Abtretungsausschluss im Reisevertrag in AGB,
Reisemangel, Aufwendungsersatz für Abhilfe nach §
651c III BGB: Entbehrlichkeit von Fristsetzung
und Abhilfeverlangen; Schadensersatzanspruch nach § 651f I BGB: Aufwand des
Deckungsgeschäfts als ersatzfähiger Schaden (Zurechnungszusammenhang beim
Deckungsgeschäft, psychisch vermittelte Kausalität in sog.
"Herausforderungsfällen"); "erhebliche" Reisebeeinträchtigung als
Voraussetzung einer Kündigung nach § 651e BGB sowie eines
Entschädigungsanspruchs nach § 651f II BGB
BGH, Urteil vom 17. April 2012 - X ZR
76/11
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Eine Klausel in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters, in der bestimmt ist
"Die Abtretung von Ansprüchen gegen (den Reiseveranstalter), deren
Rechtsgrund in Leistungsstörungen liegt, ist ausgeschlossen.",
benachteiligt den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen und ist daher unwirksam.
b) Verlegt der Veranstalter einer Flugreise den Rückflug vertragswidrig in
die frühen Morgenstunden des vereinbarten Rückreisetags und weigert sich
ausdrücklich oder stillschweigend, dem Reisemangel abzuhelfen, kann der
Reisende grundsätzlich die Erstattung der Kosten eines anderweitigen
Rückflugs verlangen, mit dem er seine vertragsgemäße Rückreise sicherstellt.
c) Ob ein Reisemangel die Reise erheblich beeinträchtigt, ist nach dem
Anteil des Mangels in Relation zur gesamten Reiseleistung sowie danach zu
beurteilen, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat.
Ein Reisemangel verliert insoweit nicht an Gewicht, wenn der Preis der Reise
besonders gering war.
Zentrale Probleme:
Ein sehr lehrreicher Fall zu
Grundfragen des Reiserechts, wie sie - wohl abgesehen von der AGB-Frage -
auch Gegenstand einer Klausur sein könnten. Von allgemeinem Interesse sind
auch die Ausführungen zur Kausalität bei Schaden durch ein Deckungsgeschäft.
Für das Prozessrecht nicht uninteressant sind auch die Ausführungen zur
beweisrechtlichen Stellung der Partei und der Würdigung ihrer Aussagen im
Prozess. Lesen!
Zum Entschädigungsanspruch für vertane Urlaubszeit s. auch BGH NJW 2005, 1047;
zum Entlastungsbeweis bei § 651 f s. BGH NJW 2005, 418;
zur haftungsausfüllenden Kausalität s. auch
BGH NJW 2005, 1420. Zur
Entbehrlichkeit der Mängelanzeige nach § 651d II s.
BGH v. 19.7.2016 - X ZR 123/15.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht gegenüber dem
beklagten Reiseveranstalter Ansprüche wegen einer Minderung des Reisepreises
und Schadensersatz geltend.
2 Der Lebensgefährte der Klägerin buchte im Februar 2009 für sich
und die Klägerin bei der Beklagten eine einwöchige Pauschalreise in die
Türkei zum Preis von 369 € pro Person mit einem Hinflug am 25. Mai 2009 um
20 Uhr von München und einem Rückflug am 1. Juni 2009 um 16.40 Uhr. In den
in den Vertrag einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen behielt sich
die Beklagte die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und Streckenführung
vor, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird,
und wurde die Abtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte, die auf
Leistungsstörungen beruhen, ausgeschlossen. Der Rückflug wurde am Vortag auf
5.15 Uhr des 1. Juni 2009 vorverlegt, wozu die Reisenden um 1.25 Uhr am
Hotel abgeholt werden sollten. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte bemühten
sich um einen anderen Rückflug, den sie an dem vorgesehenen Rückflugtag um
14.00 Uhr antraten und selbst bezahlten. Der Lebensgefährte der Klägerin
trat ihr seine Ansprüche ab.
