Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei nicht duldungspflichtigen, aber faktisch nicht verhinderbaren Schäden analog § 906 II 2 BGB, keine analoge Anwendung auf das Verhältnis zwischen Wohnungsmietern desselben Grundstücks BGH, Urt. v. 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03 Fundstelle: Amtl. Leitsatz: Beeinträchtigungen, die von einer Mietwohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums auf eine andere Mietwohnung einwirken, berechtigen den Mieter der von den Beeinträchtigungen betroffenen Wohnung nicht zu einem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen den Mieter der anderen Wohnung. Zentrales Problem:
Die Rechtsprechung erkennt einen
(verschuldensunabhängigen!) nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog §
906 II 2 BGB bei Schäden an, die ein Nachbar durch Emissionen des
Nachbargrundstücks erleidet, die an sich nicht duldungspflichtig sind, die
er aber faktisch nicht abwehren kann (s. dazu etwa
BGH NJW 2004, 603). Erfasst werden dabei auch
Grobimmissionen wie etwa Feuer, Wasser (s. auch BGH
NJW 2004, 3701: Baumsturz; BGH v.
15.7.2011 - V ZR 277/10: Wasser ). Das führt etwa bei einem
übergreifenden Brand, der nicht auf Brandstiftung zurückzuführen ist, zu
einem Ausgleichsanspruch der de facto einem Schadensersatzanspruch
gleichkommt (s. dazu BGH NJW 1999, 2896 = BGHZ 142, 66). Hier geht es jetzt
um die Frage, ob diese Analogie auch auf das Verhältnis zwischen Mietern auf
demselben Grundstück ausgedehnt werden kann (Wasserschaden, der von einem
Mieter bei einem anderen Mieter in demselben Haus verursacht wurde). Der BGH
verneint dies mit überzeugenden Gründen und verweist an die Vorinstanz
zurück, um weitere Feststellung zu einer verschuldensabhängigen Haftung nach
§ 823 I BGB zu treffen. Tatbestand: Der Beklagte betreibt als Mieter im zweiten Obergeschoß eines Ärztehauses eine Arztpraxis. Über die Osterfeiertage 1999 platzte in dieser Praxis ein Zuleitungsschlauch zu einem Waschbecken. Infolgedessen kam es in den darunter liegenden Räumen, in denen die bei der Klägerin versicherten Ärzte, ebenfalls als Mieter, eine Gemeinschaftspraxis für Oralchirurgie betreiben, zu einem Wassereinbruch. Hierbei entstanden Schäden an den Räumlichkeiten und am Inventar, derentwegen die Klägerin Versicherungsleistungen in Höhe von 190.915,46 DM erbracht hat. Aus übergegangenem Recht verlangt sie diesen Betrag von dem Beklagten erstattet. Das Landgericht hat der Klage durch Grundurteil stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist bis auf einen Betrag von 2.900 DM, der für die Erstellung eines Untersuchungsberichts zur Frage der Schadensursache und der Verantwortlichkeit ausgegeben wurde, ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe aus übergegangenem Recht (§ 67 Abs. 1 VVG) ihrer Versicherungsnehmer in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten zu. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte verschuldensunabhängige Anspruch sei wegen vergleichbarer Interessenlage auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, in dem die Störung des Besitzes der Versicherungsnehmer der Klägerin aus einer Quelle herrühre, die sich in einer anderen Einheit des Gebäudes auf demselben Grundstück befinde. II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere des Senats, ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (Senat, BGHZ 142, 66, 67 f. m.w.N.; Urt. v. 21. März 2003, V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733). Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ist dieser Anspruch über den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfaßt u.a. auch die Störung durch sogenannte Grobimmissionen, wie etwa Wasser (vgl. Senat, BGHZ 142, 66). Er steht außerdem nicht nur dem Eigentümer eines Grundstücks zu, sondern auch dem Besitzer, dessen Abwehranspruch aus § 862 Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (Senat, Urt. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866 m.w.N.). Schließlich kann auch der Benutzer des Grundstücks, von dem die Emissionen ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein; die Eigentumsverhältnisse sind für die Störereigenschaft nicht entscheidend (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 392 m.w.N.). Der Umstand, daß weder die Versicherungsnehmer der Klägerin noch der Beklagte Grundstückseigentümer sind, steht daher einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch prinzipiell nicht entgegen. 2. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der vorliegende Fall eine weitere Besonderheit aufweist. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kann zwar auch ein Besitzer eines Grundstücks einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch haben, und ein solcher Anspruch kann auch gegen den Besitzer eines Grundstücks gerichtet werden. Doch ist nicht darauf verzichtet worden, daß die Störung - wie es dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entspricht - von einem anderen Grundstück herrührt. Denkbar ist danach, daß der Besitzer eines Grundstücks gegen den Besitzer eines anderen Grundstücks den Anspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend machen kann. Hier ist das Wasser hingegen nicht von einem anderen Grundstück in den befriedeten Bereich der Versicherungsnehmer der Klägerin eingedrungen, sondern lediglich von einem anderen Teil desselben Grundstücks. Voraussetzung für die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs auch in diesem Fall ist daher, daß dessen Grundsätze auf Beeinträchtigungen entsprechend angewendet werden können, die von einer Wohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums auf eine andere Wohnung einwirken. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu verneinen. a) Sein Ergebnis kann insbesondere nicht auf die von ihm zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 110, 17 und BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) gestützt werden. aa) In dem der Entscheidung
BGHZ 110, 17 zugrunde liegenden Fall hat der Bundesgerichtshof einem
Grundstückseigentümer einen bürgerlichrechtlichen Ausgleichsanspruch
zugesprochen, der aus übergeordneten Interessen zur Duldung einer
unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gas durch ein
Energieversorgungsunternehmen gehalten war und dadurch in der Nutzung seines
Grundstücks zum Tonabbau beeinträchtigt wurde. Dem Umstand, daß es hier an
einer von einem anderen Grundstück herrührenden Beeinträchtigung fehlt, hat
der Bundesgerichtshof keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Maßgeblich
war für ihn der besondere Charakter des unterirdischen Eingriffs, der auch
eine Enteignung gegen angemessene Entschädigung ermöglicht gehabt hätte
(BGH, aaO S. 19 ff.), sowie die Tatsache, daß der Unterschied zu einer
Beeinträchtigung von einem benachbarten Grundstück aus lediglich darin lag,
daß statt horizontal vertikal eingegriffen wurde (BGH, aaO S. 24). bb) In der Entscheidung aus dem Jahre 1954 (VI ZR 35/53, VersR 1954, 288) hat der VI. Zivilsenat allerdings die Grundsätze des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für anwendbar erklärt, soweit es um die Bestimmung der Grenzen dessen geht, was ein Mieter an Geräuschen hinnehmen muß, die von den Räumen eines anderen Mieters ausgehen. Eine nähere Begründung dazu fehlt. Die Entscheidungen des Reichsgerichts, auf die der Bundesgerichtshof verweist, stellen bei genauerer Sicht nur eine in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte Entscheidung dar (RG HRR 1931 Nr. 1219 = JW 1932, 2984 Nr. 11, dort nur Leitsatz), in der die entsprechende Anwendung ebenfalls nicht begründet wird. Unabhängig davon wird aber auch nur deutlich, daß nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Grenzen der Duldungspflicht nach den in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB festgelegten Kriterien ermittelt werden können. Ob zwischen Mietern desselben Hauses auch ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch in Betracht kommen kann, erörtert der Bundesgerichtshof nicht und stützt den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 1 BGB, freilich auch schon in Ermangelung einer Regelung des verschuldensunabhängigen Anspruchs überhaupt. Diese wurde erst später als Absatz 2 Satz 2 in die Vorschrift eingefügt. b) Eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze zum verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. aa) Soweit eine entsprechende Anwendung des § 906 BGB auf das Verhältnis von Mietern eines Hauses untereinander für möglich erachtet wird, geschieht dies zumeist pauschal, ohne näheres Eingehen auf die Voraussetzungen einer Analogie (vgl. BGH, Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 35/53, VersR 1954, 288; OLG München, NJW-RR 1992, 1097, ohnehin nur als Hilfserwägung; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 107). Außerdem steht im Vordergrund die Überlegung, die in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegten Kriterien zur Bestimmung von Grenzen der nachbarlichen Duldungspflicht auf eine Mietergemeinschaft entsprechend anzuwenden. Die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht - soweit ersichtlich - nur das Oberlandesgericht Düsseldorf in der