Geschäftsführung ohne Auftrag: Voraussetzungen des „Auch-fremden-Geschäfts“
bei vertraglicher Verpflichtung gegenüber einem Dritten bzw. bei Haftung
eines Dritten aus § 179 BGB BGH, Urt. v. 21. Oktober 2003 - X ZR 66/01 - Brandenburgisches OLG Fundstelle: NJW-RR 2004, 81 Amtl Leitsätze:
a) Ein Unternehmer, der mit einem Dritten
(hier: Wohnungsbauunternehmen als Verwalter von Mietwohnungen) einen
Werkvertrag geschlossen hat, in dem die Entgeltfrage umfassend geregelt ist,
hat gegen den durch die Erbringung der Werkleistung Mitbegünstigten (hier:
Wohnungseigentümer) keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz unter dem
Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, auch wenn er seinen
Entgeltanspruch gegenüber dem anderen Vertragsteil nicht durchsetzen kann. Zentrale Probleme:
Es geht um die Frage der Geschäftsführung ohne
Auftrag (§§ 677 ff BGB) in Form des sog. „Auch-fremden Geschäfts“. Der BGH
erläutert dabei z.T. lehrbuchartig grundlegende Fragen des
Stellvertretungsrechts und der GoA in der Form des "Auch-fremden Geschäfts",
was die Entscheidung sehr lehrreich macht. Der Sachverhalt, der durch
Rechtsnachfolgefragen ein wenig kompliziert ist, läßt sich wie folgt
vereinfacht darstellen: Die Klägerin hatte sich als Unternehmerin in einem
Werkvertrag zur Erbringung von Werkleistungen verpflichtet. Der Werkvertrag,
der Leistungen in Gebäuden der beklagten Gemeinde (bzw. ihre
Rechtsvorgängerin) beinhaltete (Einbau und Betrieb einer Heizungsanlage)
wurde mit der später in Insolvenz gefallenen WBG geschlossen. Zwischen den
Parteien ist streitig, ob die WBG beim Vertragsschluß in eigenem Namen oder
im Namen der Beklagten gehandelt hat. Tatbestand: Die Klägerin ist durch Verschmelzung aus der E. GmbH (im folgenden: WDS) hervorgegangen; die beklagte Gemeinde ist Rechtsnachfolgerin der früheren Gemeinde A. im Amt L. . WDS hatte mit der später in Gesamtvollstreckung gefallenen Gemeinnützigen W. GmbH O. M. (im folgenden: WBG), an der die Gemeinde A. beteiligt war und die verschiedene u.a. im Eigentum dieser Gemeinde stehende Wohngebäude verwaltete, eine "Bereitstellungsvereinbarung" geschlossen, nach der WDS unter anderem in diesen Wohngebäuden ein Heizungs- und Wassersystem zu errichten und zu betreiben bzw. zum Betrieb bereitzustellen hatte. WBG hatte dafür auf die Dauer von 15 Jahren eine als "Nutzungsentgelt" bezeichnete Vergütung an WDO zu zahlen. Es ist streitig, ob WBG dabei als Vertreterin der Gemeinde gehandelt hat, weiter, ob die zunächst erfolgten Zahlungen durch WBG oder durch die Gemeinde geleistet wurden. Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der WBG und nachfolgender Zahlungseinstellung nahm WDS die Gemeinde auf Zahlung fälliger wie für die Restlaufzeit des Vertrags geschuldeter Vergütungsbeträge in Anspruch, wobei sie sich in erster Linie darauf stützte, daß diese aus dem Vertrag verpflichtet sei, in zweiter Linie aber Aufwendungsersatz aus dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machte. Das Landgericht, das vertragliche Ansprüche verneint hat, hat die Beklagte wegen eines Aufwendungsersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag zur Zahlung von 9.061,97 DM nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, daß die Beklagte vom 1. Juni 1999 bis zum 29. November 2010 an die Klägerin monatlich 4.030,98 DM zu zahlen hat. Die Berufung der Gemeinde hatte teilweise Erfolg; das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, daß die Gemeinde den (der Höhe nach unstreitigen) Investitionsanteil, soweit er nicht durch die bisher erfolgten Zahlungen getilgt sei, in einem Betrag (194.827,49 DM) zu zahlen habe, nicht aber die weiteren im Vertrag festgelegten Beträge, bei denen es sich um Finanzierungskosten handle, die nicht unter den unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag geschuldeten Aufwendungsersatz fielen. Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Revision verteidigt die Klägerin das landgerichtliche Urteil und begehrt dessen Wiederherstellung. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. Entscheidungsgründe: Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
I. Das Berufungsgericht hat in der
Bereitstellungsvereinbarung einen Werkvertrag mit Stundungsabrede oder
Ratenzahlungsvereinbarung gesehen.