3 Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des gesamten
Reisepreises abzüglich 70 € für in Anspruch genommene Verpflegungsleistungen
und eines bereits gezahlten Minderungsbetrages von 42,16 €. Weiterhin
begehrt sie Ersatz von 504,52 € für die Rücktransportkosten, 7 € für ein
nicht erhaltenes Abendessen, 46 € für Telefonkosten und eine Entschädigung
wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 480,80 € für sich selbst
und von 2.193,10 € für ihren Lebensgefährten. Das Amtsgericht hat der Klage
in Höhe von 25 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die dagegen
gerichtete Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihren
Berufungsantrag in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
4 I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin könne
nur ihre eigenen Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen; Ansprüche
ihres Lebensgefährten stünden ihr nicht zu. Dieser habe seine Ansprüche
nicht abtreten können, weil eine Abtretung wirksam in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten ausgeschlossen worden sei. Dieser
Ausschluss verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1, § 138 BGB, denn es seien keine
berechtigten Belange des Kunden für eine Abtretbarkeit zu erkennen, die das
schützenswerte Interesse der Beklagten an den Abtretungsausschluss
überwögen.
5 Zugunsten der Klägerin sei eine Minderung des auf sie entfallenden
Reisepreises über die bereits geleistete Zahlung der Beklagten hinaus nur in
Höhe der vom Amtsgericht zugebilligten weiteren 25 € zu erkennen. Die
Vorverlegung des Rückfluges sei ein Reisemangel im Sinne der §§ 651c, 651d
BGB, nicht jedoch eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne des §
651e BGB, der zur Kündigung berechtige. Faktisch sei der Klägerin zwar ein
halber Urlaubstag entgangen und die Nachtruhe vor dem Rückflug entfallen.
Mit einer solchen Beeinträchtigung müsse aber der Reisende in den Zeiten des
Massentourismus, insbesondere bei besonders günstigen Reisen wie im
Streitfall, wegen der Besonderheiten des Charterflugverkehrs stets rechnen.
Auch bei einer solchen Reise könne er nicht geltend machen, dass damit der
gesamte Erholungswert der Reise beeinträchtigt sei.
6 Der Klägerin stehe kein Schadensersatz gemäß § 651f Abs. 1 BGB zu, weil
die geltend gemachten materiellen Schäden auf dem Entschluss der Reisenden
beruht hätten, in Eigenregie zu einem späteren Zeitpunkt zurück zu fliegen.
Dies sei eine ungewöhnliche Reaktion eines Pauschalreisenden, die einem
Zurechnungszusammenhang in Bezug auf die Vorverlegung des Rückfluges
entgegenstehe. Für einen Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter
Urlaubszeit gemäß § 651f Abs. 2 BGB fehle es an einer erheblichen
Beeinträchtigung der Reise.
7 II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
8 1. Die Klägerin kann im Streitfall aufgrund des
Abtretungsvertrages mit ihrem Mitreisenden auch dessen Ansprüche gegenüber
der Beklagten geltend machen. Der Ausschluss dieser Abtretung in den mit der
Beklagten vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam, denn
er stellt eine den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechende
unangemessene Benachteilung des Reisenden dar (§ 307 Abs. 1 BGB).
9 a) Grundsätzlich ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn
gerichteten Forderungen ausschließt, wirksam. Ein Abtretungsausschluss führt
nicht notwendig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers,
andererseits schützt er die berechtigten Interessen des Schuldners an der
Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung. Grundsätzlich darf er
deshalb mit einem Verbot oder zumindest einer Beschränkung der
Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und
verhindern, dass ihm hierbei eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von
Gläubigern entgegentritt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist
daher ein Ausschluss der Abtretung durch allgemeine Geschäftsbedingungen
wiederholt anerkannt worden, insbesondere wenn er die
Hauptleistungspflichten des Verwenders betrifft (BGH, Urteile vom
28. November 1968 - VII ZR 157/66, BGHZ 51, 113, 117 ff.; vom 12. Mai 1971 -
VIII ZR 196/69, BGHZ 56, 173, 175 ff.; vom 18. Juni 1980 - VIII ZR 119/79,
BGHZ 77, 274, 275 f.; vom 3. Dezember 1987 - VII ZR 374/86, BGHZ 102, 293,
300; vom 24. September 1980 - VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117, 118; vom 9.
