Abgrenzung
des "gleichberechtigten Mitdarlehnsnehmers" zum bloßen Mithaftenden
(Sicherungsgeber): Privatautonomie und Vertragstypenbestimmung;
Sittenwidrigkeit der Mithaftung naher Angehöriger
BGH, Urteil
vom 25. Januar 2005 - XI ZR 325/03
Fundstelle:
NJW 2005, 973
Amtl. Leitsatz:
Zur Abgrenzung zwischen echter
Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflichtender Mithaftungsübernahme.
Zentrale Probleme:
Es geht - einmal mehr - um das Problem der
Sittenwidrigkeit der Mithaftung naher Angehöriger (s. dazu nur
BGH
NJW 2002, 2705 m.w.N.).Der BGH legt dabei die Grundlagen
der mittlerweile stark ausdifferenzierten Rspr. zur Sittenwidrigkeit bei
wirtschaftlicher Überforderung dar (s. dazu zuletzt auch
BGH NJW 2002, 2634).
Danach beruht das Verdikt der Sittenwidrigkeit immer auf zwei
Grundsatzkomponenten: Krasse finanzielle Überforderung sowie das
Hinzutreten "weiterer belastender Umstände". Bei den Angehörigenbürgschaften
ist dies meist die Ausnutzung emotionaler Verbundenheit, welche die Rspr.
sogar vermutet (s. etwa BGH NJW 2001, 815 = BGHZ
146, 37, anders etwa bei Arbeitnehmern, s. dazu NJW 2004, 161
= BGHZ 156, 302; für die Mithaftung von
Gesellschaftern und Geschäftsführern s. etwa
BGH NJW 2002, 1337 und BGH NJW 2003, 967).
Der Mithaftende hat dann zu beweisen, daß "weitere belastende Umstände"
vorlagen, er sich also nur aus einer Zwangslage heraus auf die Haftung
eingelassen hat und dem Gl. dies bekannt war.
Hier stellte sich (wie bereits in
BGH NJW 2002, 2705 und in BGH NJW 2002,
744) die Frage der Abgrenzung eines gleichberechtigten
Mitdarlehnsnehmers, der aus dem Vertrag auch Rechte erwirbt von einem bloßen
Sicherungsgeber. Der BGH legt zum wiederholten Male dar, daß es bei dieser
Frage auf die wahre Natur des nach dem Parteiwillen zu ermittelnden
Geschäftsinhalts ankommt. Kurz: Die Parteien bestimmen zwar den
Vertragsinhalt, nicht aber dessen rechtliche Definition. Wenn nach dem
Inhalt des Geschäfts der Mithaftende Sicherungsgeber sein sollte, bleibt
dies auch so, wenn er im Vertrag als "Mitdarlehnsnehmer" bezeichnet wird.
Neben diesem methodischen Aspekt ist die Entscheidung deshalb von Interesse,
weil sie den derzeitigen Stand der Mithaftungsrechtsprechung gut
zusammenfaßt.
©sl 2005
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Darlehensvertrages und
früherer Bürgschaften. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Beklagten, einer 1954 geborenen Verkäuferin, war zusammen
mit zwei weiteren Gesellschaftern an der V. GmbH (nachfolgend: GmbH)
beteiligt und deren Geschäftsführer. Die Klägerin gewährte der GmbH mehrere
Geschäftskredite, für die ihre Gesellschafter und die Beklagte seit 1986
selbstschuldnerische Bürgschaften über insgesamt 357.038 DM übernahmen. Die
Darlehensforderungen der Klägerin waren außerdem durch eine Grundschuld von
350.000 DM an dem Hausgrundstück der Schwiegereltern der Beklagten
gesichert. Nachdem über das Vermögen der GmbH das Liquidationsverfahren
eröffnet worden war, machte die Klägerin eine Restforderung über 350.000 DM
geltend und kündigte die Verwertung ihrer Grundschuld an.
