"Fiktive" Berechnung des
Schadensersatzes statt der Leistung im Mietrecht
BGH, Urteil vom 19. April 2023 - VIII ZR 280/21 - LG
Hagen
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage der "fiktiven" Schadensbemessung im
Mietrecht (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 26. April 2022 -
VIII ZR 364/20, NJW-RR 2022, 1307 Rn. 8 ff.; vom 10. Mai 2022 - VIII ZR
277/20, NJW-RR 2022, 1460 Rn. 14 ff.; Urteil vom 31. März 2021 - XII ZR
42/20, NJW-RR 2021, 803 Rn. 15).
Zentrale Probleme:
Ein Mieter beschädigt während der Mietzeit die gemietete
Wohnung und unterlässt geschuldete Schönheitsreparaturen. Nach einer
Fristsetzung verlangt der Vermieter u.a Ersatz der "fiktiven", d.h. noch
nicht angefallenen Kosten für die Reparatur des Schadens und die Vornahme
der Schönheitsreparaturen. Das Berufungsgericht meinte, dass hier eine
fiktive Schadensbemessung nach der Rspr. des VII. Senats zum
Werkvertragsrecht (s. dazu nur die Anm. zu BGH,
Urteil vom 12. März 2021 - V ZR 33/19 mwN) unzulässig sei. Der Senat
widerspicht dem zu recht: Unproblematisch ist der Schadensersatz auf
Reparaturkostenbasis in Bezug auf die Kosten der Beseitigung der
Beschädigung schon deshlab, weil es sich hier nicht um Schadensersatz statt
der Leistung handelt, sondern um einfachen Schadensersatz aus §§ 280 I, 241
II BGB sowie aus § 823 I BGB, bei welchem sich schon aus § 249 II BGB eine
Verpflichtung zum Ersatz von "fiktiven" Reparaturkosten ergibt (s. dazu etwa
BGH v. 26.5.2023 - VI ZR 274/22 ). In Bezug
auf die unterlassenen Schönheitsreparaturen geht es in der Tat um das
Interesse an der Erfüllung einer geschuldeten Leistung und damit um
Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 I, III, 281 BGB. Auch dafür
könne der Schadensersatz auf der Basis der zu erwartenden Reparaturkosten,
also "fiktiv" berechnet werden. Die vom VII. Senat dagegen angeführten
Gründe beziehen sich allein auf das Werkvertragsrecht (s. dazu Beschluss
vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20), so dass diese
insoweit nicht entgegenstehen.
©sl 2023
Tatbestand:
1 Die Beklagten waren bis zum 31. Dezember 2017 Mieter einer Wohnung in
einem Mehrparteienhaus des Klägers in L. Die Rückgabe der Wohnung erfolgte
am 2. Januar 2018.
2 Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Januar 2018 forderte
der Kläger die Beklagten zur Durchführung näher bezeichneter
Schönheitsreparaturen, zur Erneuerung von Wandfliesen in der Küche, zum
Streichen der Wand im Treppenhaus des Anwesens, zu Rückbauarbeiten bezüglich
verlegter Fliesen und eines PVC-Belags sowie zur Reparatur der Zarge der
Wohnungseingangstür auf. Dem kamen die Beklagten nicht nach.
Ausweislich eines vom Kläger eingeholten Kostenvoranschlags fallen für die
vorgenannten Arbeiten Kosten in Höhe von insgesamt 7.961,35 € (netto) an.
3 Der Kläger hat die Rückbauarbeiten in Teilen (stellenweise Entfernung
des PVC-Belags; Lieferung und Verlegung neuer Böden) bereits ausgeführt. Für
diese Arbeiten sowie für das noch nicht durchgeführte Streichen der Küche
und des Wohnzimmers (500 €) und für noch zu verlegende Abschlussleisten (32
€) macht der Kläger insgesamt - unter Zugrundelegung der im
Kostenvoranschlag angesetzten (Netto-)Preise - einen Betrag in Höhe von
881,35 € als Schadensersatz geltend. Die übrigen Positionen des
Kostenvoranschlags (insgesamt 8.425,20 € einschließlich Umsatzsteuer)
begehrt der Kläger als Vorschuss zur Ausführung der entsprechenden Arbeiten.
