(Eingeschränkte) Analogiefähigkeit
von Art. 29 EGBGB; Verhältnis von Art. 29 EGBGB zu Art. 34 EGBGB; Begriff
der Einriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB; Ermittlung ausländischen Rechts
(§ 293 ZPO)
BGH, Urteil vom 13.
Dezember 2005 - XI ZR 82/05
Fundstelle:
NJW 2006, 762
BGHZ 165, 248
Amtl.
Leitsatz:
a) Nach Wortlaut und
Entstehungsgeschichte des Art. 29 EGBGB ist dessen Anwendung auf die
genannten Vertragstypen beschränkt und eine Analogie insoweit nicht
zulässig.
b) Zwingende Normen im Sinne des Art. 34 EGBGB sind Bestimmungen, die
beanspruchen, einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne Rücksicht auf das
jeweilige Vertragsstatut zu regeln. Diese Voraussetzung erfüllen nur
Vorschriften, die nicht nur dem Schutz und Ausgleich widerstreitender
Interessen der Vertragsparteien und damit reinen Individualbelangen dienen,
sondern daneben zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen
verfolgen.
c) Das deutsche Verbraucherkreditgesetz zählt danach nicht zu den zwingenden
Vorschriften des Art. 34 EGBGB, da es dem Schutz des einzelnen Verbrauchers
dient, während Belange der Allgemeinheit nur reflexartig mitgeschützt
werden.
Zentrale Probleme:
Die für das IPR äußerst lehrreiche
Entscheidungen enthält insbesondere grundlegende, lehrbuchartige Darlegungen
zu den Voraussetzungen einer Eingriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB. S. dazu
auch
BGH NJW 2006, 230.
S. auch BGH
v. 28.2.2012 - XI ZR 9/11
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin, eine in der Schweiz ansässige Bank, nimmt den Beklagten
auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt
zugrunde:
Der Beklagte, ein in Deutschland lebender Steuerberater, nahm, vermittelt
durch die S. OHG bzw. die U. GmbH (nachfolgend: Vermittler), mit Vertrag vom
1. Februar 1991 bei der Klägerin einen Kredit über 101.466 CHF (= 117.778
DM) zu 7,125% Zinsen "während der ersten Laufzeit des Kredites" bei einer
Auszahlung von 90% auf, um ein seinerseits der Wohnungsbau-... (W. , heute:
I. ) gemäß § 17 BerlinFördG gewährtes Darlehen (sog.
"Berlin-Darlehen") über 100.000 DM zu finanzieren. Gleichzeitig
schloss der Beklagte eine Kapitallebensversicherung ab und trat seine
Ansprüche daraus sowie aus dem Berlin-Darlehen sicherungshalber an die
Klägerin ab. In dem formularmäßigen Kreditvertrag heißt es unter
anderem:
"3. Die Kreditlaufzeit beträgt 10 Jahre ab Auszahlungsdatum, d.h. bis
zum 31.12.2000. 8.1 Sofern vor Ablauf der Vertragsdauer nicht schriftlich eine Verlängerung
dieses Vertrages oder ein neuer Vertrag abgeschlossen wird, wird der Kredit
bei Fälligkeit (gemäß Ziffer 3 Kreditlaufzeit) ohne weitere Kündigung in
einem Betrag zum Nominalwert von 100% zur Rückzahlung fällig. ... 9.1 Die Bank erklärt sich bereit, den Kredit nach dessen Ablauf um eine
weitere Periode von bis zu 5 Jahren zu verlängern ... 9.2 ... Die Bank behält sich zum Zeitpunkt der Verlängerung des Kredits
allfällige Änderungen des Vertrages (insbesondere der Zinskonditionen)
vor. 14. Dieser Vertrag unterliegt Schweizerischem Recht. ..."
