Europarechtliche Amtshaftung wegen legislativen
Unrechts bei Verstoß gegen Unionsrecht - Erfordernis eines "qualifizierten
Verstoßes"; Amtshaftung nach § 839 BGB
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 -
III ZR 197/11 - OLG München
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Die Behörden im Freistaat Bayern haben nicht
dadurch in hinreichend qualifizierter Weise gegen Unionsrecht verstoßen,
dass sie bis zum 31. Dezember 2007 den Vertrieb von Sportwetten durch andere
Anbieter als die im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammen geschlossenen
Lotterieunternehmen der Länder untersagt haben. Auch ein
Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1, Art. 34 Satz 1 GG scheidet insoweit
aus, weil die Untersagungsverfügungen zwar objektiv rechtswidrig waren, es
jedoch am Verschulden der Amtsträger fehlt.
b) Die bayerischen Verwaltungsgerichte, die die Untersagungsverfügungen und
die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehbarkeit nicht aufgehoben haben, haben
ebenfalls nicht in hinreichend qualifizierter Weise gegen Unionsrecht
verstoßen.
c) Auch der bayerische Gesetzgeber hat nicht in hinreichend qualifizierter
Weise gegen Unionsrecht verstoßen, indem er das Sportwettenmonopol bis zum
31. Dezember 2007 aufrechterhalten hat.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Amtshaftung des Freistaats Bayern und
seiner Behörden für Untersagungsverfügungen gegenüber Anbietern von
Sportwetten zu einem Zeitpunkt, als die entsprechenden Urteile des EuGH noch
nicht vorlagen. Dabei ist sowohl ein genuin unionsrechtrechtlicher
Staatshaftungsanspruch als auch § 839 BGB zu prüfen. Der größte Unterschied
zwischen beiden Ansprüchen besteht insbesondere darin, dass ein
unionsrechtlicher Anspruch auch für eine Haftung des Gesetzgebers wegen
legislativen Unrechts (was § 839 BGB iVm Art. 34 BGB ausschließen) in
Betracht und kein Richterprivileg (s. § 839 II BGB) besteht (s. dazu
EuGH v. 13.6.2006, Rs. C-173/03).
Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch ergibt sich unmittelbar aus dem
EU-Recht (s. dazu grundlegend
EuGH Slg. 1991, I-5357
- Francovich sowie
EuGH Slg. 1999, I-3499
- Rechberger,
EuGH, Urt. v. 4.7.2006, Rs.
C-212/04 - Adeneler sowie
BGH v. 24.11.2005 - III ZR 4/05), setzt aber einen qualifizierten Verstoß
voraus. Einen solchen verneint der Senat hier. S. dazu auch
BGH v. 26.4.2012 -
III ZR 215/11.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Klägerin, eine in Gibraltar
ansässige Anbieterin von Sportwetten, macht gegen die Stadt P. (Beklagte zu
1) sowie gegen den Freistaat Bayern (Beklagter zu 2) aus eigenem und aus
abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung europäischen
Rechts geltend.
2 Die Klägerin verfügt über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden für
die Veranstaltung von Sportwetten. Die von ihr unter anderem in Bayern
angebotenen Wetten vertrieb sie - neben ihrer Präsenz im Internet - auch
über Wettbüros, welche von selbständigen Geschäftsbesorgern geführt wurden.
Ein solcher Geschäftsbesorger (im Folgenden: Zedent) betrieb im Gebiet der
Beklagten zu 1 ein Wettbüro und trat der Klägerin später seine
Schadensersatzansprüche ab.
3 Mit Verfügung vom 21. April 2005 untersagte die Beklagte zu 1 dem Zedenten
die Vermittlung von Sportwetten und ordnete die sofortige Vollziehung ihres
Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 4 VwGO an. Sie stützte sich auf die
Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und
Verordnungsgesetzes in Verbindung mit § 284 StGB und §§ 3, 5 Abs. 2 des
Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (gültig vom 1. Juli 2004
bis 31. Dezember 2007) und führte an, dem Zedenten fehle die notwendige
staatliche Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten.
4 Auf den gegen diese Verfügung gerichteten Widerspruch des Zedenten hob die
Beklagte zu 1 zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auf, half
dem Rechtsmittel jedoch im Übrigen nicht ab und legte den Vorgang der
Regierung von N. als zuständiger Widerspruchsbehörde vor. Mit Bescheid vom
9. Juni 2006 wies die Regierung von Niederbayern den Widerspruch des
Zedenten gegen die Untersagungsverfügung zurück und ordnete deren sofortige
Vollziehung wieder an.
5 Der Zedent erhob daraufhin Klage gegen die Verfügung der Beklagten zu 1
vor dem Verwaltungsgericht R. und stellte den Antrag, die aufschiebende
Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Mit Beschluss
vom 22. August 2006 wies das Verwaltungsgericht diesen Antrag zurück. Zum 1.
Oktober 2006 stellte der Zedent die Vermittlung von Sportwetten der Klägerin
ein. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2006 wies der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Zedenten gegen die Abweisung
seines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zurück.
