Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog §
906 II 2 BGB zwischen Wohnungseigentümern und Mietern bei Wohnungseigentum
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2013 - V
ZR 230/12 - OLG Köln
Fundstelle:
NJW 2014, 458
BGHZ 198, 327
Amtl. Leitsatz:
Wird die Nutzung des
Sondereigentums durch rechtswidrige Einwirkungen beeinträchtigt, die von im
Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers stehenden Räumen ausgehen,
kann dem betroffenen Wohnungseigentümer ein nachbarrechtlicher
Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
zustehen; das gilt auch im Verhältnis von Mietern solcher Räume.
Zentrale Probleme:
Es geht um den besonders wichtigen nachbarrechtlichen
Ausgleichsanspruch analog § 906 II 2 BGB. In einem in Wohnungseigentum
aufgeteilten Haus kommt es zu einem Wasserschaden in einer Wohnung, weil in
der darüberliegenden Wohnung ein Schlauch geplatzt ist. Verschulden ist
nicht feststellbar. Der nachbarrechtliche
Ausgleichanspruch nach § 906 II 2 BGB ist deshalb so wichtig, weil er in
seiner analogen Anwendung auf zwar nicht duldungspflichtige, aber faktisch nicht abwehrbare Einwirkungen letztlich einem verschuldensunabhängigen
Schadensersatzanspruch gleichkommt (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2004, 775; zur Reichweite s.
auch
BGH v. 1.2.2008 - V ZR 47/07).
Erfasst werden dabei vor allem Grobimmissionen wie etwa Feuer und Wasser (s.
auch BGH
NJW 2004, 3701: Baumsturz; BGH v.
15.7.2011 - V ZR 277/10: Wasser ). Hier geht es nun darum, ob
dies auch bei Mietern derselben Wohnungen im Falle von Wohnungseigentum gilt
(liegt kein Sondereigentum an den Wohnungen vor, kommt eine solche analoge
Anwendung nicht in Betracht, s. BGHZ
157, 188; auch für Bruchteilseigentümer wurde es verneint, s.
BGH v. 10. Februar 2012 - V ZR 137/11). Im
Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern (und Mietern solcher Wohnungen)
bejaht der Senat die analoge Anwendbarkeit. Das überzeugt: Wohnungseigentum
ist echtes Eigentum i.S.v. § 903 BGB. Das rechtfertigt es, Emissionen aus
solchen Wohnungen auf Nachbarwohnungen zu behandeln wie Emissionen von
Nachbargrundstücken.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Beklagte betrieb im dritten
Obergeschoss eines Gebäudes ein sog. ambulantes Operationszentrum. In dem
darunter liegenden Stockwerk befand sich die Arztpraxis von Dr. W. (im
Folgenden Versicherungsnehmer), dessen Betriebsunterbrechungs- und
Inhaltsversicherer die Klägerin ist. Das Grundstück ist nach dem
Wohnungseigentumsgesetz geteilt. Sowohl der Beklagten als auch dem
Versicherungsnehmer waren die von ihnen genutzten Räume jeweils mietweise
überlassen worden, der Beklagten direkt von dem Teil- bzw.Wohnungseigentümer,
dem Versicherungsnehmer von einem Zwischenvermieter, der die Räume
seinerseits von einem Teil- bzw. Wohnungseigentümer angemietet hatte. In der
Nacht vom 7. auf den 8. Juni 2007 löste sich im Sterilisationsraum der
Beklagten eine Schlauchverbindung, wodurch es zu einem Wasseraustritt und zu
Schäden auch in den Praxisräumen des Versicherungsnehmers kam. Letztere
glich die Klägerin in Höhe von 165.889,76 € aus. Gestützt auf § 67 VVG aF
verlangt sie von der Beklagten aus übergegangenem Recht den genannten Betrag
nebst Zinsen, darüber hinaus vorgerichtliche Anwaltskosten.
2 Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die dagegen
gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem
Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die
Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht lässt offen, ob die Beklagte ein Verschulden an dem
Schadensereignis trifft. Darauf komme es nicht an, weil das Landgericht der
Klage zu Recht dem Grunde nach gemäß § 67 VVG aF i.V.m. § 906 Abs. 2 Satz 2
BGB in entsprechender Anwendung stattgegeben habe. Der aus der zuletzt
genannten Vorschrift folgende Ausgleichsanspruch stehe nicht nur dem
Eigentümer eines Grundstücks, sondern auch dem Besitzer zu, der seinen
Abwehranspruch aus tatsächlichen Gründen nicht habe geltend machen können.