Am 19. Dezember 2000 bot die Klägerin dem Beklagten unter Hinweis auf die
unmittelbar bevorstehende Fälligkeit des Darlehens eine Vertragsverlängerung
zu einem Zinssatz von 8,7% p.a. bei sonst unveränderten Kreditkonditionen
für fünf Jahre an und verlangte gleichzeitig die Zahlung rückständiger
Zinsen in Höhe von 1.454,90 CHF. Nachdem die Klägerin ihn in der Folgezeit
wiederholt ergebnislos an die Unterzeichnung ihres Angebots erinnert hatte
und trotz mehrerer Mahnungen weitere Zinsrückstände aufgelaufen waren,
kündigte sie im September 2001 das Darlehen und verwertete anschließend die
sicherungshalber abgetretene Kapitallebensversicherung. Der Beklagte hält
den Darlehensrückzahlungsanspruch mangels wirksamer Kündigung des
Kreditvertrages nicht für fällig. Überdies hat er gegenüber der
Klageforderung mit der Begründung aufgerechnet, dass der Darlehensvertrag
den strengen Anforderungen des deutschen Verbraucherkreditgesetzes nicht
genüge und wegen der daraus resultierenden Ermäßigung des vereinbarten
Zinssatzes auf 4% p.a. eine Überzahlung von insgesamt 63.990,99 DM
vorliege.
Das Landgericht hat der Klage unter Berücksichtigung von Zahlungen der I.
auf das Darlehenskonto und des Verwertungserlöses aus der
Kapitallebensversicherung in Höhe von 107.096,54 CHF abzüglich am 18.
November 2002 gezahlter 29.547,81 CHF zuzüglich Zinsen und Mahnkosten
stattgegeben sowie die auf Ersatz des durch die vorzeitige Kündigung der
Kapitallebensversicherung entstandenen Schadens gerichtete
Feststellungswiderklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage unter
Berücksichtigung von Beträgen, die die Klägerin aus dem an sie abgetretenen
Berlin-Darlehen erhalten hat, in Höhe von 19.556,19 CHF nebst Zinsen
stattgegeben, in Höhe von 28.325,56 CHF die Erledigung der Hauptsache
festgestellt und die erweiterte Widerklage abgewiesen. Mit der - vom
Berufungsgericht - zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seine
Klageabweisungs- und Widerklageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Darlehensvertrag der Parteien unterliege aufgrund der Rechtswahlklausel
in Ziffer 14 der Geschäftsbedingungen schweizerischem Recht. Die Rechtswahl
sei auch unter Berücksichtigung der Art. 29 und 34 EGBGB wirksam. Der von
der Klägerin gewährte Kredit gehöre nicht zu den in Art. 29 EGBGB genannten
Vertragstypen. Nach dem Vertragsinhalt diene er nicht der Finanzierung einer
Waren- oder Dienstleistung, deren Empfänger der Beklagte als Verbraucher
gewesen sei. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheide aus, da der
Gesetzgeber keine umfassende kollisionsrechtliche Schutznorm beabsichtigt
habe. Das deutsche Verbraucherkreditgesetz sei auch nicht gemäß Art. 34
EGBGB anwendbar. Zwar falle die Kreditvergabe nach deutschem Recht in den
Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes, auch sei der erforderliche
Inlandsbezug wegen der im Inland erfolgten Kreditvermittlung gegeben. Die
Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes seien aber nicht zwingend im Sinne
des Art. 34 EGBGB, weil sie primär die individuellen Interessen des
Verbrauchers schützten, während der auf internationaler Ebene maßgebliche
Schutz der Gemeinwohlinteressen in den Hintergrund trete. Der in Art. 120
des Schweizer Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG)
normierte Rechtswahlausschluss komme schon deshalb nicht zum Tragen, weil es
sich bei dem von den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag nicht um einen
solchen über Leistungen des "üblichen Verbrauchs" im Sinne dieser Vorschrift
handele.
In der Sache habe das Landgericht die Darlehensrückzahlungsforderung der
Klägerin unter Zugrundelegung des maßgebenden schweizerischen Rechts zu
Recht für fällig erachtet und einen Schadensersatzanspruch des Beklagten
wegen Verwertung der sicherungshalber übertragenen Kapitallebensversicherung
verneint. Da der gewährte Kredit befristet und die zehnjährige Laufzeit
verstrichen sei, komme es auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht
entscheidend an. Mangels Annahme eines Verlängerungsangebotes der Klägerin
zum Zinssatz von 8,7% p.a. sei der Vertrag auch nicht in modifizierter Form
fortgesetzt worden und der Sicherungsfall wegen des Zahlungsverzuges des
Beklagten eingetreten. Sofern Ziffer 9 der Geschäftsbedingungen dem
Beklagten ein einseitiges Optionsrecht auf eine Vertragsverlängerung
einräume, sei dieses nicht ausgeübt worden. Außerdem sei die Klausel gemäß
Art. 18 OR dahin auszulegen, dass die Klägerin sich lediglich zur Abgabe
eines Verlängerungsangebots zu einem marktüblichen Zinssatz verpflichtet
habe. Dieser Pflicht sei sie nachgekommen, da sie von dem säumigen Beklagten
hinsichtlich der Zinsen einen Risikozuschlag von 3% habe fordern
dürfen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Rechtsfehlerfrei ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass gegen die
uneingeschränkte Wirksamkeit der formularmäßigen Rechtswahlklausel über die
Geltung schweizerischen Rechts für den Darlehensvertrag der Parteien keine
Bedenken bestehen. Art. 29, 34 EGBGB ändern daran nichts; eine
Rückverweisung nach Art. 120 des Schweizer Bundesgesetzes über das
Internationale Privatrecht (IPRG) kommt nicht in Betracht (Art. 35
EGBGB).
