Tierhalterhaftung gem. § 833 BGB:
Voraussetzungen, Exkulpation nach § 833 S. 2 BGB, Begriff des Nutztiers,
Sorgfaltsanforderungen an an den Tierhalter
BGH, Urteil vom 14. Februar 2017 - VI
ZR 434/15 - OLG München in Augsburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) § 833 Satz 2 BGB räumt dem Tierhalter die
Möglichkeit, sich von der Gefährdungshaftung des § 833 Satz 1 BGB zu
entlasten, nur dann ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht
worden ist, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des
Tierhalters - d.h. einem wirtschaftlichen Zweck - zu dienen bestimmt ist.
b) Unter Erwerbstätigkeit im Sinne des § 833 Satz 2 BGB ist jede Tätigkeit
zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Diese Voraussetzung ist
erfüllt, wenn die Tätigkeit objektiv darauf angelegt ist und subjektiv von
der Absicht getragen wird, Gewinn zu erzielen. Die bloße
Gewinnerzielungsabsicht als solche, die in den objektiven Umständen keinen
Niederschlag findet, genügt dagegen nicht.
Zentrale Probleme:
Wieder ein Fall zu § 833 BGB - der einzigen
Gefährdungshaftungsnorm des BGB. Hier geht es - erneut - um die
Voraussetzungen der Haftung nach § 833 S. 1 BGB und die
Exkulpationsmöglichkeit nach § 833 S.2 BGB bei sog. "Nutztieren".
©sl 2017
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt den Beklagten als
Tierhalter auf Schadensersatz in Anspruch.
2 Am 15. September 2011 gegen 5.50 Uhr befuhr der Angestellte des Klägers M.
mit einem Kleinbus des Klägers die Staatsstraße 217. Der Angestellte B.
befand sich als Beifahrer in dem Fahrzeug. Auf der Gegenfahrbahn standen
zwei Fahrzeuge mit eingeschaltetem Licht. Eines dieser Fahrzeuge betätigte
die Lichthupe, um den Fahrer des Kleinbusses zu warnen. Als M. an den
Fahrzeugen vorbeifuhr, sah er auf seiner Fahrbahn zwei Pferde stehen, deren
Eigentümer und Halter der Beklagte war. Trotz einer Vollbremsung kam es zur
Kollision mit einem der Pferde, einer trächtigen Stute. Bei der Kollision
wurde das Fahrzeug erheblich beschädigt, die Insassen wurden verletzt. Das
Pferd verendete.
3 Die Pferde waren vor dem Unfallereignis auf einer Koppel untergebracht,
die mit an Holzpfosten befestigten Elektrobändern eingezäunt war. Die Koppel
befindet sich in einer Entfernung von ca. 250 bis 300 m von der Staatsstraße
217 und ca. 3 bis 5 km vom Wohnhaus des Beklagten. Der Beklagte arbeitet
hauptberuflich bei einer Molkerei. Zum Unfallzeitpunkt hielt er zwei
trächtige Stuten, einen Hengst und einen Wallach.
4 Mit der Klage macht der Kläger Schadensersatz wegen Beschädigung des
Fahrzeugs, Nutzungsausfall, Abschlepp- und Sachverständigenkosten sowie
Lohnfortzahlungskosten für seine bei dem Unfall verletzten Arbeitnehmer
geltend. Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass er eine Pferdezucht im
Nebengewerbe betreibe.