Schuldner des Ausgleichsanspruchs könne ebenfalls ein Besitzer sein, sofern
er (wie ein Mieter oder Pächter) verantwortlich für den gefahrenträchtigen
Zustand sei. Dies sei hier bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu
bejahen. Auch lägen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB vor. Es bestehe eine strukturelle Übereinstimmung des von
der Norm erfassten Sachverhalts mit Konstellationen, in denen das
schadensträchtige Ereignis - wie hier - nicht vom Gemeinschaftseigentum,
sondern vom Sondereigentum ausgehe und davon eine andere
Sondereigentumseinheit betroffen sei. Auch im Verhältnis zwischen
Sondereigentümern bestünden Eigentums- und Besitzschutzansprüche, an deren
Geltendmachung der betroffene Sondereigentümer aus tatsächlichen Gründen
gehindert sein könne. Der Sondereigentümer befinde sich dann in einer
vergleichbaren Situation wie ein Grundstückseigentümer, der Einwirkungen von
einem Nachbargrundstück nicht verhindern könne. Auch die Schutzbedürftigkeit
sei nicht anders zu beurteilen als in Fällen, in denen sich Eigentümer
benachbarter Grundstücke gegenüberstünden. Schließlich sei der Anspruch
nicht verjährt.
II.
4 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5 1. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass das Berufungsgericht
offen lässt, ob die Beklagte ein Verschulden an dem Wasseraustritt trifft.
Zwar scheidet eine Heranziehung des subsidiären nachbarrechtlichen
Ausgleichsanspruchs entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus, soweit eine
andere - in sich geschlossene - Regelung besteht (Senat, Urteil vom 19.
September 2008 - V ZR 28/08, BGHZ 178, 90, 98 mwN). Das ist jedoch bei den
allgemeinen deliktsrechtlichen Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB nicht der
Fall (so bereits Senat, Urteil vom
15. Juli 2011 - V ZR 277/10, NJW 2011, 3294 Rn. 16 f. für eine an
landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung;
vgl. auch Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 374 f.
Rn. 15).
6 2. Auch nimmt das Berufungsgericht zu Recht an, dass der Klägerin
aus übergegangenem Recht ein Anspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
dem Grunde nach zusteht.
7 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist
ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen
Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das
zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung
überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen
gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu
unterbinden (Senat, Urteil vom 11. Juni 1999 - V ZR 377/98, BGHZ
142, 66, 67 f. mwN; Urteil vom 21. März 2003 - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732,
1733). Wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, ist dieser Anspruch über
den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der
Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfasst auch - worum es hier
geht - die Störung durch sogenannte Grobimmissionen wie etwa Wasser (Senat,
Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 190; Urteil
vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 18).
8 b) Ebenfalls zutreffend legt das Berufungsgericht zugrunde, dass
der Anspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch
dem berechtigten Besitzer zustehen kann, dessen Abwehranspruch aus § 862
Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte
(Senat, Urteil vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99, NJW 2001, 1865,
1866; BGH, Urteil vom 10. November 1977 - III ZR 157/75, BGHZ 70, 212, 220;
jeweils mwN). Das ist deshalb gerechtfertigt, weil der berechtigte
Besitzer seine Rechtsstellung unmittelbar oder - wie etwa in Fällen
gestatteter Zwischenvermietung - mittelbar von dem Eigentümer ableitet und
dadurch bei der gebotenen wertenden Betrachtung in das zwischen den
Grundstückseigentümern bestehende nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis
einrückt, welches insbesondere mit § 906 BGB als der Generalnorm des
zivilrechtlichen Nachbarschutzes (PWW/Lemke, BGB, 8. Aufl., § 906
Rn. 1) die widerstreitenden gleichrangigen Eigentümerinteressen zum
Ausgleich bringen soll (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 1983 - V
ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 346; Urteil
vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 193).