Hilfsweise begehrt er die Zahlung des im Kostenvoranschlag ausgewiesenen
(Netto-)Betrags (7.961,35 €).
4 Seine zuletzt auf Zahlung
eines Kostenvorschusses in Höhe von 8.425,20 € zur Durchführung im Einzelnen
genannter Arbeiten, auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 881,35 €
nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie hilfsweise auf
Zahlung von 7.961,35 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen
keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht wegen der Frage,
ob im Mietrecht eine fiktive Schadensberechnung (weiterhin) möglich ist,
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das
Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7 Der
vom Kläger geltend gemachte Kostenvorschussanspruch (8.425,20 €) stehe
diesem nicht zu, da es im Mietrecht - anders als im Werkvertragsrecht (§ 637
Abs. 3 BGB) - hierfür eine Anspruchsgrundlage nicht gebe. Soweit
der Bundesgerichtshof einen Anspruch des Vermieters auf Kostenvorschuss
annehme, betreffe dies nur die Durchführung von Schönheitsreparaturen
während eines - vorliegend nicht mehr - bestehenden Mietverhältnisses.
8 Auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch (881,35 €) stehe dem
Kläger nicht zu, da dieser insoweit eine fiktive Schadensberechnung
vornehme, welche nicht (mehr) zulässig sei.
9 Der Kläger begründe
seinen Klageantrag damit, dass die Beklagten geschuldete
Schönheitsreparaturen beziehungsweise Rückbauten (Entfernung des von ihnen
eingebrachten PVC-Belags nebst Verlegung neuer Fußleisten im Schlafzimmer
und Kinderzimmer, Verlegung von durch die Beklagten
entfernten Abschlussleisten im Übergang von Kinder- und Schlafzimmer zum
Flur, Streichen der Küche und des Wohnzimmers) nicht ausgeführt hätten.
Die Ansprüche aus § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB seien aber bei der vom Kläger
vorgenommenen fiktiven Schadensberechnung nicht gegeben. Zwar habe der
Kläger Teile der genannten Arbeiten bereits selbst ausgeführt, halte aber -
auch in zweiter Instanz - an der fiktiven Schadensberechnung weiterhin fest.
Eine solche Berechnung auf der Grundlage voraussichtlicher
Schadensbeseitigungskosten sei jedoch ausgeschlossen.
10
Denn die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs,
wonach im Werkvertragsrecht eine fiktive Schadensabrechnung nicht
(mehr) möglich sei, könne auf das Mietrecht übertragen werden. Zwar
sei insbesondere ein Minderungsrecht und ein Selbstvornahmerecht für einen
Vermieter - im Gegensatz zum Besteller beim Werkvertrag - nicht gegeben.
Jedoch gälten die allgemeinen schadensersatzrechtlichen Überlegungen
des VII. Zivilsenats auch im Mietrecht. Insbesondere die
Argumentation, derjenige Besteller, der keine Aufwendungen zur
Mangelbeseitigung tätige, habe keinen Vermögensschaden in Form und Höhe
dieser (nur fiktiven) Aufwendungen, gelte ebenso für den Vermieter. Die
Nichterfüllung der Renovierungspflicht begründe nicht bereits
einen Vermögensschaden in Höhe der Kosten der Ersatzvornahmen.
11
Überdies sei der Gedanke der drohenden Überkompensation auch im
Mietrecht einschlägig, da es dem Vermieter häufig gelinge, die
unrenovierten Räume ohne Mietabschlag weiterzuvermieten. In diesem
Punkt liege auch ein Unterschied zum Kaufrecht, wo selten ein Fehlanreiz
entstehe, die hohen Kosten zu vereinnahmen, ohne die Mängel zu beseitigen,
so dass die Notwendigkeit bestehe, die gegen das Bereicherungsverbot
verstoßende Überkompensation im Mietrecht - hier bezüglich der Ansprüche auf
Durchführung geschuldeter Schönheitsreparaturen und Rückbauten - zu
verhindern.
12 Der Hilfsantrag auf Zahlung des im Kostenvoranschlag
ausgewiesenen Betrags sei ebenfalls unbegründet, da auch diese Ansprüche (§
280 Abs. 1, 3, § 281 BGB) aufgrund der vom Kläger vorgenommenen fiktiven
Schadensberechnung nicht gegeben seien.