6 Die Klägerin sieht in dem Erlass der behördlichen
Untersagungsverfügung, den im Folgenden ergangenen verwaltungsgerichtlichen
Entscheidungen sowie in der Schaffung beziehungsweise Aufrechterhaltung der
Vorschriften des Staatsvertrags jeweils qualifizierte Verstöße gegen das
Recht der Europäischen Union. Sie hat von den Beklagten als
Gesamtschuldnern die Zahlung von zunächst 30.000 € als Ersatz eigenen
Schadens und solchen des Zedenten im Jahr 2006 verlangt. Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre
Klageforderung um 120.000 € (Schadensersatz für 2007) erhöht hat, ist ohne
Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
7 Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
8 Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin
Schadensersatz weder nach den Grundsätzen des gemeinschafts- beziehungsweise
unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs noch aus § 839 BGB, Art. 34 GG
oder aus enteignungsgleichem Eingriff verlangen.
9 Im Hinblick auf einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hat sich
das Berufungsgericht die Auffassung des Landgerichts zu eigen gemacht, die
Beklagten hätten zwar objektiv die europarechtlich gewährleistete
Dienstleistungsfreiheit der Klägerin und des Zedenten verletzt. Das
Landgericht hat hierzu ausgeführt, nach Urteilen des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 8. September 2010 genüge das in den deutschen Ländern
bestehende Sportwettenmonopol nicht der für einen gerechtfertigten Eingriff
in die europäische Dienstleistungsfreiheit erforderlichen Kohärenz, da
Pferdewetten und bestimmte andere Glückspiele (z.B. Automatenspiele) der
Gewerbefreiheit unterlägen, obgleich sie ein höheres Suchtpotential
beinhalteten, als die dem Monopol unterfallenden Sportwetten. In
Übereinstimmung mit der Vorinstanz hat das Berufungsgericht gemeint, es
fehle jedoch an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht.
Bis zu den Urteilen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 sei die
Rechtsfrage, ob das Sportwettenmonopol gegen europäisches Recht verstoße,
nicht in dem Maße geklärt gewesen, als dass die Maßnahmen der Beklagten als
offenkundige Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht einzustufen gewesen seien.
10 Auch durch das das bayerische Sportwettenmonopol betreffende Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 sei der Beurteilungs- und
Ermessensspielraum der Beklagten nicht entfallen oder auf Null reduziert
worden. Weder habe das Bundesverfassungsgericht darin ausdrücklich die
Verletzung unionsrechtlicher Vorschriften festgestellt, noch beinhalteten
die Feststellungen denknotwendig eine solche. Auch der Gerichtshof der
Europäischen Union habe ausgeführt, dass sich das Bundesverfassungsgericht
in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 sowie in einem Beschluss vom 2.
August 2006 nicht zur Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit dem
Unionsrecht geäußert habe. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, das
Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass die
maßgebliche bayerische Norm nicht nichtig sei und während der eingeräumten
Übergangsfrist Eingriffe in das Grundrecht nach Art. 12 GG rechtfertige.
Dass eine solche Übergangsfrist auch auf europarechtlicher Ebene
gerechtfertigt sein könne, habe der Gerichtshof der Europäischen Union
erstmals in seiner Entscheidung vom 8. September 2010 in Sachen "Winner
Wetten" verneint.
11 Soweit die Klägerin den Verwaltungsgerichten vorwerfe, eine Vorlage an
den Gerichtshof der Europäischen Union unterlassen zu haben, stelle dies
ebenfalls keinen offenkundigen Verstoß gegen europäisches Recht dar, da eine
Vorlagepflicht nach Art. 234 EGV (nunmehr Art. 267 AEUV) für Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht bestehe.
12 Ansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG und enteignungsgleichem
Eingriff schieden ebenfalls aus.
II.
13 Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
14 1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass die
Klägerin als (gibraltarische) Veranstalterin von Sportwetten und die für sie
auf der Grundlage von Geschäftsbesorgungsverträgen tätigen (deutschen)
Vermittler Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV)
angeboten haben (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C 316/07 u.a.
- Stoß u.a., NVwZ 2010, 1409 Rn. 56 ff). Weiterhin steht aufgrund
der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010
(C-46/08 - Carmen Media, NVwZ 2010, 1422; Stoß aaO; C-409/06 -
Winner Wetten - NVwZ 2010, 1419) fest, dass das in Bayern bis 2008
gemäß dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 20. Juni 2004 (BayGVBl.
S. 230) geltende Sportwettenmonopol, aufgrund dessen ausschließlich die im
Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossenen Lotterieunternehmen der
Länder Sportwetten ("ODDSET") anbieten und (über die Lottoannahmestellen
sowie über das Internet) vertreiben durften, und damit die darauf beruhenden
Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen der Bediensteten zu 1 und 2 objektiv
mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar waren: Die Regelungen, die
der Eindämmung der Spielsucht dienen sollten, verstießen gegen das in den
Urteilen des Gerichtshofs statuierte Kohärenzgebot, da eine Reihe von
Glückspielen (insbesondere Automatenspiele), die nicht unter das staatliche
Monopol fielen, ein höheres Suchtpotential aufweisen als jene, für die das
Monopol galt. Zudem beanstandete der Gerichtshof in den die Rechtslage in
Schleswig-Holstein und Hessen betreffenden Entscheidungen Carmen Media und
Stoß die Durchführung intensiver Werbekampagnen durch den Inhaber des
staatlichen Monopols auf Sportwetten.
