Voraussetzung der
Vertragsanpassung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB);
Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung
BGH, Urt. v. 19. Januar
2007 - V ZR 163/06
Fundstelle:
NJW 2007, 1884
Amtl. Leitsatz:
a) Ein in der Person des
Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt nicht generell zum Erlöschen
des Wohnungsrechts, selbst wenn das Hindernis auf Dauer besteht.
b) Kann der Berechtigte sein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungsrecht wegen
eines medizinisch notwendigen Aufenthalts in einem Pflegeheim nicht ausüben,
kommt die Begründung einer Zahlungspflicht des Verpflichteten im Wege der
Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage
nur in Betracht, wenn der Heimaufenthalt auf Dauer erforderlich ist und die
Vertragsschließenden nicht mit dem Eintritt dieses Umstands gerechnet haben;
fehlen diese Voraussetzungen, kann die ergänzende Vertragsauslegung einen
Geldanspruch des Berechtigten begründen.
Zentrale Probleme:
Ein schöner Beispielsfall für die Problematik der
Geschäftsgrundlage, die jetzt - ohne sachliche Änderung - in § 313 BGB
kodifiziert ist (s. auch
BGH v. 8.2.2006 - VIII ZR 304/04),
sowie für die Vertragsauslegung. Es geht - verkürzt - um die Frage, ob der
Inhaber eines Wohnrechts, der dieses wegen Krankheit nicht mehr ausüben
kann, an dessen Stelle einen Zahlungsanspruch haben kann. Der Senat
verneint dies unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
deren Vorliegen alternativ aus zwei Gründen: Dass der Inhaber eines
Wohnrechts dieses aus Gesundheitsgründen nicht bis an sein Lebensende wird
ausüben könne, sei keine "unvorhergesehene Änderung der Umstände, die
Geschäftsgrundlage geworden sind", jedenfalls sei hier aber nicht
festgestellt, daß die Verhinderung auf Dauer sei. Dann aber fehlt es es an dem
Merkmal der "schwerwiegenden Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des
Vertrags geworden sind" (s. dazu auch
BGH v. 13.7.2012 - V ZR 206/11). Er bejaht aber einen vertraglichen Anspruch aus dem
Gesichtspunkt eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 667 BGB) bzw. aus
ergänzender Vertragsauslegung (zu letzterer s. auch
BGH NJW 2006, 54; BGH
NJW 2001, 600; BGH
NJW 2002, 506 sowie
BGH NJW 2004, 1873).
Die Entscheidung zeigt sehr klar den Ausnahmecharakter sowie den subsidiären
Charakter der Geschäftsgrundlagenlehre auf. S. dazu auch
BGH v. 9.1.2009 - V ZR 168/07.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10. Mai 1980 übertrug der
zwischenzeitlich verstorbene Vater des Beklagten diesem zwei
Hausgrundstücke. Als Gegenleistung räumte der Beklagte seinen Eltern als
Gesamtberechtigten lebenslängliche unentgeltliche Wohnungsrechte an den
beiden jeweils in den oberen Geschossen der Häuser gelegenen Wohnungen ein,
welche in die jeweiligen Grundbücher eingetragen wurden. Weiter wurde
vereinbart, dass die Eltern die Schönheitsreparaturen selbst durchführen und
die Stromkosten bezahlen sollten; die übrigen Nebenkosten einschließlich der
Heizungskosten sollte der Beklagte tragen.
2 In der Folgezeit bewohnte der Vater des Beklagten die eine, die Mutter die
andere Wohnung. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1996 vermietete der Beklagte
mit Zustimmung seiner Mutter die bisher von dem Vater genutzte Wohnung und
vereinnahmt seither die Mieten.
3 Ende des Jahres 2000 erlitt die Mutter des Beklagten einen Schlaganfall
und musste nach einem Krankenhausaufenthalt in ein Pflegeheim aufgenommen
werden. Mit ihrem Einverständnis renovierte der Beklagte die bis dahin von
ihr genutzte Wohnung, auch baute er eine neue Heizungsanlage ein; sodann
vermietete er die Wohnung. Die Mieten nimmt der Beklagte ein.