13 Soweit das Amtsgericht
einen Schadensersatzanspruch wegen Sachbeschädigung an der
Wohnungseingangstür (laut Kostenvoranschlag 450 €) abgelehnt habe, da der
Kläger eine Schadensentstehung während der Mietzeit der Beklagten nicht
bewiesen habe, sei die Berufungskammer an diese Feststellung gebunden. Die
Berufungsbegründung enthalte insoweit keinen Angriff.
II.
14
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit sie aufgrund
des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung eröffnet ist, nicht stand.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch
des Klägers auf Ersatz der Kosten für die von den Beklagten nicht
ausgeführten Schönheitsreparaturen und Rückbauten (§ 280 Abs. 1, 3, § 281
Abs. 1 Satz 1 BGB) sowie für den Austausch von Wandfliesen und für die
Malerarbeiten an der Wand im Treppenhaus (§ 280 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 1
BGB) nicht verneint werden. Denn entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts kann der Kläger seinen Schaden nach dem Ende des
Mietverhältnisses anhand der hierfür jeweils erforderlichen, aber noch nicht
aufgewendeten ("fiktiven") Kosten bemessen.
15 1. Soweit der
Kläger mit seiner Revision die Abweisung der auf Zahlung eines
Kostenvorschusses in Höhe von 8.425,20 € sowie auf Zahlung des zur
Beseitigung des behaupteten Schadens an der Wohnungseingangstür
erforderlichen Betrags (450 € nebst Zinsen) gerichteten Klage angegriffen
hat, ist diese bereits nicht statthaft (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 Nr. 1
ZPO) und damit als unzulässig zu verwerfen (§ 552 Abs. 1 ZPO).
a) Das
Berufungsgericht hat die Revision ausweislich des Tenors sowie der
Entscheidungsgründe wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 543
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zugelassen, weil sich die Frage stelle, ob - ebenso
wie im Werkvertragsrecht - auch im Mietrecht "eine fiktive
Schadensberechnung" nicht mehr vorzunehmen sei. Diese Zulassung umfasst -
bei verständiger Auslegung der Urteilsformel (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse
vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 9; vom 10. Mai 2022
- VIII ZR 277/20, NJW-RR 2022, 1460 Rn. 10) - nicht sämtliche geltend
gemachten Ansprüche. Denn die vorgenannte Frage ist lediglich für
die vom Kläger fiktiv bemessenen Ansprüche auf Schadensersatz mit Ausnahme
des Schadensersatzanspruchs wegen Beschädigung der Wohnungseingangstür von
Bedeutung. Sie stellt sich damit nur für einen eindeutig
abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs, so dass die Zulassung der
Revision ausschließlich auf diese - fiktiv abgerechneten -
Schadenspositionen beschränkt ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. November
2021 - VIII ZR 15/20, juris Rn. 8 f.; vom 10. Mai 2022 - VIII ZR 277/20,
aaO; jeweils mwN).
17 Die Zulassung der Revision erfasst damit nicht
den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für noch
auszuführende Arbeiten, da sich bei dessen Beurteilung Fragen einer fiktiven
Schadensbemessung nicht stellen. Das Berufungsgericht hat diesen
Klageanspruch deshalb nicht zuerkannt, weil es im Mietrecht hierfür - bei
einem wie hier beendeten Mietverhältnis - eine Anspruchsgrundlage nicht
gebe. Zudem erfasst die Revisionszulassung nicht den Anspruch des Klägers
wegen der behaupteten Beschädigung der Wohnungseingangstür. Zwar bemisst der
Kläger diesen Schaden fiktiv. Auf die Unzulässigkeit einer solchen
Schadensbemessung hat das Berufungsgericht die Klageabweisung insoweit
jedoch nicht gestützt. Vielmehr hat es die Feststellung des Amtsgerichts -
mangels eines wirksamen Berufungsangriffs - unbeanstandet gelassen, wonach
der Kläger nicht bewiesen habe, dass dieser (behauptete) Schaden während der
Mietzeit der Beklagten entstanden sei. Damit fehlt es schon dem Grunde nach
an einem Schaden des Klägers und stellt sich die Frage der - den Gegenstand
der Revisionszulassung bildenden - Möglichkeit einer
fiktiven Schadensbemessung nicht.