15 2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Verletzung der
Dienstleistungsfreiheit durch die Beklagten stelle keinen hinreichend
qualifizierten Verstoß gegen das europäische Recht dar, wie er für einen
gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch
erforderlich sei (so auch zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen OLG
Köln, Urteil vom 3. Mai 2012 - 7 U 194/11, juris, Rn. 20 ff), ist im
Ergebnis gleichfalls nicht zu beanstanden.
16 a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union ist ein Verstoß gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert, wenn
der betreffende Mitgliedstaat bei der Wahrnehmung seiner
Rechtsetzungsbefugnisse die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse
gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (z.B.
EuGH, Urteile vom 13. März 2007 - C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap
Group Litigation, Slg. 2007, I-2157 Rn. 118; vom 8. Oktober 1996 - C-178/94
u.a. - Dillenkofer u.a., Slg. 1996, I-4867 Rn. 25; vom 26. März 1996 -
C-392/93 - British Telecommunications, Slg. 1996, I-1654 Rn. 42; vom 5. März
1996 - C-46/93 u.a. - Brasserie du Pêcheur Slg. 1996, I-1131 Rn. 45, 55 ;
siehe auch Senatsbeschluss vom 26. April 2012 - III ZR 215/11, juris Rn. 12;
Senatsbeschluss vom 24. Juni 2010 - III ZR 140/09, NJW 2011, 772 Rn. 7;
Senatsurteile vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07, NJW 2009, 2534 Rn. 22 und
vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91, BGHZ 134, 30, 38). Diesem
restriktiven Haftungsmaßstab liegt die Erwägung zugrunde, dass die
Wahrnehmung gesetzgeberischer Tätigkeit, insbesondere bei
wirtschaftspolitischen Entscheidungen, nicht jedes Mal durch die Möglichkeit
von Schadensersatzklagen behindert werden darf, wenn Allgemeininteressen den
Erlass von Maßnahmen gebieten, die die Interessen des Einzelnen
beeinträchtigen können (EuGH, Urteile in Sachen British
Telecommunications aaO Rn. 40 und Brasserie du Pêcheur aaO Rn. 45;
Senatsbeschluss vom 26. April 2012 aaO). Nur wenn der Mitgliedstaat
zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung über einen erheblich verringerten oder
gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügte, kann schon die bloße
Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend
qualifizierten Verstoß anzunehmen (EuGH, Urteile in Sachen Test
Claimants in the Thin Cap Group Litigation und Dillen-kofer jew. aaO; Senat
aaO).
17 Um festzustellen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt,
sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen, die für den dem
nationalen Gericht vorgelegten Sachverhalt kennzeichnend sind. Zu diesen
Gesichtspunkten gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der
verletzten Vorschrift, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden
vorsätzlich begangen beziehungsweise zugefügt wurde oder nicht, die Frage,
ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist oder nicht, und die Frage, ob
möglicherweise das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen hat,
dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise
eingeführt oder aufrecht erhalten wurden (z.B. EuGH, Urteile in Sachen Test
Claimants in the Thin Cap Group Litigation aaO Rn. 119; Brasserie du Pêcheur
aaO Rn. 56 sowie vom 4. Dezember 2003 - C-63/01 - Evans, Slg. 2003, I-14492
Rn. 86; Senat aaO mwN).
18 Die vom Gerichtshof entwickelten Grundsätze zur Haftung eines
Mitgliedstaats für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht gelten dabei für
alle Staatsgewalten unabhängig davon, ob der schadensverursachende Verstoß
dem Gesetzgeber, den Gerichten oder der Verwaltung des Mitgliedstaats
anzulasten ist (vgl.
EuGH, Urteil vom 30. September
2003 - C-224/01 - Köbler, Slg. 2003, I-10290 Rn. 31 f).
19 b) Ob an den vorstehenden Kriterien gemessen ein Verstoß gegen
das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist, haben die
Tatsachengerichte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände,
insbesondere an Hand der vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten
Leitlinien zu beurteilen (Senatsurteil vom 22. Januar 2009 - III ZR
233/07, NJW 2009, 2534 Rn. 23). Die insoweit eingeschränkte
revisionsrechtliche Überprüfung des Berufungsurteils lässt im Ergebnis
Rechtsfehler nicht erkennen.
20 aa) Da die Klägerin der Beklagten zu 1 keine über den bloßen Vollzug der
vom Beklagten zu 2 getroffenen Regelungen hinausgehenden Verstöße vorwirft,
hat sich das Berufungsgericht bei der Beurteilung des exekutiven und
legislativen Handelns der Beklagten sowie des materiellrechtlichen Inhalts
der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts R. und des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs mit Recht auf die Frage der Vereinbarkeit
der in Bayern im maßgeblichen Zeitraum geltenden Regelungen zum
Sportwettenmonopol mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht beschränkt.
21 bb) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass
vorliegend eine einfache Verletzung des Gemeinschaftsrechts zur Annahme
eines qualifizierten Verstoßes nicht ausreicht. In Ermangelung einer
abschließenden gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung auf dem Gebiet des
Glücksspielrechts verblieb dem Beklagten zu 2 ein erheblicher
Gestaltungsspielraum.
