Namensrechtsverletzung
(§ 12 BGB) bei Domainnamen (Namensanmaßung): Prioritätsprinzip bei später
entstandenem Namensrecht; Verhältnis von Markenrecht zu Namensrecht -
"afilias.de"
BGH, Urt. v. 24. April 2008
– I ZR 159/05
Fundstelle:
NJW 2008, 3716
Amtl. Leitsatz:
Grundsätzlich verletzt
ein Nichtberechtigter, für den ein Zeichen als Domainname unter der in
Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de“ registriert ist, das Namens-
oder Kennzeichenrecht desjenigen, der an einem identischen Zeichen ein
Namens- oder Kennzeichenrecht hat. Etwas anderes gilt jedoch regelmäßig
dann, wenn das Namens- oder Kennzeichenrecht des Berechtigten erst nach der
Registrierung des Domainnamens durch den Nichtberechtigten entstanden ist
(im Anschluss an BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR 65/02,
GRUR 2005, 430 = WRP 2005, 488 – mho.de).
Zentrale Probleme:
Die sehr lehrreiche Entscheidung enthält eine
hervorragende Zusammenfassung des derzeitigen Stands der Rechtsprechung zum
Domainnamensrechts.
S. dazu auch die Anm. zu
BGHZ 155, 273, 276 f. - maxem.de.
Zum markenrechtlichen Schutz von Domainnamen s.
BGH NJW
2002, 2031 ("shell.de"). Zur
zur Zulässigkeit von Gattungsbegriffen als Domainnamen s.
BGHZ
148, 1, 6 ("Mitwohnzentrale.de). Zur Schutzfähigkeit von
Pseudonymen s. BGH NJW 2003, 2978 ("maxem.de").
Zur Haftung der Domainvergabestelle DENIC s.
BGH
NJW 2001, 3265 ("ambiente.de"); zum
(zu verneinenden) Anspruch auf "Sperrung"
einer Domain s. BGH v.
19.2.2004 - I ZR 82/01 = NJW 2004, 1793 - "kurt-biedenkopf.de".
Zum Verhältnis Namensrecht/Markenrecht s. auch
BGH v. 9.9.2004 - I ZR 65/02 (mho.de).
Zur Haftung des "Admin-C" s. auch
BGH v. 9.11.2011 - I ZR 150/09.
Zur Frage, ob der Domainname selbst nach § 823 I BGB als "sonstiges Recht"
geschützt ist s. BGH NJW 2012, 2034.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die Klägerin registriert und verwaltet die Domainnamen unter der
Top-Level-Domain „.info“. Sie wurde am 13. Februar 2001 mit ihrer
Unternehmensbezeichnung „Afilias Limited“ in das irische
Gesellschaftsregister eingetragen. Seit Mai 2001 vermarktet sie unter dieser
Bezeichnung die Domain „.info“ auch in Deutschland. Zuvor bestand seit
September 2000 ein Konsortium, das sich am 2. Oktober 2000 unter der
Bezeichnung „Afilias“ letztlich erfolgreich bei der Internet Corporation for
Assigned Names and Numbers (ICANN) um die Position als „Registry“ für die
Top-Level-Domain „.info“ beworben hatte. Die Klägerin macht geltend, sie
habe das Unternehmenskennzeichenrecht dieses Konsortiums übernommen. Die
Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke „Afilias“, die am 26. März
2001 angemeldet und am 14. April 2002 für die Registrierung von Domainnamen
und die damit verbundenen Dienstleistungen eingetragen wurde.
2 Der Beklagte hat am 24. Oktober 2000 den Domainnamen „www.afilias.de“ für
sich registrieren lassen. Er behauptet, die Internet-Seite für ein
Partnerprogramm zu benutzen, das nur zugelassenen Partnern zur Verfügung
stehe. Der Beklagte ist zudem Inhaber der nationalen Wortmarke „Afilias“,
die am 27. Mai 2003 angemeldet und am 7. Januar 2004 für ein umfangreiches
Dienstleistungsverzeichnis eingetragen wurde.