Februar 1990 - V ZR 200/88, BGHZ 110, 241 unter II 2). Indessen ist
eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse
des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die
berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher
Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen
(vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 1975 - II ZR 64/74, BGHZ 65,
364, 366 unter 1; vom 9. November 1981 - II ZR 197/80, BGHZ 82, 162, 171
unter III 6; vom 15. Juni 1989 - VII ZR 205/88, BGHZ 108, 52 unter I 1; vom
9. Februar 1990, aaO unter II 2 a).
10 Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen sind ein
generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende
Betrachtungsweise zugrunde zu legen; auf die speziellen Umstände des
Einzelfalls kommt es insoweit nicht an, sondern darauf, wie die Klausel
unter Berücksichtigung aller nicht fernliegender Fallgestaltungen verwendet
werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 1996 - VII ZR 259/94, BGHZ 132,
383 unter III 2 b cc mwN; vom 21. Februar 2001 - IV ZR 11/00, NJW 2001, 3406
unter 3 b cc; Erman/Roloff, BGB, 13. Aufl., § 307 Rn. 5).
11 b) Im Streitfall sind die Interessen der Beklagten für einen
Abtretungsausschluss nur von geringem Gewicht.
12 aa) Der Abtretungsausschluss betrifft Ansprüche, die auf
Leistungsstörungen beruhen. Die Hauptleistungspflichten der Beklagten werden
von ihm nicht erfasst. Deren Übertragung wäre auch wegen § 651b BGB im
Ergebnis nur unter bestimmten Bedingungen zu verhindern. Das
Interesse an einer übersichtlichen Vertragsabwicklung und der Vorteil, mit
einem Abtretungsausschluss eine Vielzahl von gegebenenfalls mehrfach
wechselnden Gläubigern verhindern zu können, wirkt sich jedoch in erster
Linie bei der Erfüllung der Hauptleistungspflichten aus, weil der
Reiseveranstalter diese eigenverantwortlich organisieren muss und ein
Wechsel in der Person des Gläubigers die organisatorischen Anstrengungen
belastet.
13 Hingegen unterliegt die Erfüllung von Ansprüchen, die wie im Streitfall
auf Leistungsstörungen beruhen, nicht einem vorgegebenen Zeitplan; die
Ansprüche werden regelmäßig auch nicht in Gegenwart des Gläubigers erbracht.
Die Person des Gläubigers gewinnt typischerweise nur für den Adressaten der
anlässlich dieser Ansprüche zu führenden Korrespondenz und das für eine
Zahlung zu wählende Konto eine Bedeutung. Ein höherer Aufwand ist damit für
die Beklagte kaum festzustellen.
14 bb) Allerdings kann die Beklagte mit einem Abtretungsausschluss
vermeiden, dass der Reisende, für dessen Person Gewährleistungs- und
Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, in einem Rechtsstreit
hierüber als Zeuge aussagen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. April
2004 - IV ZR 113/03, NJW-RR 2004, 1100 unter II 2 b). Ohne eine Abtretung
kann der Reisende die Durchsetzung solcher Ansprüche nur als Kläger
verfolgen, womit er hinsichtlich des Beweises eigener Wahrnehmung nur im
Wege der Parteianhörung und der Parteivernehmung gehört werden kann.
Diese Einschränkung wirkt sich aber bei Fehlen anderer Beweismittel
größtenteils nur formal aus. Im Prozess ist das Gericht gehalten, die Partei
jedenfalls gemäß § 141 ZPO anzuhören, deren Glaubwürdigkeit und die
Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen und
gegebenenfalls die Partei von Amts wegen gemäß § 448 ZPO zu vernehmen
(vgl. BGH, Urteile vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363,
364 unter II 2 b bb; vom 22. Mai 2001 - VI ZR 268/00, NJW-RR 2001, 1431,
1432 unter II 1 a; vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61,
63 unter II 3 b; vom 9. Juni 2011 - IX ZR 75/10, NJW 2011, 2889 Rn. 19).
Der prozessuale Vorteil für die Beklagte, mit dem
Abtretungsausschluss eine Zeugenstellung des Reisenden verhindern zu können,
dem zugleich ein prozessualer Nachteil auf Seiten des Reisenden entspricht,
hat deshalb bei Beachtung der vorgenannten Grundsätze nur einen
geringfügigen Einfluss auf den Verlauf des Prozesses und sollte keinen
entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis eines Rechtsstreits haben.