4 Der Kläger leistet der Mutter des Beklagten seit dem 1. Februar 2003 Hilfe
zur Pflege in Höhe der ungedeckten Heimkosten. Mit bestandskräftigem
Bescheid vom 28. November 2003 leitete er "sämtliche Ansprüche auf
Geldleistungen, die sich aus der Nichtinanspruchnahme der vertraglichen
Leistungen aus dem Übergabevertrag ergeben", ab dem 1. Februar 2003 bis zur
Höhe der gewährten Sozialhilfe auf sich über.
5 Die Betreuerin der Mutter des Beklagten teilte dem Kläger im Juni 2004
mit, der Beklagte habe ihr erklärt, dass seine Mutter keine Ansprüche auf
die von ihm vereinnahmten Mieten habe. Darauf erhob der Kläger Klage, mit
der er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 8.940,89 € nebst
Zinsen für den Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis zum 31. März 2004 verlangt
hat. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 7.868,90 € nebst Zinsen
stattgegeben. Die Berufung des Klägers, mit der er die Verurteilung des
Beklagten zur Zahlung weiterer 1.071,99 € nebst Zinsen beantragt hat, ist
ebenso ohne Erfolg geblieben wie die Berufung des Beklagten.
6 Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren
Zurückweisung der Kläger beantragt, will der Beklagte die Aufhebung des
Berufungsurteils, soweit es ihn beschwert, und die vollständige Abweisung
der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
7 Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Mutter des Beklagten das
Wohnungsrecht an den beiden Wohnungen nach wie vor zu. Es sei weder durch
den Tod des Vaters noch durch ihren Aufenthalt in dem Pflegeheim erloschen.
Allerdings habe die Mutter mit dem Beklagten konkludent eine abändernde
schuldrechtliche Vereinbarung dahingehend getroffen, dass er die früher von
dem Vater genutzte Wohnung auf eigene Rechnung vermieten dürfe. Der
Abschluss einer gleichartigen Vereinbarung betreffend die von der Mutter vor
ihrem Umzug in das Pflegeheim genutzte Wohnung könne nicht festgestellt
werden. Zwar sei die Mutter bzw. später ihre Betreuerin mit der Renovierung
der Wohnung einverstanden gewesen und habe auch der Vermietung durch den
Beklagten nicht widersprochen. Aber darin liege kein Einverständnis mit der
Vereinnahmung der Mieten durch den Beklagten. Die erstmals in der
Berufungsinstanz aufgestellte Behauptung des Beklagten, alle Beteiligten
seien sich seinerzeit einig gewesen, dass ihm die Mieteinnahmen zustehen
sollten, sei nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Das Wohnungsrecht
sei deshalb eingeräumt worden, weil der Vater des Beklagten habe
sicherstellen wollen, dass ihm und seiner Ehefrau die bisher genutzten
Wohnungen bis an ihr Lebensende erhalten blieben; die Eltern des Beklagten
hätten damit ihren Wohnungsbedarf auf Dauer abdecken wollen. Die Einräumung
des Wohnungsrechts sei deshalb als Teil ihrer Altersversorgung anzusehen.
Diese sei hinsichtlich der Mutter des Beklagten nicht mehr gewährleistet,
weil ihr Wohnungsbedarf nunmehr ungedeckt sei; denn sie könne einerseits das
Wohnungsrecht nicht mehr ausüben, andererseits die für ihren Wohn- und
Pflegebedarf anfallenden Kosten nicht in vollem Umfang tragen. Dass die
Altersversorgung der Eltern des Beklagten nicht mehr gewährleistet sein
könne, hätten die Vertragsschließenden nicht bedacht und diesen Fall der
Versorgungslücke nicht geregelt. Damit sei die Geschäftsgrundlage des
Übergabevertrags gestört. Hätten die Vertragsparteien den jetzt
eingetretenen Fall bedacht, hätten sie redlicherweise eine Vereinbarung
dahin getroffen, dass der Mutter die aus der Vermietung ihrer früheren
Wohnung gezogenen wirtschaftlichen Vorteile zustünden. Deshalb sei der
Übergabevertrag nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage
dahin anzupassen, dass der Beklagte seiner Mutter die Einkünfte aus der
Vermietung der Wohnung bis zur Deckung ihrer Versorgung zukommen lassen
müsse. Die Höhe des Anspruchs bemesse sich nach den von dem Beklagten durch
die Vermietung erzielten finanziellen Vorteilen. Der Kläger habe diesen
Anspruch, der durch die Höhe der geleisteten Sozialhilfe begrenzt sei,
wirksam auf sich übergeleitet.