3 Die Klägerin sieht in dem Verhalten des Beklagten eine Verletzung ihres
Unternehmenskennzeichen- und Namensrechts sowie einen unlauteren
Behinderungswettbewerb. Mit ihrer Klage verlangt sie vom Beklagten, es zu
unterlassen, die Internet-Adresse „www.afilias.de“ zu nutzen und/oder
reserviert zu halten.
4 Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den
Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin
beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
6 I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §
12 BGB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
7 Die Vorschrift des § 12 BGB sei anwendbar und werde nicht durch § 15
MarkenG verdrängt, weil der Beklagte – jedenfalls soweit es den
angegriffenen Domainnamen betreffe – nicht im geschäftlichen Verkehr tätig
sei. Das Unternehmenskennzeichen- bzw. Namensrecht der Klägerin sei zwar
frühestens im Februar 2001 entstanden. Der Beklagte habe jedoch durch die
Registrierung des Domainnamens im Oktober 2000 weder das Eigentum noch ein
Kennzeichenrecht oder ein sonstiges absolutes Recht an der Internet-Adresse
erworben. Das Namensrecht der Klägerin werde daher verletzt, auch wenn es
erst nach Aufnahme der verletzenden Handlung durch den Beklagten entstanden
sei. Anders wäre es nur, wenn der Beklagte den Domainnamen auch als
Unternehmenskennzeichen nutzen würde. Dies sei jedoch nicht der Fall. Eine
Beeinträchtigung des Namensrechts der Klägerin liege vor, obwohl die
Klägerin unter der Top-Level-Domain „.info“ im Internet erreichbar sei. Der
Verkehr erwarte, dass in Deutschland tätige Unternehmen – zumindest auch –
unter der Top-Level-Domain „.de“ erreichbar seien.
8 II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in
allen Punkten stand.
9 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass
im Streitfall die Vorschrift des § 12 BGB anwendbar ist und nicht durch die
Bestimmungen der §§ 5, 15 MarkenG verdrängt wird.
10 a) Grundsätzlich steht der Klägerin an ihrer Unternehmensbezeichnung
mit Namensfunktion sowohl ein Kennzeichenrecht aus §§ 5, 15 MarkenG als auch
ein Namensrecht aus § 12 BGB zu. Der Kennzeichenschutz aus §§ 5, 15 MarkenG
verdrängt in seinem Anwendungsbereich zwar den Namensschutz aus § 12 BGB.
Die Bestimmung des § 12 BGB bleibt jedoch anwendbar, wenn der
Funktionsbereich des Unternehmens ausnahmsweise durch eine Verwendung der
Unternehmensbezeichnung außerhalb des Anwendungsbereichs des
Kennzeichenrechts berührt wird. So verhält es sich, wenn die
Unternehmensbezeichnung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb
der Branche und damit außerhalb der kennzeichenrechtlichen
Verwechslungsgefahr verwendet wird. In diesen Fällen kann der Namensschutz
ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen
werden, die nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen
(BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR 65/02, GRUR 2005,
430 f. = WRP 2005, 488 – mho.de).
11 b) Diese Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 12 BGB sind im
Streitfall erfüllt, weil der Beklagte den Domainnamen „www.afilias.de“ nicht
im geschäftlichen Verkehr verwendet.
12 aa) Für das Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es auf die erkennbar
nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden an. Dient das Verhalten
nicht der Förderung der eigenen oder einer fremden erwerbswirtschaftlichen
oder sonstigen beruflichen Tätigkeit, scheidet ein Handeln im geschäftlichen
Verkehr aus. Das Verhalten ist dann ausschließlich dem privaten Bereich
außerhalb von Erwerb und Berufsausübung zuzurechnen (BGHZ
149, 191, 197 – shell.de). Auch bei einem Domainnamen genügt nicht
die bloße Vermutung; vielmehr bedarf es einer positiven Feststellung, dass
er im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, wobei im Zweifel von einer rein
privaten Nutzung auszugehen ist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., Nach
§ 15 Rdn. 87; a.A. Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 3 Rdn. 328).
13 bb) Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, es sei nichts
Konkretes dafür ersichtlich, dass der Beklagte den Domainnamen geschäftlich
nutze, lässt keine Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht hat das
Vorbringen des Beklagten, er betreibe auf der Internetseite ein
Partnerprogramm, das nur für zugelassene Partner zugänglich sei, zu Recht
nicht zur Darlegung einer geschäftlichen Tätigkeit für ausreichend erachtet.
