Kein Anspruch des Inhabers eines Wohnungsrechts
(beschränkt persönliche Dienstbarkeit, § 1090 ff BGB) auf
Auskehr der durch den Eigentümer erlösten Miete bei unberechtigter
Vermietung aus § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion),
GoA oder § 816 I BGB
BGH, Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR
206/11 - OLG Jena
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Besteht keine vertragliche
Bindung zwischen dem Eigentümer und dem Wohnungsberechtigten, der einer
außerhäuslichen Pflege bedarf, so wird der Eigentümer, der die Wohnung
eigenmächtig vermietet, durch die Einnahme der Mietzinsen nicht auf Kosten
des Wohnungsberechtigten bereichert.
Zentrale Probleme:
Die vorwiegend
bereicherungsrechtliche Entscheidung schließt an die Rspr. zur
unberechtigten Untervermietung durch einen Mieter und zur unberechtigten
Weitervermietung durch einen Vermieter an, s. dazu die Anm. zu
BGHZ 131, 297,
BGH NJW-RR 2009, 1522
sowie BGHZ 167, 312. Ihr Ausgangspunkt über
den Charakter einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit und deren
Erlöschen bzw. Aufrechterhaltung bei einer Verhinderung zur Ausübung ist
wichtig für die bereicherungsrechtlichen Konsequenzen: Da der
Wohnungsberechtigte die Wohnung nur mit Zustimmung des Eigentümers
weitervermieten darf (§ 1092 I 2 BGB), war hier ein Erwerb der durch den
Eigentümer erzielten Miete nur dann "auf Kosten" des Wohnungsberechtigten
erfolgt, wenn dieser einen Anspruch auf eine solche Genehmigung gehabt
hätte. Das verneint der Senat.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Beklagte und ihr im Jahr 2007
verstorbener Ehemann lebten seit 1992 bei der kinderlosen Klägerin und
renovierten deren Haus nebst Gehöft und Ställen. Die damals 73 Jahre alte
Klägerin setzte den Ehemann der Beklagten im Jahr 1995 zum Alleinerben ein
und übertrug ihm ihr Hausgrundstück gegen Einräumung eines Wohnungsrechts an
den Räumen im Erdgeschoss, Zahlung einer monatlichen Rente und Übernahme von
Pflege- und Unterstützungspflichten. Das Wohnungsrecht und eine Reallast
wurden in das Grundbuch eingetragen. Der Ehemann der Beklagten übertrug das
Grundstück im Jahr 2002 unentgeltlich an die Beklagte.
2 Im Jahr 2005 wurde die Beklagte zur Betreuerin der Klägerin bestellt; seit
2006 lebt die Klägerin in einem Pflegeheim. Sie ist derzeit in Pflegestufe
III eingestuft. Die Beklagte hat die von dem Wohnungsrecht umfassten
Räume seit Februar 2008 zu einem Mietzins von 250 € monatlich an Dritte
vermietet. Sie wurde daraufhin als Betreuerin entlassen. Die
Klägerin, die über monatliche Renten- und Pachteinkünfte sowie Sparguthaben
verfügt, muss neben ihren laufenden Einkünften auch ihr Vermögen zur Deckung
der Pflegekosten einsetzen. Ihre Klage, die auf Auskehrung der von Februar
2008 bis März 2010 von der Beklagten vereinnahmten Mieten in Höhe von 6.500
€ sowie Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtet ist, ist vor dem
Landgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hat das Urteil
teilweise geändert und der Klage in Höhe von 3.250 € stattgegeben. Während
die Beklagte mit der Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen
Urteils erreichen will, verfolgt die Klägerin mit der Anschlussrevision ihre
zuletzt gestellten Anträge weiter; beide Parteien beantragen jeweils die
Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht meint, das Wohnungsrecht sei nicht erloschen, obwohl
die Klägerin es gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben könne. Weder die
Beklagte noch die Klägerin seien ohne Zustimmung des jeweils anderen
berechtigt, die Räume zu vermieten. Eine ergänzende Auslegung des
Bestellungsvertrags scheide aus, weil die Beklagte an diesem Vertrag nicht
beteiligt gewesen sei. Die Klägerin könne aber gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1
Alt. 2 BGB die Auskehrung der hälftigen Mieten verlangen. Hätte die Beklagte
vor der Vermietung die erforderliche Zustimmung der Klägerin - bzw. eines
Ergänzungsbetreuers - eingeholt, wäre eine Vereinbarung getroffen worden,
die entweder eine gemeinsame Vermietung oder eine Vermietung durch die
Klägerin vorgesehen hätte; im Zweifel wäre - wie sich aus § 430 BGB analog
oder aber aus § 242 BGB ergebe - eine hälftige Teilung der Erlöse vereinbart
worden. Infolgedessen habe die Beklagte die hälftigen Mieten auf Kosten der
Klägerin erlangt. Es reiche aus, wenn der Bereicherungsschuldner etwas
erlangt habe, wofür er bei redlichem Vorgehen hätte zahlen müssen. Die
Zustimmung zu der Vermietung hätte die Beklagte nur gegen eine Beteiligung
an den Mieterlösen "erkaufen" können.