Am 1. März 1993 schlossen die Beklagte und ihr Ehemann mit der Klägerin
einen "Kreditvertrag" über 350.000 DM zu 8% p.a. und einer monatlichen Zins-
und Tilgungsrate von 2.250 DM ab. Nach dem Vertragsinhalt diente die
Kreditaufnahme ausschließlich zur Ablösung der noch bestehenden
Gesellschaftsschulden. Die Rückführung des Darlehens sollte über ein von der
Klägerin für die Beklagte geführtes Kontokorrentkonto erfolgen. Das Darlehen
wurde in der Folgezeit ordnungsgemäß bedient. Nach Ablauf der
Festzinsperiode vereinbarte die Klägerin mit der Beklagten für den offenen
Darlehensrestbetrag von 269.800 DM am 27. Oktober 1998 eine Ermäßigung des
Zinssatzes auf 5% p.a. und der monatlichen Annuitätenrate auf 1.500 DM. Als
Anfang des Jahres 2000 keine Zahlungen mehr erfolgten, kündigte die Klägerin
die Geschäftsverbindung am 12. Juli 2000 fristlos und forderte einen
Gesamtbetrag von 283.552,72 DM.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem Darlehensvertrag im Wege der
Teilklage auf Zahlung von 100.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die
Beklagte meint, der Darlehensvertrag entspreche seinem Sinn nach den von ihr
im Auftrag der GmbH übernommenen Bürgschaften und sei wie diese wegen
krasser finanzieller Überforderung sittenwidrig.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist
erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision
verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
I.Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
wesentlichen ausgeführt:
Der Darlehensvertrag der Parteien sei wirksam. Eine etwaige Nichtigkeit der
von der Beklagten zur Sicherung der Gesellschaftsdarlehen gestellten
Bürgschaften wegen sittenwidriger finanzieller Überforderung setze sich in
dem neuen Rechtsgeschäft nicht fort. Die zur Fortwirkung der
Sittenwidrigkeit bei interner Umschuldung entwickelten Grundsätze seien
nicht anwendbar. Die verbürgten Darlehensforderungen der Klägerin hätten
tatsächlich bestanden und seien wirksam. Lediglich die zwischenzeitlich
weggefallenen Bürgschaften der Beklagten verstießen möglicherweise gegen die
guten Sitten und seien infolgedessen nichtig.
Die Beklagte habe aber an deren Stelle die darlehensvertragliche Haftung für
neue und noch bestehende Zahlungsansprüche übernommen.
Eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten lasse sich nicht
feststellen. Selbst nach ihren Angaben in der Berufungsbegründungsschrift
habe ihr laufendes Einkommen bei Abschluß des Darlehensvertrages
ausgereicht, um die vereinbarten Annuitäten ordnungsgemäß zu bedienen. Dabei
sei freilich auch auf die Einkünfte ihres Ehemannes abzustellen, weil die
Eheleute den Vertrag gemeinsam geschlossen und auch die Zins- und
Tilgungsraten gemeinsam gezahlt hätten. Davon, daß der Darlehensvertrag auf
seiten der Beklagten einer Bürgschaft entspreche, könne demnach keine Rede
sein.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte, wie die Revision zu Recht rügt,
unter Mißachtung der Interessenlage und damit in rechtlich unvertretbarer
Weise für eine echte Darlehensnehmerin gehalten.
a) Die Qualifizierung der von der Beklagten mit Vertrag vom 1. März 1993
übernommenen Verpflichtung als Darlehensschuld oder als Beitrittsschuld ist
davon abhängig, ob die Beklagte als gleichberechtigte Vertragspartnerin
neben ihrem Ehemann einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben
und deshalb gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein
sollte, oder ob sie aus dem Darlehensvertrag keine Rechte erwerben, sondern
der Klägerin nur zu Sicherungszwecken in Höhe der noch offenen
Darlehensschuld der GmbH haften sollte. Maßgebend für die Abgrenzung
zwischen der Begründung einer echten Mitdarlehensnehmerschaft und einer
Mithaftungsübernahme des Kreditgebers ist die von den Vertragsparteien
tatsächlich gewollte Rechtsfolge (Madaus WM 2003, 1705, 1706 f.). Die
Privatautonomie schließt - in den Grenzen der §§ 134 und 138 BGB - die
Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des vereinbarten Vertragstyps
ein, umfaßt allerdings nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher
Qualifikation (Senatsurteil vom 23. März 2004 - XI ZR 114/03, WM 2004,
1083, 1084). Die kreditgebende Bank hat es deshalb nicht in der Hand,
durch eine im Darlehensvertrag einseitig gewählte Formulierung wie
"Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen
einen materiell-rechtlich bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten
Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den weitreichenden
Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (Senatsurteile vom
4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224,
vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649,
1650 und vom 23. März 2004, aaO 5. 1084). Maßgeblich ist vielmehr der
wirkliche Parteiwille bei Abschluß des Darlehensvertrages.