5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die
Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Ersatzpflicht des Beklagten
gemäß § 833 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Bei der getöteten Stute habe es sich
um ein Haustier gehandelt, das der Erwerbstätigkeit des Beklagten, nämlich
der von ihm als Nebenerwerbslandwirt betriebenen
Pferdezucht, zu dienen bestimmt gewesen sei (Nutztier). Maßgeblich
für die Qualifizierung eines Tiers als Nutztier oder Luxustier sei die
allgemeine Zweckbestimmung, die dem Tier von seinem Halter gegeben worden
sei. Der Beklagte habe bei seiner Anhörung plausibel angegeben, dass die
getötete Stute der Zucht habe dienen sollen und dass er die Fohlen der
beiden zum Unfallzeitpunkt trächtigen Stuten im Rahmen seines
landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betriebs habe verkaufen wollen. Der vom
Beklagten vorgelegte Bescheid vom 8. August 2007, mit dem ihm eine
Betriebsnummer erteilt worden sei, sei als Beleg dafür zu werten, dass er
tatsächlich einen landwirtschaftlichen Betrieb "zur Haltung von Pferden"
gehabt habe. Ein weiteres Indiz hierfür sei die am 13. September 2012
erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer neuen Pferdehalle mit
Pferdeboxen in B. Schließlich spreche allein der Umstand, dass die beiden
vom Beklagten zum Unfallzeitpunkt gehaltenen Stuten trächtig gewesen seien,
dafür, dass die Pferde zu gewerblichen Zwecken genutzt worden seien und dass
der Beklagte beabsichtigt habe, mit der Pferdehaltung in Zukunft Gewinn zu
erzielen.
7 Es sei auch nachvollziehbar, dass das Landgericht den dem Beklagten
obliegenden Entlastungsbeweis als erbracht angesehen habe. Der Kläger trage
lediglich seine eigenen, von den Beurteilungen des gerichtlichen
Sachverständigen abweichenden Einschätzungen vor, ohne Rechtsfehler des
Landgerichts aufzuzeigen. Der gerichtliche Sachverständige und das
Landgericht hätten sich mit den Umständen des Einzelfalls ausführlich
befasst und seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Art der Einzäunung der
Pferde unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls als
übliche und angemessene Sicherungsmaßnahme anzusehen sei, falls die
Einzäunung entsprechend kontrolliert worden und die Stromführung intakt
gewesen sei. Letzteres habe das Landgericht nachvollziehbar für nachgewiesen
erachtet. Der Kläger verkenne die Feststellung des Sachverständigen, dass im
Streitfall die wesentliche Sicherung gegen ein Ausbrechen der Pferde in der
grundsätzlich als sehr effektiv anzusehenden Abschreckung durch das
stromführende Elektroband zu sehen sei. Soweit der Kläger fordere, die
Pferde hätten nachts in einen Stall verbracht werden oder mit einem
Miniatursender versehen werden müssen, stehe dies nicht im Einklang mit den
Feststellungen des Sachverständigen.
II.
8 Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9 1. Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass der Beklagte
gemäß § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich dem Grunde nach für den Schaden
einstehen muss, der dem Kläger bzw. seinen Angestellten aufgrund des
streitgegenständlichen Verkehrsunfalls entstanden ist. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte Halter der den Unfall
verursachenden Stute. Mangels abweichender Feststellungen ist für die
Nachprüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellen, dass sich bei
dem Unfall eine typische Tiergefahr verwirklicht hat. Eine
typische Tiergefahr äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden
unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres (vgl.
Senatsurteile vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04,
VersR 2006, 416 Rn. 7; vom 25. März 2014 - VI ZR
372/13, VersR 2014, 640 Rn. 5). Diese Voraussetzung ist insbesondere
dann erfüllt, wenn ein Pferd - wie im Streitfall -von einer Weide entkommt
und sich auf die Fahrbahn einer Landstraße begibt (vgl. Senatsurteile vom
11. Januar 1956 - VI ZR 296/54, LM Nr. 3 zu § 833 BGB; vom 6. März 1990 - VI
ZR 246/89, NJW-RR 1990, 789, 791).
10 2. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, bei der den Unfall verursachenden Stute handle es sich um
ein Nutztier im Sinne des § 833 Satz 2 BGB, weshalb dem
Beklagten der in dieser Bestimmung geregelte Entlastungsbeweis eröffnet sei.