22 cc) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Würdigung des
Berufungsgerichts, dass in dem in Rede stehenden Zeitraum die Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union die Grenzen zulässiger staatlicher
Glückspielmonopole noch nicht so präzise geklärt hatte, dass die in Bayern
seinerzeit geltende Rechtslage aufgrund der Judikatur des Gerichtshofs als
offenkundig mit dem europäischen Recht unvereinbar gewertet werden musste.
23 Erst in seinen Entscheidungen vom 8. September 2010
(C-46/08 - Carmen Media, NVwZ 2010, 1422; C-316/07 u.a. - Stoß u.a. - NVwZ
2010, 1409; C-409/06 - Winner Wetten - NVwZ 2010, 1419) hat sich der
Gerichtshof mit der Rechtfertigung des deutschen Sportwettenmonopols und
dessen konkreter Ausgestaltung befasst. In den vorangegangenen
Entscheidungen zur staatlichen Regulierung und Monopolisierung von
Sportwetten (Urteile vom 6. November 2003 - C-243/01 - Gambelli Slg. 2003,
I-13076 = NJW 2004, 139; vom 21. Oktober 1999 - C-67/98 - Zenatti, Slg.
1999, I-7304 = EuZW 2000, 151; vom 21. September 1999 - C-124/97- Läärä, Slg.
1999, I-6104 = EuZW 2000, 148 und vom 24. März 1994 - C-275/92 - Schindler,
Slg. 1994, I-1078 = NJW 1994, 2013) hat der Gerichtshof zwar abstrakte
Grenzen für solche Reglementierungen aufgezeigt. Jedoch hat er zugleich
betont, dass den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen
sittlichen, religiösen, kulturellen und soziokul-turellen Besonderheiten ein
Ermessen zustehe, festzulegen, welche Erfordernisse sich insbesondere
bezüglich der Art und Weise der Veranstaltung von Lotterien ergäben (Urteile
in Sachen Gambelli aaO Rn. 63; Zenatti aaO Rn. 14 f, 33 f; Läärä aaO, Rn. 13
f, 35 f, 39; Schindler aaO, Rn. 60 f). Nähere Vorgaben zur Ausübung dieses
Ermessens enthalten die Entscheidungen nicht. Dies trifft insbesondere auch
auf die von der Revision angeführten Urteile in den Sachen Zenatti und
Gambelli (jew. aaO) zu, die sich mit der Rechtslage in Italien befassen.
24 (1) In dem Fall Zenatti hat der Gerichtshof ausgeführt, die Begrenzung
des Glückspielbetriebs zu den Zwecken, die Spiellust und den Betrieb der
Spiele in geordnete Bahnen zu lenken, die Risiken eines solchen Betriebs im
Hinblick auf Betrug und andere Straftaten auszuschalten und die sich daraus
ergebenden Gewinne gemeinnützigen Zwecken zuzuführen, diene europarechtlich
legitimen Zielen (aaO Rn. 35). Der Gerichtshof hat die Zulässigkeit von
Beschränkungen des Wettbetriebs negativ dahingehend abgegrenzt, dass sie
wirklich dem Ziel dienen müssten, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern,
und dass die Erzielung von Einnahmen für soziale Aktivitäten nur eine
erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen
restriktiven Politik sein dürfe (aaO Rn. 36). Schließlich hat der
Gerichtshof betont, es sei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die
mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften gerechtfertigten Zielen dienten und
die in ihnen enthaltenen Beschränkungen verhältnismäßig seien (aaO Rn. 37).
Nähere inhaltliche Vorgaben, welche (weiteren) Ziele im Bereich der
Regulierung von Wetten eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit
rechtfertigen können und welche Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele
zulässig sind, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Im Gegenteil hat der
Gerichtshof, ebenso wie im Urteil in der Sache Lärää (aaO, Rn. 35 f, 39),
den weiten Ermessens-, Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum der
Mitgliedstaaten bei der Zulassung von Lotterie- und Glückspielangeboten
unterstrichen (Stein, Anmerkung zu dem Urteil in der Sache Zenatti, EuZW
2000, 153, 154). Insbesondere auch die Monopolisierung bei einem Anbieter
hat der Gerichtshof nicht für unzulässig gehalten (siehe Urteil in der Sache
Zenatti aaO, Rn. 32 f; Urteil in der Sache Lärää aaO Rn. 34 f). Die
Unvereinbarkeit der bayerischen Rechtslage betreffend die Sportwetten mit
der Dienstleistungsfreiheit ließ sich damit aus dem Urteil in der Sache
Zenatti nicht ableiten.
25 (2) Dies gilt in gleicher Weise für das Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften in der Sache Gambelli. Darin hat der Gerichtshof
zunächst unter Bezugnahme auf seine Entscheidungen in den Sachen Schindler,
Lärää und Zenatti bekräftigt, dass den Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer
jeweiligen sittlichen, religiösen, kulturellen und soziokulturellen
Besonderheiten ein Ermessen zustehe, Beschränkungen des Betriebs von Spielen
und Wetten zu statuieren (aaO Rn. 63). Weiterhin hat er betont, dass solche
Beschränkungen durch zwingende Gründe, wie den Verbraucherschutz, die
Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu
überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können (aaO Rn. 67).