Dieser ist in Streitfällen im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157
BGB zu ermitteln. Zu den vom Bundesgerichtshof anerkannten Auslegungssätzen
gehören die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder
Auslegung (st.Rspr., siehe z.B. BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urteil vom 11.
September 2000 - II ZR 34/99, WM 2000, 2371, 2372) und die
Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (st.Rspr., vgl.
BGH, Urteile vom 10. Juli 1998 - V ZR 360/96, WM 1998, 1883, 1886 und vom
27. Juni 2001 - VIII ZR 235/00, WM 2001, 1863, 1864). Dem trägt das
Berufungsgericht keine Rechnung.
b) Zwar spricht der Wortlaut des Darlehensvertrages der Parteien vom 1. März
1993 für eine echte Mitvertragspartnerschaft der Beklagten. Sie ist im
"Kreditvertrag" ebenso wie ihr Ehemann als "Kreditnehmer" bezeichnet. Eine
Vertragsauslegung kann aber zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis
gelangen, wenn sich ein dies rechtfertigender übereinstimmender Wille der
Vertragspartner feststellen läßt (§ 133 BGB). Überdies ist dem Wortlaut
angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgebenden Bank (vgl.
Schimansky WM 2002, 2437, 2438 f.) und der Verwendung von Vertragsformularen
in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen
als sonst. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist
als echter Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der Vertragsbezeichnung in
aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar
ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der
Kreditaufnahme hat sowie als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über
die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf
(Senat BGHZ 146, 37, 41; Senatsurteile vom 4.
Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom
28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1650;
vgl. auch Senatsurteil vom 23. März 2004, aaO S. 1084). Dazu hat das
Berufungsgericht rechtsfehlerhaft keine Feststellungen getroffen.
c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegen keine Umstände oder
Verhältnisse vor, die die Beklagte trotz ihrer fehlenden Beteiligung an der
liquidierten GmbH nach dem Willen verständiger und redlicher
Vertragsparteien als gleichgestellte Mitdarlehensnehmerin neben ihrem
Ehemann als deren ehemaligen Gesellschafter/Geschäftsführer erscheinen
lassen.
Nach dem Inhalt des Darlehensvertrages dient die Kreditaufnahme der
"Übernahme der Verbindlichkeiten der ... GmbH i.L." in Höhe von 350.000 DM.
Damit war für die Beklagte nicht einmal ein bloßes mittelbares
wirtschaftliches oder persönliches Eigeninteresse verbunden. Während sie
nämlich von einer mit den verbürgten Geschäftskrediten zusammenhängenden
Verbesserung der Ertragslage des von der Gesellschaft betriebenen
Unternehmens und einer daraus resultierenden Wertsteigerung der Beteiligung
ihres Ehemannes oder von Gewinnausschüttungen bzw. einer Erhöhung seines
Geschäftsführergehalts immerhin indirekt profitieren konnte, ist selbst
diese äußerst vage Erwerbschance mit der Geschäftsaufgabe entfallen. Ebenso
unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, daß die Beklagte weder als Bürgin
noch als angebliche Darlehensnehmerin über die Auszahlung bzw. Verwendung
der ausgereichten Kredite mitentschieden hat oder dazu berechtigt gewesen
wäre.