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 29 EGBGB sind, wie das
Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht gegeben.
aa) Der Begriff der "Erbringung von Dienstleistungen" im Sinne des Art. 29
Abs. 1 EGBGB ist zwar nach dessen Schutzzweck weit auszulegen. Er umfasst
tätigkeitsbezogene Leistungen aufgrund von Dienst-, Werk-, Werklieferungs-
und Geschäftsbesorgungsverträgen (BGHZ 123, 380, 385 (Senat);
135, 124, 130
f.). Notwendig ist aber, dass die Leistung gegenüber dem Vertragsgegner als
Verbraucher erbracht wird (Senat aaO; vgl. auch Art. 5 Abs. 1 des
EG-Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, EuSchVÜ, BGBl. 1986 II S. 809, 813,
der Art. 29 EGBGB zugrunde liegt). Das ist hier nicht der Fall.
(1) Vortrag, dass die Klägerin im Rahmen des Darlehensvertrages vom 1.
Februar 1991 für den Beklagten eine "Dienstleistung" gemäß Art. 29 EBGBG
erbringen sollte, die nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl.
BGHZ
135, 124, 131), fehlt. Der zwischen dem Beklagten und der W. geschlossene
Vertrag über das so genannte "Berlin-Darlehen", dessen Finanzierung der bei
der Klägerin aufgenommene Kredit diente, ist nicht auf eine
tätigkeitsbezogene Leistung an den Beklagten als Verbraucher gerichtet. Die
W. schuldet ihm lediglich die Rückzahlung des "Berlin-Darlehens".
(2) Ein durch die Kreditvergabe der Klägerin finanzierter
Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB liegt - anders als
die Revision meint - auch nicht in der Vereinbarung zwischen dem Beklagten
und dem Vermittler der Kapitalanlage. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass dieser für seine Leistungen aus dem streitgegenständlichen Darlehen
ganz oder teilweise entlohnt werden sollte. Dagegen spricht, dass die
Klägerin nach Ziffer 5.2 des Kreditvertrages den gesamten Nettokreditbetrag
direkt an die W. zu überweisen hatte.
(3) Das von der Klägerin gewährte Darlehen ist nach dem Konzept der
Initiatoren zwar fester Bestandteil des dem "Berlin-Darlehen" zugrunde
liegenden steuersparenden Kapitalanlage- und Steuersparmodells. Dieser
Umstand reicht aber - worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat -
für sich genommen nicht aus, um die verschiedenen Einzelverträge nach dem
maßgebenden Willen der Vertragsschließenden als eine einheitliche
Dienstleistung im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB anzusehen. Dass dabei
wesentlicher Prozessstoff außer Acht gelassen wurde, vermag die Revision
nicht aufzuzeigen.
bb) Auch eine entsprechende Anwendung des Art. 29 EGBGB kommt nicht in
Betracht.
(1) Der Bundesgerichtshof (BGHZ 135, 124, 133 ff.) hat eine analoge
Anwendung bereits für den Fall abgelehnt, dass weder das konkrete
Rechtsgeschäft zu den in Art. 29 Abs. 1 EGBGB aufgeführten Vertragstypen
gehört noch ein Inlandsbezug nach den Nrn. 1 bis 3 vorliegt. Wie sich aus
Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, ist sie als Ausnahme von
Art. 27, 28 EGBGB unabhängig von dem Inlandsbezug des konkreten Falles einer
Analogie auf andere als die genannten Vertragstypen nicht zugänglich (MünchKommBGB/Martiny, BGB 4. Aufl. Art. 29 EGBGB Rdn. 14;
Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearb. 2004 Einl. zu §§ 491 ff. Rdn. 51;
Staudinger/Magnus, BGB 13. Bearb. Art. 29 EGBGB Rdn. 28, 45; Gößmann, in:
Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 3/410; v. Westphalen, in: v.