11 a) § 833 Satz 2 BGB räumt dem Tierhalter die Möglichkeit, sich
von der Gefährdungshaftung des § 833 Satz 1 BGB zu entlasten, nur dann ein,
wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht worden ist, das dem Beruf,
der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters - d.h. einem
wirtschaftlichen Zweck - zu dienen bestimmt ist. Tiere, die aus
Liebhaberei oder zu sonstigen ideellen Zwecken wie zum Beispiel zur Ausübung
des Reitsports gehalten werden, ohne dass der Halter aus ihrer Nutzung - der
Vermietung, Erteilung von Reitunterricht, Zucht oder dergleichen - seinen
Erwerb bezieht, werden von der Vorschrift nicht erfasst (vgl. Senatsurteile
vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80, VersR 1982, 366, 367; vom 27. Mai 1986 -
VI ZR 275/85, VersR 1986, 1077, 1079; vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91,
VersR 1992, 844; vom 30. Juni 2009 -
VI ZR 266/08, VersR 2009, 1275 Rn.
7; MünchKommBGB/Wagner, 6. Aufl., § 833 Rn. 40). So hat der Senat
Pferde eines aus Liebhaberei betriebenen Rennstalls nicht als privilegierte
Nutztiere angesehen (Urteil vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53,
VersR 1955, 116; vgl. auch OLG Celle, OLGR Celle 1996, 247, 248 zur
hobbymäßigen Pferdezucht).
12 b) Die Revision rügt mit Erfolg, dass die Beurteilung des
Berufungsgerichts, die getötete Stute habe der Erwerbstätigkeit des
Beklagten, nämlich der von ihm im Nebengewerbe betriebenen Pferdezucht
gedient, von den getroffenen Feststellungen nicht getragen wird.
13 aa) Unter Erwerbstätigkeit im Sinne des § 833 Satz 2 BGB ist jede
Tätigkeit zu verstehen, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Diese
Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tätigkeit objektiv darauf angelegt ist
und subjektiv von der Absicht getragen wird, Gewinn zu erzielen.
Die bloße Gewinnerzielungsabsicht als solche, die in den objektiven
Umständen keinen Niederschlag findet, genügt dagegen nicht. Vielmehr muss
zumindest im Ansatz die realistische Möglichkeit bestehen, dass der
Tierhalter - ggf. nach einer gewissen Anlaufzeit - auf Dauer gesehen aus
seiner Tätigkeit Gewinne erwirtschaftet (vgl. Senatsurteile vom 27.
Mai 1986 - VI ZR 275/85, VersR 1986, 1077, 1079;
vom 30. Juni 2009
- VI ZR 266/08, VersR 2009, 1275 Rn. 8; vom 21.
Dezember 2010 - VI ZR 312/09, VersR 2011, 407 Rn. 8; s. auch
MünchKommBGB/Wagner, aaO Rn. 40 ff.; Staudinger/Eberl-Borges, BGB,
Neubearbeitung 2012, § 833 Rn. 129; NK-BGB/Katzenmeier, 3. Aufl., § 833 Rn.
21). Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Annahme
einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 833 Satz 2 BGB demgegenüber nicht
erforderlich, dass der Tierhalter seinen Lebensunterhalt zu einem
erheblichen Anteil aus der Tierhaltung erwirtschaftet und diese eine
wesentliche Grundlage seines Erwerbs bildet (OLG Celle, NJW-RR
2000, 1194; MünchKommBGB/Wagner, aaO, Rn. 40 ff.; aA OLG Frankfurt, OLGR
2006, 342; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 186; Staudinger/Eberl-Borges, aaO;
NK-BGB/Katzenmeier, aaO). Für eine derartige Einschränkung des
Anwendungsbereichs des § 833 Satz 2 BGB finden sich weder im Wortlaut noch
in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte (vgl. Senatsurteil vom 27.
Mai 1986 - VI ZR 275/85, VersR 1986, 1077, 1078 f.).
14 bb) Die Revision rügt zu Recht, dass die getroffenen Feststellungen die
Beurteilung nicht tragen, der Beklagte habe eine Erwerbstätigkeit in diesem
Sinne ausgeübt. Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass der
Beklagte mit Gewinnerzielungsabsicht eine Pferdezucht betrieben habe, fehlt
es an jeglichen Feststellungen dazu, ob der Zuchtbetrieb auch in objektiver
Hinsicht darauf angelegt war, Gewinn zu erwirtschaften. Den Feststellungen
ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass eine zumindest im Ansatz
realistische Chance bestand, durch den zukünftigen Verkauf von Fohlen Erlöse
zu erzielen, die die Kosten der Anschaffung und des laufenden Unterhalts des
Wallachs, des Hengstes und der zwei Stuten übersteigen. Wie die Revision zu
Recht geltend macht, hat der Beklagte ausweislich der von ihm vorgelegten
Unterlagen mit der Haltung der Pferde bisher nur Verluste gemacht.