15 cc) Für die von der Beklagten geltend gemachte Gefahr, der ursprüngliche
Gläubiger könne durch eine Abtretung einen mittellosen Zessionar
vorschieben, gegen den im Falle einer Klageabweisung
Prozesskostenerstattungsansprüche nicht wirksam vollstreckt werden könnten,
sieht der Senat nur eine geringe praktische Relevanz.
16 c) Dem gegenüber sind Interessen zugunsten des Reisenden zu
erkennen, die einem Abtretungsausschluss entgegenstehen.
17 aa) Allerdings ergeben sich diese Interessen nicht aus
Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Geltendmachung von
Gewährleistungsansprüchen, um der Ausschlussfrist gemäß § 651g Abs. 1 BGB
gerecht werden zu können (aA OLG Köln, RRa 2009, 18 unter II 2). Bei
Familien- oder Gruppenreisen kann es zwar vorkommen, dass sich nach der
Reise nur eine Person um die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten
kümmert und diese dabei nicht bedenkt, welche Ansprüche welchem Reisenden
rechtlich zustehen und inwieweit danach eine Vollmacht erforderlich wäre.
Ein solches Übersehen führt indessen kaum dazu, dass stattdessen ein
Abtretungsvertrag über die Ansprüche geschlossen wird. Ein Abtretungsvertrag
ist auch im Nachhinein nicht erforderlich, um eine Anspruchsanmeldung im
Sinne des § 651g Abs. 1 BGB auf alle betroffenen Reisenden zu erstrecken.
Hierfür reicht es in der Regel aus, die fremde Ansprüche betreffende
Anspruchsanmeldung, für die als geschäftsähnliche Handlung die Regeln der
Stellvertretung Anwendung finden, nachträglich zu genehmigen (vgl.
BGH, Urteil vom 26. Mai 2010
- Xa ZR 124/09, NJW 2010, 2950 Rn. 17 ff.).
18 bb) Indessen kann für die von den allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise das
Bedürfnis entstehen, die aus dem Reisevertrag resultierenden
Gewährleistungsansprüche an den Mitreisenden abtreten zu können, dem sie
wirtschaftlich zustehen.
19 Für Reisebuchungen, die mehrere als Gruppe oder als Familie
zusammen reisende Personen betreffen, hat die Rechtsprechung und Literatur
verschiedene Grundsätze entwickelt, den jeweiligen Vertragspartner des
Reiseveranstalters zu bestimmen, der zur Zahlung des Reisepreises
verpflichtet und zur Geltendmachung von Minderungsansprüchen sowie zur
Erklärung einer Kündigung berechtigt ist (s. dazu OLG Düsseldorf,
NJW 1988, 636 f. unter II 1; OLG Hamburg, RRa 1996, 132; OLG Frankfurt am
Main, NJW-RR 2004, 1285 unter II 2.2; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., § 5 Rn.
117 f.; Staudinger/Staudinger, BGB, Bearb. 2011, § 651a Rn. 85 bis 86;
MünchKomm-BGB/Tonner, 5. Aufl., § 651a Rn. 84 bis 89). Mit diesen
Grundsätzen wird versucht, diejenige Person der Reisegruppe als
Vertragspartner des Reiseveranstalters zu bestimmen, die wirtschaftlich
innerhalb der Gruppe für den Reisepreis letzten Endes aufzukommen hat.
Gleichwohl kann dieses Ziel in einer nicht unerheblichen Zahl der
Fälle nicht erreicht werden, weil der Buchende bei der Buchung die zur
Übernahme des Reisepreises unter den Reiseteilnehmern intern getroffenen
Absprachen nicht offenbart.
20 In diesen Fällen haben die Reiseteilnehmer im Falle von
Minderungsansprüchen und Ansprüchen auf Rückzahlung des Reisepreises nach
einer Kündigung das Interesse, diese Ansprüche untereinander an denjenigen
abzutreten, der für die Zahlung des Reisepreises aufgekommen ist, weil
diesem die Rückzahlungen am Ende auch zukommen sollen. Das
Auseinanderfallen von vertraglich berechtigtem Anspruchsinhaber und
wirtschaftlich an der Rückzahlung Berechtigten würde dazu führen, dass der
Anspruchsinhaber einen Anspruch gegebenenfalls gerichtlich verfolgen und
hierfür auch zunächst das Prozesskostenrisiko tragen müsste, obwohl ihm
dieser Anspruch letzten Endes nicht zugute kommt. Dies widerspräche in
erheblichem Maße einem interessengerechten Vorgehen für die Geltendmachung
solcher Ansprüche.
