Kausalität bei
Schockschäden - psychisch vermittelte Kausalität und Zurechnungszusammenhang
BGH, Urteil vom 17. April 2018 - VI
ZR 237/17 - OLG Zweibrücken
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die psychische
Gesundheitsverletzung eines Polizeibeamten, die infolge der unmittelbaren
Beteiligung an einem durch einen Amoklauf ausgelösten Geschehen eingetreten
ist, ist dem Amokläufer zuzurechnen. Der Zurechnung steht in einem solchen
Fall nicht entgegen, dass sich in der Gesundheitsverletzung ein
berufsspezifisches Risiko des Polizeibeamten verwirklicht hat.
Zentrale Probleme:
Ein furchtbar tragischer Fall, in dessen Zentrum
klassische Probleme des Deliktsrechts, nämlich die Problematik der
Schockschäden und der psychisch vermittelten Kausalität stehen. Die
Kernaussagen sind nicht neu: Seelische
Erschütterungen begründen nur dann eine Rechtsverletzung i.S.v. § 823 I BGB,
wenn sie Krankheitswert haben (BGHZ
56, 163 ff;
BGH NJW 2006, 3268). Werden diese
"Schockschäden" aber psychisch vermittelt, kommt ein Kausalitätsproblem
hinzu (BGHZ
93, 351): Zwar
ist die Handlung des Schädigers, der bei einem Amoklauf Menschen tötet und
verletzt, äquivalent und auch adäquat kausal für den psychischen Schaden,
den ein Polizeibeamter bei dem diesbezüglichen Polizeieinsatz erleidet. Das
Haftungsrecht ist aber bemüht, hier zur Vermeidung von Haftungslawinen
weitere Einschränkungen zu setzen. Das geschieht mittels der "normativen
Zurechnung" bzw. dem Erfordernis des Zurechnungszusammenhangs. Das
Abgrenzungskriterium ist dabei, ob es sich bei dem Miterleben des
Ereignisses um eine allgemeines Lebensrisiko handelt (dann wird die
Zurechnung verneint, s. dazu etwa BGH v. 22.5..2007
- VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263) oder nicht. Hier stellte sich die Frage,
ob die Zurechnung verneint werden muss, wenn sich ein "allgemeines
Berufsrisiko" (hier: des Polizeibeamten) verwirklicht hat. Der Senat befasst
sich mit dieser Frage nicht generell, sondern nur in Bezug auf den konkreten
Fall: Das Risiko, dass der Polizeibeamte aus einer solchen
Belastungssituation eine psychische Gesundheitsverletzung davonträgt, sei
jedenfalls bei Straftaten der vorliegenden Art nicht allein seiner Sphäre
zuzurechnen. Es sei unbillig, dem aggressiv und vorsätzlich handelnden Täter
dieses Haftungsrisiko abzunehmen. Damit wird offengelassen, wie andere Fälle
eines Berufsrisikos zu entscheiden sein (zB bei einem Sanitäter bei einem
Unfallgeschehen). Zum ähnlichen Problem bei Schockschäden durch
Todesnachrichten naher Angehöriger s. auch
BGH v. 20.3.2012 - VI ZR 114/11 sowie BGH v.
27.1.2015 - VI ZR 548/12.
S. dazu jetzt auch
BGH v. 6.12.2022 - VI ZR 168/21, wo das
Kriterium aufgegeben wurde, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen
über dasjenige hinausgehen müssen, dem Betroffene bei der Verletzung eines
Rechtsgutes eines nahen Angehörigen in der Regel ausgesetzt sind.
©sl 2019
Tatbestand:
1 Das klagende Land
nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht (§ 72 LBG Rheinland-Pfalz)
wegen der Verletzung der psychischen Gesundheit eines Polizeibeamten auf
Schadensersatz in Anspruch.
