Geschäftsführung ohne
Auftrag, Auch-fremdes Geschäft und öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr;
Vorrang öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen; Vorrang
öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen
BGH, Urteil vom 19. Juli
2007 - III ZR 20/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Wird das Technische
Hilfswerk auf Anforderung der zuständigen (rheinlandpfälzischen)
Ordnungsbehörde zur Gefahrenabwehr eingesetzt, so sind die dadurch
entstehenden Kosten in den Erstattungsanspruch der Ordnungsbehörde gegen den
Gefahrenverursacher einzustellen. Ein Direktanspruch des THW gegen den
Verursacher aus Geschäftsführung ohne Auftrag besteht nicht.
Zentrale Probleme:
S. BGHZ 40, 28 ff;
BGHZ 54, 157 ff;
BGHZ
65, 354 sowie
die Anm. zu BGH NJW 2004, 513
= BGHZ 156, 394.
Zum "Auch-fremden Geschäft" s. die Anm. zu
die
BGH NJW 2000, 1560, zu
BGH v. 21.10.2003, X ZR
66/01 sowie
zu BGH v. 21.6.2012 - III ZR 275/11.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die klagende Bundesrepublik Deutschland ist Trägerin des Technischen
Hilfswerks, einer nicht rechtsfähigen Bundesanstalt mit eigenem
Verwaltungsunterbau im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit der Beklagten zu 1 ist der Straßen-
und Tiefbau. Die Beklagte zu 2, ein Unternehmen der Teerindustrie, stellt
Bitumen-Emulsionen für den Straßenbau her, unter anderem Estol-Haftkleber,
der zur Herstellung und Sanierung von Straßendecken benutzt wird. Der
Haftkleber wird in Servicetanks (in mehrere 1.000 l fassenden
Lkw-Tankanhängern) ausgeliefert.
2 Im April 2003 führte die Beklagte zu 1 eine Deckensanierung der
Kreisstraße 39 im Gebiet der Gemeinde E. durch. Den hierfür benötigten
Estol-Haftkleber bestellte sie bei der Beklagten zu 2. Er wurde in einem
Tankwagen der Beklagten zu 2 vereinbarungsgemäß am 24. April 2003 auf der
Baustelle angeliefert. Am 3. Mai 2003 wurde festgestellt, dass ca. 1.500
Liter des Haftklebers ausgelaufen waren. Der Kleber gelangte über die
Fahrbahn in einen Einlaufschacht der Straßenentwässerung sowie über die
Entwässerungsleitung in den L bach, wo es zu einem Fischsterben kam.
3 Nach Meldung dieses Vorfalls bei der Polizei ordnete die Kreisverwaltung
Südwestpfalz die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen an. Daran beteiligte
sich auf Anforderung auch das Technische Hilfswerk mit mehreren
Ortsverbänden.
4 Die Kreisverwaltung Südwestpfalz stellte beiden Beklagten als
Gesamtschuldnern die Kosten der Sanierung, darunter jedoch nicht diejenigen
des Technischen Hilfswerks, mit Leistungsbescheiden in Rechnung. Die
Widersprüche und die verwaltungsgerichtlichen Klagen der Beklagten blieben
erfolglos.
5 Die Klägerin hatte die durch den Einsatz des Technischen Hilfswerks
verursachten Aufwendungen gegenüber der Kreisverwaltung Südwestpfalz geltend
gemacht. Diese war jedoch der Auffassung, dass die Klägerin sich unmittelbar
an die Beklagten halten müsse. Dementsprechend nimmt die Klägerin im
vorliegenden Rechtsstreit die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz in
Höhe von 46.625,91 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Klage ist in beiden
Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
6 Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten
der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne
Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) nicht zu.
