BGHZ 87, 88
NJW 1983, 1496
LM § 477 BGB Nr. 37 (Ls.)
MDR 1983, 661
JZ 1983, 442
BB 1983, 1690
DB 1983, 1142
WM 1983, 448
ZIP 1983, 449
Zentrales Problem:
siehe die Anm. zu BGHZ 66, 208 sowie zu BGH NJW 1999, 1404 und BGH NJW 1999, 3192.
Hat eine schuldhafte Verletzung der Nebenpflicht des Verkäufers zur ordnungsgemäßen Verpackung der Kaufsache ausschließlich eine Mangelhaftigkeit der Kaufsache zur Folge, so unterliegen Schadensersatzansprüche des Käufers aus dieser positiven Vertragsverletzung, die unmittelbar mit der Mangelhaftigkeit der Kaufsache zusammenhängen, der kurzen Verjährung des § 477 BGB (Abgrenzung zu BGHZ 66,208).
Die Beklagte stellt Platten in verschiedener Gräße
aus Holzwerkstoff her und vertreibt sie auf Metallstützen befestigt
als Doppelbodenelemente insbesondere für Büroräume und Werkstätten.
Die Platten sind mit verschiedenen Belägen lieferbar. Im Januar 1977
bestellte die Klägerin 2650 dieser Platten, um sie im Rechenzentrum
des Flughafengebäudes in Lagos (Nigeria) zu verlegen. Die Lieferung
wurde am 10. Februar 1977 im Unternehmen der Beklagten dem Frachtführer
der Klägerin übergeben, der sie mit Lastkraftwagen nach Hamburg
brachte. Dort wurden die Platten in Container verladen und mit dem Schiff
nach Lagos befördert. Das Schiff kam am 18. März 1977 in Lagos
an. Auf der Baustelle trafen die Platten zwischen dem 10. und 15. April
1977 ein. Als die Klägerin am 29. April 1977 mit den Verlegearbeiten
beginnen wollte, stellte sie fest, daß die Fußbodenplatten
unlösbar so miteinander verklebt waren, daß jeweils zwei mit
ihren Oberseiten aufeinandergelegte Platten verbacken waren. Die Klägerin
ließ sich von der Beklagten Ersatz liefern und fordert im vorliegenden
Rechtsstreit die dadurch entstandenen Mehraufwendungen in Höhe von
70 949,90 DM nebst Zinsen und Auslagen.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben
die Klage zunächst mit der Begründung abgewiesen, die Forderungen
der Klägerin seien wegen Ablaufs der sechsmonatigen Verjährungsfrist
nach §§ 477,638 BGB verjährt. Das Berufungsgericht war dabei
aufgrund eines nicht bestrittenen Vorbringens der Klägerin, wonach
die Bodenplatten eine Sonderanfertigung für sie gewesen seien, davon
ausgegangen, daß Gegenstand des Vertrages zwischen den Parteien die
Herstellung und Lieferung von nicht vertretbaren Sachen gewesen sei. Der
VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat - ebenfalls hiervon ausgehend
- das Berufungsurteil mit der Begründung aufgehoben, daß die
Schadensersatzansprüche der Klägerin erst in fünf Jahren
seit der Abnahme verjähren würden, weil es sich um Arbeiten bei
Bauwerken gehandelt habe (§ 638 Abs. 1 Satz 1 letzte Alternative BGB).
In dem erneuten Berufungsverfahren hat die Beklagte geltend gemacht, daß
die gelieferten Bodenplatten Serienware aus ihrer Produktion und keine
Sonderanfertigung für die Klägerin gewesen seien. Nach Beweiserhebung
über diese Behauptung hat das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin
gegen die Abweisung ihrer Klage erneut zurückgewiesen. Die Revision
der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. 1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts handelt
es sich bei der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung über
die Lieferung der Bodenplatten um einen Werklieferungsvertrag über
vertretbare Sachen, auf den gemäß § 651 Abs. 1 Satz 2 BGB
die Vorschriften über den Kauf Anwendung finden.
2. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg
(wird ausgeführt).
II. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob
der Klägerin wegen der geltend gemachten Aufwendungen Gewährleistungsansprüche
gemäß §§ 459 ff. BGB oder Ansprüche aus positiver
Vertragsverletzung zustehen. Es ist der Auffassung, daß etwaige Ersatzansprüche
der Klägerin, deren Bestehen unterstellt, in jedem Fall gemäß
§ 477 Abs. 1 Satz 1 BGB verjährt wären. Diese Ansicht des
Berufungsgerichts hält den Revisionsangriffen stand.
I. Soweit das Berufungsgericht annimmt, etwaige
Gewährleistungsansprüche (§§ 459 ff. BGB) der Klägerin
seien zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Antrages auf Erlaß eines
Mahnbescheides am 27. Oktober 1977 bereits nach § 477 Abs. 1 BGB verjährt
gewesen, läßt das keinen Rechtsfehler erkennen. Die in §
477 Abs. 1 BGB vorgesehene verlängerte Verjährungsfrist bei Grundstücken
greift entgegen der Ansicht der Revision nicht ein. Es sind nämlich
bewegliche Sachen geliefert worden. Für die entsprechende Anwendung
der in § 638 BGB getroffenen Regelung bei Arbeiten an einem Grundstück
ist im Kaufrecht kein Anknüpfungspunkt ersichtlich.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon
aus, daß neben den von der Klägerin geltend gemachten Gewährleistungsansprüchen
auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung in Betracht kommen.
a) Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt,
daß die von der Beklagten gelieferten Bodenplatten bei Beginn der
Verlegearbeiten am 29. April 1977 unlösbar miteinander verklebt waren,
so daß sie nicht mehr verwendet werden konnten. Über die Ursachen
der Verklebung hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
Für die Revision ist deshalb zugunsten der Klägerin zu unterstellen,
daß die Verklebung - wie von der Klägerin behauptet - auf einer
unsachgemäßen Verpackung der Platten durch die Beklagte beruhte.
b) Die unsachgemäße Verpackung der
Bodenplatten durch die Beklagte ist hier nicht als Mangel der verkauften
Sache selbst anzusehen, sondern als eine Verletzung kaufvertraglicher Nebenpflichten,
die zu einer Haftung der Beklagten aus positiver Vertragsverletzung führt.
Ob ein Mangel der Verpackung als Mangel der verkauften Sache selbst anzusehen
und damit ausschließlich nach Gewährleistungsrecht (§§
459 ff. BGB) zu beurteilen ist, richtet sich danach, welche Bedeutung die
Verpackung für die Ware hat. Wenn von der Verpackung die Haltbarkeit
der Ware, ihr Wert oder die Möglichkeit des Weiterverkaufs abhängen,
oder wenn die Originalverpackung die Ware kennzeichnet, dann sind Verpackungsmängel
zugleich als Qualitätsmängel der Ware selbst anzusehen (Senatsurteile
vom 24. Juni 1958 - VIII ZR 95/57 = DB 1958,868; vom 28. April 1976 - VIII
ZR 244/74 = BGHZ 66,208,212; RGZ 59,120,123 f.; Brüggemann in HGB-RGRK
3. Aufl. § 377 Anm. 9). Im vorliegenden Fall sollte die Beklagte die
Bodenplatten lediglich in einer Verpackung bereitstellen, die zum Seetransport
in Containern geeignet war. Die Verpackung diente damit nur der Versendung
und dem Schutz der Ware auf dem Transport zum Bestimmungsort. Da sie keine
darüber hinausgehende Bedeutung für die Kaufsache hatte, können
Mängel der Verpackung hier nicht zugleich als Mängel der verkauften
Sache selbst angesehen werden (Brüggemann aaO § 377 Rdn. 9).