Allerdings hat er weiter ausgeführt, die Reglementierungen, die auf solche
Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt seien, Störungen der sozialen
Ordnung vorzubeugen, müssten auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser
Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie "kohärent" und systematisch
zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitrügen (aaO).
26 Obgleich zur Begründung der Europarechtswidrigkeit der im maßgeblichen
Zeitraum in Bayern geltenden Rechtslage angeführt wurde, sie genüge nicht
den Anforderungen der Kohärenz, konnte aus der "Gambelli-Entschei-dung" noch
nicht mit der notwendigen Klarheit abgeleitet werden, dass die in Rede
stehenden Regelungen zu Sportwetten einen nicht gerechtfertigten Eingriff in
die Dienstleistungsfreiheit beinhalteten. Der Gerichtshof hat sich in diesem
Urteil mit der Kohärenz, das heißt mit der Stimmigkeit, der dort
maßgeblichen italienischen Rechtsvorschriften nur unter dem Gesichtspunkt
befasst, dass der italienische Staat im Fiskalinteresse eine Politik der
Ausweitung des Spielens und Wettens verfolge und sich in diesem Fall als
Rechtfertigung seiner Reglementierungen nicht auf die öffentliche
Sozialordnung und die Notwendigkeit berufen könne, die Gelegenheiten zum
Spiel zu vermindern (aaO Rn. 68 f). Die Kohärenz unter dem für den
vorliegenden Sachverhalt maßgebenden Aspekt, dass Glücksspiele, die nicht
unter das staatliche Monopol fallen, ein höheres Suchtpotential aufweisen
als jene, für die das Monopol gilt, war in der "Gambelli-Entscheidung"
hingegen auch nicht andeutungsweise angesprochen. Dieser Gesichtspunkt hat
in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erst in den
Urteilen vom 8. September 2010 (Carmen Media aaO Rn. 67 f; Stoß aaO Rn. 100
ff, 106) Bedeutung erlangt. Dementsprechend ließ sich dem "Gambelli-Urteil"
kein - zumindest kein einen qualifizierten Verstoß begründender -
Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die fraglichen Regelungen einen
ungerechtfertigten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit beinhalteten.
27 dd) Der Revision ist allerdings im Ausgangspunkt darin beizupflichten,
dass die Würdigung des Berufungsgerichts, aus dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) habe sich
ebenfalls nicht mit der für einen gemeinschafts- beziehungsweise
unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch erforderlichen Deutlichkeit die
Unvereinbarkeit des bayerischen Monopols für Sportwetten mit der
europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit ergeben, nicht mehr vom
tatrichterlichen Beurteilungsspielraum gedeckt ist. Das
Bundesverfassungsgericht hat dort unter Bezugnahme auf Randnummer 62 der "Gambelli-Entscheidung"
des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 6. November
2003 - C-243/01, Slg. 2003, I-13076) ausgeführt, die -durch die
seinerzeitigen bayerischen Regelungen nicht erfüllten - Anforderungen des
deutschen Verfassungsrechts liefen parallel zu den vom Gerichtshof zum
Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben, nach denen die Erzielung von
Einnahmen zur Finanzierung sozialer Aktivitäten nur nützliche Nebenfolge,
nicht aber der eigentliche Grund einer restriktiven Politik im Bereich von
Wetten und Glückspielen sein dürfe (BVerfGE 115, 276, 316 f). Zuzugeben ist
der Revision weiterhin, dass der Generalanwalt beim Gerichtshof Mengozzi in
seinem Schlussantrag in der Sache "Stoß u.a." unter Bezugnahme auf das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2008 ausgeführt hat, die
Lektüre dieser Entscheidung lasse es als "unzweifelhaft" erscheinen, dass
das (mit dem bayerischen übereinstimmende hessische und
baden-württembergische) Sportwettenmonopol nicht die erforderlichen
Voraussetzungen erfüllt habe, um als kohärent und systematisch eingestuft zu
werden (C-316/07, juris Rn. 64). Dies ist richtig. Zwar stellt die von der
Revision angeführte Passage aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
lediglich ein obiter dictum dar. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht
hervorgehoben, ihm fehle die Zuständigkeit, einen möglichen Verstoß gegen
europäisches Gemeinschaftsrecht zu prüfen (aaO S. 299 f). Gleichwohl hat es
sich ausdrücklich dahingehend festgelegt, dass die von ihm festgestellten
verfassungsrechtlichen Mängel der bestehenden Regelungen zum
Sportwettenmonopol in gleicher Weise mit den vom Gerichtshof der
Europäischen Union entwickelten europarechtlichen Vorgaben unvereinbar
seien. Damit konnte für die Rechtsanwender in der Judikative und der
Exekutive sowie für den Gesetzgeber auch der europarechtliche status quo
nicht mehr zweifelhaft sein.
28 Dennoch haben die Beklagten nicht in hinreichend qualifizierter
Weise gegen das europäische Recht verstoßen.