18 b) Diese Beschränkung der
Zulassung ist auch wirksam. Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf
einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente unzulässig. Anerkanntermaßen
hat das Berufungsgericht jedoch die Möglichkeit, die Revision nur
hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren
Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die
Revision beschränken könnte (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 31.
August 2022 - VIII ZR 233/21, NZM 2022, 922 Rn. 22; vom 26. Oktober 2022 -
VIII ZR 390/21, NJW-RR 2023, 14 Rn. 19; Senatsbeschluss vom 19. Juli 2022 -
VIII ZR 194/21, NJW-RR 2023, 84 Rn. 23; jeweils mwN).
19 aa) Diese
Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Denn bei den auf der Grundlage noch
nicht aufgewendeter Kosten berechneten Schadensersatzansprüchen handelt es
sich um einen selbständigen Teil des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen
Streitstoff - hier bezüglich des bereits dem Grunde nach verneinten
Anspruchs auf Ersatz für Schäden an der Wohnungseingangstür sowie auf
Zahlung eines Vorschusses - beurteilt werden und auch im Falle einer
Zurückverweisung ein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des
Streitstoffs nicht auftreten kann.
20 bb) Entgegen der Ansicht der
Revision besteht die Gefahr eines solchen Widerspruchs nicht deshalb, weil
der Senat bei der Prüfung der Möglichkeit einer fiktiven Schadensbemessung
zu dem Ergebnis gelangen könnte, eine solche sei deshalb unzulässig, weil
dem Kläger als (ehemaligem) Vermieter ein Anspruch auf Zahlung eines
Kostenvorschusses zustehe. Letzteres stünde dann in Widerspruch zu dem vom
Berufungsgericht abgewiesenen - und von der Revisionszulassung nicht
erfassten - Klageantrag auf Zahlung eines Kostenvorschusses.
21
Hieraus folgt keine Widerspruchsgefahr in vorgenanntem Sinne. Bei der
Beurteilung eines Anspruchs des Vermieters auf Zahlung eines
Kostenvorschusses einerseits und der Möglichkeit, einen - dem Grunde nach
bestehenden -Schadensersatzanspruch fiktiv zu bemessen, andererseits,
handelt es sich um voneinander unabhängige Fragestellungen.
22 Allein
der von der Revision angeführte Umstand, dass die Beurteilung der
Möglichkeit einer "fiktiven Schadensberechnung" durch den Vermieter nach
dem Ende eines Mietverhältnisses möglicherweise vom Bestehen eines
Vorschussanspruchs abhängen könnte, begründet keine Widerspruchsgefahr, da
es sich nicht um eine gemeinsame Vorfrage beider Klagebegehren (Vorschuss
und Schadensersatz), sondern lediglich um ein etwaiges Begründungselement
handelt. Ob das etwaige Bestehen eines Vorschussanspruchs für die
Entscheidung der Frage einer fiktiven Schadensabrechnungsmöglichkeit
überhaupt maßgebend ist, hängt davon ab, ob diesem Aspekt hierfür eine
rechtliche Relevanz beigemessen wird.
23 2. Soweit der Kläger die
Abweisung seiner auf die Zahlung von 881,35 €, auf Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und hilfsweise auf die Zahlung von
7.511,35 € (Gesamtbetrag des Kostenvoranschlags - 7.961,35 € - abzüglich 450
€ bezüglich der Wohnungseingangstür) nebst Zinsen gerichteten Klage
angreift, ist seine Revision zulässig und auch begründet. Entgegen
der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Kläger seine
Schadensersatzansprüche - deren Bestehen dem Grunde nach mangels
Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zugunsten
des Klägers zu unterstellen ist - wegen nicht ausgeführter
Schönheitsreparaturen (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB),
der unterlassenen Rückbauten bezüglich der Fußböden (§ 280 Abs. 1,
3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) und wegen der durch die Beklagten
verursachten Schäden an der Mietsache (§ 280 Abs. 1 BGB; § 823 Abs.
1 BGB) anhand der sogenannten fiktiven (Mangelbeseitigungs-)Kosten
bemessen.
