Schadensersatz im Kauf- und Werkvertrags im Wege
des Ersatzes "fiktiver Mängelbeseitigungskosten?
BGH, Beschluss vom 13. März 2020 - V ZR 33/19 - OLG
Düsseldorf
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
An den VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird
gemäß § 132 Abs. 3 GVG folgende Anfrage gerichtet:
a) Wird an der in dem
Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17,
BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.) vertretenen Rechtsauffassung festgehalten, wonach
der „kleine“ Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280, 281 Abs. 1 BGB
nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht
aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf?
b) Wird ferner daran festgehalten, dass sich ein Schadensersatzanspruch des
allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf Vorfinanzierung „in Form der
vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags“
richten kann (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 67)?
Zentrale Probleme:
Eine unglaublich lehrreiche Entscheidung: Der VII.
Zivilsenat, der sich mit dem Werkvertragsrecht befasst, hatte im 2018
entschieden, dass als Schadensersatz statt der Leistung bei unterbliebener
Nacherfüllung lediglich die Wertdifferenz zwischen mangelhaftem und
mangelfreiem Werk geschuldet ist, wenn der Besteller die Mängelbeseitigung
noch nicht durchgeführt hat. Ansonsten könnten nach § 280 I BGB nur ein
abrechenbarer Vorschuss für die Mängelbeseitigung, nicht aber nach §§ 634
Nr. 4, 280 I, III, 281 BGB die Kosten für die noch nicht durchgeführte
Mängelbeseitigung verlangt werden.
Der V. Zivilsenat, der u.a. für
das Immobiliarkaufrecht zuständig ist (für das allgemeine Kaufrecht ist der
VIII. Zivilsenat zuständig) möchte - mit sehr guten Gründen - von dieser
Rspr. abweichen (seine Gegenargumente sind jedenfalls ziemlich vernichtend
...). Dazu muss er aber zunächst gem. § 132 III GVG beim VII.
Senat anfragen, ob dieser an seiner Rspr. festhält (was angesichts der
Tatsache, dass die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, noch jung
ist, sehr wahrscheinlich ist) - sog. Divergenzanfrage. Hält der VII. Senat
an seiner Ansicht fest, wird gem. § 132 Abs. 2 S. 1 GVG der Große Senat für
Zivilsachen am BGH darüber entscheiden. Ein solches "battle der Senate" wird
gerne vermieden (man spricht von einem "horror pleni" - der Angst vor dem
Plenum). Hier wird es sehr wahrscheinlich dazu kommen.
Mit seiner
Entscheidung legt der Senat die gemeinsame Wurzel sowohl des
werkvertraglichen als auch des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts im
Allgemeinen Leistungsstörungsrecht dar und erläutert grundsätzlich den
Schadensersatz statt der Leistung. Daher ist die Entscheidung sehr
lesenswert. Zur Antwort des VII. Senats s. BGH v.
8.10.2020 - VII ARZ 1/20, zur darauf folgenden Entscheidung des Senats
s. BGH, Urteil v. 12.3.2021 - V ZR 33/19).
©sl 2020
Gründe
1
I. 1 Die Kläger erwarben von dem Beklagten mit notariellem
Kaufvertrag vom 27. Februar 2014 eine Eigentumswohnung zum Preis von 79.800
€ unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem Kaufvertrag heißt es in Nr.
III.1:
"(Abs. 4) Der Verkäufer verpflichtet sich, die
Fassade zur Gartenseite und die rechte Fassadenseite zum Stellplatz hin bis
zum 1. April 2014 auf seine Kosten sach- und fachgerecht zu isolieren und zu
verputzen. Für diese Arbeiten übernimmt der Verkäufer die Gewährleistung
nach den Regeln des Werkvertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches.
(Abs. 5) Dem Verkäufer ist bekannt, dass es in der Vergangenheit an der
Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab. Sollte es bis zum 31. Dezember 2015
erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet sich der
Verkäufer, diese auf seine eigenen Kosten zu beheben."
2 Nach Übergabe der Wohnung trat Ende 2014
Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer der Kläger auf, zu deren Beseitigung die
Kläger den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung aufforderten. Die
Wohnungseigentümer ermächtigten die Kläger durch Beschluss auch insoweit zur
Behebung der Schäden, als das Gemeinschaftseigentum betroffen ist.
Mit der Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten die Zahlung der
voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von
12.312,90 € und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten; ferner
wollen sie feststellen lassen, dass der Beklagte weitere Schäden ersetzen
muss.
3 Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von
7.972,68 € nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt und die
Ersatzpflicht für weitere Schäden festgestellt; dabei hat es die Forderung,
soweit sie Schäden am Gemeinschaftseigentum betrifft, auf den Kostenanteil
der Kläger beschränkt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten
- soweit von Interesse - zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision,
deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will der Beklagte die Abweisung
der Klage insgesamt erreichen.
II.