Der Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts – auch in der
mündlichen Verhandlung – nicht nachvollziehbar vorgetragen, wie das
Partnerprogramm funktionieren und die aus dem vom Beklagten vorgelegten
Ausdruck einer Internetseite ersichtliche Werbung Wirkung entfalten konnte,
wenn nur bereits gewonnene Partner des Beklagten auf diese Internetseite
Zugriff hatten. Da demnach keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine
Nutzung im geschäftlichen Verkehr bestehen, ist die Nutzung der Bezeichnung
„www.afilias.de“ durch den Beklagten dem privaten Bereich zuzurechnen.
14 Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob die weitere Erwägung
des Berufungsgerichts gleichfalls frei von Rechtsfehlern ist, der Beklagte
habe den Domainnamen jedenfalls deshalb seit längerem nicht mehr
geschäftlich genutzt, weil selbst den am Partnerprogramm teilnehmenden
Personen der Zugriff auf einen Inhalt der Internetseite nur zeitweise
möglich gewesen sei und die Website weder im August 2004 noch im Jahr 2005
einen Inhalt gehabt habe. Es kann daher auf sich beruhen, ob die gegen diese
Hilfsbegründung des Berufungsgerichts vorgebrachten Rügen der Revision
durchgreifen.
15 2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist das
Unternehmenskennzeichen- bzw. Namensrecht der Klägerin an der
Unternehmensbezeichnung „Afilias Limited“ im Mai 2001 entstanden.
16 a) Die Entstehung des Rechtsschutzes an von Haus aus
kennzeichnungskräftigen Kennzeichnungen setzt lediglich ihre Ingebrauchnahme
im geschäftlichen Verkehr voraus (BGHZ 120, 103, 107 – Columbus). Die
Ingebrauchnahme einer Firmenbezeichnung erfordert unabhängig davon, ob es
sich um eine in- oder ausländische Kennzeichnung handelt,
Benutzungshandlungen im Inland, die auf den Beginn einer dauerhaften
wirtschaftlichen Betätigung schließen lassen; dabei kommt es nicht darauf
an, dass die Kennzeichnung bereits im Verkehr eine gewisse Anerkennung
gefunden hat (BGH, Urt. v. 20.2.1997 – I ZR 187/94, GRUR 1997, 903, 905
= WRP 1997, 1081 – GARONOR, m.w.N.).
17 b) Das Unternehmenskennzeichen der Klägerin „Afilias Limited“ ist nach
den zutreffenden und von der Revision auch nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts hinreichend unterscheidungskräftig. Die
Klägerin vermarktet unter dieser Bezeichnung die Top-Level-Domain „.info“
seit Mai 2001 auch in Deutschland. Ihr steht an der Bezeichnung „Afilias“
demnach in Deutschland seit Mai 2001 Kennzeichen- bzw. Namensschutz zu. Dass
die Klägerin bereits am 13. Februar 2001 unter ihrer Unternehmensbezeichnung
in das irische Gesellschaftsregister eingetragen worden ist, ist insoweit
nicht von Bedeutung.
18 3. Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen tragen
jedoch nicht die Beurteilung, dass der Beklagte das Namensrecht der Klägerin
nach § 12 BGB verletzt hat. Eine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz
1 Fall 2 BGB liegt vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen
gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige
Interessen des Namensträgers verletzt werden (BGHZ 171, 104 Tz. 11 –
grundke.de, m.w.N.).
19 a) Der Beklagte hat den Namen „Afilias“, nachdem die Klägerin daran im
Mai 2001 Kennzeichenschutz erlangt hatte, dadurch gebraucht, dass er ihn als
Domainnamen registriert hielt. Grundsätzlich liegt schon in dem
Registrieren eines Domainnamens und dem Aufrechterhalten dieser
Registrierung ein Namensgebrauch. Denn der berechtigte Namensträger wird
bereits dadurch, dass ein Dritter den Namen als Domainnamen unter einer
bestimmten Top-Level-Domain registriert und registriert hält, von der
eigenen Nutzung des Namens als Domainname unter dieser Top-Level-Domain
ausgeschlossen (vgl. BGHZ 149, 191, 199 –
shell.de; 155, 273, 276 f. – maxem.de).