Anders als die Revisionserwiderung meint, ist das mit der Ablösung der noch
bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten verbundene Erlöschen der früheren
Bürgschaften der Beklagten kein geeignetes Beweisanzeichen dafür, daß der
Klägerin von Anfang an zwei gleichberechtigte Darlehensnehmer
gegenüberstanden. Denn abgesehen davon, daß dies die Wirksamkeit der im
Auftrag der GmbH übernommenen Bürgschaften voraussetzt, stellt der Austausch
einer auf den Eintritt des Sicherungsfalles beschränkten Bürgenhaftung durch
eine darlehensvertragliche Primärhaftung jedenfalls unter den vorliegenden
Umständen und Verhältnissen keinen Vorteil, sondern eher einen Nachteil dar.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung zeigt sich die Stellung der
Beklagten als gleichberechtigte Kreditnehmerin auch nicht daran, daß die
Zins- und Tilgungsleistungen entsprechend der darlehensvertraglichen
Vereinbarung ihrem Konto belastet wurden. Zwar kann in der vertragsgemäßen
Bedienung des aufgenommenen Darlehens durch einen Vertragsteil durchaus eine
für die Vertragsauslegung bedeutsame Indiztatsache liegen (vgl. Senatsurteil
vom 23. März 2004, aaO). Dies setzt aber grundsätzlich voraus, daß aus der
maßgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers bereits konkrete
Anhaltspunkte für ein unmittelbares Eigeninteresse des Betroffenen an der
Kreditgewährung bestehen. Andernfalls ist das Beweisanzeichen nicht stark
genug, um im Wege der Vertragsauslegung auf eine echte Mitgläubigerschaft zu
schließen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die den
darlehensvertraglichen Zinssatz und die monatliche Rückzahlungsrate ändernde
Vereinbarung der Parteien vom 27. Oktober 1993 nur von der Beklagten und
nicht von den Eheleuten gemeinsam unterzeichnet worden ist. Denn abgesehen
davon, daß es hierfür verschiedene Gründe gibt, ist von der Klägerin in den
Vorinstanzen nichts vorgetragen worden, was für ein auslegungsrelevantes
nachvertragliches Verhalten der Beklagten sprechen könnte.
Schließlich ist auch in der vorläufigen Abwendung der Zwangsversteigerung
des beliehenen Hausgrundstücks der Schwiegereltern der Beklagten kein
geeignetes Beweisanzeichen zu sehen. Sollte darin auf seiten der Beklagten
ein Motiv für den Abschluß des Darlehensvertrages gelegen haben, so würde
dies die Klägerin nicht entlasten, sondern nur den Blick auf ihre
wirtschaftliche Überlegenheit richten.
2. Die von der Klägerin in Wirklichkeit verlangte Mithaftungsübernahme der
Beklagten über 350.000 DM verstößt gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB)
und ist daher nichtig.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die
Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten
Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- und Mithaftungsverträge
regelmäßig entscheidend vom Grad des Mißverhältnisses zwischen dem
Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem
Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ
136, 347, 351; 146, 37, 42; 151, 34, 36 f.; zuletzt Senatsurteil vom 11.
Februar 2003 - XI ZR 214/01, ZIP 2003, 796, 797 und Senat
BGHZ 156, 302, 307
m.w.Nachw.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene
voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien
festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens
und/oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft allein tragen
kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu
begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber
nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände
widerleglich zu vermuten, daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung
allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und
der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr.,
siehe z.B. Senatsurteil vom 11. Februar 2003, aaO m.w.Nachw. und Senat
BGHZ
156, aaO).
b) Die weitgehend vermögenslose Beklagte war von Anfang an voraussichtlich
nicht in der Lage, die im Darlehensvertrag über 350.000 DM festgeschriebenen
Zinsen von 8% p.a. aus eigenem Arbeitsverdienst dauerhaft allein
aufzubringen.
aa) Wie sich aus der von der Klägerin selbst überreichten Gehaltsabrechnung
für Dezember 1997 ergibt, verdiente die Beklagte als kaufmännische
Angestellte monatlich 2.054,84 DM netto, wovon nach Abzug der für die
Direktversicherung und Vermögensbildung abzuführenden Beträge 1.684,80 DM
ausgezahlt wurden. Dieses nicht einmal in Höhe von 100 DM monatlich
pfändbare Einkommen der Beklagten, die gegenüber ihrem 1985 geborenen Sohn
unterhaltspflichtig ist, reichte bei weitem nicht aus, um die jährliche
Zinslast aus dem Darlehensvertrag in Höhe von 28.000 DM dauerhaft allein zu
tragen. Dafür, daß die Prozeßparteien bei Vertragsschluß im März 1993 auf
realistischer Grundlage von einem wesentlich höheren Gehalt der Beklagten
ausgegangen sind oder eine erhebliche einkommenserhöhende Änderung in
Betracht gezogen haben, ist nichts festgestellt bzw. vorgetragen.