7 1. Bei der hier in Rede stehenden Sanierung des verunreinigten Baches war
das Technische Hilfswerk auf Anforderung der Kreisverwaltung Südwestpfalz
als der zuständigen Wasser- und Bodenschutzbehörde tätig geworden. Die
Sanierung selbst stellte eine von der Kreisverwaltung getroffene
ordnungsbehördliche Maßnahme dar. Dementsprechend hat auch das
Verwaltungsgericht als Rechtsgrundlage für die dortigen
Aufwendungsersatzansprüche der Kreisverwaltung § 94 Abs. 1 des
Wassergesetzes für das Land Rheinland-Pfalz (Landeswassergesetz - LWG) in
Verbindung mit § 108 Abs. 1 LWG und § 6 des Polizei- und
Ordnungsbehördengesetzes (POG) herangezogen. Auch in der Rechtsprechung des
Senats ist seit langem anerkannt, dass Maßnahmen des Gewässerschutzes mit
den Mitteln des Ordnungsrechts durchgesetzt werden können (Senatsurteil BGHZ
126, 279, 281 m.w.N.). Die Beklagte zu 1 war als Inhaberin der tatsächlichen
Gewalt über das Tankfahrzeug als diejenige Anlage, von der die Gefahr
ausgegangen war (§ 5 Abs. 1 POG), die Beklagte zu 2 als Eigentümerin (§ 5
Abs. 2 POG) in Anspruch genommen worden.
8 2. Diese öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz des
Technischen Hilfswerks schließen allerdings - wie der Revision zuzugeben ist
-die Anwendung der Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht
von vornherein aus. Die §§ 677 ff BGB sind grundsätzlich auch im Verhältnis
zwischen Verwaltungsträgern und Privatpersonen anwendbar. Die Annahme einer
Geschäftsführung ohne Auftrag der Verwaltung für den Bürger verbietet sich
nicht einmal dann ohne weiteres, wenn die öffentliche Hand bei dem
betreffenden Vorgang hauptsächlich zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher
Pflichten tätig geworden ist (st. Rspr.; vgl. insbesondere
Senatsurteil BGHZ 156, 394, 397 f m.zahlr.w.N.,
auch zu den gegen diese Betrachtungsweise im Schrifttum erhobenen Bedenken).
9 3. Bei solchen Fallgestaltungen ist der Rückgriff auf den
Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB jedoch dann ausgeschlossen,
wenn vorrangige einschlägige Regelungen über die Erstattung von Kosten und
Auslagen für die betreffenden Maßnahmen der Gefahrenabwehr bestehen (Senatsurteil
BGHZ 156, 394, 398 ff). Auch im allgemeinen bürgerlichen Recht sind
Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung
ohne Auftrag grundsätzlich dann nicht gegeben, wenn besondere Bestimmungen
das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln
(BGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 - X ZR 66/01 =
NJW-RR 2004, 81, 83). Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden,
dass hier in § 6 Abs. 2 POG eine derartige Sonderregelung getroffen worden
ist.
10 a) Die Beklagten sind - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen
ist - als die nach § 5 POG Verantwortlichen der für die Gefahrenabwehr
zuständigen Behörde zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die
unmittelbare Ausführung der getroffenen Gefahrenabwehrmaßnahmen entstanden
sind. Dementsprechend hat die Kreisverwaltung Südwestpfalz den Beklagten in
den die Erstattung dieser Kosten betreffenden Leistungsbescheiden mit Recht
auch die Kosten eingeschalteter privater Unternehmer in Rechnung gestellt.
Entgegen der Auffassung der Revision besteht kein Grund, die dem Technischen
Hilfswerk erwachsenen Kosten anders zu behandeln.