Schließlich kann auch der Benutzer des Grundstücks, von dem die Emissionen
ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein, sofern er die Nutzungsart
bestimmt. Die Eigentumsverhältnisse sind insoweit weder im Bereich der
unmittelbaren Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB noch im Bereich der
entsprechenden Anwendung der Vorschrift entscheidend (vgl. Senat,
Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 193/10, NJW-RR 2011, 739 Rn. 8 mwN). Dass
vorliegend weder der Versicherungsnehmer der Klägerin noch der Beklagte
Grundstückseigentümer sind, steht einem nachbarrechtlichen
Ausgleichsanspruch danach ebenfalls nicht von vornherein entgegen (vgl. auch
Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003
- V ZR 180/03, aaO).
9 c) Ob § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog anzuwenden ist, wenn
Sondereigentum durch Einwirkungen beeinträchtigt wird, die von einem anderen
Sondereigentum ausgehen, wird nicht einheitlich beurteilt.
10 aa) Während die herrschende Meinung die Voraussetzungen für einen
Analogieschluss bejaht (OLG Stuttgart, NJW 2006, 1744; LG Bochum
VersR 2004, 1454; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 3. Aufl., § 906 Rn. 89;
Münch-Komm-BGB/Säcker, 6. Aufl., § 906 Rn. 1; NK-BGB-Ring, 3. Aufl., § 906
Rn. 283a; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 10; Timme/Dötsch, WEG, § 15 Rn. 182;
Wenzel, NJW 2005, 241, 244; wohl auch LG München I, ZMR 2011, 62, 63 f.;
Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 14 Rn. 8; Spielbauer/ Then, WEG,
2. Aufl., § 13 Rn. 16; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 70; Günther,
VersR 2004, 1454; für eine entsprechende Anwendung jedenfalls dann, wenn
sich die Sondereigentumseinheiten in verschiedenen Gebäuden befinden, LG
Bonn, BeckRS 2007, 05000; eine Analogie in Betracht ziehend OLG München, NZM
2008, 211; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 14 Rn. 39; Klein in
Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 13 Rn. 140; vgl. auch Dötsch, ZMR 2006, 391, 392
f.; ders., NZM 2010, 607, 609 mwN), wenden die Vertreter der
Gegenauffassung ein, mit Rücksicht auf den aus dem Gemeinschaftsverhältnis
der Wohnungseigentümer resultierenden speziellen Schutz könne das Bestehen
einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht angenommen werden (Schmidt,
ZMR 2005, 669, 677; Becker, ZfIR 2010, 645, 647; wohl auch Briesemeister,
ZWE 2010, 325; vgl. auch BayObLG, NJW-RR 1994, 718 u. NJW-RR 2001, 156
[Ablehnung von Schadensersatzansprüchen mangels Verschuldens ohne Erörterung
einer analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB]; eine Analogie
jedenfalls zugunsten obligatorischer Nutzungsberechtigter von Sondereigentum
ablehnend LG Konstanz, NJW-RR 2009, 1670, 1671; kritisch dazu Timme/Dötsch,
WEG, § 15 Rn. 182).
11 bb) Verneint hat der Senat eine analoge Anwendung des § 906 Abs.
2 Satz 2 BGB für das Verhältnis von Mietern bei Beeinträchtigungen, die von
einer Mietwohnung innerhalb desselben (ungeteilten) Grundstückseigentums auf
eine andere Mietwohnung einwirken (Urteil
vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188), für das
Verhältnis von sondernutzungsberechtigten Bruchteilseigentümern (Senat,
Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232)
sowie für das Verhältnis von Wohnungseigentümern, wenn die
Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am
Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt wird (Urteil vom 21. Mai 2010
- V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 375 ff.). Bejaht hat er jedoch die
entsprechende Anwendbarkeit nachbarrechtlicher Vorschriften für
Streitigkeiten über die Bepflanzung benachbarter Gartenteile, an denen
Sondernutzungsrechte verschiedener Wohnungseigentümer bestanden
(Urteil vom 28. September 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9;
vgl. auch Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 20
für den Fall, dass die Wohnungseigentümer nach der Teilungserklärung
möglichst so zu stellen sind, wie sie bei Realteilung stünden).