bb) Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der
Beklagten ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - lediglich
das eigene, nicht aber auch das laufende Einkommen des Ehemannes zu
berücksichtigen. Zwar liegt bei Darlehensnehmern, die ein gemeinsames
Interesse an der Kreditgewährung haben und sich demgemäß als Gesamtschuldner
verpflichten, eine krasse finanzielle Überforderung nur vor, wenn die
pfändbaren Einkommen aller Mitdarlehensnehmer zusammen nicht ausreichen, um
die laufenden Zinsen des Kredits aufzubringen (Senatsurteile vom
6. Oktober
1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366, 2367 und vom 23. März 2004, aaO S.
1085). Dies betrifft aber nicht die Beklagte als einseitig verpflichtete
Mithaftende. Andernfalls bliebe nämlich unberücksichtigt, daß der oder die
Hauptschuldner bei Eintritt des Sicherungsfalles gewöhnlich zahlungsunfähig
sind oder vergleichbare Leistungshindernisse vorliegen (st.Rspr., siehe
Senat BGHZ 146, 37, 43 und Senatsurteil vom
28. Mai 2002 - XI ZR 205/01, WM
2002, 1649, 1651, jeweils m.w.Nachw.). Der Umstand, daß die Zins-und
Tilgungsraten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von den
Eheleuten jahrelang aus den gemeinsamen Einnahmen und Vermögen geleistet
worden sind, schließt daher eine krasse finanzielle Überforderung der
Beklagten nicht aus.
c) Die danach bestehende tatsächliche Vermutung, daß die Beklagte die
ruinöse Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann
übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt
hat, ist von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin nicht
widerlegt oder entkräftet worden.
Es besteht vielmehr kein vernünftiger Zweifel daran, daß die Beklagte schon
ihre Bürgschaften über 357.038 DM für Darlehensschulden der GmbH, an der ihr
Ehemann als geschäftsführender Gesellschafter maßgeblich beteiligt war,
nicht aufgrund einer im wesentlichen freien und autonomen
Willensentscheidung, sondern allein oder hauptsächlich aus emotionaler
Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat. Nichts spricht dafür, daß
die Beklagte als Mutter eines Kleinkindes bei Übernahme der Bürgschaften in
den Jahren 1986 und 1988 in Höhe etwa der späteren Darlehenssumme nicht kraß
finanziell überfordert war. Ebenso war es mangels entstehender Anhaltspunkte
vor allem die emotionale Verbundenheit mit ihrem Ehemann, die die Klägerin
in die Lage versetzte, die Beklagte dazu zu bewegen, sich als
Nichtgesellschafterin und auch sonst in keiner Weise für die GmbH
verantwortliche Dritte an der Entschuldung der Gesellschaft zu beteiligen
und dabei eine ruinöse Verpflichtung einzugehen.
Die Klägerin entlastende Umstände liegen nicht vor. Nach der Wertung des §
138 BGB ist es den Kreditinstituten grundsätzlich untersagt, eine erkennbar
finanziell überforderte Person über eine Bürgschaft oder Mithaftungsabrede
mit dem unternehmerischen Risiko ihres Ehepartners oder nichtehelichen
Lebensgefährten zu belasten und sie damit möglicherweise bis zum Lebensende
wirtschaftlich zu ruinieren. Daß es noch anstößiger ist, wenn der
Darlehensgeber - wie hier - versucht, bei Liquidation der kreditnehmenden
zahlungsunfähigen GmbH den finanzschwachen Ehepartner des ehemaligen
Gesellschafters/Geschäftsführers ohne jede Gegenleistung mit dem
verbliebenen Debet zu belasten, liegt auf der Hand.
III. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da
weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache
selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage abweisen. |