II. 1. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis
gekommen, daß die beklagte Gemeinde nicht Vertragspartnerin dieser
Vereinbarung geworden ist. 2. Das greift die Revision ohne Erfolg an. a) Sie meint, das Berufungsgericht habe bei der Verneinung eines Vertretergeschäfts gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoßen und Prozeßstoff übergangen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die WBG seien bei Vertragsschluß übereinstimmend davon ausgegangen, daß die WBG als Vertreterin der Gemeinde handele. Nach dem als übergangen gerügten Vortrag sei die Rechtsvorgängerin der Klägerin weiter davon ausgegangen, daß die WBG zur Verwaltung des kommunalen Wohnungsbestands gegründet worden sei und Eigengeschäfte nicht vorgenommen habe. Zudem verweist die Revision auf die behauptete Zahlung der laufenden Rechnungen durch die Gemeinde. Weiter habe das Berufungsgericht § 2 des Gesellschaftsvertrags der WBG fehlerhaft gewürdigt, aus dem sich eine Vertretungsmacht der Verwalterin ergebe. Übergangen habe das Berufungsgericht auch den unstreitigen Sachvortrag, daß die WBG gar nicht über die Mittel für derartige Geschäfte verfügt habe. Nicht auseinandergesetzt habe es sich weiter mit dem Gesichtspunkt, daß nur dann, wenn die WBG für die hinter ihr stehenden Gemeinden gehandelt habe, ein zahlungsfähiger Schuldner vorhanden gewesen sein könne. Die Revision meint mit näheren Ausführungen schließlich, auch die Hilfserwägung des Berufungsgerichts zur Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform trage nicht.
3. Diese Rügen bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
b) Auch aus dem im übrigen als übergangen
gerügten Vortrag ergibt sich die Passivlegitimation der Beklagten nicht.
Wenn unterstellt wird, daß die WBG als Vertreterin handeln wollte, kann
daraus nicht zwingend abgeleitet werden, daß sie dazu von der Beklagten
bevollmächtigt war; daß diesbezüglicher Vortrag unbeachtet geblieben wäre,
zeigt die Revision nicht auf. Mit der Rechnungsstellung und der Zahlung
durch die Beklagte hat sich das Berufungsgericht eingehend
auseinandergesetzt. Die von ihm gezogenen Folgerungen sind jedenfalls
vertretbar und deshalb revisionsrechtlich hinzunehmen. Das gilt auch für die
Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 2 des Gesellschaftsvertrags. III. 1. Das Berufungsgericht hat die Klage unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes aus Geschäftsführung ohne Auftrag für teilweise begründet angesehen. Dieses Ergebnis steht im Revisionsverfahren nicht zur Überprüfung, nachdem die Beklagte das Berufungsurteil nicht angefochten hat. 2. Ob der Klägerin - wenn überhaupt - höhere Aufwendungsersatzansprüche zustehen, als sie ihr vom Berufungsgericht zugesprochen worden sind, kann auf Grund der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilt werden. Ein solcher Anspruch setzt voraus, daß zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der WBG ein Vertrag nicht zustande gekommen ist, sondern daß sich die Haftung der WBG allein aus § 179 BGB ergibt. Allerdings ist das Berufungsgericht von einem Vertrag mit der WBG ausgegangen. Dies greift die Revision jedoch mit Erfolg an, indem sie geltend macht, das Berufungsgericht habe gewichtige Gesichtspunkte dafür außer acht gelassen, daß die Vorgängerin der Klägerin und die WBG übereinstimmend davon ausgegangen seien, der Vertrag habe mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossen werden sollen. Wäre dem so gewesen, erschiene die Annahme des Berufungsgerichts, ein solcher Vertrag sei mit der WBG zustande gekommen, zweifelhaft. Das Berufungsgericht wird Gelegenheit haben, seine Auffassung unter umfassender Berücksichtigung des Streitstoffs zu überprüfen. Sollte es danach weiterhin zu dem Ergebnis kommen, daß ein Vertrag mit der WBG zustande gekommen ist, wird der weitergehenden Klage der Erfolg verwehrt sein. Sollte es dagegen zu dem Ergebnis gelangen, ein Vertrag mit der WBG sei nicht zustande gekommen, ergäbe sich die Rechtsbeziehung der Klägerin zur WBG allein aus deren Verantwortlichkeit als vollmachtsloser Vertreter. In diesem Fall kommen aber Aufwendungsersatzansprüche aus dem Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag dem Grunde nach in Betracht.
a) aa) Auch bei Bestehen einer vertraglichen
Beziehung zur WBG sind Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne
Auftrag (§§ 677, 683 BGB) nicht schlechthin ausgeschlossen, wenn der
Geschäftsführer (als "pflichtgebundener" Geschäftsführer) einem Dritten
gegenüber (hier: der WBG) zur Geschäftsbesorgung verpflichtet ist, sofern er
nur (auch) gegenüber dem Geschäftsherrn (hier: der Gemeinde) handelt (vgl.