2 Hintergrund des Rechtsstreits ist ein
Amoklauf des Beklagten am 18. Februar 2010 in einer Berufsbildenden Schule
in L. Der Beklagte, ein ehemaliger Schüler dieser Schule, der an dem
sogenannten Klinefelter-Syndrom leidet und aufgrund dessen eine kombinierte
Persönlichkeitsstörung entwickelt hat, begab sich an diesem Tag während der
Unterrichtszeit in das Schulgebäude. Er war mit einem Messer und einer
geladenen Schreckschusspistole bewaffnet und führte bengalische Feuer mit
sich. Er wollte seinen früheren Lehrer B. und den Schulleiter L. töten.
Mittels der Feuerwerkskörper wollte er Feueralarm und damit Chaos auslösen,
um sodann weitere Lehrer sowie Schüler töten zu können.
3 Nach
Betreten des Schulgebäudes traf der Beklagte auf den Lehrer B. und tötete
diesen durch fünf Messerstiche. Im Anschluss daran löste er Feueralarm aus.
Er bedrohte drei Lehrer, denen er im Treppenhaus begegnete, mit der
Schreckschusspistole, schlug einen der Lehrer zu Boden und gab mehrere
Schüsse aus seiner Schreckschusspistole ab, darunter einen auf den
Schulleiter L., der ihn zum Aufgeben bewegen wollte.
4 Zu den nach
Verständigung der Polizei zum Tatort beorderten Polizeibeamten gehörte der
Polizeibeamte K., der mit drei weiteren Kollegen das Schulgebäude betrat und
es gezielt nach dem mutmaßlichen Amokläufer durchsuchte. Nachdem die
Polizisten den Beklagten gestellt hatten, forderten sie ihn unter Vorhalt
ihrer Dienstwaffen zur Aufgabe auf. Der Beklagte warf daraufhin seine
Schreckschusspistole und eine Umhängetasche weg und ließ sich festnehmen.
5 Bei dem Polizeibeamten K. lag infolge dieses Vorfalls eine
Anpassungsstörung als Reaktion auf eine schwere seelische Belastung vor, die
eine medizinische Behandlungsbedürftigkeit zur Folge hatte und zu einer
Dienstunfähigkeit vom 22. Februar 2010 bis 13. März 2010 führte.
6 Das klagende Land hat als Versorgungsträger aus übergegangenem Recht
der nach dem Amoklauf an ihrer (psychischen) Gesundheit beschädigten
Landesbediensteten - mehrerer Lehrer und des Polizeibeamten K. -
Schadensersatz aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung verlangt. Das
Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, bezogen auf den
Polizeibeamten K. in Höhe von 3.053,77 € nebst Zinsen. Auf die Berufung des
Beklagten, mit der sich dieser allein gegen seine Verurteilung im Hinblick
auf die Gesundheitsbeschädigung des Polizeibeamten K. gewandt hat, hat das
Oberlandesgericht das Urteil insoweit abgeändert und die Klage in diesem
Umfang abgewiesen.
7 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision begehrt das klagende Land die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
8 Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in MDR 2017, 1184
veröffentlicht ist, hat einen auf das klagende Land übergegangenen
Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der von dem Polizeibeamten
K. anlässlich des Amoklaufs des Beklagten erlittenen psychischen
Gesundheitsbeeinträchtigungen verneint. Zwar stellten traumatisch bedingte
psychische Störungen von Krankheitswert eine Verletzung der Gesundheit im
Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dar, welche dem Schädiger grundsätzlich
zuzurechnen seien. Erforderlich sei aber ein unmittelbarer Zusammenhang
zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Schädigers und dem
Gesundheitsschaden. Daran fehle es hier. Nach den Feststellungen des
Landgerichts habe der Beklagte die ihn festnehmenden Polizeibeamten nicht
angegriffen, sondern sich widerstandslos festnehmen lassen, nachdem diese
ihn unter Vorhalt ihrer Dienstwaffen zur Aufgabe aufgefordert hätten. Die
psychischen Beeinträchtigungen des Polizeibeamten K. beruhten somit allein
darauf, dass er im dienstlichen Einsatz die Situation des Amoklaufs in der
Schule und die damit einhergehenden schlimmen Folgen, die aber unmittelbar
dritte Personen - in erster Linie Lehrer -betroffen hätten, miterlebt habe.