Die sachgerechte Verpackung für den Transport gehörte jedoch
- davon ist hier auszugehen - zu den kaufvertraglichen Nebenpflichten der
Beklagten, deren Verletzung zu einer Haftung aus positiver Vertragsverletzung
führt. Von dieser Haftung ist die Beklagte auch nicht durch die Übergabe
der Lieferung am 10. Februar 1977 an den Frachtführer der Klägerin
frei geworden. Auch wenn die Beklagte ihre Verkäuferpflicht zur Übergabe
und Eigentumsverschaffung bereits mit der Aushändigung der Kaufsache
an den Frachtführer erfüllt hatte und für den Weitertransport
nicht mehr verantwortlich war (§ 447 BGB), besagt das noch nichts
dafür, daß sie auch ihrer Verpflichtung nachgekommen war, die
Bodenplatten in ordnungsgemäß verpacktem und gesichertem Zustand
zu übergeben. Für eine Verletzung dieser Verpflichtung haftet
die Beklagte auch dann, wenn der Schaden selbst erst nach Übergabe
eingetreten ist (Senatsurteile vom 28. April 1976 - VIII ZR 244/74 = BGHZ
66,208; vom 14. Oktober 1964 - VIII ZR 40/63 = LM BGB § 447 Nr. 3
= BB 1964,1451; BGH Urteil vom 18. Juni 1968-VI ZR 120/67 = LM BGB §
447 Nr. 7 unter 2c aa = WM 1968,1302,1303 = NJW 1968,1929, 1930; MünchKomm/Westermann
§ 447 Rdn. 19; Mezger in BGB-RGRK 12. Aufl. § 447 Rdn. 14).
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen
die Auffassung des Berufungsgerichts, daß auch die Ansprüche
der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung der kurzen Verjährungsfrist
des § 477 Abs. 1 BGB unterliegen.
a) Seit der grundlegenden Entscheidung RGZ
53,200 ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt, daß
über den engen Wortlaut des § 477 Abs. 1 BGB hinaus alle im Zusammenhang
mit der kaufrechtlichen Gewährleistung geltend gemachten Ansprüche
der kurzen Verjährung unterliegen, sofern sie sich unmittelbar auf
Sachmängel gründen. Insbesondere findet die kurze Verjährungsfrist
auch auf Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung
Anwendung, sofern die Schäden einschließlich der sogenannten
Folgeschäden aus einem Sachmangel hergeleitet werden und zu diesem
in unmittelbarem, untrennbarem Zusammenhang stehen (BGHZ 60,9,12; BGHZ
77,215,219; zuletzt Senatsurteil vom 10. November 1982 - VIII ZR 156/81
= WM 1983,17). Dagegen ist § 477 Abs. 1 BGB nicht auf Ansprüche
aus positiver Vertragsverletzung anwendbar, die nicht aus einer Mangelhaftigkeit
der Kaufsache selbst, also nicht aus einer Verletzung der Lieferungspflicht,
hergeleitet werden, sondern aus einer Verletzung von Nebenpflichten, die
mit der Mangelhaftigkeit der Kaufsache in keinem unmittelbarem Zusammenhang
stehen (RGZ 144,162,163; BGHZ 47,312,319;
Senatsurteil vom 19. Oktober 1964 - VIII ZR 20/63 = LM BGB § 477 Nr.
7 = NJW 1965,148,150; Mezger aaO § 477 Rdn. 6; Westermann aaO §
477 Rdn. 26 f.; Staudinger/Honsell, BGB 12. Aufl. § 477 Rdn. 19; Erman/Weitnauer,
BGB 7. Aufl. § 477 Rdn. 4).
