VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 Rn. 9).
21 b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen. Das
Urteil lässt nicht erkennen, dass das Berufungsgericht sich der Möglichkeit
einer Schätzung nach § 287 ZPO bewusst war. Denn die - vom Berufungsgericht
gebilligten - Ausführungen des Amtsgerichts, die Schadenspositionen hätten
konkret vorgetragen und unter Beweis gestellt werden müssen, sprechen dafür,
dass damit von den Klägern zu Unrecht ein strenger Beweis gemäß § 286 ZPO
gefordert und in diesem Rahmen der Klagevortrag für ungenügend gehalten
worden ist. Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob der Vortrag
der Kläger zu der monatlichen Fahrleistung und den entgangenen Einsparungen
wegen höherer Treibstoffkosten für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichend
ist.
22 3. Erfolglos bleibt die Revision indes hinsichtlich der Abweisung des
Anspruchs auf Zahlung der auf die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten
(netto 1.103,95 €) entfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 209,75 €.
Diesbezüglich war bereits - was vom Revisionsgericht von Amts wegen zu
prüfen ist (Senatsurteil vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, NJW 2001,
226 unter II mwN) und worauf zudem die Beklagte in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat hingewiesen hat - die Berufung unzulässig.
23 Denn die Kläger haben insoweit entgegen dem Gebot des § 520 Abs. 3 Satz 2
Nr. 2 ZPO ihren Angriff gegen die Entscheidung des Amtsgerichts nicht
begründet. Dieses hat den Anspruch auf Zahlung der Mangelbeseitigungskosten,
soweit er sich auf die Zahlung der Umsatzsteuer bezieht, schon deswegen
verneint, weil die Umsatzsteuer unstreitig noch nicht angefallen sei und
daher nicht erstattet werden könne (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Juli 2010
- VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 9 ff. und 13 ff.). Damit hat es diesen
Anspruch insoweit mit einer eigenständigen zusätzlichen Begründung
abgewiesen; im Übrigen hat es ihn lediglich als verjährt angesehen. Hat das
Erstgericht - wie hier -die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander
unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die
Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das
Rechtsmittel unzulässig (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11,
NJW 2013, 174 Rn. 11 mwN).
24 Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Kläger hinsichtlich
der Entscheidung des Amtsgerichts über die Umsatzsteuer nicht gerecht. Die
Kläger haben nur Ausführungen zur Verjährung gemacht, aber nicht dargelegt,
woraus sich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ein Anspruch auf die
Zahlung der Umsatzsteuer ergeben soll. Dafür reicht auch die Angabe nicht
aus, dass die Bruttomängelbeseitigungskosten "als Vorschuss" gezahlt werden
sollen. Ein - die Umsatzsteuer umfassender (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 -
VII ZR 176/09, aaO Rn. 16) - Vorschussanspruch ist vom Gesetzgeber zwar für
das Werkvertragsrecht vorgesehen (§ 637 Abs. 3 BGB), aber bewusst nicht in
das Kaufrecht aufgenommen worden (BT-Drucks. 14/6040, S. 229; vgl. auch
Senatsurteil vom 23.
Februar 2005 - VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219, 225). Die
Kläger hätten daher ausführen müssen, warum ein solcher Anspruch im
konkreten Fall in Betracht kommen soll. Daran fehlt es.
III.
25 Nach alledem kann das angefochtene Urteil bezüglich des geltend gemachten
Anspruchs auf Zahlung von Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 1.103,95 €,
von pauschalem Schadensersatz in Höhe von 800 € und von vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, keinen Bestand haben. Da hiervon
auch die Entscheidung über die Widerklage abhängt, kann auch insoweit das
Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Es ist daher in dem vorbezeichneten
Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die weitergehende Revision ist mit der
Maßgabe zurückzuweisen, dass insoweit die Berufung der Kläger als unzulässig
verworfen wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - III ZR 338/09, NJW
2011, 926 Rn. 6 f.).
26 Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache im
Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1
Satz 1 ZPO), damit die notwendigen Feststellungen zu der vorgetragenen
Hemmung der Verjährung und die Prüfung einer Schadensschätzung gemäß § 287
ZPO vorgenommen werden können. Den Klägern
wird auch Gelegenheit zu geben sein klarzustellen, ob sie die Nettokosten
der Mangelbeseitigung als (im Kaufrecht grundsätzlich nicht gegebenen)
Vorschussanspruch geltend machen oder als Schadensersatz statt der Leistung.
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