8 Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand.
II.
9 Der Kläger hat gegen den Beklagten einen nach § 90 BSHG übergegangenen
vertraglichen Anspruch der Mutter auf Herausgabe der von dem Beklagten
vereinnahmten Mieten und auf Erstattung der von dem Beklagten tatsächlich
ersparten Aufwendungen in der von den Vorinstanzen zuerkannten Höhe.
10 1. Zu Recht - und von der Revision nicht angegriffen - ist das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger sämtliche der Mutter des
Beklagten wegen der Nichtausübung des ihr in dem Übergabevertrag vom 10. Mai
1980 eingeräumten Wohnungsrechts zustehenden Ansprüche gemäß § 90 Abs. 1
Satz 1 BSHG auf sich übergeleitet hat. Aus dem bestandskräftigen Bescheid
vom 28. November 2003 ergibt sich, dass nicht das Wohnungsrecht selbst,
sondern die sich aus dem Übergabevertrag möglicherweise als Ausgleich für
die Nichtinanspruchnahme des Wohnungsrechts ergebenden Zahlungsansprüche
übergeleitet worden sind.
11 2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des
Berufungsgerichts, dass das der Mutter eingeräumte Wohnungsrecht weder durch
den Tod des Vaters des Beklagten im Jahr 1996 noch durch ihren
krankheitsbedingten Umzug in ein Pflegeheim erloschen ist.
12 a) Nach § 2a des Übergabevertrags hatte der Beklagte als Gegenleistung
für die Übertragung der Grundstücke seinem Vater und seiner Mutter "als
Gesamtberechtigte nach § 428 BGB" ein lebenslängliches Wohnungsrecht
eingeräumt. Auf die dem entsprechende Bewilligung des Beklagten wurden die
Wohnungsrechte in die Grundbücher eingetragen. Das ist rechtlich möglich und
hat u.a. zur Folge, dass mit dem Tod des Erstversterbenden nicht alle
Wohnungsrechte erlöschen, sondern nur das Wohnungsrecht dieses Berechtigten
erlischt und das Wohnungsrecht des anderen Berechtigten bis zu seinem Tod
bestehen bleibt (Senat, BGHZ 46, 253, 259 f.).
13 b) Das Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für sein Erlöschen gelten deshalb
dieselben Grundsätze wie für das Erlöschen einer solchen Dienstbarkeit.
Danach erlischt das Recht, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder
rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird (Senat, Urt. v. 7. Dezember 1984,
V ZR 189/83, NJW 1985, 1025). Das ist u.a. der Fall, wenn das Recht
niemandem mehr einen Vorteil bietet (Senat, BGHZ 41, 209, 214). An diesen
Voraussetzungen fehlt es, wenn das Wohnungsrecht auf Grund der Aufnahme des
Berechtigten in ein Pflegeheim nicht ausgeübt werden kann. Denn ihm bleibt
nach § 1090 Abs. 1 Satz 2 BGB die Möglichkeit, mit Gestattung des
Grundstückseigentümers die Ausübung seines Rechts anderen zu überlassen und
dadurch z.B. für sich einen Mietanspruch gegen den Besitzer der dem Recht
unterliegenden Räume zu begründen (vgl. Senat, BGHZ 59, 51, 56 ff.). Ein in
der Person des Berechtigten liegendes Ausübungshindernis führt somit nicht
generell zum Erlöschen des Wohnungsrechts (OLG Zweibrücken OLGZ 1987, 27;
OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 467, 468; OLG Köln NJW-RR 1995, 1358; OLG Celle
MDR 1998, 1344; OLG Düsseldorf Rpfleger 2001, 542, 543), selbst wenn das
Hindernis auf Dauer besteht.