15 Soweit das Berufungsgericht zur Begründung der Erwerbstätigkeit des
Beklagten darauf abgestellt hat, dass diesem eine Baugenehmigung für die
Errichtung einer Pferdehalle mit zwölf Pferdeboxen im Außenbereich erteilt
worden sei, hat es übersehen, dass die Genehmigung erst ein Jahr nach dem
streitgegenständlichen Unfall erteilt worden ist und ausweislich der Angaben
des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2013 den Betrieb
einer Pferdepension ermöglichen sollte. Zwar mag der auf Erwerbszwecke
gerichtete Betrieb einer Pferdepension als Erwerbstätigkeit im Sinne des §
833 Satz 2 BGB zu qualifizieren sein. Es fehlt aber an der weiteren
Voraussetzung der Entlastungsmöglichkeit, dass das in Rede stehende
Haustier dieser Erwerbstätigkeit zu dienen bestimmt war. Weshalb
die ein Jahr vor der Erteilung der Baugenehmigung getötete Stute des
Beklagten dem Betrieb einer Pferdepension dienen konnte und sollte, ist
nicht erkennbar.
16 Entsprechendes gilt für die Erwägung des Berufungsgerichts, der Beklagte
habe einen landwirtschaftlichen Betrieb angemeldet und eine Betriebsnummer
erhalten. Dieser Umstand lässt für sich genommen keinen Rückschluss darauf
zu, dass der Beklagte eine auf Erwerbszwecke gerichtete Pferdezucht betrieb.
17 3. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Beklagte habe die ihm als Tierhalter bei der
Beaufsichtigung der Pferde im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet.
Sollte sich die Nutztiereigenschaft der Pferde nicht bestätigen, ist dem
Beklagten zwar der Entlastungsbeweis gemäß § 833 Satz 2 BGB nicht eröffnet,
so dass es insoweit nicht darauf ankommt, ob er die an ihn zu stellenden
Sorgfaltsanforderungen beachtet hat. Diese Frage kann allerdings
Bedeutung bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nach §§
17, 7 Abs. 1 StVG, § 833 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB erlangen (vgl.
Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, NJW-RR 1990, 789, 791; vom
3. Mai 2005 - VI ZR 238/04, VersR 2005, 1254,
1255).
18 a) Als Tierhalter ist der Beklagte für die sichere Unterbringung seiner
Pferde verantwortlich. Er ist insbesondere verpflichtet, für eine
ausreichend sichere Einzäunung der Anlagen zu sorgen, in denen sich seine
Pferde aufhalten, wenn von ihnen Gefahren für Dritte ausgehen können. Die
Erfüllung dieser Pflicht soll dazu dienen, ein Entweichen der Tiere, etwa
von der Koppel oder Weide, auf Dritten zugängliches Gelände oder Straßen zu
verhindern, da erfahrungsgemäß in einem solchen Fall mit schweren Unfällen
zu rechnen ist (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1976 - VI ZR 212/75 - VersR
1976, 1086, 1087; vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, NJW-RR 1990, 789, 791;
vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91, VersR 1992, 844, 845; vom 30. Juni 2009 -
VI ZR 266/08,
VersR 2009, 1275 Rn. 10 f.). Insoweit müssen zur Sicherung der
unbeaufsichtigten Tiere auf der Weide im freien Gelände wegen der großen
Gefahr schwerer Unfälle hohe Anforderungen gestellt werden (vgl.
Senatsurteile vom 11. Januar 1956 - VI ZR 296/54, VersR 1956, 127, 128; vom
30. November
1965 - VI ZR 3/64, VersR 1966, 186, 187; vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89,
NJW-RR 1990, 789, 790).