Westphalen/Emmerich/ v. Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl. Anh. § 1 Rdn. 21;
Gerfried Fischer, in: Festschrift für Großfeld S. 277, 283 f.; Backert,
Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfungen des
deutschen internationalen Schuldvertragsrechts S. 149-152; a.A. Baumert,
Europäischer ordre public und Sonderanknüpfung zur Durchsetzung von
EG-Recht, S. 228; Moritz WuB IV B. Art. 29 EGBGB 1.98).
(2) Zwar stand der Verbraucherschutz in Deutschland und in Europa bei
Abschluss des EuSchVÜ im Jahre 1980 sowie der Inkorporation in das EGBGB von
1986 noch am Anfang (vgl. Gerfried Fischer aaO S. 280; Moritz aaO). Die
detaillierte Aufzählung der einzelnen Vertragstypen in Art. 29 EGBGB zeigt
aber, dass der Gesetzgeber die Rechtswahlfreiheit zum Schutz der
wirtschaftlich schwächeren Partei nur in bestimmten Fallkonstellationen
beschränken und damit eine Entscheidung gegen einen allumfassenden
kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz treffen wollte (Backert aaO S. 152;
Staudinger/Kessal-Wulf aaO Rdn. 51). Nimmt man hinzu, dass die
Verbraucherschutzregelung des Art. 5 Abs. 1 EuSchVÜ anlässlich der
Übereinkommen vom 18. Mai 1992 über den Beitritt von Spanien und Portugal
sowie vom 29. November 1996 über den Beitritt von Österreich, Finnland und
Schweden zum EuSchVÜ nicht geändert wurde, obwohl Österreich eine
Erweiterung ihres Anwendungsbereichs vorgeschlagen hatte (Erläuternder
Bericht zu dem Beitrittsübereinkommen 97/C 191/02, ABl. EG Nr. C 191/11 vom
23. Juni 1997), so deutet nichts auf eine für eine entsprechende Anwendung
des Art. 29 EGBGB erforderliche Regelungslücke hin.
cc) Die von der Revision in diesem Zusammenhang angeregte, im Ermessen des
Senats stehende Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 2 des
Ersten Brüsseler Protokolls betreffend die Auslegung des am 19. Juni 1980 in
Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (BGBl. 1995 II S. 916) ist nicht veranlasst. Da der
Darlehensvertrag der Parteien vom 1. Februar 1991 bereits vor Inkrafttreten
des EuSchVÜ am 1. April 1991 (siehe Fundstellennachweis B zu BGBl. II 2000
S. 599) geschlossen wurde, unterliegt er - trotz des Gebotes der
einheitlichen Auslegung (Art. 36 EGBGB) - gemäß Art. 17 EuSchVÜ
ausschließlich den Vorschriften des EGBGB.
b) Eine Anwendung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes ist entgegen der
Ansicht der Revision auch nicht aus Art. 34 EGBGB herzuleiten.
aa) Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus einem generellen Vorrang
des Art. 29 EGBGB gegenüber Art. 34 EGBGB (so aber Mankowski RIW 1993, 453,
460 ff.; Ebke IPRax 1998, 263, 268 f.; Junker IPRax 2000, 65, 71). Ein
derartiger Vorrang ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn Art. 29 Abs. 1
EGBGB - wie hier - keine Anwendung findet und somit keine Ausschlusswirkung
entfalten kann (BGHZ 135, 124, 135).
bb) Indessen ist den Regelungen des deutschen Verbraucherkreditgesetzes
hier, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht der für
Verträge mit Auslandsberührung notwendige zwingende Schutzcharakter
beizumessen.