29 (1) Zwar hat die Verwaltung der Beklagten auch nach Bekanntwerden des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts die Untersagungsverfügung aufrecht
erhalten und es der Klägerin beziehungsweise ihrem Geschäftsbesorger nicht -
etwa durch Erteilung einer entsprechenden Genehmigung - ermöglicht,
Sportwetten zu vertreiben. Ein qualifizierter Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht ist ihr gleichwohl nicht anzulasten. Denn die
Bediensteten der Beklagten durften annehmen, dass es bis zu der vom
Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegebenen Neuregelung des Wett-
und Glückspielrechts, die spätestens zum 1. Januar 2008 erfolgen musste,
auch mit dem materiellen europäischen Gemeinschaftsrecht in Einklang stand,
das Angebot von Sportwetten den bisherigen Monopolinhabern vorzubehalten. Es
kann deshalb auf sich beruhen, ob insoweit die Rechtsauffassung vertretbar
war, während der vom Bundesverfassungsgericht zugestandenen Übergangszeit
bis zum 31. Dezember 2007 sei ein an sich materiell europarechtswidriger
Regelungszustand aus zwingenden Gründen der Rechtssicherheit (vgl. hierzu
EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-409/06 - Winner Wetten, NVwZ 2010,
1419, Rn. 66 mwN) gemeinschaftsrechtlich hinnehmbar, wie dies in dem
Verfahren "Winner Wetten" vor dem Gerichtshof offenbar alle Regierungen, die
Erklärungen abgegeben haben, geltend gemacht haben (vgl. EuGH aaO Rn. 63;
Schlussanträge des Generalanwalts Bot, juris, Rn. 79 ff; siehe ferner VGH
Kassel NVwZ 2006, 1435, 1439; OVG Münster NVwZ 2006, 1078, 1080).
30 Das Bundesverfassungsgericht hat während der von ihm zugestandenen
Übergangsfrist nicht die uneingeschränkte Fortgeltung der als
verfassungswidrig - und aufgrund der Parallelität der Kohärenzanforderungen
zugleich als gemeinschaftsrechtswidrig - erkannten Rechtslage gebilligt.
Vielmehr hat es für die Anwendbarkeit der bislang geltenden Normen Maßgaben
statuiert, nach denen unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem
Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht
einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols
andererseits herzustellen war (BVerfGE 115, 276, 319). Danach durften zwar -
vor dem Hintergrund, dass die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols für
sich genommen weder verfassungs- noch europarechtswidrig ist (vgl. BVerfGE
aaO S. 309) -das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private
Unternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Beklagten zu 2
veranstaltet wurden, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich
unterbunden werden, wobei das Bundesverfassungsgericht sogar eine
Aufrechterhaltung der Strafbewehrung nicht für ausgeschlossen erachtete (aaO
S. 319). Jedoch war damit zu beginnen, das Wettmonopol konsequent an einer
Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft
auszurichten. Der Staat durfte insbesondere die Übergangszeit nicht zu einer
expansiven Vermarktung von Wetten nutzen. Daher waren bis zu einer
Neuregelung die Erweiterung des Angebots staatlicher Wettveranstaltungen
sowie eine Werbung, die über sachliche Informationen zur Art und Weise der
Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten aufforderte, untersagt.
Ferner hatte die staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die
Gefahren des Wettens aufzuklären (aaO).
31 Das Bundesverfassungsgericht hat die in der gesetzlichen Regelung
angelegten und dementsprechend in der Praxis realisierten Defizite bei der
Verwirklichung der das Wettmonopol grundsätzlich rechtfertigenden,
vorgenannten Ziele darin gesehen, dass es an einer aktiven Prävention fehlte
(aaO S. 311 f) und vor allem, dass die Geschäftspraxis des Monopolanbieters
nach ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild dem einer wirtschaftlich
effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen
Freizeitbeschäftigung entsprach (aaO S. 314 ff). Das
Bundesverfassungsgericht hat insoweit die breit angelegte Werbung, in der
das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete
Unterhaltung dargestellt wurde (aaO S. 314), die breiten Vertriebswege und
die fehlende aktiv kommunizierte Prävention beanstandet (aaO S. 315 f).
32 Der Behebung eben jener Defizite dienten die im Vorgriff auf
entsprechende gesetzliche Neuregelungen für die Übergangszeit aufgestellten
Maßgaben. Ihr Inhalt zielte darauf ab, genau die Mängel der bestehenden
Rechtslage abzustellen, die maßgeblich zu deren Verfassungswidrigkeit
führten. Da das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung nicht nur
der Sache nach die Kriterien der "Gambelli-Entscheidung" angewandt, sondern
zugleich - wie ausgeführt - die Parallelität der Anforderungen des deutschen
Verfassungsrechts zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht
formulierten betont hatte (aaO S. 316 f), lag für die Verwaltung der
Beklagten die Annahme nahe, dass, sofern diese Maßgaben beachtet werden,
auch vor dem formellen Erlass der entsprechenden (Änderungs-)Gesetze in der
Praxis ein Zustand hergestellt werden kann, der nicht nur mit dem
Grundgesetz, sondern auch mit dem Europarecht in Einklang steht (so vor
allem BayVGH, Beschluss vom 23. August 2006 - 24 CS 06.1881, juris Rn. 53,
64; die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Kammerbeschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2006, WM 2006, 2326, nicht zur
Entscheidung angenommen). Im Übrigen wäre wegen des Anwendungsvorrangs des
Gemeinschaftsrechts die Einräumung einer Übergangszeit durch das
Bundesverfassungsgericht nicht nur ins Leere gegangen, sondern sogar für den
Rechtsanwender irreführend gewesen. Dass die vom Bundesverfassungsgericht
eingeforderten Maßgaben tatsächlich zügig und vollständig umgesetzt wurden,
hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, vom Bundesverfassungsgericht
gebilligt, der bayerischen Verwaltung in ständiger Rechtsprechung attestiert
(z.B. BayVGH, Beschlüsse vom 3. August 2006, NVwZ 2006, 1430, 1431 f; vom
23. August 2006 - 24 CS 06.1881, juris Rn. 35 f, 52; vom 2. Oktober 2007
- 24 CS 07.1986, juris Rn. 30 und vom 15. November 2007 - 24 CS 07.2792,
juris Rn. 29 f; BVerfG WM 2006, 2326, 2327 zum Beschluss des BayVGH vom 23.