21 d) Infolgedessen ist angesichts des geringen Gewichts der
Interessen des Reiseveranstalters an einem Ausschluss der Abtretung von
Ansprüchen der Reisenden, die auf Leistungsstörungen beruhen, ein deutliches
Übergewicht für die Interessen der Reisenden zu erkennen, die ihnen sich aus
§ 398 BGB bietende Möglichkeit einer Abtretung solcher Ansprüche wahrnehmen
zu können. Die sich daraus ergebende unangemessene Benachteiligung der
Kunden der Beklagten führt gemäß § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit des
Abtretungsausschlusses.
22 2. Ansprüche der Reisenden auf den Ersatz der Kosten für den in
Eigenregie gebuchten Rückflug nach München sind auf der Grundlage der vom
Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen.
23 a) Nach § 651c Abs. 3 BGB kann der Reisende den Ersatz der
Aufwendungen verlangen, die er erbringen musste, um einem Reisemangel selbst
abzuhelfen, wenn er zuvor vom Reiseveranstalter erfolglos Abhilfe innerhalb
einer angemessenen Frist verlangt hat. Der Fristsetzung bedarf es nicht,
wenn die Abhilfe vom Reiseveranstalter verweigert wird oder die sofortige
Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten ist (§ 651c
Abs. 3 Satz 2 BGB). Gegebenenfalls kann auch das Abhilfeverlangen
entbehrlich sein, wenn der Reiseveranstalter von vornherein
unmissverständlich zu erkennen gibt, zur Abhilfe nicht bereit zu sein, wobei
sich eine solche Verweigerung auch aus den Umständen ergeben kann, etwa wenn
der Reiseveranstalter den Reisemangel bewusst begründet und ihn als
unvermeidlich darstellt (vgl. AG Hamburg-Altona, RRa 2000, 182;
MünchKomm-BGB/Tonner, aaO, § 651c Rn. 62). In diesen Fällen wäre ein
Abhilfeverlangen eine unnötige Förmelei, an der kein vertraglich relevantes
Interesse besteht.
24 b) Gemäß § 651f Abs. 1 BGB kann der Reisende weiterhin Ersatz für
den Schaden verlangen, der ihm dadurch entstanden ist, dass er dem
Reisemangel selbst abgeholfen hat, es sei denn der Reiseveranstalter hat den
Umstand, auf dem der Mangel beruht, nicht zu vertreten. Auch insoweit ist
für einen Ersatz des Schadens grundsätzlich ein vorangegangenes
Abhilfeverlangen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 20. September
1984 - VII ZR 325/83, BGHZ 92, 177 unter I 2).
25 Ist ein Schadensersatzanspruch gemäß § 651f Abs. 1 BGB dem Grunde
nach gegeben, ist dieser als Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf das
positive Leistungsinteresse des Reisenden gerichtet. Der Reisende ist mithin
so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Reiseveranstalter den Vertrag
mangelfrei erfüllt hätte (vgl. zu § 281 BGB: BGH, Urteil vom 11.
Februar 2009 - VIII ZR 328/07, JZ 2010, 44 Rn. 20). Der
Ersatzanspruch umfasst insbesondere den Ersatz des Aufwandes aus einem
Deckungsgeschäft, das im Sinne einer Selbstabhilfe zur Behebung eines
Mangels darauf gerichtet ist, dem Gläubiger den geschuldeten Leistungserfolg
doch noch zu verschaffen (vgl. zu § 635 BGB aF: BGH, Urteile vom
10. März 2005 - VII ZR 321/03, NJW-RR 2005, 1039 unter II 2 a mwN; zu § 326
BGB aF: vom 27. Mai 1998 - VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901 unter II 2 b).