Ausdrücklich offen gelassen hat er, ob ein Ausgleichsanspruch unter
Wohnungseigentümern besteht, wenn Sondereigentum beeinträchtigt wird durch
Einwirkungen, die von einem anderen Sondereigentum ausgehen (Urteil
vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 378 Rn. 25).
12 cc) Der Senat entscheidet die Streitfrage nunmehr im Sinne der
herrschenden Auffassung.
13 (1) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt in seinem unmittelbaren
Anwendungsbereich voraus, dass die Störung von einem anderen Grundstück
herrührt (Senat, Urteil vom 12.
Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 190), es sich also um einen
grenzüberschreitenden „Eingriff von außen" handelt (Senat, Versäumnisurteil
vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232 Rn. 9 mwN; PWW/Lemke,
aaO, § 906 Rn. 10). Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung
anerkannt, dass die Norm nur bei struktureller Vergleichbarkeit und nicht
anders zu befriedigender Schutzbedürftigkeit analogiefähig ist (Senat,
Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR
180/03, BGHZ 157, 188, 195; Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ
185, 371, 376 Rn. 18). Entgegen der Revision stellt das
Berufungsgericht dabei zutreffend nur auf das Verhältnis der
Sondereigentümer und nicht auf das der Mieter ab, weil es bei der Frage, ob
ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu bejahen ist, um den Ausgleich
gleichrangiger Eigentümerbefugnisse geht, an denen berechtigte Besitzer
lediglich partizipieren (oben II.2.b).
14 (2) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 906 Abs.
2 Satz 2 BGB liegen vor.
15 (a) Anders als bei Beeinträchtigungen des Sondereigentums, die
von dem Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer ausgehen, geht es bei
von Sondereigentum herrührenden Beeinträchtigungen um eine Beeinträchtigung
„von außen"; insoweit stehen sich strukturell keine gleichgerichteten
Interessen gegenüber. Mit Blick auf das Sondereigentum verwirklicht sich in
herausgehobenem Maße, dass es sich bei dem grundstücksgleichen Recht des
Wohnungseigentums um „echtes Eigentum" im Sinne von § 903 Satz 1 BGB
(vgl. nur Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - V ZB 27/90, BGHZ
116, 392, 394; Urteil vom 1. Oktober 2004 - V ZR 210/03, NJW-RR 2005, 10 f.)
handelt. Insoweit besteht kein Bruchteilseigentum mit ideellen
Anteilen sämtlicher Wohnungseigentümer, sondern „Alleineigentum" an
bestimmten dinglichgegenständlich abgegrenzten Gebäudeteilen (vgl.
Senat, Beschluss vom 17. Januar 1968 - V ZB 9/67, BGHZ 49, 250, 251 f.), mit
denen der Wohnungseigentümer grundsätzlich nach Belieben verfahren und jeden
anderen von Einwirkungen hierauf ausschließen kann (§ 13 Abs. 1 WEG). Dies
erhellt, dass das Sondereigentum - auch in der Wahrnehmung des
Rechtsverkehrs - als eine Art Ersatzgrundstück fungiert (zutreffend Dötsch,
ZMR 2006, 391, 392). Anders als bei Beeinträchtigungen, die von dem
Gemeinschaftseigentum ausgehen, besteht daher weder formal noch teleologisch
Identität zwischen dem Grundstückseigentum, von dem die Störung ausgeht, und
dem beeinträchtigten Grundstückseigentum mit der Folge, dass sich dieselben
Miteigentümer gleichzeitig sowohl auf Störerseite als auch auf Seiten des
beeinträchtigten Eigentums befinden. Vielmehr stehen sich die
Sondereigentümer ebenso mit gegensätzlichen Interessen gegenüber wie
Grundstückseigentümer in den idealtypischen - unmittelbar von § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB erfassten - Fällen.
16 (b) Auch der Aspekt der Schutzbedürftigkeit spricht für die
Annahme einer planwidrigen Regelungslücke.
17 (aa) Grundlage des Anspruches nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist
ein billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung
benachbarter Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen
Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses
(Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 21).