August 2006; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 31. März 2006 - 1 BvR
1840/05, juris Rn. 5).
33 (2) Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die mit dem Antrag auf
Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung der
Beklagten zu 1 befassten Verwaltungsgerichte des Beklagten zu 2. Anders als
die Revision geltend macht, liegt auch kein hinreichend qualifizierter
Verstoß von Bediensteten des Beklagten zu 2 gegen europäisches
Gemeinschaftsrecht vor, weil der Bayerische Verwaltungsgerichtshof es
unterlassen hat, das von dem Zedenten angestrengte Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersagungsverfügung der Beklagten
zu 1 gemäß Art. 234 Abs. 3 EG (jetzt Art. 267 Abs. 3 AEUV) auszusetzen und
dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage der Vereinbarkeit der in
Bayern seinerzeit geltenden Regelungen über das Sportwettenmonopol mit dem
europäischen Recht vorzulegen. Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof in
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO letztinstanzlich entscheidendes Gericht
(siehe § 152 Abs. 1 VwGO), das nach den genannten Bestimmungen zur Vorlage
an den Gerichtshof grundsätzlich verpflichtet ist, wenn über die Auslegung
von Gemeinschafts- beziehungsweise Unionsrecht zu befinden ist. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs entfällt die Vorlageverpflichtung jedoch in
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sofern es, wie hier, jeder
Partei unbenommen bleibt, ein Hauptverfahren entweder selbst einzuleiten
oder dessen Einleitung zu verlangen, in dem jene im summarischen Verfahren
vorläufig entschiedene Frage des Gemeinschaftsrechts erneut geprüft werden
und den Gegenstand einer Vorlage bilden kann, (EuGH, Urteile vom 24. Mai
1977 - 107/76 - Hoffmann-La Roche, Slg. 1977, 957 Rn. 5 f und vom 27.
Oktober 1982 - 35 und 36/82 - Morson u.a., Slg. 1982, 3723 Rn. 8 ff; siehe
auch BVerfG NJW 2007, 1521, 1522).
34 Das hiernach bestehende Ermessen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
war entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb nicht auf Null
reduziert, weil aus den zuvor dargestellten Gründen ein offenkundiger
Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht vorlag.
35 (3) Soweit die Legislative des Beklagten zu 2 betroffen ist, ist ein
solcher Verstoß ebenfalls auszuschließen. Dabei kann dem Gesetzgeber
insbesondere nicht vorgehalten werden, er habe schnellstmöglich, also noch
vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangszeit, eine
"auch dem Buchstaben nach" gemeinschaftsrechtskonforme Gesetzeslage schaffen
müssen. Zunächst durfte auch der Gesetzgeber davon ausgehen, dass schon vor
Anpassung des Gesetzeswortlauts an die Vorgaben des Bundesverfassungsrechts
die Exekutive willens und in der Lage ist, für die Übergangsphase einen
Zustand herzustellen, der europarechtlich keinen durchgreifenden Bedenken
(mehr) ausgesetzt ist. Zudem war ausreichende Zeit vonnöten, um den aus den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgenden (national- wie
europarechtlichen) Anpassungsbedarf sorgfältig zu ermitteln, die hieraus
folgenden Handlungsoptionen herauszuarbeiten und sich - gegebenenfalls auch
nach Abstimmung mit den Rechtssetzungsorganen des Bundes - unter Abwägung
der jeweils in Rede stehenden Belange für eine Lösung zu entscheiden. So gab
es für die Schaffung einer im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union kohärenten Lösung für den Bereich der Sportwetten und
Glücksspiele eine Vielzahl von denkbaren Lösungen, da den Mitgliedstaaten
insoweit ein weiter Ermessensspielraum zusteht (EuGH, Urteil vom 6. November
2003 - C-243/01 - Gambelli, Slg. 2003, I-13076 Rn. 63 mwN). Hinzu kommt,
dass die hier maßgeblichen Regelungen nach der Kompetenzordnung des
Grundgesetzes von den Ländern zu schaffen waren und diese Regelungen, um
einen - sinnvollen - bundeseinheitlichen Standard zu gewährleisten, in einem
Staatsvertrag aller deutschen Länder enthalten waren. Aufgrund dieser
Ausgangslage ist dem Beklagten zu 2 insbesondere nicht anzulasten, dass sie
auf einen gesetzgeberischen "Alleingang" verzichtete und zusammen mit den
übrigen Ländern wiederum eine - nunmehr den europarechtlichen Vorgaben
entsprechende - bundeseinheitliche Regelung anstrebte. Unter
Berücksichtigung dieser Umstände war es nicht zu beanstanden, dass der
Beklagte zu 2 - ebenso wie alle anderen Bundesländer - die bis zum 31.
