Sachmangel i.S.v. § 434 BGB: Weiter Begriff der
"Beschaffenheit"; objektiver Fehlerbegriff; Konkurrenz der Gewährleistung
zur Haftung aus c.i.c. (§§ 280 I, 311 II, 241 II BGB) bei vorsätzlichen
vorvertraglichen Falschangaben
BGH, Urteil vom 30. November 2012 - V
ZR 25/12 - Kammergericht
Fundstelle:
NJW 2013, 1671
Amtl. Leitsatz:
Ein zu Wohnzwecken genutztes
Grundstück ist mit einem Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
BGB behaftet, wenn es von Grundwasser durchströmt wird, das mit Giftstoffen
(Cyanide) belastet ist.
Zentrale Probleme:
Wichtig an der Entscheidung ist, dass der BGH wiederum
(im Gegensatz zum früheren Recht) von einem weiten Begriff der
"Beschaffenheit" i.S.v. § 434 I BGB ausgeht, s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2011, 1217.
Quintessenz: Eine "Beschaffenheit" sind nicht nur die physischen
Eigenschaften einer Sache, sondern auch ihre (rechtlichen und) tatsächlichen
Beziehungen zur Umwelt, wenn diese wegen ihrer Art und Dauer die
Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen. Beziehungen der
Kaufsache zur Umwelt gehören dann zu ihrer Beschaffenheit im Sinne des § 434
Abs. 1 BGB, wenn sie in irgendeiner Weise mit ihren physischen Eigenschaften
zusammenhängen. Wichtig ist auch die Zweispurigkeit des objektiven
Fehlerbegriffs nach § 434 I S. 2 BGB: Die Sache muss sich zur gewöhnlichen
Verwendung eignen (was hier der Fall war) UND die übliche Beschaffenheit
gleichartiger Sachen aufweisen. Das war hier nicht der Fall. Zur Konkurrenz
zur c.i.c. s. die Anm. zu BGHZ 180, 205. S. im
übrigen die Anm. zu den zitierten Entscheidungen sowie jetzt auch
BGH v. 15.6.2016 - VIII
ZR 134/15.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Mit notariellem Vertrag vom 12.
(Angebot der Kläger) und 22. November 2005 (Annahme der Beklagten) kauften
die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in einer Wohnanlage in
B. zu einem Preis von 136.970 €. Das dazugehörende Grundstück ist Teil einer
Gesamtfläche, auf der bis zum Jahre 1953 eine Gasanstalt betrieben wurde.
Die Fläche wurde in dem Bodenbelastungskataster des Landes B. als Altlast
geführt, worüber die Behörde die Beklagte im Jahre 2003 schriftlich
unterrichtet hatte. Nach Durchführung von Bodenuntersuchungen hatte die
Behörde der Beklagten in einem Schreiben vom 10. August 2005 mitgeteilt,
dass sie das Grundstück hinsichtlich aller Wirkungspfade vom Verdacht auf
schädliche Bodenveränderungen befreie; das Grundstück werde jedoch von
cyanidhaltigem Wasser durchströmt, weshalb bei Bauarbeiten, die bis in den
Grundwasseranschnitt reichten, in Abstimmung mit der Verwaltung eine
Reinigung des während der Baumaßnahme geförderten Grundwassers erforderlich
sei.
2 In dem notariellen Vertrag ist die Haftung der Verkäuferin für Sachmängel
des Kaufgegenstands ausgeschlossen worden. Die Angebotserklärung enthält die
Hinweise, dass die Fläche im Bodenbelastungskataster als Altlast geführt
wurde, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung jedoch mit Schreiben vom
10. August 2005 bestätigt habe, dass das verkaufte Flurstück hinsichtlich
aller Wirkungspfade vom Verdacht auf schädliche Bodenveränderungen befreit
sei, und den Vermerk, dass dem Erwerber der Inhalt dieses Schreibens bekannt
sei.