Zu der Ausbildung und dem Beruf von Polizeibeamten oder sonst hauptberuflich
tätigen Hilfs- und Rettungskräften gehöre es aber, psychisch belastende
Einsatzlagen zu bewältigen und die sich daraus ergebenden Erfahrungen und
Erlebnisse zu verarbeiten. Psychische Gesundheitsstörungen als Folge von
traumatischen Erlebnissen bei dienstlichen Einsätzen gehörten daher für
Angehörige solcher Berufe grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden
allgemeinen Lebensrisiko. Anders könne es beim Vorliegen zusätzlicher
Umstände zu beurteilen sein, etwa bei einem direkten tätlichen Angriff gegen
Polizeibeamte bei der Ausübung ihres Dienstes oder bei einem sonstigen
Verhalten von Straftätern, welches den Polizeibeamten zu einem
selbstgefährdenden Verhalten herausfordere. Solches sei hier aber nicht der
Fall gewesen. Etwas anderes gelte auch nicht deshalb, weil sich der
Polizeibeamte K. damit konfrontiert gesehen habe, während des Einsatzes
notfalls von der Schusswaffe gegen den Beklagten Gebrauch machen zu müssen.
Auch dies gehöre zum Berufsrisiko jedes Polizeivollzugsbeamten.
II.
9 Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Die von dem Polizeibeamten K. erlittene psychische
Gesundheitsverletzung ist dem Beklagten zuzurechnen und löst daher einen
Schadensersatzanspruch gegen diesen aus § 823 Abs. 1 BGB aus, der gemäß § 72
Abs. 1 LBG Rheinland-Pfalz auf das klagende Land übergegangen ist.
10 1. Durch ein Geschehen ausgelöste psychische Störungen von
Krankheitswert können eine Verletzung des geschützten Rechtsguts Gesundheit
im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. Senatsurteile vom
27. Januar 2015 - VI ZR 548/12, VersR 2015, 501
Rn. 6; vom 20. Mai 2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn. 8; vom
22. Mai 2007 - VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn.
12; vom 16. Januar 2001 - VI ZR 381/99, VersR 2001, 874, 875; vom 30. April
1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 344). Dies gilt
selbstverständlich auch für psychische Störungen von Krankheitswert, die
sich als Reaktion auf das Geschehen bei einem Amoklauf ergeben.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag infolge des von dem
Beklagten ausgelösten Geschehens vom 18. Februar 2010 bei dem Polizeibeamten
K. eine Anpassungsstörung als Reaktion auf eine schwere seelische Belastung
vor, die eine medizinische Behandlungsbedürftigkeit des K. zur Folge hatte.
Erhöhte Anforderungen an das Vorliegen einer Gesundheitsverletzung,
wie sie in Fällen sogenannter Schockschäden infolge des Todes oder der
schweren Verletzung Dritter, namentlich naher Angehöriger, gestellt werden
(vgl. nur Senatsurteile vom 10. Februar 2015 - VI ZR 8/14, VersR
2015, 590 Rn. 9, 19; vom 27. Januar 2015 - VI ZR 548/12, VersR 2015, 501 Rn.
7, jeweils mwN), sind vorliegend nicht zu erfüllen. Der
Polizeibeamte K. führt seine psychischen Beeinträchtigungen nicht mittelbar
auf die Verletzung oder den Tod eines Dritten zurück, sondern darauf, dass
er selbst unmittelbar dem Geschehen eines Amoklaufs ausgesetzt wurde und
dieses psychisch nicht verkraften konnte.
11 Für die
Gesundheitsverletzung des Polizeibeamten K. war das Verhalten des Beklagten
sowohl äquivalent als auch adäquat kausal.
12 2. Die
geltend gemachte psychische Gesundheitsverletzung ist dem Beklagten
zuzurechnen. Die Gefahr, die sich in dieser Verletzung realisiert hat,
ist nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Der
Umstand, dass sich ein berufsspezifisches Risiko des
Polizeibeamten K. verwirklicht hat, steht jedenfalls in Fällen wie dem
vorliegenden der Zurechnung nicht entgegen.
13 a)
Der Zurechnungszusammenhang bedarf gerade in Fällen psychischer
Gesundheitsbeeinträchtigungen einer gesonderten Prüfung (vgl.