20 b) Der Beklagte hat den Namen der Klägerin unbefugt gebraucht. Der
Gebrauch eines Namens ist unbefugt, wenn dem Verwender keine eigenen Rechte
an diesem Namen zustehen (BGHZ 155, 273, 277 –
maxem.de). Der Beklagte hatte im Mai 2001 keine Rechte an der
Bezeichnung „Afilias“, die er der Klägerin hätte entgegenhalten können.
21 aa) Der Beklagte hat dadurch, dass er die Bezeichnung „Afilias“ im
Oktober 2000 für sich als Domainnamen registrieren ließ, kein gegenüber der
Klägerin wirkendes Recht an dem Domainnamen erlangt. Der Eintrag eines
Domainnamens ist nicht wie ein absolutes Recht einer bestimmten Person
zugewiesen (BGHZ 149, 191, 205 – shell.de).
Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der Inhaber der
Internet-Adresse weder das Eigentum an dem Domainnamen selbst noch ein
sonstiges absolutes Recht, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem
Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre (BVerfG, Kammerbeschl. v.
24.11.2004 – 1 BvR 1306/02, GRUR 2005, 261 m.w.N.; Bornkamm in Festschrift
für Schilling, 2007, S. 31, 38 f.; a.A. OLG Köln GRUR-RR 2006, 267, 268).
22 bb) Auch durch Nutzung des Domainnamens hat der Beklagte kein Recht an
der Bezeichnung erworben. Durch die Benutzung eines Domainnamens kann zwar
grundsätzlich ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen erworben werden;
dies setzt allerdings voraus, dass der Verkehr in der als Domainnamen
gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt (vgl. BGH, Urt. v.
22.7.2004 – I ZR 135/01, GRUR 2005, 262, 263 = WRP 2005, 338 – soco.de; Urt.
v. 24.2.2005 – I ZR 161/02, GRUR 2005, 871, 873 – Seicom). Dies ist hier
nicht der Fall. Der Beklagte hat den Domainnamen nach den rechtsfehlerfreien
Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. oben unter II 1 b bb) nicht als
Hinweis auf einen Geschäftsbetrieb verwendet.
23 cc) Auf ein Markenrecht an der Bezeichnung „Afilias“ kann der Beklagte
sich schon deshalb nicht stützen, weil seine nationale Wortmarke „Afilias“
erst am 27. Mai 2003 angemeldet und am 7. Januar 2004 eingetragen wurde und
daher im Mai 2001 noch nicht bestanden hat. Erwirbt der Domaininhaber nach
der das Namensrecht des Berechtigten verletzenden Registrierung des
Domainnamens ein Kennzeichenrecht an dieser Bezeichnung, ändert dies nichts
daran, dass der Namensgebrauch unbefugt war. Ein nachträglicher Erwerb eines
Rechts am Domainnamen kann lediglich im Rahmen der gebotenen
Interessenabwägung zu berücksichtigen sein (vgl. unten unter II 3 d aa).
24 c) Der unbefugte Namensgebrauch hat schließlich zu einer
Zuordnungsverwirrung und einer Verletzung schutzwürdiger Interessen der
Klägerin geführt.
25 aa) Verwendet ein Dritter einen fremden Namen namensmäßig im Rahmen einer
Internet-Adresse, tritt eine Zuordnungsverwirrung ein, weil der Verkehr in
der Verwendung eines unterscheidungskräftigen, nicht sogleich als
Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internet-Adresse einen Hinweis auf
den Namen des Betreibers des jeweiligen Internet-Auftritts sieht. Wird der
eigene Name durch einen Nichtberechtigten als Domain-Name unter der in
Deutschland üblichen TopLevel-Domain „.de" registriert, wird dadurch über
die Zuordnungsverwirrung hinaus ein besonders schutzwürdiges Interesse des
Namensträgers beeinträchtigt, da die mit dieser Bezeichnung gebildete
Internet-Adresse nur einmal vergeben werden kann (BGHZ
149, 191, 199 – shell.de; 155, 273, 276 f. –
maxem.de; 171, 104 Tz. 11 – grundke.de).