von dem Berufungsgericht angeführten Entscheidung. bb) Solche Erwägungen lassen außer Betracht, daß es an einer die Analogie rechtfertigenden ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke fehlt. § 906 BGB ist Teil des bürgerlich-rechtlichen Nachbarrechts der §§ 905 bis 924 BGB (Staudinger/Roth, § 906 Rdn. 3; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 1; weiter demgegenüber MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 906 Rdn. 1, 138: nicht auf das Nachbarverhältnis beschränkt). Der von Absatz 2 Satz 2 der Norm gewährte Ausgleichsanspruch und seine Fortentwicklung durch die Rechtsprechung hat seine Grundlage im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (Senat, BGHZ 38, 61, 64; BGHZ 113, 384, 391). Er ist Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerläßlich ist (vgl. Erman/Hagen/Lorenz, § 906 Rdn. 1; vgl. auch Senat, BGHZ 38, 61, 63 f.; MünchKomm-BGB/Säcker, § 906 Rdn. 1). In einem solchen grundstücksbezogenen Regelungszusammenhang sind Normen, die das Verhältnis von Mietern untereinander regeln, nicht zu erwarten. Sie könnten auch nicht an dem Gedanken der Beschränkung der Eigentümerrechte nach § 903 BGB anknüpfen, um den es bei § 906 BGB, allgemein gefaßt, geht (vgl. Erman/Hagen/Lorenz aaO), sondern müßte im Mietrecht angesiedelt werden. Daß das Verhältnis der Mieter untereinander keine Berücksichtigung in § 906 BGB gefunden hat, kann daher nicht als planwidrige Lücke angesehen werden. Daß es auch im Mietrecht keine Normen gibt, die einen Interessenausgleich bezwecken, stellt ebenfalls kein Regelungsdefizit dar, das durch eine analoge Anwendung nachbarrechtlicher Vorschriften, insbesondere durch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, behoben werden könnte. Dem Gesetzgeber kann nicht verborgen geblieben sein, daß es zwischen Mietern Streit um beeinträchtigende Immissionen geben kann und in der Praxis auch gibt. Wenn er gleichwohl zur Regelung dieses Konflikts keine dem Charakter des § 906 BGB entsprechende Vorschriften geschaffen hat, so kann daraus nur gefolgert werden, daß er eine Regelung für entbehrlich, möglicherweise auch für sachlich fragwürdig, gehalten hat, nicht aber, daß ihm ein dem Regelungskonzept zuwiderlaufender Fehler in Form einer Gesetzeslücke anzulasten ist. Dagegen spricht auch, daß es einer spezifischen Regelung nicht bedarf. Die Grenzen, die ein Mieter bei der Nutzung der gemieteten Räume einzuhalten hat, ergeben sich aus dem Vertragsverhältnis zum Vermieter, das häufig näher ausgestaltete Verhaltensregeln in Hausordnungen, die Bestandteil des Mietvertrages sind, bereithält. Solche Regelungen werden zugunsten der jeweiligen Mitmieter getroffen und geben ihnen ein eigenes Recht, von den anderen Mietern die Einhaltung der Bestimmungen der Hausordnung zu verlangen, § 328 BGB (OLG München, NJW-RR 1992, 1097 m.w.N.). Im übrigen kann der Mieter vom Vermieter eine von Dritten, insbesondere von Mitmietern, ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen, § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 535 Rdn. 28 m.w.N.). cc) Daraus wird zugleich
deutlich, daß es auch an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Das
Verhältnis von Mietern untereinander hat, anders als das Verhältnis
benachbarter Grundstückseigentümer, keine rechtliche Ausgestaltung erfahren.
Soweit Ansprüche untereinander bestehen, gründen diese auf das
Vertragsverhältnis zum Vermieter oder beruhen auf besitzschutz- oder
deliktsrechtlichen Normen (vgl. OLG München, NJW-RR 1992, 1097; siehe auch
Staudinger/Emmerich, BGB [2003], § 535 Rdn. 134 f.). Unmittelbare
Schutzpflichten der Mieter untereinander bestehen nicht (Schmidt-Futterer/Eisenschmid,
Mietrecht, 8. Aufl., § 535 Rdn. 146 m.w.N.). Eine nähere Bindung, die
strukturell dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gliche, fehlt. Für
eine entsprechende Lösung besteht, wie dargelegt, auch kein zwingendes
Bedürfnis. Allein der Umstand, daß ein Mieter einen ihm an sich zustehenden
Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 BGB wegen der faktischen
Gegebenheiten nicht rechtzeitig geltend machen kann, rechtfertigt keine
Übertragung der Grundsätze des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs
analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Beeinträchtigungen durch Mitmieter. III.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). In
Betracht kommt eine Haftung des Beklagten, wie vom Landgericht angenommen,
nach § 823 Abs. 1 BGB. Insofern bedarf die Sache hinsichtlich der
Verschuldensfrage nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weiterer
Aufklärung. |