Damit sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Reisenden
aus der mangelhaften Reiseleistung entstanden sind. Der Zweck dieses
Anspruchs würde unterlaufen, wenn der Reiseveranstalter als Ausgleich für
das mangelhafte Werk nur Ersatz der objektiven Minderung der Reiseleistung
schuldete, auch wenn der Ersatz der Aufwendungen für eine Selbstabhilfe
wesentlich höher ausfällt (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2005, aaO
Rn. 11, 13).
26 c) Das Berufungsgericht hat einen Reisemangel auch unter Berücksichtigung
der Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, in den sich die
Beklagte die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und der Streckenführung
vorbehalten hat, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht
beeinträchtigt wird, bejaht. Angesichts des Umstands, dass die Abreisezeit
um fast einen halben Tag und unter Berücksichtigung der für den Transfer
notwendigen Zeit in die Nacht zum vorgesehenen Abreisetag vorverlegt wurde,
lässt dies keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der
Revisionsbeklagten nicht angegriffen.
27 d) Das Berufungsgericht hat weder Feststellungen dazu getroffen, ob die
Klägerin und ihr Lebensgefährte zuvor Abhilfe verlangt und hierfür eine
Frist gesetzt haben, noch ob eine solche Abhilfe verweigert oder ein
entsprechendes Verlangen aus anderen Gründen entbehrlich war. Für die
weitere revisionsrechtliche Prüfung ist dies zugunsten der Klägerin zu
unterstellen.
28 e) Davon ausgehend sind nicht nur die Voraussetzungen für einen
Ersatzanspruch gemäß § 651c Abs. 3 BGB, sondern auch diejenigen für einen
Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens gemäß § 651f Abs. 1 BGB dem
Grunde nach erfüllt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es für
einen Schadensersatzanspruch gemäß § 651f Abs. 1 BGB nicht an einem
Zurechnungszusammenhang zwischen dem Reisemangel und den Handlungen der
Klägerin und ihres Lebensgefährten zum Abschluss des Deckungsgeschäfts.
29 Der für den Schadensersatz notwendige Zurechnungszusammenhang
setzt voraus, dass für solche Schäden, die mitursächlich auch auf einem
Willensentschluss des Geschädigten beruhen, nach dem haftungsbegründenden
Ereignis ein rechtfertigender Anlass bestand oder dieser Willensentschluss
durch das haftungsbegründende Ereignis zumindest herausgefordert oder
wesentlich mitbestimmt wurde und dieser Entschluss keine ungewöhnliche
Reaktion darauf darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 -
X ZR 169/99, NJW 2001, 512 unter 2 d; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor
§ 249 Rn. 41; jeweils mwN). Der Zweck des Schadensersatzanspruchs,
dem Reisenden nach Möglichkeit den beeinträchtigten Leistungserfolg doch
noch zugute kommen zu lassen, begründet regelmäßig einen rechtfertigenden
Anlass zum Abschluss eines Deckungsgeschäfts, das geeignet ist, den
Reisemangel vollständig oder zumindest weitgehend zu beheben. Auf
die Üblichkeit eines solchen Verhaltens kommt es hierfür nicht an. Insoweit
bleibt es ohne Bedeutung, wie häufig Pauschalreisende versuchen, einen
Mangel der hier vorliegenden Art durch eine Ersatzbuchung selbst zu
beseitigen.
30 3. Hingegen hat das Berufungsgericht die weiterhin geltend
gemachten Ansprüche auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen nutzlos
aufgewendeter Urlaubszeit (§ 651f Abs. 2 BGB) und die auf eine Kündigung des
Reisevertrages gestützten Rückforderungsansprüche für den Reisepreis (§ 651e
BGB) im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
31 a) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können solche
Ansprüche allerdings nicht verneint werden.
32 Sowohl eine Kündigung des Reisevertrags gemäß § 651e BGB als auch
ein Entschädigungsanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß §
651f Abs. 2 BGB sind dem Reisenden eröffnet, wenn die Reise "erheblich
beeinträchtigt" wird. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist für
beide Vorschriften grundsätzlich einheitlich auszulegen (vgl. MünchKomm-BGB/Tonner,
5. Aufl., § 651f Rn. 51). Ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise
vorliegt, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung, die vom
Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. BGH Urteil
vom 20. September 1984 - VII ZR 325/83, BGHZ 92, 177 unter III). Die
revisionsrechtliche Überprüfung bezieht sich dabei - abgesehen von hier
nicht gerügten Verfahrensfehlern - darauf, ob der Tatrichter die dem Zweck
und der Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs entsprechenden
Wertungsmaßstäbe angewendet und deren Grenzen zutreffend erkannt sowie alle
hierfür wesentlichen Tatsachen, Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet hat
(vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 546 Rn. 12; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3.