26 bb) Einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin steht,
wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, im Streitfall nicht
entgegen, dass die Klägerin unter der Top-Level-Domain „.info“ im Internet
erreichbar ist. Der Verkehr erwartet, dass Unternehmen, die – wie die
Klägerin – auf dem deutschen Markt tätig und im Internet präsent sind, unter
der mit ihrem eigenen Namen als Second-Level-Domain und der Top-Level-Domain
„.de“ gebildeten Internet-Adresse auf einfache Weise aufgefunden werden
können (vgl. BGHZ 149, 191, 201 – shell.de).
27 d) Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die bei
Namensrechtsverletzungen gebotene Interessenabwägung zu einem anderen
Ergebnis führt. Der Nichtberechtigte kann zwar in der Regel nicht auf
schützenswerte Belange verweisen, die im Rahmen der Interessenabwägung zu
seinen Gunsten zu berücksichtigen wären (BGH GRUR
2005, 430, 431 – mho.de). Von dieser Regel gibt es jedoch Ausnahmen. Ob
deren Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, kann aufgrund der vom
Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend
beurteilt werden.
28 aa) Eine erste Ausnahme muss für den Fall gemacht werden, dass die
Registrierung des Domainnamens durch den Nichtberechtigten nur der erste
Schritt im Zuge der – für sich genommen rechtlich unbedenklichen – Aufnahme
einer entsprechenden Benutzung als Unternehmenskennzeichen ist. Dem liegt
die Erwägung zugrunde, dass es der Inhaber eines identischen
Unternehmenskennzeichens im Allgemeinen nicht verhindern kann, dass in einer
anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein Kennzeichenrecht an dem
gleichen Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht erst einmal entstanden,
muss auch die Registrierung des entsprechenden Domainnamens hingenommen
werden. Da es vernünftiger kaufmännischer Praxis entspricht, sich bereits
vor der Benutzungsaufnahme den entsprechenden Domainnamen zu sichern, führt
die gebotene Interessenabwägung dazu, dass eine der Benutzungsaufnahme
unmittelbar vorausgehende Registrierung nicht als Namensanmaßung und damit
als unberechtigter Namensgebrauch anzusehen ist (BGH
GRUR 2005, 430, 431 – mho.de). Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze
auch dann gelten, wenn der Registrierung des Domainnamens die Anmeldung und
Eintragung einer entsprechenden Marke alsbald nachfolgt und der Domainname
das Markenprodukt im Marktauftritt online begleiten soll (Hackbarth, WRP
2006, 519, 524 f.; Bettinger, Handbuch des Domainrechts, 2008, Teil 2, Rdn.
DE 382 f.), oder ob dem entgegensteht, dass das Recht aus der Marke keine
Befugnis verleiht, einen in der Marke enthaltenen Namen als solchen zur
Identitätsbezeichnung zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1996 – I ZR 216/93,
GRUR 1996, 422, 423 = WRP 1996, 541 – J. C. Winter).
29 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte keine
konkreten Pläne für eine Nutzung des Domainnamens als
Unternehmenskennzeichen oder Marke vorgetragen. Auf seine nationale Marke „Afilias“
kann der Beklagte sich auch deshalb nicht berufen, weil deren Anmeldung am
27. Mai 2003 und Eintragung am 7. Januar 2004 nicht alsbald der
Registrierung des Domainnamens am 24. Oktober 2000 nachfolgten. Zudem ist
diese Marke infolge des Widerspruchs der Klägerin aus deren am 26. März 2001
angemeldeter und am 14. April 2002 eingetragener Gemeinschaftsmarke „Afilias“
mittlerweile aufgrund von Beschlüssen des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 28. September 2005 und des Bundespatentgerichts vom 30. Januar 2008
weitgehend gelöscht und genießt nicht länger Schutz für die
Dienstleistungen, die der Beklagte unter dem Domainnamen anzubieten
behauptet. Der Beklagte kann daher nicht geltend machen, sein
Internet-Auftritt solle die Vermarktung von unter der Marke angebotenen
Dienstleistungen fördern.
30 bb) Eine weitere Ausnahme kann in dem – hier gegebenen – Fall geboten
sein, dass das Kennzeichen- bzw. Namensrecht des Berechtigten erst nach der
Registrierung des Domainnamens durch den Domaininhaber entstanden ist.