Senatsurteile vom 20. Mai 2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn. 9; vom
22. Mai 2007 - VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn. 13
ff.; Stöhr, NZV 2009, 161, 163). Dabei ist zu berücksichtigen, dass
die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der verletzten Norm begrenzt
wird. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die
Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren
Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist. Hierfür muss die Norm den
Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken;
die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung bzw. der geltend gemachte Schaden
müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der
verletzten Norm fallen. Daran fehlt es in der Regel, wenn
sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit
dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist. Der
Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht
werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu
gewärtigen hat. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (s.
nur Senatsurteil vom 20. Mai 2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn. 10 mit
zahlreichen weiteren Nachweisen).
14 b) In der psychischen
Gesundheitsverletzung des Polizeibeamten K. hat sich nicht lediglich
das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht.
15 aa) Für
Verkehrsunfälle hat der Senat entschieden, dass dem
allgemeinen Lebensrisiko eine psychische Schädigung von Personen zuzuordnen
ist, die an dem eigentlichen Unfallgeschehen nicht selbst beteiligt waren,
deren Schädigung aus der bloßen Anwesenheit bei dem Unfallgeschehen herrührt
und die mit den eigentlichen Unfallbeteiligten nicht in näherer Beziehung
stehen (Senatsurteil vom 22. Mai 2007 - VI
ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn. 14, 17). Demgegenüber hat der Senat die
Haftpflicht eines Unfallverursachers in Fällen anerkannt, in denen der
Geschädigte als direkt am Unfall Beteiligter eine psychische
Gesundheitsverletzung erlitten hat. Maßgeblich für die
Zurechnung war dabei, dass der Schädiger dem Geschädigten die Rolle eines
unmittelbaren Unfallbeteiligten aufgezwungen hat und dieser das
Unfallgeschehen psychisch nicht verkraften konnte (Senatsurteil vom
12. November 1985 - VI ZR 103/84, VersR 1986, 240, 242; vgl.
Senatsurteil vom 22. Mai 2007 - VI ZR 17/06, BGHZ
172, 263 Rn. 14). Nichts anderes hat für eine aufgezwungene unmittelbare
Beteiligung des Geschädigten an einem Geschehen zu gelten, das durch eine
vorsätzlich begangene Straftat ausgelöst wurde.
16 bb) Anders als das
Berufungsgericht wohl meint, bestehen vorliegend keine Zweifel daran, dass
der Polizeibeamte K. an dem durch den Amoklauf ausgelösten Geschehen
unmittelbar beteiligt war. Der Beklagte hat mit dem Amoklauf eine
Gefahrenlage geschaffen. Er hat den Polizeibeamten, die zum Tatort beordert
wurden, eine unmittelbare Beteiligung an dem Geschehen dahingehend
aufgezwungen, sich in die Gefahrenlage zu begeben und diese mit der
Festnahme des Beklagten zu beenden. Für die Rolle der Polizeibeamten als
unmittelbar an dem Geschehen Beteiligte ist es nicht erheblich, wie sich der
Beklagte bis zu seiner Festnahme ihnen gegenüber verhielt; insbesondere ist
es nicht erforderlich, dass sie Opfer eines gezielten Angriffs des Beklagten
wurden. Die infolge der unmittelbaren Beteiligung an dem Geschehen
eingetretene psychische Gesundheitsverletzung des Polizeibeamten K.
ging daher über das hinaus, was als zum allgemeinen Lebensrisiko gehörig
hinzunehmen ist.
17 c) Der Umstand, dass sich in der
psychischen Gesundheitsverletzung des Polizeibeamten K. das speziell mit
einem beruflichen Einsatz von Polizeibeamten verbundene, also
berufsspezifische Risiko verwirklicht hat, steht der Zurechnung im
vorliegenden Fall nicht entgegen.
18 aa) Der Senat hatte
noch nicht zu entscheiden, wie das berufsspezifische Risiko von
Polizeibeamten und Rettungskräften, psychische Gesundheitsverletzungen zu
erleiden, haftungsrechtlich zu werten ist.