24 a) Anders als das Berufungsgericht meint, das lediglich
von Ansprüchen des Klägers aufgrund unterlassener "Schönheitsreparaturen und
Rückbauten" spricht, liegt den vom Kläger geltend gemachten Kosten für das
Entfernen und Neuverlegen von Wandfliesen sowie das Spachteln und Streichen
der Wand im Treppenhaus des Hausanwesens nicht die unterlassene
Ausführung von Schönheitsreparaturen im Sinne der auch für den
preisfreien Wohnraum maßgebenden Definition in § 28 Abs. 4 Satz 3 der
Zweiten Berechnungsverordnung (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10. Mai 2022
- VIII ZR 277/20, NJW-RR 2022, 1460 Rn. 19 mwN) zu Grunde. Denn das
Entfernen und die Neuverlegung von Wandfliesen ist nicht von den in dieser
Vorschrift genannten (Tapezier- und Anstrich-)Arbeiten umfasst und die
Maßnahmen im Treppenhaus liegen außerhalb der ehemals vermieteten Wohnung.
Der Kläger macht insoweit - worauf die Revision zutreffend hinweist
- Schäden an der Mietsache und somit einen Schadensersatzanspruch neben der
Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) geltend (vgl. hierzu Senatsurteil vom
28. Februar 2018 - VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 19 [zu § 280 Abs. 1 BGB]
und Rn. 30 [zu § 823 Abs. 1 BGB]).
25 b) Diese sowie die
übrigen Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Schönheitsreparaturen
und Rückbauten kann der Kläger - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
- anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten
("fiktiven") Kosten bemessen. Eine solche Schadensbemessung liegt,
was das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, auch dem Klageantrag auf
Zahlung von 881,35 € zu Grunde. Zwar hat der Kläger Teile der Arbeiten, für
welche Ersatz begehrt wird, bereits ausgeführt. Er rechnet jedoch - auch
insoweit - seinen gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten
Aufwendungen auf der Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags
und damit fiktiv ab (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. April 2022 - VI ZR 7/21,
NJW 2022, 1884 Rn. 11 mwN).
26 aa) Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Schadensersatzansprüche statt
der Leistung im Mietrecht auch mit den für die Instandsetzung oder -haltung
oder für den Rückbau der Mietsache erforderlichen aber (noch) nicht
aufgewendeten ("fiktiven") Kosten bemessen werden (vgl. BGH,
Urteile vom 31. März 2021 - XII ZR 42/20, NJW-RR 2021, 803 Rn. 15; vom 12.
März 2014 - XII ZR 108/13, NZM 2014, 306 Rn. 31; vom 5. März 2014 - VIII ZR
205/13, NJW 2014, 1653 Rn. 15; vom 8. Januar 2014 - XII ZR 12/13, NJW 2014,
920 Rn. 26; vom 20. Oktober 2004 - VIII ZR 378/03, NZM 2005, 58 unter II 2
[zu § 326 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung]).
27 Hieran ist auch nach der vom Berufungsgericht zur Begründung
seiner gegenteiligen Ansicht herangezogenen geänderten Rechtsprechung des
VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs bezüglich des Werkvertragsrechts
(BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR
46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.) weiter festzuhalten (vgl.
Senatsbeschlüsse vom 26. April 2022 - VIII ZR 364/20, NJW-RR 2022, 1307 Rn.
8 ff.; vom 10. Mai 2022 - VIII ZR 277/20, NJW-RR 2022, 1460 Rn. 14
ff.; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl., § 535 Rn. 50; aA
Schmidt-Futterer/ Lehmann-Richter, Mietrecht, 15. Aufl., § 538 BGB Rn. 136).
Denn die Erwägungen des VII. Zivilsenats beruhen allein auf den
Besonderheiten des Werkvertragsrechts und sind - auch nach dessen Ansicht -
auf andere Vertragstypen nicht übertragbar (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ
1/20, NJW 2021, 53 Rn. 78; vom 26. April 2022 - VIII ZR 364/20, aaO Rn.
9 mwN; vom 10. Mai 2022 - VIII ZR 277/20, aaO Rn. 15 mwN).
28
Zwar gibt es - anders als im Kaufrecht (vgl.