31 Der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichts, nach der es für den
Anspruch des Berechtigten gegen den Domaininhaber wegen Verletzung des
Namensrechts nicht von Bedeutung ist, ob der Berechtigte das Namensrecht
erst nach der Registrierung des Domainnamens erworben hat, kann nicht
beigetreten werden. Allerdings wird die Ansicht vertreten, der Inhaber eines
Unternehmenskennzeichens könne gegenüber jedem, der einen mit seinem
Unternehmenskennzeichen übereinstimmenden Domainnamen für private oder
sonstige außergeschäftliche Zwecke benutze und sich nicht auf ein
Kennzeichen- oder Namensrecht an dem Domainnamen berufen könne, nach § 12
BGB Unterlassungs- und Löschungsansprüche geltend machen, selbst wenn die
Registrierung des Domainnamens vor der Entstehung des
Unternehmenskennzeichens erfolgt sei (Bettinger aaO Rdn. DE 403 und 370
sowie – zur Marke – DE 128 und 124; ebenso Bröcher, MMR 2005, 203, 206 f.).
Dies wird damit begründet, dass allein durch die Registrierung kein
absolutes Recht an dem Domainnamen entstehe.
32 Die Revision macht demgegenüber zu Recht geltend, dass die
Registrierung eines zum Zeitpunkt der Registrierung in keinerlei Rechte
eingreifenden Domainnamens im Hinblick auf die eigentumsfähige, nach Art. 14
GG geschützte Position des Domaininhabers nicht ohne weiteres wegen später
entstandener Namensrechte als unrechtmäßige Namensanmaßung qualifiziert
werden kann (vgl. LG München I MMR 2004, 771, 772). Auch wenn der
Domaininhaber durch die Registrierung kein absolutes Recht an dem
Domainnamen erwirbt, begründet der Vertragsschluss mit der
Registrierungsstelle doch ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht,
das dem Inhaber des Domainnamens ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie
das Eigentum an einer Sache (BVerfG GRUR 2005, 261). Es begegnet zwar
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass derjenige, der durch die
Registrierung eines Domainnamens bereits bestehende Kennzeichen- oder
Namensrechte verletzt, zur Beseitigung der Störung verpflichtet ist
(vgl. BVerfG GRUR 2005, 261 f.). Anders verhält es sich aber, wenn das
Namensrecht erst nach der Registrierung entsteht. In einem solchen Fall
setzt sich das Namensrecht des Berechtigten nicht ohne weiteres gegenüber
dem Nutzungsrecht des Domaininhabers durch; vielmehr ist eine Abwägung der
betroffenen Interessen geboten.
33 Dabei wird sich der Dritte, der den Domainnamen als
Unternehmenskennzeichen verwenden möchte, regelmäßig nicht auf ein
schutzwürdiges Interesse berufen können. Er kann vor der Wahl einer
Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internet-Adresse verwenden möchte,
unschwer prüfen, ob der entsprechende Domainname noch verfügbar ist; ist der
gewünschte Domainname bereits vergeben, wird es ihm oft möglich und zumutbar
sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen. Die
Interessenabwägung geht dann in aller Regel zugunsten des Domaininhabers
aus. Anders verhält es sich allerdings, wenn es dem Domaininhaber wegen
Rechtsmissbrauchs versagt ist, sich auf seine Rechte aus der Registrierung
des Domainnamens zu berufen. So verhält es sich insbesondere dann, wenn
der Domaininhaber den Domainnamen ohne ernsthaften Benutzungswillen in der
Absicht registrieren ließ, sich diesen von dem Inhaber eines entsprechenden
Kennzeichen- oder Namensrechts abkaufen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v.
9.10.1997 – I ZR 95/95, GRUR 1998, 412, 414 = WRP 1998, 373 – Analgin; Urt.
v. 19.2.1998 – I ZR 138/95, GRUR 1998, 1034, 1036 f. = WRP 1998, 978 –
Makalu; Urt. v. 23.11.2000 – I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 244 = WRP 2001, 160
– Classe E; Beschl. v. 30.10.2003 – I ZB 9/01, GRUR 2004, 510, 511 = WRP
2004, 766 – S100; OLG Hamm MMR 2005, 377, 382 f.).