14 3. Ebenfalls rechtlich zutreffend hat das Berufungsgericht einen
Zahlungsanspruch der Mutter des Beklagten nach landesgesetzlichen
Vorschriften (Art. 96 EGBGB i.V.m. Lipp. AGBGB) verneint. In dem
Übergabevertrag vom 10. Mai 1980 wurde kein Altenteilsrecht im Sinne des
Art. 96 EGBGB zu Gunsten der Eltern des Beklagten vereinbart. Denn eine
Grundstücksübertragung wird noch nicht dadurch zum Altenteilsvertrag, dass
dem Übergeber ein Wohnungsrecht eingeräumt wird; hinzutreten muss, dass ein
Beteiligter dem anderen seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um
dafür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen
Versorgungsverhältnisses einzutreten, während der Übernehmer eine
wirtschaftlich selbständige Stellung erlangt (siehe nur Senat, Urt. v. 25.
Oktober 2002, V ZR 293/01, WM 2003, 1483, 1485).
Diese Voraussetzungen liegen hier nach den von der Revision nicht
angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.
15 4. Fehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch den Zahlungsanspruch der
Mutter gegen den Beklagten auf die gerichtliche Anpassung des
Übergabevertrags vom 10. Mai 1980 nach den Grundsätzen der Störung der
Geschäftsgrundlage gestützt. Die in dem Berufungsurteil getroffenen
Feststellungen rechtfertigen das nicht.
16 a) Offen bleiben kann, ob die Rechtsprechung des Senats, nach welcher
ein Zahlungsausgleich für den auf der Zerrüttung des persönlichen
Verhältnisses zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem beruhenden Ausfall
von in Übergabeverträgen vereinbarten Versorgungsleistungen aus dem
Rechtsgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt (Urt.
v. 20. März 1981, V ZR 152/79, WM 1981, 657, 658; Urt. v. 23. September
1994, V ZR 113/93, NJW-RR 1995, 77, 78; Urt. v. 1. Februar 2002, V ZR 61/01,
WM 2002, 772, 773), auch auf den Fall anzuwenden ist, dass die Ausübung
eines Wohnungsrechts dem Berechtigten wegen eines medizinisch notwendigen
und dauerhaften Aufenthalts in einem Pflegeheim nicht möglich ist.
Bedenken dagegen können sich, worauf die Revision zutreffend hinweist, aus
der Überlegung ergeben, dass bei der Vereinbarung eines lebenslangen
Wohnungsrechts jeder Vertragsteil damit rechnen muss, dass der Berechtigte
sein Recht wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht bis zu seinem Tod
ausüben kann; tritt dieser Fall ein, fehlt es an der für eine
gerichtliche Vertragsanpassung notwendigen Voraussetzung der
unvorhergesehenen Änderung der Umstände, die Geschäftsgrundlage geworden
sind (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 1041, 1042; OLG Hamm NJW-RR 1996,
1360, 1361; OLG Brandenburg DtZ 1997, 364, 365; OLG Düsseldorf Rpfleger
2001, 542; Staudinger/Mayer, BGB [2002], § 1093 Rdn. 55; E. Schneider, MDR
1999, 87 f.; Littig/Mayer, Sozialhilferegress gegenüber Erben und
Beschenkten, Rdn. 114; a.A. [Anwendbarkeit der Grundsätze des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage] OLG Köln ZMR 1995, 256, 257; OLG Schleswig OLG-Report
1997, 357, 358; OLG Celle NJW-RR 1999, 10, 11; AnwK-BGB/Otto, § 1093 Rdn.
37; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, § 1093 Rdn. 32).
17 b) Hier kommt die gerichtliche Vertragsanpassung nach den Grundsätzen
des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jedenfalls deshalb nicht in Betracht,
weil das Berufungsgericht eine entscheidende Voraussetzung dafür, nämlich
das dauerhafte Unvermögen der Mutter des Beklagten zur Ausübung ihres
Wohnungsrechts, nicht festgestellt hat. Es ist auch weder von den
Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ihre Rückkehr in ihre
frühere Wohnung - gegebenenfalls unter Aufnahme von Pflegepersonen (§ 1093
Abs. 2 BGB) -ausgeschlossen ist. Solange das nicht feststeht, kann keine
gerichtliche Vertragsanpassung erfolgen; denn bei einem nur vorübergehenden
subjektiven Ausübungshindernis fehlt es an dem Merkmal der schwerwiegenden
Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind
(vgl. § 313 Abs. 1 BGB).