II.
Revision
4 Die Revision hat Erfolg.
5 1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass
ein auf Auskehrung der Mieten gerichteter Zahlungsanspruch nicht schon
deshalb ausscheidet, weil das Wohnungsrecht erloschen ist. Es
besteht fort, obwohl die Klägerin es wegen ihres Gesundheitszustands nicht
mehr ausüben kann. Zwar erlischt eine beschränkte persönliche
Dienstbarkeit dann, wenn das Recht niemandem mehr einen Vorteil bietet. Für
ein Wohnungsrecht hat der Senat dies aber auch dann verneint, wenn der
Berechtigte an der Ausübung aus subjektiven Gründen dauerhaft gehindert ist.
Dabei hat er sich auf die Erwägung gestützt, der Wohnungsberechtigte könne
die Räume mit Gestattung des Eigentümers vermieten (§ 1092 Abs. 1
Satz 2 BGB; Senat, Urteil vom
19. Januar 2007 - V ZR 163/06, NJW 2007, 1884 Rn. 13 mwN;
Krüger, ZNotP 2010, 2, 4).
6 Ohne Erfolg wendet die Revision ein, dass diese Voraussetzung hier nicht
vorliege, weil die Beklagte die Räume selbst vermietet und damit zum
Ausdruck gebracht habe, dass sie eine Vermietung durch die Klägerin nicht
gestatten werde. Das Erlöschen eines auf Lebenszeit eingeräumten
Wohnungsrechts kommt vor dem Tod des Berechtigten nur ausnahmsweise in
Betracht. Ein dauerhafter Wegfall des Interesses ist nicht schon deshalb
anzunehmen, weil der Berechtigte die Wohnung selbst nicht nutzen kann und
der Eigentümer die Vermietung nicht gestattet. Insoweit kommt es auf die
abstrakte Möglichkeit der Gestattung an (Auktor, MittBayNot 2008,
14 f.; Mayer, DNotZ 2008, 672, 674 f.). Das ergibt sich schon
daraus, dass die Versagung der Gestattung den Rechtsnachfolger des
Eigentümers nicht bindet und deshalb die wirtschaftliche Nutzung nicht - wie
es erforderlich wäre - dauerhaft und zweifelsfrei ausschließt (vgl.
LG Heidelberg, NotBZ 2010, 155 ff.).
7 2. Richtig ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich der
geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht aus dem Bestellungsvertrag
herleiten lässt, weil die Beklagte nicht Vertragspartei war. Aus
diesem Grund scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung von
vornherein aus; das gilt auch für die Anwendung der Grundsätze über den
Wegfall der Geschäftsgrundlage, die ohnehin regelmäßig daran scheitert, dass
die Notwendigkeit einer außerhäuslichen Pflege kein unvorhersehbarer Umstand
ist (Senat, Versäumnisurteil vom 9. Januar 2009 - V ZR 168/07, NJW
2009, 1348 Rn. 11; Krüger, ZNotP 2010, 2, 4).
8 3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Anspruch
auch nicht auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützt werden.