3 Die Kläger erklärten im Juli 2008 den Rücktritt vom Kaufvertrag, mit der
Begründung, dass die Erklärungen der Beklagten den wahren Sachverhalt
bezüglich der im Boden und im Grundwasser enthaltenen Altlasten nur
bruchstückhaft und beschönigend wiedergegeben hätten. Die in der Urkunde
zitierten behördlichen Schreiben seien ihnen nicht bekannt gewesen. Ihre
Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises zzgl. Zinsen Zug um Zug gegen
Rückübereignung der Wohnung, auf Freistellung von den zur Finanzierung des
Kaufs aufgenommenen, über den Kaufpreis hinausgehenden Darlehensschulden
sowie von weiteren, ihnen durch den Erwerb entstandenen Verbindlichkeiten,
auf Feststellung des Annahmeverzugs und Verurteilung zur Zahlung
außergerichtlicher Kosten in Höhe von 2.895,03 € nebst Zinsen hat das
Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit
der von dem Kammergericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre
Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht meint, dass den Klägern weder Ansprüche wegen eines
Sachmangels noch wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten
zustünden. Zwar stelle der Altlastenverdacht einen Sachmangel des mit der
Wohnung verkauften Miteigentumsanteils an dem Grundstück dar; die sich
daraus ergebenden Ansprüche seien aber nach § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB
ausgeschlossen, weil die Kläger diesen Mangel gekannt hätten. Das
Grundwasser sei kein Bestandteil des Grundstücks, so dass dessen Belastung
für sich genommen keinen Mangel begründe. Soweit die Kläger aus
diesem Grunde eine Beeinträchtigung des Grundstücks behaupteten, scheide ein
Anspruch wegen des Haftungsausschlusses aus. Die Berufung der Beklagten
darauf sei nicht nach § 444 BGB unwirksam; denn die Kläger hätten schon
nicht vorgetragen, dass der Beklagten eine Verunreinigung des Bodens zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt gewesen sei. Ansprüche wegen einer
schuldhaften Aufklärungspflichtverletzung bestünden nicht, weil die Beklagte
über die Kontamination des Grundwassers nicht habe informieren müssen. Der
Vertragszweck sei dadurch nicht gefährdet gewesen. Das Grundstück sei nach
dem von dem Gericht eingeholten Sachverständigengutachten ohne
Einschränkungen zum Wohnen geeignet, weshalb der von den Klägern mit dem
Kauf verfolgte Zweck, Einkünfte aus der Vermietung der Wohnung zu erzielen,
durch die Cyanidbelastung des Grundwassers nicht in Frage gestellt werde.
Eine von den Klägern bloß subjektiv empfundene Bedrohung begründe keine
Aufklärungspflicht des Verkäufers. Sie müssten sich vielmehr einem
objektiven, durch anerkannte Grenz- und Richtwerte bestimmten Maßstab
unterwerfen.
II.
5 Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
6 1. Das Berufungsgericht verneint rechtsfehlerhaft Ansprüche der
Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises wegen eines Sachmangels (§ 437 Nr. 2
Fall 1, §§ 440, 323, 326 Abs. 5, § 346 Abs. 1 BGB).
7 a) Ein Sachmangel eines Grundstücks im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB
kann auch dann vorliegen, wenn zwar nicht der Boden, aber das durch das
Grundstück fließende Grundwasser mit giftigen Schadstoffen belastet ist. So
ist es hier.