BGH, Urteile vom 10. November 2021 - VIII ZR
187/20, NJW 2022, 686 Rn. 95; vom 12. März 2021 -
V ZR 33/19, BGHZ 229, 115 Rn. 11; Beschlüsse vom 16. November 2021 -
VIII ZR 15/20, juris Rn. 14; vom 13. März 2020 - V
ZR 33/19, ZIP 2020, 1073 Rn. 42) - im Mietrecht einen mit § 637
Abs. 3 BGB vergleichbaren Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die
(beabsichtigte) Selbstvornahme. Denn nach der Rechtsprechung des Senats
besteht im laufenden Mietverhältnis unter den Voraussetzungen des § 536a
Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei Mietmängeln
(vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2020 - VIII ZR 163/18, BGHZ 226, 208 Rn. 14
mwN) und kann auch der Vermieter vom Mieter einen Vorschuss in Höhe
der erforderlichen Renovierungskosten verlangen, wenn sich der Mieter
mit der Durchführung der Schönheitsreparaturen in Verzug befindet
(vgl. Senatsurteil vom 15. März 2006 - VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588 Rn. 12
mwN; Senatsbeschlüsse vom 26. April 2022 - VIII ZR 364/20, aaO Rn. 10; vom
10. Mai 2022 - VIII ZR 277/20, aaO Rn. 16). Solche Ansprüche stehen hier zum
einen nur zum Teil in Rede. Zum anderen beziehen sich sämtliche Ansprüche
auf ein beendetes Mietverhältnis (vgl. auch BGH, Urteil vom 31. März 2021 -
XII ZR 42/20, aaO).
29 Der vom Berufungsgericht angeführten
Gefahr einer Überkompensation bei fiktiver Abrechnung im Mietrecht wird zum
einen dadurch begegnet, dass der Geschädigte nur die zur Erfüllung der
Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen darf. Zum anderen ist zu
beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen
Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bildet
(vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2020 - VIII ZR 163/18, BGHZ 226, 208
Rn. 42; vom 17. Januar 2023 - VI ZR 203/22, WM 2023, 422 Rn. 50; Beschluss
vom 26. April 2022 - VIII ZR 364/20, aaO Rn. 19).
30 bb)
Ebenso wie den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3, §
281 Abs. 1 Satz 1 BGB) kann der Kläger auch seinen das Integritätsinteresse
betreffenden Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB)
wegen der Beschädigung der Mietsache - hier bezüglich der Wandfliesen der
Küche und des Flurs im Treppenhaus - auf der Grundlage der voraussichtlichen
Kosten bemessen. Anders als bei einem Schadensersatzanspruch statt
der Leistung, der aufgrund des Wegfalls des Leistungsanspruchs (§ 281 Abs. 4
BGB) von vornherein nur auf Geldersatz gerichtet ist, kann der
geschädigte Vermieter bezüglich des Schadensersatzanspruchs neben der
Leistung wahlweise Naturalrestitution oder den Geldersatz verlangen
(vgl. BGH, Urteile vom 19. November 2014 - VIII ZR 191/13, BGHZ 203, 256 Rn.
26; vom 28. Februar 2018 - VIII ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 29; vom 29.
Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 21). Aufgrund dieser
Ersetzungsbefugnis, die das Gesetz in § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten
gewährt (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 29. Oktober 1974 - VI ZR
42/73, BGHZ 63, 182, 184; vom 3. Juli 2008 - I ZR 218/05, NJW-RR 2009, 103
Rn. 22), kann der Kläger (auch) diesen Schadensersatzanspruch anhand
der fiktiven Kosten bemessen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8.
Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 33; Riehm, NZM 2019, 273,
277).
31 Soweit der VII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. Februar
2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 57 ff.) auch hinsichtlich
eines solchen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung (§ 634 Nr.
4, § 280 Abs. 1 BGB) eine fiktive Schadensbemessung verneint hat,
ist dies - wie ausgeführt - auf andere Vertragstypen außerhalb des
Werkvertragsrechts nicht übertragbar. Zudem ist der dieser
Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht
vergleichbar. Denn im Falle des dort in Rede stehenden Anspruchs gegen einen
Architekten aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB aufgrund von Planungs- oder
Überwachungsfehlern besteht - anders als hier - eine Ersetzungsbefugnis des
Bestellers nicht (vgl. Urteil vom 22. Februar 2018
- VII ZR 46/17, aaO Rn. 58 f.).
III.
32 Nach alledem kann
das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand
haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit
ist noch nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - von
seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - Feststellungen zu Grund und Höhe
des Schadens nicht getroffen hat. Die Sache ist daher im Umfang der
Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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