9 a) Der Bereicherungsschuldner erlangt nur dann im Sinne von § 812
Abs. 1 Satz 1 BGB etwas auf Kosten des Bereicherungsgläubigers, wenn er in
eine Rechtsposition eingegriffen hat, die nach der Rechtsordnung dem
Gläubiger zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist
(vgl. nur BGH, Urteil vom 9. März 1989 - I ZR 189/86, BGHZ 107,
117, 120 f.). Insoweit ist es nicht - wie das Berufungsgericht meint
- entscheidend, ob der Bereicherungsschuldner bei redlichem Vorgehen etwas
für die erlangte Position hätte zahlen müssen (so OLG Karlsruhe,
NJW-RR 2000, 1005, 1006; Münch-Komm-BGB/Schwab, 5. Aufl., § 812 Rn. 250).
Vielmehr kommt es darauf an, ob der Bereicherungsgläubiger nur die
Unterlassung der unerlaubten Nutzung des Rechtsguts verlangen kann oder ob
er darüber hinaus selbst berechtigt wäre, die Nutzungen zu ziehen. Aus
diesem Grund wird ein Anspruch des Eigentümers auf Auskehrung der
vereinnahmten Mieten bei einer unberechtigten Vermietung der dem
Wohnungsrecht unterliegenden Räume durch den Wohnungsberechtigten verneint
(Senat, Urteil vom 2. Juni 1972 - V ZR 154/70, BGHZ 59, 51, 57 f.;
OLG Oldenburg, NJW-RR 1994, 467, 468; Auktor, MittBayNot 2008, 14, 16 mwN).
Dem entspricht es, dass der Bundesgerichtshof dem Vermieter in
ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Auskehrung des durch eine
unberechtigte Untervermietung erzielten Mietzinses versagt, weil der
Vermieter zwar Unterlassung verlangen, selbst aber keine Untervermietung
vornehmen könne (vgl. nur BGH,
Urteile vom 13. Dezember 1995 -
XII ZR 194/93, BGHZ 131, 297, 304 ff. mwN; vom
12. August 2009 - XII ZR 76/08,
NJW-RR 2009, 1522 Rn. 30).
10 b) Danach scheitern auch Ansprüche des Wohnungsberechtigten gegen
den - wie hier - eigenmächtig vermietenden Eigentümer (so auch
Herrler, DNotZ 2009, 408, 418 f.; Lemke/Böttcher, Immobilienrecht, § 1093
BGB Rn. 24; aA Kollhosser, BB 1973, 820, 821). Die Beklagte hat zwar
den mittelbaren Besitz an der Wohnung, nicht aber die vereinnahmten Mieten
auf Kosten der Klägerin erlangt.
11 aa) Die Mietzinsen werden nicht - wie die Anschlussrevision meint -
allein deshalb auf Kosten der Klägerin erlangt, weil die Beklagte sich den
Nutzungswert der Räume angeeignet hat. Entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts kann die rechtliche Zuweisung der Mieten auch nicht durch
eine fiktive Vermietungsvereinbarung geändert werden. Entscheidend
ist vielmehr, ob die Nutzungen der Klägerin deshalb zugewiesen waren, weil
sie ihrerseits einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gestattung der
Vermietung gehabt hätte (vgl. Brückner, NJW 2008, 1111, 1114).
12 bb) Daran fehlt es.
13 (1) Das Wohnungsrecht berechtigt gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB
nur zu einer eingeschränkten, nämlich der persönlichen Nutzung der umfassten
Räume durch den Wohnungsberechtigten unter Ausschluss des Eigentümers.
Gestattet ist lediglich die Aufnahme der Familie des
Wohnungsberechtigten und der "zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege
erforderlichen Personen" (§ 1093 Abs. 2 BGB). Es umfasst nicht das
Recht zu einer Überlassung der Räume an Dritte. Darin unterscheidet es sich
von einem Nießbrauch, der ein umfassendes Nutzungsrecht gewährt (§
1030 Abs. 1, § 1059 Satz 2 BGB).
14 (2) Weil sich die Parteien mit der
Bestellung des Wohnungsrechts bewusst auf ein höchstpersönliches
Nutzungsrecht beschränkt haben, führt auch die ergänzende Auslegung des
Bestellungsvertrags im Regelfall nicht zu einer Pflicht des Eigentümers, die
Vermietung durch den Wohnungsberechtigten zu gestatten (Senat,
Versäumnisurteil vom 9. Januar 2009 - V ZR 168/07, NJW 2009, 1348 Rn. 18
ff.; Krüger, ZNotP 2010, 2, 4); dies scheidet
hier ohnehin aus, weil die Beklagte nicht Vertragspartei war.