8 aa) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Grundwasser,
auf das sich das Eigentumsrecht des Verkäufers am Grundstück nicht erstreckt
(BVerfGE 58, 300, 332 f.), nicht Teil der Kaufsache ist. Die den
Mangel auslösende Beschaffenheit der Kaufsache wird in diesem Fall durch die
tatsächliche Beziehung des Grundstücks zu seiner Umwelt begründet, hier
durch dessen Nachbarschaft zu einem kontaminierten Grundstück, von dem aus
Schadstoffe über das Grundwasser emittiert werden. Dass ein
Sachmangel in den wirtschaftlichen, sozialen oder rechtlichen Beziehungen
der Sache zu ihrer Umwelt begründet sein kann, die die Brauchbarkeit oder
den Wert der Sache beeinflussen, entspricht der ständigen Rechtsprechung
(vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1976 - V ZR 256/75, BGHZ 67, 134,
136; vom 18. November 1977 - V ZR 172/76, BGHZ 70, 47, 49; vom 10. Juli 1987
- V ZR 236/85, NJW-RR 1988, 10, 11 und vom 22. Februar 1991 - V ZR 299/89,
NJW 1991, 1673, 1675).
9 (1) Nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden
Gewährleistungsrecht stellten Umweltbeziehungen, die die Brauchbarkeit oder
den Wert der Kaufsache negativ beeinflussen, allerdings nur dann einen
Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a.F. dar, wenn sie ihren Grund in der
Beschaffenheit der Sache hatten und sich nicht erst durch Heranziehung von
außerhalb des Kaufgegenstands liegenden Verhältnissen oder Umständen ergaben
(vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1976 - V ZR 256/75, aaO; vom 18.
November 1977 - V ZR 172/76, aaO; vom 10. Juli 1987 - V ZR 236/85, aaO und
vom 22. Februar 1991 - V ZR 299/89, aaO). Der Senat hat vor diesem
Hintergrund offen gelassen, ob über die Luft vermittelte, von einen
benachbarten Klärwerk ausgehende Geruchsbelästigungen einen Fehler im Sinne
des § 459 Abs. 1 BGB darstellen (Senatsurteil vom 10. Juli 1987 - V ZR
236/85, aaO).
10 (2) Nach dem seit dem 1. Januar 2002 geltenden und hier
anzuwendenden Kaufrecht sind solche von einem benachbarten Grundstück
ausgehende, über die Luft oder das Grundwasser übertragene
Umwelteinwirkungen als eine (negative) Beschaffenheit der Kaufsache im Sinne
des § 434 Abs. 1 BGB anzusehen. Der Senat hat bereits
ausgeführt, dass die Neuregelung die frühere Unterscheidung zwischen Fehlern
(§ 459 Abs. 1 BGB a.F.) und zusicherungsfähigen Eigenschaften (§ 459 Abs. 2
BGB a.F.) eingeebnet hat (Senatsurteil
vom 5. November 2010 - V ZR 228/09, NJW 2011, 1217, 1218).
Als Eigenschaften einer Sache sind neben ihrer physischen
Beschaffenheit alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse anzusehen,
welche die Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und
Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen (vgl.
Senat, Urteil vom 19. Dezember 1980 - V ZR 185/79, BGHZ 79, 183, 185).
Vor diesem Hintergrund gehören die Beziehungen der Kaufsache zur Umwelt
jedenfalls dann zu ihrer Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB, wenn
sie in irgendeiner Weise mit ihren physischen Eigenschaften zusammenhängen
(vgl. Bamberger/Roth/Faust, BGB, 3. Aufl., § 434 Rn. 22; Erman/Grunewald,
BGB, 13. Aufl., § 434 Rn. 4; MünchKommBGB/Westermann, 6. Aufl., § 434 Rn.
9). Ein solcher Zusammenhang ist bei Grundwasser gegeben, das den
zum verkauften Grundstück(santeil) gehörenden Erdkörper durchströmt.
Ist das Grundwasser mit Cyanid belastet, weil das Grundstück in der
Nähe einer anderen kontaminierten Fläche liegt, von dem aus die Schadstoffe
emittiert werden, kann ein Sachmangel auch dann vorliegen, wenn das
verkaufte Grundstück - wie hier - selbst nicht kontaminiert ist (vgl. Frey,
Haftung für Altlasten, S. 124; Knoche, NJW 1995, 1985, 1987).