18 c) Die Frage, ob die Mutter des Beklagten dauerhaft ihr Wohnungsrecht
nicht ausüben kann, bedarf jedoch keiner Klärung. Denn das Berufungsgericht
hat auch übersehen, dass der Beklagte und seine Mutter bereits eine
Anpassung des Vertrags vorgenommen haben, indem sie die
Vermietungsvereinbarung hinsichtlich der dem Wohnungsrecht der Mutter
unterliegenden Räume getroffen haben. Für die rechtlichen Beziehungen
zwischen ihnen ist im Hinblick darauf, wem die Mieten zustehen, nunmehr der
Inhalt dieser Vereinbarung und nicht mehr der des Übergabevertrags vom 10.
Mai 1980 maßgeblich. Das schließt die gerichtliche Anpassung des
Übergabevertrags nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
aus. Er kann aus demselben Grund auch nicht ergänzend ausgelegt werden, um
einen Geldanspruch der Mutter gegen den Beklagten zu begründen (vgl. zur
ergänzenden Vertragsauslegung bei dem durch einen Heimaufenthalt bedingten
Wegfall von Versorgungsverpflichtungen, die auf dem übergebenen Grundstück
zu erfüllen sind, Senat, Urt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, WM 2002,
598, 599; Beschl. v. 21. November 2002, V ZB 40/02, WM 2003, 1827, 1828;
Beschl. v. 23. Januar 2003, V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578).
19 5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen
Gründen als richtig dar, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561
ZPO). Die Auslegung der zwischen dem Beklagten und seiner Mutter getroffenen
Vermietungsvereinbarung ergibt nämlich, dass die Mutter einen Anspruch auf
Auskehr der von dem Beklagten vereinnahmten Mieten hat.
20 a) Das dingliche Wohnungsrecht ist eine besondere Art der beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB). Deshalb darf Dritten,
wenn sie nicht zu den in § 1093 Abs. 2 BGB genannten Personen gehören, die
Allein- oder Mitbenutzung der Wohnung nur bei Gestattung durch den
Grundstückseigentümer überlassen werden (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für eine
solche Gestattung bedarf es einer Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und
dem Berechtigten (BGH, Urt. v. 25. September 1963, VIII ZR 39/62, NJW 1963,
2319). Weitere Anforderungen an die Wirksamkeit der Gestattung wie etwa eine
Vereinbarung darüber, wem die aus der Wohnungsüberlassung erzielten
Mieteinnahmen zustehen, stellt das Gesetz nicht auf.
21 b) Die zwischen dem Beklagten und seiner Mutter getroffene
Vermietungsvereinbarung enthält nicht nur die Gestattung zur Vermietung der
Wohnung an Dritte, sondern geht darüber hinaus. Die Vermietung sollte nicht
- wie bei der bloßen Überlassungsgestattung - durch die Mutter als
Berechtigte des Wohnungsrechts erfolgen, so dass ihr als Vermieterin -
mangels anderer Absprachen mit dem Grundstückseigentümer - die Mieten
zustehen (vgl. Senat, BGHZ 59, 51, 56 ff.). Vielmehr durfte der
Beklagte die Wohnung im eigenen Namen vermieten. Falls die darauf erfolgte
Vermietung eine Auftragsgeschäftsbesorgung (§ 662 BGB) des Beklagten war,
ist er - worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat zutreffend hingewiesen hat - nach § 667 BGB
verpflichtet, an seine Mutter die vereinnahmten Mieten herauszugeben.