Seiler in MünchKomm BGB, 3. Aufl. § 677 Rdn. 9 m. Nachw. in Fn. 30). bb) Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind grundsätzlich dann nicht gegeben, wenn besondere Bestimmungen des bürgerlichen Rechts das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln. Gleiches gilt, wenn das Gesetz den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichtet, insbesondere, wenn er die Aufwendungen kraft seiner besonderen Verpflichtung selbst tragen soll (vgl. BGHZ 40, 28, 32) oder wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung vorsehen, die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erlaubt (BGHZ 140, 102, 109 f.; unter Hinweis auf BGHZ 30, 162, 169 ff.; 40, 28, 32; 98, 235, 242 f.). cc) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Geschäftsbesorgung für einen anderen auch dann vorliegen, wenn der Geschäftsführer zur Besorgung des Geschäfts einem Dritten gegenüber verpflichtet ist (BGHZ 143, 9, 14; vgl. BGHZ 40, 28, 31; 140, 102, 109 m.w.N.). Jedoch kommt in solchen Fällen eine Inanspruchnahme des Geschäftsherrn dann nicht in Betracht, wenn die Verpflichtung auf einem mit einem Dritten wirksam geschlossenen Vertrag beruht, der Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regelt (Seiler in Münch-Komm BGB aaO Rdn. 15; vgl. Beuthien in Soergel BGB 12. Aufl. § 677 BGB Rdn. 11; Ehmann in Erman BGB 10. Aufl., Rdn. 5 vor § 677 BGB). Eine solche umfassende Regelung der Entgeltfrage innerhalb der wirksamen Vertragsbeziehung ist hinsichtlich des Ausgleichs für die jeweils erbrachten Leistungen auch im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich abschließend. Den Rückgriff auf Aufwendungsersatzansprüche verwehrt der aus der Parteiautonomie folgende Vorrang der vertraglichen Rechte gegenüber dem Ausgleich der aus der erbrachten Leistung resultierenden Vorteile Dritter, die außerhalb des Vertrags stehen. Mit der vereinbarten Vergütung erhält der Vertragspartner die Bezahlung, die er nach der Privatrechtsordnung erwarten kann. Wollen die Parteien eine Mithaftung des Dritten für das Vertragsentgelt herbeiführen, haben sie die Möglichkeit, dies durch Vereinbarung mit ihm zu erreichen, insbesondere ihn in ihre Absprache einzubeziehen. Die spätere Insolvenz des Vertragspartners ändert hieran nichts; sie bietet nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Systematik keine Grundlage für die Begründung von Aufwendungsersatzansprüchen gegenüber Dritten. Zweck des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag ist es nicht, das Insolvenzrisiko der Parteien aufzufangen und auf Dritte zu verlagern. dd) Aus den tatbestandlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht getroffen hat, folgt, sofern man unterstellt, daß der Vertrag mit der WBG zustande gekommen ist, ohne weiteres, daß in der Bereitstellungsvereinbarung die Entgeltfrage umfassend geregelt worden ist. Für Entgeltansprüche gegenüber der Gemeinde war in diesem Fall deshalb von vornherein kein Raum. Allerdings hat es, soweit das Berufungsgericht auf dieser Grundlage einen Teil der geltend gemachten Ansprüche der Klägerin zugebilligt hat, dabei zu verbleiben, weil das Berufungsurteil mangels Anfechtung insoweit nicht der Überprüfung unterliegt; einem Erfolg des Klagebegehrens steht die Verneinung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz schon dem Grunde nach jedoch entgegen, soweit ein Vertrag mit der WBG zustande gekommen ist.
b) aa) Anders verhält es sich jedoch, wenn die
WBG als vollmachtlose Vertreterin gehandelt hat und sich ihre
Inanspruchnahme nicht auf den Vertrag, sondern lediglich auf die Regelung
des § 179 BGB gründen läßt. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden
hat, können Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und Ansprüche aus §
179 BGB nebeneinander bestehen (BGH, Urt. v. 7.3.1989 - XI ZR 25/88, NJW-RR
1989, 970). Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
geäußerten Auffassung kann aus der Regelung in § 951 BGB ein Ausschluß von
Aufwendungsersatzansprüchen nicht abgeleitet werden. Auf dieser Grundlage
wäre der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts nicht zu
beanstanden.
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