11 bb) Die verkaufte Eigentumswohnung ist deswegen mit einem
Sachmangel behaftet.
12 (1) Dies ist hier nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu
beurteilen, da die Vertragsparteien weder eine sog. negative
Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch eine
besondere Verwendung nach dem Vertrag vorausgesetzt (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 BGB) haben. Das Grundstück ist zwar als Altlastenverdachtsfläche
verkauft worden. Hierin ist aber keine Beschaffenheitsvereinbarung, sondern
(nur) ein Haftungsausschluss für Bodenkontaminierungen zu sehen (dazu unter
b). Wollen die Vertragsparteien, dass das Grundstück als eine mit
Schadstoffen kontaminierte Fläche verkauft sein soll, müssen sie eine
entsprechende konkrete Beschaffenheitsvereinbarung treffen (vgl. Faust,
Festschrift Picker, 185, 189; Hertel in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf,
10. Aufl., Rn. 1111 ff.). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn - wie hier
- das Grundstück als ein von dem Verdacht auf schädliche Bodenveränderungen
freigestelltes Grundstück verkauft worden ist. Eine besondere
Verwendungseignung der verkauften Eigentumswohnung ist ebenfalls weder
vereinbart noch nach dem Vertrag vorausgesetzt worden.
13 (2) Nach § 434 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB ist die Sache nur dann frei von
Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine
Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die
der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die in der
Vorschrift genannten Merkmale der Sache (Verwendungseignung und übliche
Beschaffenheit) müssen kumulativ vorliegen, damit die Sache mangelfrei ist
(Bamberger/Roth/Faust, BGB, 3. Aufl., § 434 Rn. 53). Das ist hier nicht der
Fall.
14 (a) Zwar mag die Kaufsache zur gewöhnlichen Verwendung (zum
Wohnen) geeignet sein, weil schädigende Einwirkungen durch von dem
kontaminierten Grundwasser ausgasenden Cyanwasserstoff weder auf die
Hausbewohner noch auf die Anpflanzungen zu erwarten sind. Die Kaufsache
weist aber nicht die übliche Beschaffenheit eines zu Wohnzwecken genutzten
Grundstücks auf.
15 (b) Zu dieser Beschaffenheit gehört die Freiheit von nicht nur
unerheblichen Kontaminationen des Grundwassers. Mit den giftigen
Stoffen (Cyaniden) sind nämlich besondere Gefahren und Risiken verbunden,
die ein Käufer in der Regel ohne weiteres nicht hinzunehmen bereit ist.
Solche ergeben sich schon daraus, dass die Höhe des Grundwasserstands nicht
konstant ist und in besonderen Situationen (Hochwasserlagen) das Grundwasser
an die Erdoberfläche treten und in die Untergeschosse eindringen kann. Zur
üblichen Beschaffenheit eines bebauten Grundstücks gehört es auch nicht,
dass - wie in dem Schreiben der Behörde vom 10. August 2005 ausgeführt - bei
Baumaßnahmen auf dem Grundstück, die eine Grundwasserhaltung erfordern,
besondere Schutzmaßnahmen zur Dekontamination des an die Oberfläche
geförderten Grundwassers notwendig sind. Dass solche Baumaßnahmen in
absehbarer Zeit nicht zu erwarten sind, rechtfertigt entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, dass es im
Rahmen von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf die objektive Beschaffenheit
von Sachen gleicher Art und somit auf eine abstrakte Sichtweise ankommt,
können Baumängel, Um- oder Ausbauten am Gebäude oder auch außergewöhnliche
Ereignisse (Brand, Explosion) eine Grundwasserhaltung erfordernde
Baumaßnahmen vor Ablauf der üblichen Nutzungsdauer des Hauses erforderlich
machen.
16 b) Die Ansprüche der Kläger wegen dieses Sachmangels sind nicht schon
deshalb ausgeschlossen, weil das Grundstück als Altlastenverdachtsfläche
verkauft und ein Haftungsausschluss für Sachmängel vereinbart worden ist.