Zwischen Sondereigentümern besteht - wie nicht zuletzt die Vorschriften des
§ 14 Nr. 1 und § 15 Abs. 3 WEG belegen - ein gesetzliches Schuldverhältnis
(vgl. auch Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 377
Rn. 24 mwN). Das daraus folgende Gebot der Rücksichtnahme auf die
anderen Sondereigentümer ist den Verpflichtungen, die Grundstückseigentümern
aus dem Nachbarverhältnis auferlegt sind, durchaus vergleichbar.
Zwar haben die Wohnungseigentümer die Möglichkeit, Gebrauchsregelungen zum
Schutz vor Schäden zu vereinbaren oder nach § 15 Abs. 2 WEG Mindeststandards
zu beschließen. Diese Überlegung wird aber zum einen bereits dadurch
deutlich relativiert, dass der einzelne Wohnungseigentümer bei
Vereinbarungen auf die Mitwirkung sämtlicher und bei einer Beschlussfassung
auf die Mehrheit der Miteigentümer angewiesen ist, und zum anderen dadurch,
dass sich die Frage des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches in aller
Regel nur in Fällen stellt, in denen aus tatsächlichen Gründen - etwa in
Unkenntnis einer latenten Gefahr - die Bedrohungslage gerade nicht
rechtzeitig abgewendet werden konnte (Dötsch, ZMR 2006, 391,393).
18 (bb) Ob neben der in Rede stehenden entsprechenden Anwendung von
§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Verschuldenshaftung nach § 823 BGB in Betracht
kommt, ist für die Frage der Gesetzesanalogie ohne Bedeutung (s.
oben vgl. auch OLG Stuttgart, NJW 2006, 1744; Wenzel, NJW 2005, 241).
Der Umstand, dass das unter Wohnungseigentümern bestehende
gesetzliche Schuldverhältnis den geschädigten Sondereigentümer bei
Schadensersatzansprüchen gegen einen anderen Sondereigentümer hinsichtlich
der Darlegungs- und Beweislast besser stellt (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) als
Grundstückseigentümer (§ 823 ff. BGB), zwischen denen regelmäßig keine
Sonderverbindung existiert, ist nicht von einem solchen Gewicht, dass eine
andere Beurteilung gerechtfertigt wäre.
19 (cc) Anders wäre allerdings zu entscheiden, wenn das
Wohnungseigentumsgesetz mit Blick auf das Verhältnis der Sondereigentümer
eine abschließende Sonderregelung enthielte. Das ist jedoch schon deshalb
nicht der Fall, weil es keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, dass einem
Wohnungseigentümer, dessen Sondereigentum von einem anderen Sondereigentümer
bei Bestehen einer Notstandslage beeinträchtigt wird, der
Aufopferungsanspruch aus § 904 Satz 2 BGB zusteht. Dass zumindest
grundsätzlich auch auf andere nachbarrechtliche Regelungen zurückgegriffen
werden kann, hat der Senat bereits für das Verhältnis
sondernutzungsberechtigter Wohnungseigentümer entschieden (Urteil vom 28.
September 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9; vgl. auch Beschluss
vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 20); für das Verhältnis
der Sondereigentümer untereinander kann nichts anderes gelten. Und anders
als bei Beeinträchtigungen, die von dem Gemeinschaftseigentum ausgehen,
besteht auch kein Konflikt mit der Sonderregelung des § 14 Nr. 4 Halbsatz 2
WEG. Deren Sachbereich ist nur betroffen, wenn auf das Sondereigentum im
Interesse des Gemeinschaftseigentums eingewirkt wird oder Mängel von dem
Gemeinschaftseigentum ausgehen, nicht aber, wenn Beeinträchtigungen von dem
Sondereigentum eines anderen Miteigentümers herrühren (vgl. auch LG München
I, ZMR 2011, 62, 63 f.).