(1) Ob es sich bei dem deutschen Verbraucherkreditgesetz um zwingende
Vorschriften im Sinne des Art. 34 EGBGB handelt, wird von einem Teil der
Literatur verneint (MünchKommBGB/Martiny aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 112;
MünchKommBGB/Sonnenberger, 4. Aufl. Einl. IPR Rdn. 57, 62; Spickhoff, in:
Bamberger/Roth, BGB Art. 34 EGBGB Rdn. 13, 22; Kropholler, Internationales
Privatrecht 5. Aufl. S. 494; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, Handbuch des
EU-Wirtschaftsrechts Rdn. R 158; Freitag, in: Leible, Das Grünbuch zum
Internationalen Vertragsrecht S. 167, 178 f.), von einem anderen bejaht
(Erman/Hohloch, BGB 11. Aufl. Art. 34 EGBGB Rdn. 15; Soergel/v. Hoffmann,
BGB 12. Aufl. Art. 34 EGBGB Rdn. 61; v. Westphalen aaO Anh. § 1 Rdn. 26;
Bülow EuZW 1993, 435, 437; Gerfried Fischer aaO S. 286; Roth RIW 1994, 275,
278). Der erkennende Senat, der die Streitfrage bislang offen gelassen hat
(Senatsurteil vom 3. November 1998 - XI ZR 346/97, WM 1998, 2463), schließt
sich jedenfalls für den Fall, dass der in Rede stehende Darlehensvertrag
zwar von dem deutschen Verbraucherkreditgesetz, nicht aber von der
Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den
Verbraucherkredit (ABl. EG Nr. L42/48 vom 12. Februar 1987,
"Verbraucherkreditrichtlinie") erfasst wird, der erstgenannten Ansicht an.
(2) Zwingende Normen im Sinne des Art. 34 EGBGB sind Bestimmungen, die
beanspruchen, einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne Rücksicht auf das
jeweilige Vertragsstatut zu regeln. Nicht alle nach deutschem Recht
zwingenden Vorschriften sind zugleich gemäß Art. 34 EGBGB unabdingbar (BAGE
100, 130, 139; MünchKommBGB/ Martiny aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 8). Fehlt eine
ausdrückliche gesetzliche Regelung des allumfassenden Geltungsanspruchs
einer Norm, so ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sie nach ihrem
Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach den sonstigen Kollisionsnormen
anzuwendende Recht eines anderen Staates international gelten soll (BAGE 63,
17, 25; 80, 84, 92; 100, 130, 139; MünchKommBGB/Martiny aaO Art. 34 Rdn. 9,
127; Staudinger/Magnus aaO Art. 34 Rdn. 52, 53).
(3) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(BAGE 63,
17, 32; 80, 84, 92; 100, 130, 139) und einer in der Literatur (Kropholler
aaO S. 22; Looschelders, Internationales Privatrecht Art. 34 EGBGB Rdn. 10;
Staudinger/Magnus aaO Art. 34 Rdn. 57 m.zahlr. Nachw.; Junker IPRax 2000,
65, 70; vgl. ferner Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der
Verbraucherverträge zwischen Römer-EVÜ und EG-Richtlinien S. 236 m.w.Nachw.)
weit verbreiteten Ansicht ist für die Anwendung des Art. 34 EGBGB
grundsätzlich erforderlich, dass die betreffende Vorschrift nicht nur dem
Schutz und Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und
damit reinen Individualbelangen dient, sondern daneben zumindest auch
öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt.
(4) Diese Voraussetzung, gegen deren Berechtigung die Revision keine
Einwendungen erhebt, erfüllt das deutsche Verbraucherkreditgesetz nicht.
Nach seiner Zielsetzung dient es dem Schutz des einzelnen Verbrauchers vor
einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Interessen sowie der Korrektur der
strukturellen Ungleichgewichtslage gegenüber dem professionellen, in der
Regel finanziell weit überlegenen Anbieter und damit dem Interessenausgleich
zwischen den Vertragsparteien (vgl. BT-Drucks. 11/5462 S. 11, 13 f. und
11/8274 S. 19; Kropholler aaO S. 494; Staudinger/Magnus aaO Art. 34 Rdn.
71). Dass daneben auch ein öffentliches Interesse an einem privatrechtlichen
Verbraucherschutz mit dem Sozialstaatsprinzip, der Marktregulierungsfunktion
von Verbrauchervertragsrecht oder dem Interesse an einem funktionierenden
Binnenmarkt begründet werden kann (Bitterich, Die Neuregelungen des
internationalen Verbrauchervertragsrechts in Art. 29 a EGBGB, S. 279 f. Fn.