17 aa) Allerdings nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass der
Grundstücksverkäufer grundsätzlich nicht haftet, sofern er den Käufer vor
Vertragsschluss (was allerdings notwendig ist: Senatsurteile vom
12. Juli 1991 - V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901; vom 3. März 1995 - V ZR
43/94, NJW 1995, 1549, 1550; vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132,
30, 32; vom 1. Oktober 1999 - V ZR 218/98, NJW 1999, 3777, 3778 und vom 20.
Oktober 2000 - V ZR 285/99, NJW 2001, 64) auf den Altlastenverdacht
hingewiesen hat. Der Käufer, der nach einem solchen Hinweis das
Grundstück unter Vereinbarung eines Haftungsausschlusses kauft, trägt das
Risiko, dass sich der Verdacht als begründet erweist.
18 bb) Anders verhält es sich jedoch, wenn der Verkäufer bei
Vertragsschluss bereits weiß, dass der Verdacht begründet ist; denn ein
Verkäufer, der einen Mangel arglistig verschweigt, kann sich nach § 444 BGB
nicht auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss berufen
(vgl. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2000 - V ZR 285/99, NJW 2001, 64). Das
kommt hier in Betracht.
19 (1) Die Beklagte hatte aufgrund des Schreibens der Behörde vom 10. August
2005 Kenntnis von der Belastung des Grundwasserstroms. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts hätte sie die Kläger darüber aufklären
müssen. Der Verkäufer darf sein konkretes Wissen über Schadstoffbelastungen
nicht zurückhalten (Senat, Urteil vom 20. Oktober 2000 - V ZR 285/99, aaO).
Er muss den Käufer nicht nur über Schadstoffbelastungen des verkauften
Grundstücks selbst (über schädliche Bodenveränderungen im Sinne des § 2 Abs.
3 BBodSchG), sondern auch über die Zuführung von giftigen Schadstoffen
informieren, die von einem kontaminiertem Nachbargrundstück ausgehen (vgl.
OLG Schleswig, OLGR 2005, 709, 711). Die von dort emittierten Schadstoffe
können - wie im Boden vorhandene - die Verwendungseignung des verkauften
Grundstücks beeinträchtigen oder Gefahren und Risiken dafür darstellen.
20 (2) Das bewusste Zurückhalten solcher Informationen stellte sich
als ein arglistiges Verschweigen des Mangels dar. Ob die Beklagte die
Kontamination des Grundwassers rechtlich zutreffend als Sachmangel gewürdigt
hat, ist ohne Belang (Senat, Beschluss vom
8. Dezember 2006 - V ZR 249/05, NJW 2007, 835, 836 Rn. 8). Ein
arglistiges Verschweigen kommt nämlich bereits dann in Betracht, wenn der
Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält, wobei es
genügt, dass er die den Mangel begründenden Umstände kennt (vgl.
Senat, Urteile vom 7. März 2003 - V ZR 437/01, NJW-RR 2003, 989, 990 und vom
16. März 2012 - V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078, 1079
Rn. 24).
21 2. Nicht von Rechtsfehlern frei sind auch die Ausführungen des
Berufungsgerichts zu einem Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei
Vertragsschluss nach § 280 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
22 a) Die Klage kann auch auf einen solchen Anspruch gestützt werden.
Zwar sind Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden, wenn es um
Verhaltenspflichten des Verkäufers im Zusammenhang mit der Beschaffenheit
der Kaufsache geht, grundsätzlich durch die vorrangigen Vorschriften über
die Haftung des Verkäufers wegen Sachmängeln nach §§ 434 ff. BGB
ausgeschlossen. Das gilt jedoch nicht, wenn dem Verkäufer ein vorsätzliches
Verhalten zur Last fällt (Senat, Urteil vom
27. März 2009 - V ZR 30/08, BGHZ 180, 205, 210 ff.).
23 b) Das kommt hier im Hinblick darauf in Betracht, dass in dem Kaufvertrag
nur der für die Beklagte günstige Teil des Schreibens der Behörde vom 10.