15 (3) Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision kann eine
Pflicht der Beklagten, eine Vermietung durch die Klägerin zu gestatten, auch
nicht aus § 242 BGB hergeleitet werden. Zwar steht die Ausübung der
Rechte des Eigentümers ebenso wie die Ausübung des dinglichen Rechts unter
dem das gesamte Zivilrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben. Es
fehlt aber schon an besonderen Umständen, die die Versagung der Gestattung
als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Dass die Beklagte
ihrerseits eine Vermietung vorgenommen hat, reicht für sich genommen nicht
aus. Zudem verfügt die Klägerin den Feststellungen des Berufungsgerichts
zufolge über Einkommen und Vermögen, aus dem die Pflegekosten gedeckt werden
können. Unabhängig davon kann der Grundsatz von Treu und Glauben nur die
Rechtsausübung im Einzelfall beeinflussen, nicht aber die Befugnisse des
Berechtigten über den Inhalt des dinglichen Rechts hinaus ausdehnen.
Billigte man dem mit dem Eigentümer schuldrechtlich nicht verbundenen
Wohnungsberechtigten einen Anspruch auf Gestattung der Vermietung zu, würde
das dingliche Wohnungsrecht in unzulässiger Weise um Elemente eines
Nießbrauchs an der Wohnung erweitert (vgl.
Senat, Versäumnisurteil vom 9.
Januar 2009 - V ZR 168/07, aaO, Rn. 20).
16 4. Andere Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch auf
Auskehrung der Mieten gibt es nicht. Aus unberechtigter
Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2, §
667 BGB folgt er nicht, weil die Vermietung kein Geschäft der
Klägerin war. Auf § 816 Abs. 2 BGB kann er nicht gestützt
werden, weil die Beklagte keine Verfügung über das Wohnungsrecht vorgenommen
hat; einer entsprechenden Anwendung der Norm steht entgegen, dass der
Eigentümer den Mietzins nicht anstelle des Wohnungsberechtigten vereinnahmt.
Schließlich scheiden Ansprüche gemäß § 990 i.V.m. § 987, § 99 Abs.
3 BGB schon deshalb aus, weil es an einer Vindikationslage zwischen
Eigentümer und Wohnungsberechtigtem fehlt.
17 5. Scheidet - wie hier - eine ergänzende Vertragsauslegung aus und fehlt
es an späteren Absprachen über die Nutzung der Wohnung, hat ein
subjektives Ausübungshindernis allerdings zur Folge, dass die Wohnung weder
von dem Wohnungsberechtigten noch von dem Eigentümer genutzt werden kann
(vgl. Senat, Versäumnisurteil
vom 9. Januar 2009 - V ZR 168/07, aaO, Rn. 13; Brückner,
NJW 2008, 1111, 1112). Dieses Ergebnis mag wirtschaftlich unbefriedigend
erscheinen. Es ist aber Folge der Bestellung eines auf die persönliche
Ausübung beschränkten lebenslänglichen Wohnungsrechts. Bei dieser Sachlage
kann das Betreuungsgericht im Einzelfall sogar eine Aufgabe des
Wohnungsrechts durch den Betreuer genehmigen (BGH, Beschluss vom 25. Januar
2012 - XII ZB 479/11, NJW 2012, 1956 f.; Zimmer, NJW 2012, 1919 ff.).
Anschlussrevision
18 Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg, weil kein Anspruch auf
Auskehrung der Mieten besteht. Damit scheidet auch der Anspruch auf Ersatz
vorgerichtlicher Anwaltskosten aus.
III.
19 Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Weil die Sache zur
Entscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§
563 Abs. 3 ZPO). Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung
insgesamt zurückzuweisen.
IV.
20 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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