19 In Rechtsprechung und
Literatur werden hierzu unterschiedliche Meinungen vertreten. Nach
Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (VersR 2011, 938 Rn. 43) ist es
für die Zurechnung psychischer Gesundheitsverletzungen eines Polizeibeamten,
der bei einem Einsatz angegriffen wurde und von seiner Schusswaffe Gebrauch
machen musste, ebenso wie für die Zurechnung körperlicher Schädigungen
unerheblich, dass sich das Berufswahlrisiko des Polizeibeamten verwirklicht
hat. Das Oberlandesgericht Celle (VersR 2006, 1376, 1377) hat die Haftung
für die psychische Erkrankung eines Bundesgrenzschutzbeamten, der sich nach
einer Kollision von Zügen zum Unfallort begeben musste, unter anderem mit
der Begründung verneint, dass sich eine Gefahr verwirklicht habe, die dem
Berufsrisiko des Geschädigten zuzuordnen sei. Das Landgericht Duisburg
(Urteil vom 28. September 2015 - 8 O 361/14, juris Rn. 35, 43) hat die
psychische Störung eines Feuerwehrmanns aufgrund eines Rettungseinsatzes bei
einer Massenveranstaltung den Organisatoren dieser Veranstaltung nicht
zugerechnet, da vom Schutzzweck der möglicherweise verletzten
Verkehrssicherungspflicht der Schutz von Rettungskräften davor, Erlebnisse
im Rahmen eines Einsatzes nicht verarbeiten zu können, nicht erfasst werde.
Die Berufung hiergegen hat das Oberlandgericht Düsseldorf (Beschluss vom 7.
Juni 2016 - I-18 U 1/16, nicht veröffentlicht) zurückgewiesen, allerdings im
Wesentlichen mit der Begründung, dass es an einer unmittelbaren Beteiligung
des Geschädigten an dem Geschehen fehle. Auch in der Literatur wird erwogen,
dass die sich aus Erfahrungen und Erlebnissen bei beruflichen Einsätzen von
Polizeibeamten und anderen Rettungskräften ergebenden psychischen Risiken
der Risikosphäre dieser Berufsangehörigen zugeordnet werden könnten (Stöhr,
NZV 2009, 161, 164; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., § 3 X 4, S.
147; vgl. auch Luckey, VersR 2011, 940, 941).
20 bb) Der
vorliegende Fall gibt dem Senat keine Veranlassung, die haftungsrechtliche
Bewertung des berufsspezifischen Risikos bei psychischen
Gesundheitsverletzungen allgemein und für die in dem Meinungsstreit
behandelten, sehr unterschiedlichen Fallgestaltungen zu klären.
Jedenfalls bei vorsätzlichen schweren Gewaltverbrechen wie dem
streitgegenständlichen Amoklauf, mit denen typischerweise Angst und
Schrecken verbreitet werden sollen und verbreitet werden, besteht im Rahmen
der gebotenen wertenden Betrachtung kein Grund, die psychischen Auswirkungen
des Geschehens auf einen daran unmittelbar beteiligten Polizeibeamten von
der Zurechnung an den Schädiger auszunehmen. Zwar gehört es zur
Ausbildung und zum Beruf eines Polizeibeamten, sich auf derartige
Belastungssituationen vorzubereiten, mit ihnen umzugehen, sie zu bewältigen
und zu verarbeiten. Das Risiko, dass er aus einer solchen
Belastungssituation eine psychische Gesundheitsverletzung davonträgt, ist
aber jedenfalls bei Straftaten der vorliegenden Art nicht allein seiner
Sphäre zuzurechnen. Das Verhalten eines Amokläufers wie
hier des Beklagten zeichnet sich durch ein hohes Maß an Aggressivität
gegenüber nicht nur der körperlichen, sondern auch der seelischen
Unversehrtheit der Betroffenen aus. Ihm das Haftungsrisiko für die
psychischen Auswirkungen seines Tuns insoweit abzunehmen, als davon
Polizeibeamte betroffen sind, lässt sich bei wertender Betrachtung nicht
rechtfertigen.
|