20 (dd) Der analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf das
Verhältnis von Sondereigentümern untereinander steht schließlich nicht
entgegen, dass der Senat mit Blick auf im Grundbuch eingetragene
Sondernutzungsrechte von Bruchteilseigentümern (§ 1010 BGB) eine
entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verneint hat (Senat,
Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232). Da
solche Rechte
das nur - ideelle - Bruchteilseigentum ausgestalten, fehlt es im Gegensatz
zum Sondereigentum und zu im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechten
nach dem Wohnungseigentumsgesetz (dazu Senat, Urteil vom 28. September 2007
- V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9) an dem erforderlichen Eingriff von
außen. Dabei ist die Gleichstellung von verdinglichten Sondernutzungsrechten
von Wohnungseigentümern mit dem Sondereigentum deshalb gerechtfertigt, weil
derartige Rechte dem Sondereigentum als Inhaltsbestimmung zugeordnet sind
(vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1978 - V ZB 11/77, BGHZ 73, 145,
148; Beschluss vom 3. Juli 2008 - V ZR 20/07, NZM 2008, 732, 734 Rn. 36) und
daher dessen rechtliche Einordnung auch in Bezug auf eine entsprechende
Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB jedenfalls dann teilen, wenn sie ein
Recht zur Alleinnutzung einräumen.
21 d) Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht das Eingreifen der von
der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede. Die diesbezüglichen Erwägungen
werden von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
22 3. Gleiches gilt für die unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges
dem Grunde nach zuerkannten Anwaltskosten.
23 4. Die angefochtene Entscheidung kann aber deshalb keinen Bestand haben,
weil das Landgericht „sämtliche Schäden" dem Grunde nach als ersatzfähig
angesehen und das Berufungsgericht diese Erwägung - wenn auch pauschal -
gebilligt hat.
24 a) Das ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision jedoch
nicht schon daraus, dass nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht Schadensersatz,
sondern lediglich ein nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu
bestimmender Ausgleich verlangt werden kann (Senat,
Urteil vom 1. Februar 2008 - V ZR
47/07, NJW 2008, 992, 993 Rn. 9 ff.), wonach nur der unzumutbare Teil
der Beeinträchtigung auszugleichen ist (Senat, Urteil vom 19. September 2008
- V ZR 28/08, NJW 2009, 762, 765 Rn. 32 ff.; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 43
i.V.m. Rn. 36 f. mwN). Denn selbst wenn die Vorinstanzen die Formulierung in
den Entscheidungsgründen „sämtliche Schäden" rechtstechnisch verstanden
haben sollten, bliebe der Rüge im Ergebnis jedenfalls deshalb der Erfolg
versagt, weil der keinen schadensersatzrechtlichen Bezug enthaltende Tenor
im Lichte des nunmehr ergehenden Revisionsurteils auszulegen wäre.
25 b) Das Berufungsurteil ist aber deshalb aufzuheben, weil die bisher von
dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen den Erlass eines
Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO nicht rechtfertigen. Dabei kann offen
bleiben, ob in der Revisionsrüge, wonach beide Vorinstanzen verkannt hätten,
dass die geltend gemachten Positionen nach entschädigungsrechtlichen
Grundsätzen „zumindest teilweise" nicht ausgleichspflichtig seien, bei
verständiger Würdigung auch eine Verfahrensrüge nach § 304 ZPO zu erblicken
ist. Denn es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines
Grundurteils im Hinblick auf dessen innerprozessuale Bindungswirkung - auch
im Revisionsverfahren - von Amts wegen zu prüfen sind (vgl. nur BGH, Urteil
vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991, 599, 600 mwN).
26 aa) Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und
Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs
gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest
wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH,
Urteil vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, aaO; vgl. auch Senat, Urteil vom
12. November 2010 - V ZR 181/09, BGHZ 188, 43, 49 Rn. 16; Versäumnisurteil
vom 14. März 2008 - V ZR 13/07, NJW-RR 2008, 1397, 1398).
27 bb) Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil der
Senat im Hinblick auf die Bindungswirkung des Grundurteils nicht überprüfen
kann, ob tatsächlich irgendwelche Positionen dem Grunde nach
ausgleichspflichtig sind. Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das
Berufungsgericht nicht getroffen. Mangels Darstellung der geltend gemachten
Positionen bleibt damit auch die Frage, ob die für den Erlass eines
Grundurteils erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, in der
Schwebe.
28 5. Kann das Berufungsurteil nach allem mangels ausreichender
Feststellungen keinen Bestand haben, ist die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit Blick auf den
erneuten Erlass eines Grundurteils wird allerdings bei der Ermessensausübung
nach § 304 Abs. 1 ZPO ggf. zu berücksichtigen sein, dass die Rechtsfrage der
analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nunmehr geklärt ist.
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