19 Allerdings muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende
Maßnahmen begegnet werden; Sicherungen von absoluter Wirksamkeit sind kaum
möglich. Dementsprechend ist auch der Tierhalter nicht verpflichtet, alle
theoretisch denkbaren, von dem Tier ausgehenden Gefahren von Dritten durch
geeignete Sicherungsmaßnahmen abzuwenden; vielmehr muss er nur die allgemein
üblichen und im Verkehr als ausreichend erachteten Sicherungsmaßnahmen
einhalten (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1976 - VI ZR 212/75,
VersR 1976, 1086; vom 28. April 1992 - VI ZR 314/91, VersR 1992, 844, 845).
20 b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die ihm als
Tierhalter bei der Beaufsichtigung der Pferde im Verkehr erforderliche
Sorgfalt beachtet, ist bereits deshalb fehlerhaft, weil es übersehen hat,
dass es sich bei der Berufungsinstanz auch nach Inkrafttreten des
Zivilprozessreformgesetzes um eine zweite - wenn auch eingeschränkte -
Tatsacheninstanz handelt, deren Aufgabe in der Gewinnung einer "fehlerfreien
und überzeugenden" und damit "richtigen" Entscheidung des Einzelfalles,
besteht (BGH, Urteile vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 315
f.; vom 18. November 2004 - IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, Rn. 1 ff.; vom 14.
Juli 2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83 Rn. 18 ff.; Begründung des
Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks.
14/4722 S. 59 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses,
BT-Drucks. 14/6036, S. 118, 124). Die Prüfungskompetenz des
Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung
ist insbesondere nicht auf Verfahrensfehler und damit auf den Umfang
beschränkt, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der
Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 9.
März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 315 f.; Senatsbeschluss vom 22.
Dezember 2015 - VI ZR 67/15, VersR 2016, 463 Rn. 7). Auch
verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen sind für das
Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, wenn konkrete
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder
unrichtig sind. Dabei können sich Zweifel an der Richtigkeit und
Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen auch aus der
Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das
Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders
würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Besteht aus der für das
Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende
- Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die
erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu einer
erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 21. Juni
2016 - VI ZR 403/14, VersR 2016, 1194 Rn. 11; BGH, Urteil vom 9. März 2005 -
VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 315 ff.).
21 Das Berufungsgericht durfte deshalb die Einwendungen des Klägers gegen
die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht mit der Begründung als
unbeachtlich ansehen, er trage lediglich "seine eigenen, von den
Beurteilungen des gerichtlichen Sachverständigen abweichenden Einschätzungen
vor, ohne damit jedoch Rechtsfehler des Erstgerichts aufzeigen zu können",
bzw. stehe "nicht in Einklang mit den Beurteilungen des gerichtlichen
Sachverständigen" (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 67/15,
VersR 2016, 463 Rn. 7).
22 c) Die Revision rügt darüber hinaus zu Recht, dass sich das
Berufungsgericht nicht mit den vom Kläger mit Schriftsatz vom 22. Oktober
2012 als Anlage K 7 vorgelegten Empfehlungen des Bayerischen
Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ("Der sichere
Weidezaun") auseinandergesetzt hat, wonach sich die in Rede stehende Koppel
im Risikobereich 2 (Weidegebiete an mäßig befahrenen, entfernten Straßen,
die nicht unter ständiger Kontrolle sind) befand, für den eine "Einzäunung
mit fester Umzäunung und Elektroband-Unterstützung" empfohlen wird (§ 286
ZPO). Diese Empfehlung ist geeignet, die Angaben des gerichtlichen
Sachverständigen in Frage zu stellen, wonach die im Streitfall verwendete,
nicht nur unterstützende Elektroband-Einzäunung ausreichend gewesen sei.
Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Stärke und Länge der für
die Einzäunung verwendeten Zaunpfähle nach den Feststellungen der
Vorinstanzen deutlich unter den geforderten Werten lag und ein Zaunpfahl
nach dem Unfall aus nicht geklärten Gründen umgeknickt war.
III.
23 Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da sie nicht
zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird
dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Ausführungen der
Parteien zu seiner Beurteilung zu befassen, der Beklagte habe die ihm
obliegende Sorgfalt gewahrt.
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