1049), ändert nichts. Das Verbraucherkreditgesetz verfolgt dieses Interesse
nämlich nicht. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine bloße Nebenwirkung,
wie sie mit vielen Gesetzen verbunden ist, die dem Schutz einer bestimmten
Bevölkerungsgruppe dienen. Ein solcher reflexartiger Schutz öffentlicher
Gemeinwohlinteressen reicht für eine Anwendung des § 34 EGBGB nicht aus.
Bei der Feststellung, ob eine Norm international zwingenden Charakter hat,
ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten (Freitag/Leible ZIP 1999, 1296,
1299; Schwarz ZVglRWiss 101 (2002), 45, 49), da sonst der mit dem EuSchVÜ
durch die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts bezweckte internationale
Entscheidungseinklang empfindlich gestört (Soergel/v. Hoffmann aaO Art. 34
EGBGB Rdn. 16), das differenzierte, allseitige Anknüpfungssystem der Art. 27
ff. EGBGB partiell außer Kraft gesetzt (Hk-BGB/Staudinger, 4. Aufl. Art. 34
EGBGB Rdn. 3; Looschelders aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 13) und die
Rechtsanwendung erschwert wird (Freitag, in: Leible, Das Grünbuch zum
Internationalen Vertragsrecht S. 167, 171). Art. 34 EGBGB darf nicht zu
einer allgemeinen Ausweichklausel umfunktioniert werden, mit der das EuSchVÜ
und EGBGB beherrschende Grundprinzip der Rechtswahlfreiheit der
Vertragsschließenden nach Belieben beseitigt (v. Hoffmann IPRax 1989, 261,
265) und die einheitliche Anknüpfung des Vertragsstatus aufgelöst wird
(Gerfried Fischer aaO S. 285; Freitag aaO). In Zweifelsfällen ist daher
davon auszugehen, dass die betreffende Vorschrift keine international
zwingende Geltung beansprucht (Freitag/Leible aaO; Kreuzer/Wagner, in:
Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts Rdn. R 158; Taupitz BB 1990, 642,
649). Der Umstand, dass der auf den individuellen Schutz des einzelnen
Verbrauchers gerichtete Zweck des deutschen Verbraucherkreditgesetzes
reflexartig auch Gemeinwohlinteressen erfasst, stellt deshalb keine
ausreichende Grundlage für eine Anwendung des Art. 34 EGBGB dar. Eine
unzumutbare Belastung des inländischen Verbrauchers ist damit im Regelfall
nicht verbunden. Denn abgesehen davon, dass der Verbraucherschutz mit den
Art. 29 und 29 a EGBGB weitgehend verwirklicht wird, darf der Betroffene
nicht ohne weiteres auf die umfassende Geltung seines Aufenthaltsrechts
vertrauen.
cc) Ein internationaler Geltungswille des deutschen
Verbraucherkreditgesetzes ist schließlich auch nicht aus seinem
gemeinschaftsrechtlichen Ursprung herzuleiten. Dass der Gesetzgeber eine
europäische Richtlinie in nationales Recht umsetzt, bedeutet nicht, dass
diese Normen international grundlegende Bedeutung haben und unabhängig von
den allgemeinen Kollisionsregeln auf Fälle mit Auslandsbezug anwendbar sein
sollen. Ob und inwieweit die nationalen Gerichte nach den Grundsätzen des
Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 9. November 2000 (Rs. C-381/98, Slg. I 2000, 9325 - Ingmar GB Ltd.) verpflichtet sind, bei der Wahl eines
drittstaatlichen Rechts und bei hinreichendem Gemeinschaftsbezug des
Sachverhalts das der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie dienende
nationale Recht in richtlinienkonformer Auslegung gegen das gewählte
Vertragsstatut durchzusetzen (vgl. dazu Staudinger/Magnus aaO Art. 34 EGBGB
Rdn. 42, 90; Freitag, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht
6. Aufl. Rdn. 417 f.; Bitterich VuR 2002, 155, 157 ff.), kann entgegen der
Ansicht der Revision offen bleiben. Denn enthält die Richtlinie - wie die
Verbraucherkreditrichtlinie - keine ausdrückliche kollisionsrechtliche
Regelung und schreibt sie den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung nur einen
zu beachtenden Mindeststandard vor, so kann ein international zwingender
Charakter der Umsetzungsnorm aufgrund der Richtlinie nur für den
Mindeststandard, nicht aber für etwaige nationale Schutzverstärkungen
angenommen werden (Bitterich, Die Neuregelung des Internationalen
Verbraucherver-tragsrechts in Art. 29 a EGBGB, S. 283 Fn. 1066, S. 289;
Freitag, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht 6. Aufl. Rdn.