August 2005 - die Befreiung des verkauften Grundstücks von dem Verdacht
einer schädlichen Bodenveränderung - mitgeteilt, die für diese ungünstige
Information über die Schadstoffbelastung des Grundwassers aber nicht erwähnt
worden ist. Diese stellt aber - wie vorstehend ausgeführt - einen Mangel und
damit auch einen für den Vertragsentschluss eines Käufers wesentlichen
Umstand dar, über den die Beklagte die Kläger von sich aus hätte informieren
müssen.
III.
24 Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben
und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Rechtsstreit
auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht entscheidungsreif ist.
25 1. Die Beklagte hätte allerdings bereits ihrer Aufklärungspflicht Genüge
getan, wenn, wie von ihr ihr behauptet, der Vermittler W. den Klägern (eine
Kopie) des Schreibens der Behörde vom 10. August 2005 übergeben hätte. Ein
Verkäufer muss auf einen Mangel nicht ausdrücklich hinweisen, wenn er dem
Käufer vor Vertragsschluss Unterlagen überreicht hat, aus denen sich die
Mangelhaftigkeit der Sache ergibt, und er deswegen die berechtigte Erwartung
haben kann, dass der Käufer diese Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt
gezielt durchsehen und zur Grundlage seiner Kaufentscheidung machen wird
(vgl. Senat, Urteile vom 12. November 2010 - V ZR
181/09, BGHZ 188, 43, 46 Rn. 11 und vom 11.
November 2011 - V ZR 245/10, NJW 2012, 846, 847 Rn. 7). Davon kann in
dem Revisionsverfahren jedoch nicht ausgegangen werden, da das Vorbringen
der Beklagten von den Klägern bestritten worden ist und die von den Parteien
dazu angebotenen Beweise nicht erhoben worden sind.
26 2. Das Berufungsgericht hat zudem - von seinem Standpunkt aus
folgerichtig - keine Feststellungen zum subjektiven Tatbestand des
arglistigen Verschweigens des durch die Kontamination des Grundwassers
begründeten Mangels getroffen.
27 a) Das ist jedoch erforderlich, weil ein arglistiges Verschweigen
neben der Kenntnis des Verkäufers von dem Mangel voraussetzt, dass dieser
weiß oder zumindest damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der
Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder
nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (Senat,
Beschluss vom 8. Dezember 2006 - V ZR 249/05, NJW 2007, 835, 836 Rn. 9;
Urteil vom 12. November 2010 - V ZR 181/09, BGHZ
188, 43, 48 Rn. 14).
28 b) In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die
Beklagte sich auf die im notariellen Angebot enthaltene Erklärung der
Kläger, ihnen sei der Inhalt des Schreibens der Behörde vom 10. August 2005
bekannt, nicht wird berufen können, wenn es sich hierbei um eine von ihr
gestellte Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt.
Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 309 Nr. 12 b BGB, nach der von dem
Verwender vorformulierte Bestätigungen von Tatsachen durch die andere
Vertragspartei, welche die Beweislast zu deren Nachteil ändern oder auch nur
die Anforderungen an die Beweisführung erhöhen, unwirksam sind
(vgl. BGH, Urteile vom 28. Januar 1987 - IV ZR 173/85, BGHZ 99, 374, 380 und
vom 20. April 1989 - IX ZR 214/88, NJW-RR 1989, 817). Dass es sich hier um
vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, liegt zwar nahe, weil zunächst
die Beklagte Kenntnis vom Altlastenverdacht und den an sie gerichteten
behördlichen Schreiben hatte, ist aber von dem Berufungsgericht nicht
festgestellt worden. Das wird gegebenenfalls nachzuholen sein.
|