Dezember 2007 eingeräumte Übergangsfrist ausschöpfte.
36 ee) Der weitere Hinweis der Revision auf den Beschluss der 2. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2005 (WM 2005,
1141) ist für ihre Rechtsauffassung unbehelflich. Das
Bundesverfassungsgericht hat darin unter Bezugnahme auf die "Gambelli-Entscheidung"
lediglich geäußert, "erhebliche Zweifel" an der Vereinbarkeit des
Sportwettenmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht könnten "nicht ...
ausgeschlossen" werden (aaO S. 1142 f). Ein offenkundiger Verstoß der
Beklagten gegen das Gemeinschaftsrecht lässt sich angesichts dieser
zurückhaltenden Formulierung hieraus nicht ableiten.
37 ff) Die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens 2003/4350 durch die
Europäische Kommission mit dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 4.
April 2006 ist für die Rechtsposition der Klägerin ebenfalls unbehelflich.
Zwar mag sich hieraus ebenso wie aus der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 die Unvereinbarkeit des
Sportwettenmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht ergeben haben. Aus den
vorstehenden Gründen scheidet jedoch gleichwohl ein hinreichend
qualifizierter Verstoß der Beklagten gegen das europäische Recht aus. In dem
Schreiben äußerte die Kommission Zweifel an der Vereinbarkeit der in den
einzelnen Bundesländern geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol mit der
Dienstleistungsfreiheit nur unter den in der "Gambelli-Entscheidung" des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 6. November 2003 -
C-243/01, Slg. 2003, I-13076) angesprochenen Aspekten. Die Kommission
bemängelte, dass nach ihr vorliegenden Erkenntnissen die Monopolveranstalter
in Deutschland einen erheblichen Werbeaufwand für die Sportwetten betrieben.
Unter Bezugnahme auf Randnummer 69 des "Gambelli-Urteils" (aaO) wies sie
darauf hin, dass sich die Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung von
Reglementierungen von Wetten nicht auf die Notwendigkeit berufen dürften,
die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, wenn ihre Behörden die
Verbraucher zugleich dazu anreizten und ermunterten, an Lotterien,
Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus
Einnahmen zuflössen. Eben diese Defizite wurden jedoch abgestellt, so dass
die Beklagten die Rechtspraxis vertretbar als gemeinschaftskonform ansehen
konnten.
38 c) Eine Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen
Union gemäß Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV ist nicht erforderlich. Die von
der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als
vorlagebedürftig angesehene Frage, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß
gegen Unionsrecht mit der Erwägung verneint werden könne, die
Mitgliedstaaten hätten sich für berechtigt halten dürfen, für eine
Übergangszeit einen europarechtswidrigen Zustand aufrechtzuerhalten, stellt
sich aus den unter b, dd (1) ausgeführten Gründen nicht.
Auch im Übrigen besteht keine Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung gemäß
Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV einzuholen. Die Feststellung, ob die
Voraussetzungen für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch im
konkreten Einzelfall erfüllt sind, obliegt entsprechend den vom Gerichtshof
hierfür entwickelten Leitlinien grundsätzlich den nationalen Gerichten
(EuGH, Urteile vom 13. März 2007 - C-524/04 - Test Claimants in the
Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157 Rn. 116 und vom 12. Dezember
2006 - C-446/04 - Test Claimants in the FII Group Litigation, Slg. 2006,
I-11814, Rn. 210 mwN). Unionsrechtliche Fragen, die über die bloße Anwendung
der Grundsätze des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs auf den
konkreten Sachverhalt hinausgehen, wirft der Fall nicht auf.
39 3. Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aus § 839 Abs. 1
BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG bestehen gleichfalls nicht.
40 Zwar handelten die Verwaltungsbediensteten der Beklagten objektiv
pflichtwidrig, weil die Untersagungsverfügung mit dem Gemeinschaftsrecht
unvereinbar war. Jedoch fällt ihnen insoweit aus den oben (2 b dd (1))
genannten Gründen keine Fahrlässigkeit zur Last, zumal sie sich bei ihrer
Einschätzung der Rechtslage im Einklang mit der Rechtsprechung des für sie
zuständigen Verwaltungsgerichtshofs befanden (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli
1995 - III ZR 160/94, NJW 1995, 2918, 2920).
41 Eine Haftung des Beklagten zu 2 wegen legislativen Unrechts kommt
bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber lediglich Aufgaben
der Allgemeinheit wahrnimmt, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder
Personenkreise fehlt, ihm daher grundsätzlich keine drittschützenden
Amtspflichten im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegen (vgl.
z.B. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05, NVwZ 2007, 362
Rn. 23; Senatsurteile vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91, BGHZ 134, 30, 32
und vom 7. Juni 1988 - III ZR 198/87, NJW 1989, 101). Die
Amtshaftung für die Richter des Beklagten zu 2 scheitert an § 839 Abs. 2
Satz 1 BGB.
42 4. Zu Recht haben die Vorinstanzen auch Ansprüche aus enteignungsgleichem
Eingriff verneint. Insoweit erhebt die Revision ebenfalls keine Rügen.
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