Aufl., § 546 Rn. 14; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 546 Rn. 12).
33 Das Berufungsgericht hat im Streitfall die Grenzen der tatrichterlichen
Würdigung überschritten, indem es die Erheblichkeit des Reisemangels
insbesondere mit der Erwägung verneint hat, der Preis der Reise sei
besonders niedrig gewesen.
34 Ein hoher Reisepreis kann zwar neben anderen Aspekten einen erhöhten
Qualitätsstandard für die Reiseleistung begründen und damit die Schwelle für
das Vorliegen eines Mangels senken. Damit kann der Reisepreis Einfluss
darauf haben, ob ein Reisemangel vorliegt und als ein Kriterium für die
Grenze zwischen Mangelfreiheit und der Bejahung eines Reisemangels wirken.
Für die Wertung der Erheblichkeit eines Reisemangels im Sinne der §§ 651e,
651f Abs. 2 BGB kommt es aber auf diese Grenze auch nicht in dem Sinne an,
welchen Abstand der festgestellte Mangel zu dieser Grenze hat. Für diese
Wertung bildet der Reisepreis deshalb keinen Maßstab und hat dieser darauf
keinen Einfluss. Vielmehr ist für die Erheblichkeit der
Beeinträchtigung darauf abzustellen, welchen Anteil der Mangel in Relation
zur gesamten Reiseleistung hat, sowie darauf, wie gravierend sich der Mangel
für den Reisenden ausgewirkt hat. Dabei ist das Maß, mit dem ein
Mangel die Reise beeinträchtigt, aufgrund einer an Zweck und konkreter
Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung
orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (BGH Urteil vom 7. Oktober 2008 -
X ZR 37/08, NJW 2009, 287 Rn. 15). Die Auswirkungen eines den Mangel
begründenden Ereignisses können insoweit im Einzelfall auch den
Erholungswert der Reise in der davor liegenden Zeit beeinträchtigen
(vgl. BGH Urteil vom 15. Juli 2008 - X ZR 93/07, BGHZ 177, 249 unter I 2 b).
Ein Reisemangel verliert indessen nicht an Gewicht und wird auch nicht
erträglicher, wenn der Preis der Reise besonders gering war.
35 b) Die Abweisung der auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise
gestützten Ansprüche erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend.
36 Die geltend gemachte erhebliche Beeinträchtigung der Reise wird von der
Klägerin in der Vorverlegung des Rückflugs in die frühen Morgenstunden des
1. Juni 2009 gesehen. Den darin zugleich liegenden Mangel der Reise
haben die Reisenden jedoch dadurch beseitigt, dass sie den von der Beklagten
angebotenen Rückflug nicht genutzt haben, sondern im Wege der Selbstabhilfe
einen anderen Rückflug zu der ursprünglich vorgesehenen Zeit angetreten
haben. Für eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise ist hiernach kein
Raum.
37 4. Soweit das Berufungsgericht die Abweisung des Anspruchs auf Erstattung
von Telefonkosten in Höhe von 46 € mit der Begründung bestätigt hat, es
fehle insoweit an einem Berufungsangriff, ist auch die Revision nicht
begründet worden. Das Berufungsurteil hat daher auch insoweit Bestand.
38 III. Im Übrigen ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen
Feststellungen zum Vorliegen eines Abhilfeverlangens nebst Fristsetzung oder
deren Entbehrlichkeit sowie gegebenenfalls zu den den Reisenden durch die
Selbstabhilfe entstandenen Aufwendungen zu treffen haben wird, die in Höhe
von 504,52 € geltend gemacht wurden. Da die Beklagte den Reisenden
vorprozessual bereits 42,16 € gezahlt und das Amtsgericht der Klägerin
weitere 25 € zuerkannt hat, ist insoweit noch über einen Klagebetrag von
437,36 € zu entscheiden.
|