11 b) Zwar dürfte es zutreffen, dass die Leistungen des Technischen
Hilfswerks nicht aufgrund eines von der Kreisverwaltung erteilten
(privatrechtlichen) Auftrags (bzw. Dienst- oder Werkvertrages), sondern
aufgrund einer als hoheitlich einzustufenden "Anforderung" erbracht worden
sind. Dies steht jedoch einer Einbeziehung in den von der Kreisverwaltung
geltend zu machenden Erstattungsanspruch nicht entgegen. Die umfassende
Zuständigkeit der Kreisverwaltung für die hier in Rede stehenden
Gefahrenabwehrmaßnahmen erfordert vielmehr auch bei der Regelung der dadurch
verursachten Kosten eine Bündelung sämtlicher Erstattungsansprüche in der
Hand dieser Behörde. Dies entspricht zugleich auch dem wohlverstandenen
Interesse der in Anspruch genommenen Personen, im Rahmen einer
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung sämtliche Einwände gegen Grund und
Höhe der Ersatzpflicht gegen die anordnende Behörde als sachnächsten Gegner
geltend machen zu können. Daher ist es geboten, den Begriff des
"Beauftragten" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 POG nicht auf (private)
selbständige Unternehmer zu beschränken (so aber De Clerck/Schmidt, POG
[Stand: Juni 2000], § 6 Anm. II 3), sondern auch auf andere Stellen und
Behörden zu erstrecken, die von der zuständigen Behörde zur Gefahrenabwehr
herangezogen werden (in diesem Sinne Roos, POG, 3. Aufl., § 6 Rn. 1; ebenso
Gusy, Polizeirecht, 6. Aufl., Rn. 459). Nur diese Sichtweise entspricht auch
den allgemeinen amtshilferechtlichen Bestimmungen (§§ 4 bis 8 VwVfG ),
wonach der ersuchten Behörde entstehende Auslagen von der ersuchenden
Behörde zu erstatten sind (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) und die Frage, ob und in
welcher Höhe derartige Kosten dem Bürger in Rechnung gestellt werden können,
allein nach Maßgabe der jeweiligen Kostengesetze zu beantworten ist (vgl.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 8, Rn. 1 und 12; siehe auch zu § 19 Abs. 2
BPolG VG Münster, Urteil vom 12. Juli 2006 - 1 K 1341/03 - juris, Rn. 35).
12 c) Werden von der zuständigen Gefahrenabwehrbehörde Ortsverbände des
Technischen Hilfswerks herangezogen, so ergeben sich insoweit keine
Besonderheiten. Dabei spielt es insbesondere keine Rolle, ob - wozu
Feststellungen fehlen - es sich bei dem vorliegenden Schadensereignis um
einen Unglücksfall größeren Ausmaßes im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
des THW-Helferrechtsgesetzes vom 22. Januar 1990 (BGBl. I S. 118) handelte.
Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ist zu berücksichtigen, dass diese
Bestimmung keine echte Aufgabennorm, sondern eine gesetzliche Beschreibung
der vom Technischen Hilfswerk zu leistenden Amtshilfe darstellt, für die die
§§ 4 bis 8 VwVfG ergänzend heranzuziehen sind (Roewer, THW-Gesetz, 2. Aufl.,
§ 1 Rn. 19, 27 und 32 sowie, hinsichtlich der Kostenfrage, Rn. 37).
13 Vergeblich beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang auf § 5 Abs. 1
und Abs. 2 der Richtlinie über die Durchführung und Abrechnung von
Hilfeleistungen des Technischen Hilfswerks - Abrechnungsrichtlinie - nach
dem Stand vom 1. Januar 2002. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 sind Kosten für
technische Hilfe grundsätzlich der zuständigen Stelle in Rechnung zu
stellen. Bei technischer Hilfe auf Veranlassung der Polizei ist nicht diese,
sondern allein der Begünstigte kostenpflichtig (§ 5 Abs. 2 Satz 2). Zwar
spricht diese letztere Regelung dafür, dass die Kosten des Einsatzes vom
Technischen Hilfswerk unter Umgehung der anordnenden Gefahrenabwehrbehörde
dem Verursacher unmittelbar in Rechnung gestellt werden können. Jedoch
vermag eine bloße Verwaltungsvorschrift die Richtigkeit des anhand der
einschlägigen Gesetzesbestimmungen gewonnenen Auslegungsergebnisses nicht in
Frage zu stellen.
14 4. Da nach alledem eine unmittelbare Inanspruchnahme der Beklagten durch
die Klägerin ausscheidet, ist die Klage zu Recht abgewiesen worden.
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