b) Der vorliegende Sachverhalt weist die Besonderheit
auf, daß die positive Vertragsverletzung der Beklagten gerade darin
besteht, daß durch sie ein Schaden der Kaufsache schuldhaft verursacht
worden ist, ohne daß weitere Rechtsgüter der Klägerin unmittelbar
beeinträchtigt worden sind. Wenn die Nebenpflicht der Beklagten hier
die sachgemäße Verpackung der Kaufsache betraf und die Verletzung
dieser Nebenpflicht zu einem Schaden der Kaufsache selbst führte,
so entspricht es dem gesetzgeberischen Grund des § 477 Abs. 1 BGB
- nämlich der alsbaldigen Wiederherstellung des Rechtsfriedens angesichts
der rasch eintretenden Aufklärungsschwierigkeiten -, einen ausschließlich
auf diesen Schaden gestützten Anspruch aus positiver Vertragsverletzung
der kurzen Verjährung zu unterstellen. Die gegenteilige Auffassung
würde zu dem Ergebnis führen, daß eine Verletzung der kaufvertraglichen
Hauptpflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache Gewährleistungsansprüche
auslöst, die der kurzen Verjährung des § 477 Abs. 1 BGB
unterliegen, während die Verletzung einer bloßen Nebenpflicht
bei gleichen Folgen - nämlich der Mangelhaftigkeit der Kaufsache -
eine Schadensersatzhaftung begründen würde, die der Verjährungsfrist
des § 195 BGB unterliegt. Da die Vertragswidrigkeit in beiden Fällen
ausschließlich einen Mangel des Kaufgegenstandes zur Folge hat, ist
es gerechtfertigt, insoweit auch die Ansprüche aus der Verletzung
von Nebenpflichten der kurzen Verjährung des § 477 Abs. 1 BGB
zu unterstellen. Nichts anderes könnte für Schadensersatzansprüche
gelten, die die Klägerin darauf stützt, daß die Beklagte
ihr keine Hinweise zur geeigneten Verpackung gegeben habe; auf diesen Punkt
ist die Revision allerdings nicht zurückgekommen.
c) Die kurze Verjährungsfrist gilt für
alle von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen, also sowohl
für die Schadensersatzansprüche, die auf Mängeln beruhen,
die der Kaufsache unmittelbar anhaften, als auch für Ansprüche,
die eng und unmittelbar mit der mangelhaften Kaufsache zusammenhängen
(BGHZ 77,215,218 f.). In sechs Monaten verjähren damit auch die von
der Klägerin geltend gemachten Kosten für das von ihr eingeholte
Privatgutachten über Mängel der Kaufsache sowie die Kosten für
die Verpackung und den Versand der Ersatzlieferung. Denn insoweit handelt
es sich um Schäden, die unmittelbar durch die Mangelbeseitigung verursacht
worden sind.
d) Die von der Revision angeführten Entscheidungen
des Bundesgerichtshofes (BGHZ 47,312;
BGHZ 66,208; Senatsurteile vom 31. Januar 1962 - VIII ZR 120/60 = NJW
1962,1196; vom 19. Oktober 1964 - VIII ZR 20/63 - NJW 1965,148) sind nicht
geeignet, ihre Auffassung zu stützen, wonach es sich im vorliegenden
Fall um Ansprüche der Klägerin aus der Verletzung von kaufvertraglichen
Nebenpflichten handele, auf die § 477 Abs. 1 BGB nicht anwendbar sei.
Soweit die den genannten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte
überhaupt mit dem vorliegenden Fall vergleichbar sind, ging es dort
gerade nicht um den Ersatz eines Schadens, der unmittelbar auf einem Mangel
der Sache selbst beruhte und sich auch darauf beschränkte. Das gilt
insbesondere für die von der Revision mehrfach für ihre Ansicht
in Anspruch genommene Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. April
1976 (BGHZ 66,208). Diese Entscheidung betraf
die Haftung eines Verkäufers von zwei Kraftfahrzeugbatterien für
einen Schaden, der durch die von ihm nicht ordnungsgemäß verpackten
Batterien an anderen im Eigentum des Käufers stehenden Gegenständen
verursacht worden war. Im vorliegenden Fall beschränkte sich der Schaden
demgegenüber auf die Unbrauchbarkeit der Kaufsache und die mit ihrem
Ersatz zusammenhängenden Aufwendungen.
4. Gilt für den hier streitigen Schadensersatzanspruch
somit die kurze Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 BGB, so war
der Anspruch der Klägerin, als sie ihn erstmalig mit der Einreichung
des Antrags auf Erlaß eines Mahnbescheides am 27. Oktober 1977 geltend
machte, bereits verjährt. Denn auch wenn man zugunsten der Klägerin
davon ausgeht, daß die Verjährungsfrist erst seit 15. April
1977 lief, also von dem Eintreffen der Platten auf der Baustelle an, war
die Klägerin am 27. Oktober 1977 nicht mehr in der Lage, die zu diesem
Zeitpunkt bereits abgelaufene Verjährungsfrist zu unterbrechen.