34 Das Berufungsgericht hat die gebotene Interessenabwägung nicht
vorgenommen und keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Vortrag der
Klägerin zutrifft, der Beklagte habe den Domainnamen nur deshalb
registriert, um ihn sich abkaufen zu lassen. Es kann daher nicht
abschließend beurteilt werden, wessen Interessen an dem Domainnamen im
Streitfall der Vorrang gebührt.
35 4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig dar (§ 561 ZPO). Die Gegenrüge der Revisionserwiderung, die Klägerin
habe entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts das spätestens Anfang
Oktober 2000 entstandene Namensrecht des Afilias-Konsortiums an der
Bezeichnung „Afilias“ übernommen, so dass die Klägerin sich auf ein bereits
vor der Registrierung des Domainnamens „www.afilias.de“ durch den Beklagten
Ende Oktober 2000 entstandenes Namensrecht berufen könne, hat keinen Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts, das
Vorbringen der Klägerin zur Übernahme eines Namensrechts des Konsortiums
könne nach § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden,
frei von Rechtsfehlern ist. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass dem Konsortium bereits
spätestens Anfang Oktober 2000 ein Namensrecht an der Bezeichnung „Afilias“
zustand.
36 a) Eine von Haus aus unterscheidungskräftige Kennzeichnung erlangt
dadurch Schutz nach § 5 MarkenG, dass sie im Inland im geschäftlichen
Verkehr in Gebrauch genommen wird (vgl. BGHZ 120, 103, 107 – Columbus).
Hierfür ist es allerdings nicht erforderlich, dass die Bezeichnung so weit
in den inländischen Verkehr eingedrungen ist, dass sie in den beteiligten
Verkehrskreisen schon eine gewisse Anerkennung als Hinweis auf das
ausländische Unternehmen gefunden hat; insbesondere ist es nicht
erforderlich, dass das Unternehmen bereits gegenüber allen Marktbeteiligten
oder auch nur seinen künftigen Kundenkreisen in Erscheinung getreten ist.
Ausreichend ist vielmehr, wenn die Bezeichnung im Inland in einer Weise in
Gebrauch genommen worden ist, die auf den Beginn einer dauernden
wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt (BGH, Urt. v. 2.4.1971 – I ZR
41/70, GRUR 1971, 517, 519 – SWOPS; BGHZ 75, 172, 176 – Concordia; BGH GRUR
1997, 903, 905 – GARONOR).
37 b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, es sei nicht
ersichtlich, dass das Konsortium in Deutschland bereits im Jahre 2000
geschäftlich tätig geworden sei. Die Bewerbung des Konsortiums um die
Position eines „Registry“ für die Top-Level-Domain „.info“ bei der ICANN in
den Vereinigten Staaten von Amerika hat das Berufungsgericht zutreffend
nicht als Teilnahme am Geschäftsverkehr in Deutschland gewertet; dass die
TOP-Level-Domain „.info“ weltweit Relevanz besitzt, rechtfertigt entgegen
der Auffassung der Revisionserwiderung keine abweichende Bewertung. Auch die
Berichterstattung in Deutschland über die Gründung des Konsortiums und
dessen Bewerbung bei der ICANN stellt, wie das Berufungsgericht richtig
angenommen hat, keine Benutzung der Bezeichnung im inländischen
Geschäftsverkehr dar; darauf dass die Benutzung der Bezeichnung nicht durch
den Rechtsinhaber selbst erfolgen muss, kommt es, anders als die
Revisionserwiderung meint, insoweit nicht an. Die unter Verwendung der
Bezeichnung „Afilias“ geführte Korrespondenz mit einem inländischen Partner
des Konsortiums hat das Berufungsgericht schließlich zu Recht als einen rein
unternehmensinternen Vorgang angesehen, der keinen Kennzeichenschutz
begründet; dass dieses dem Konsortium angehörende Unternehmen nicht in dem
Konsortium aufgegangen ist, sondern ein eigenständiges Unternehmen geblieben
ist, steht, anders als die Revisionserwiderung meint, dieser Beurteilung
nicht entgegen.
III. Auf die Revision des Beklagten ist das Berufungsurteil daher aufzuheben
und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. |