22 c) Dieselbe Verpflichtung trifft den Beklagten, wenn man kein
Auftragsverhältnis zwischen ihm und seiner Mutter im Hinblick auf die
Vermietung der Wohnung annimmt, sondern z.B. von einem bloßen
Gefälligkeitsverhältnis ausgeht. Dann ist die Vermietungsvereinbarung
unvollständig, denn es fehlt die Einigung darüber, wem die Mieteinnahmen
zustehen. Dass die Beteiligten diesen Punkt bewusst ungeregelt gelassen
haben, ist weder festgestellt noch ersichtlich. Denn nach ihrem Vortrag in
den Tatsacheninstanzen hat die Betreuerin der Mutter für diese die Mieten
beansprucht, während der Beklagte der Meinung ist, sie stünden ihm zu.
Obwohl dieser Punkt damit, auch nach den Vorstellungen der Vertragsparteien,
regelungsbedürftig war, ist er ungeregelt geblieben; das macht die
Ermittlung des vollständigen Inhalts der Vereinbarung unter dem
Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung notwendig, also die
Ermittlung dessen, was die Beteiligten (bei angemessener Abwägung ihrer
Interessen und als redliche Vertragspartner) zur Schließung der Lücke selbst
unternommen hätten (Senat, Urt. v. 2. Juli 2004, V ZR 209/03, NJW-RR 2005,
205, 206 m.w.N.).
23 d) Da das Berufungsgericht die Vermietungsvereinbarung nicht ausgelegt
hat und weitere tatsächliche Feststellungen wegen der von der Revision nicht
angegriffenen Nichtzulassung des zweitinstanzlichen Vortrags des Beklagten
zu dem behaupteten übereinstimmenden Willen der Beteiligten, die Mieten
sollten ihm zustehen, nicht in Betracht kommen, ist der Senat zur eigenen
Auslegung befugt. Sie führt dazu, dass die Mutter des Beklagten von ihm die
vereinnahmten Mieten herausverlangen kann. Nur dieses Auslegungsergebnis
berücksichtigt ausreichend Sinn und Zweck des der Mutter eingeräumten
Wohnungsrechts und die Interessenlage der Parteien. Denn wie das
Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend festgestellt hat, ist
das Wohnungsrecht ein Teil der Altersversorgung der Mutter; sie soll auf
Lebenszeit unentgeltlich wohnen können mit der Folge, dass sie ihre
Einkünfte - bis auf die Begleichung von Schönheitsreparaturen und
Stromkosten - anders als zum Wohnen verwenden kann. Der Beklagte muss nach
der in dem Übergabevertrag getroffenen Regelung die übrigen Nebenkosten
tragen, die durch die Ausübung des Wohnungsrechts seiner Mutter entstehen;
eine Zahlung seiner Mutter an ihn für die Benutzung der dem Wohnungsrecht
unterliegenden Räume ist nicht vorgesehen. Unter diesen Umständen kann nicht
davon ausgegangen werden, dass der Beklagte und seine Mutter vereinbart
hätten, dass ihm die Mieten zustehen sollen. Denn das führte zu einer
wirtschaftlichen Besserstellung des Beklagten gegenüber den Regelungen in
dem Übergabevertrag auf Kosten seiner Mutter, die durch nichts
gerechtfertigt ist. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Mutter
des Beklagten mit der Vermietung ihrer früheren Wohnung das Eintreten des
Sozialhilfeträgers für die ungedeckten Kosten ihres Heimaufenthalts
herbeiführen wollte. Das wäre aber die bei Abschluss der
Vermietungsvereinbarung vorausgesehene wirtschaftliche Folge, wenn dem
Beklagten die Mieteinnahmen zustünden. Auch deshalb verbietet sich eine
ergänzende Vertragsauslegung mit diesem Ergebnis.
24 6. Aus denselben Gründen ergibt die ergänzende Auslegung der
Vermietungsvereinbarung weiter, dass der Beklagte seiner Mutter auch die
tatsächlich ersparten Aufwendungen, also die von ihm nach den Regelungen in
dem Übergabevertrag zu tragenden Nebenkosten, erstatten muss (vgl. Senat,
Beschl. v. 23. Januar 2003, V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578), soweit diese
von dem Mieter getragen werden.
25 7. Die Berechnung der Höhe des wirksam auf den Kläger übergeleiteten
Anspruchs durch das Berufungsgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie
wird von der Revision auch nicht angegriffen.
III. 26 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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