417; Nemeth/Rudisch ZfRV 2001, 179, 182; Pfeiffer, in: Festschrift für
Geimer S. 821, 835; Schwarz ZVglRWiss 101 (2002), 45, 71; a.A.
Hk-BGB/Staudinger aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 5).
Der Darlehensvertrag der Parteien vom 1. Februar 1991 über 101.466 CHF (=
117.778 DM) wird aber von dem Mindeststandard der
Verbraucherkreditrichtlinie nicht erfasst, weil diese nach Art. 2 Abs. 1
lit. f auf Kreditverträge über mehr als 20.000 ECU keine Anwendung findet.
Die Frage nach der Reichweite des internationalen Geltungswillens der
Richtlinie ist infolgedessen nicht entscheidungserheblich und nicht gemäß
Art. 234 Abs. 3 EGV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
c) Zwar hat das Berufungsgericht verkannt, dass Art. 120 IPRG von vornherein
eine Anwendung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes nicht zu begründen
vermag, weil es sich dabei um von den deutschen Gerichten nicht zu
beachtendes schweizerisches Kollisionsrecht handelt (Art. 35 Abs. 1 EGBGB).
Daraus vermag die Revision aber nichts für sich herzuleiten, weil das
Berufungsgericht das Vorliegen eines "Konsumentenkredits" im Sinne der
Vorschrift verneint hat.
2. Rechtsfehlerfrei ist schließlich auch die Begründung, mit der das
Berufungsgericht unter Zugrundelegung schweizerischen Rechts der Klage
stattgegeben und die Widerklage abgewiesen hat.
a) Der deutsche Tatrichter hat das maßgebliche ausländische Recht gemäß §
293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. In welcher Weise er sich die
notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen.
Vom Revisionsgericht überprüft werden darf insoweit lediglich, ob er sein
Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden
Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles
hinreichend ausgeschöpft hat (st.Rspr., siehe etwa Senatsurteil vom 23.
April 2002 - XI ZR 136/01, WM 2002, 1186, 1187 m.w.Nachw.). An die
Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je
komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht
ist. Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und
klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (BGHZ 118, 151,
163).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Berufungsgericht - anders als die
Revision meint - kein Ermessenfehler vorzuwerfen. Ihr Einwand, das
Berufungsgericht habe nicht ermittelt, welcher Erklärungswert den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin über die Verlängerung des
Darlehensvertrages nach den von der schweizerischen Rechtsprechung und
Literatur entwickelten Auslegungsgrundsätzen beizumessen sei, greift nicht.
Das Vertragswerk enthält keinen Hinweis darauf, dass dem Beklagten das Recht
eingeräumt werden sollte, den Kredit durch eine einseitige Erklärung
gegenüber der Klägerin zu verlängern. Davon abgesehen hat der Beklagte eine
entsprechende Erklärung auch nicht abgegeben. Das Berufungsgericht hat es entgegen der Ansicht der Revision auch nicht
versäumt, der Frage nachzugehen, ob die Klägerin sich mit ihrem Angebot, den
Darlehensvertrag um weitere fünf Jahre zu einem Zinssatz von 8,7% p.a. zu
verlängern, nach schweizerischem Recht vertragstreu verhalten hat oder
dieses Angebot für den Beklagten inakzeptabel war. Dazu bot das Vorbringen
des Beklagten keinen hinreichenden Anlass. Denn der Beklagte hat es
versäumt, wesentliche Umstände vorzutragen, die eine Prüfung der
Treuwidrigkeit der Klägerin erst möglich gemacht hätte. Das gilt
insbesondere für die Marktüblichkeit des vertraglich vereinbarten
Nominalzinssatzes von 7,125% p.a. bei 90% Auszahlung im Jahre 1991, die
Entwicklung der Zinsen für Personalkredite in Schweizer Franken bis zum
Jahre 2000 sowie zu seiner für die Risikoprämie der Klägerin bedeutsamen
Bonität trotz mehrmonatiger Zinsrückstände mit zum Teil mehr als 1.500 CHF.
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