4 1. Im Ausgangspunkt
legt das Berufungsgericht die in Nr. III.1 Abs. 5 des notariellen Vertrags
vom 27. Februar 2014 getroffene Regelung dahingehend aus, dass der
Beklagte im Hinblick auf die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden keine
werkvertragliche Herstellungspflicht übernommen hat, sondern nach den Regeln
der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung haftet; nach dem Parteiwillen habe der
Beklagte das Risiko erneut auftretender Feuchtigkeit als Verkäufer tragen
sollen. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass die
Herstellungsverpflichtung des Beklagten im Hinblick auf die Fassade (Nr.
III.1 Abs. 4 des Vertrags) ausdrücklich dem Werkvertragsrecht unterstellt
worden sei, während eine solche Regelung hinsichtlich der Feuchtigkeit im
Schlafzimmer (Nr. III.1 Abs. 5 des Vertrags) fehle. Diese tatrichterliche
Auslegung, die revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbar ist
(st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08, NJW
2010, 146 Rn. 10), lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der
Revision nicht beanstandet; dasselbe gilt für die Ansicht des
Berufungsgerichts, wonach der Haftungsausschluss nicht eingreift.
5
2. Infolgedessen ist der Beklagte wegen der festgestellten
Feuchtigkeitsmängel verpflichtet, Schadensersatz statt der Leistung gemäß §
437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB zu leisten. Diesen Anspruch bemessen die
Kläger anhand der voraussichtlich entstehenden Mängelbeseitigungskosten.
Nachdem der VII. Zivilsenat seine langjährige Rechtsprechung, nach der diese
Art der Schadensermittlung zulässig war, für den werkvertraglichen Anspruch
auf kleinen Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, § 280, § 281 Abs. 1 BGB
aufgegeben hat (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ
218, 1 Rn. 31 ff.), möchte das Berufungsgericht geklärt wissen, ob
dies auch für die kaufrechtliche Sachmängelhaftung gemäß § 437 Nr. 3, § 280,
§ 281 Abs. 1 BGB gelten soll; es selbst verneint diese Frage.
6 3. Die von dem Berufungsgericht vorgenommene Bemessung des
kaufvertraglichen Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, §
280, § 281 Abs. 1 BGB entspricht der gefestigten höchstrichterlichen
Rechtsprechung.
7 a) Danach kann der Käufer im
Rahmen des kleinen Schadensersatzes entweder Ausgleich des mangelbedingten
Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen
Mängelbeseitigungskosten verlangen, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel
tatsächlich beseitigt wird. Dies haben der V. und
anschließend der VIII. Zivilsenat im Wesentlichen mit dem Gleichlauf
zwischen werkvertraglichem und kaufrechtlichem Nacherfüllungsanspruch
infolge der Schuldrechtsreform begründet; dabei haben sie sich auf die
bisherige Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zum Werkvertragsrecht bezogen
(vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V
ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31;
Urteil vom 4.
April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 33; Urteil vom 11. Dezember
2015 - V ZR 26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 21; BGH,
Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, ZfSch 2015, 625 Rn. 12).
8 b) Die genannte Rechtsprechung des VII. Zivilsenats bezieht sich auf
das Schuldrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Das
frühere Werkvertragsrecht enthielt ebenso wie nunmehr § 634 Nr. 1, § 635 BGB
nF einen vorrangigen Mängelbeseitigungsanspruch des Bestellers (vgl. § 633
Abs. 2, §§ 634, 635 BGB aF). Der Schadensersatzanspruch des Bestellers
konnte nach ständiger Rechtsprechung des VII. Zivilsenats anhand der
Differenz zwischen dem Verkehrswert des Werkes mit und ohne Mangel ermittelt
werden. Wahlweise zulässig war aber auch die hier interessierende
Schadensberechnung anhand der voraussichtlich erforderlichen
Mängelbeseitigungskosten, wobei es unerheblich war, ob der Mangel
tatsächlich beseitigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1973 - VII
ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30 f.; Urteil vom 22. Juli 2004 - VII ZR 275/03, MDR
2005, 86; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII
ZR 179/11, BauR 2013, 81 Rn. 10). Der Schadensersatzanspruch trete
nämlich an die Stelle des auf mangelfreie Herstellung gerichteten
Erfüllungsanspruchs und ziele auf die Herbeiführung des von dem Unternehmer
geschuldeten werkvertraglichen Erfolgs; daher könne der Besteller
als Ausgleich für das mangelhafte Werk die Kosten der Mängelbeseitigung
verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März
2005 - VII ZR 321/03, MDR 2005, 983, 984). Auf eine
tatsächlich durchgeführte Mängelbeseitigung komme es wegen der
Dispositionsbefugnis des Geschädigten nicht an (vgl. BGH, Urteil
vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30 f.; Urteil vom 6. November
1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 86 f.; Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR
8/06, NJW 2007, 2697 Rn. 13). Allerdings könne der Besteller in
entsprechender Anwendung von § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB nur den Ersatz der
Wertdifferenz verlangen, wenn die Herstellung der Mangelfreiheit
unverhältnismäßige Aufwendungen erfordere (vgl. BGH, Urteil vom 26.
Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 367; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, NJW 2013, 370 Rn. 11; ebenso für das
Kaufrecht Senat, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR
275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 36).
9 4.
Inzwischen hat der
VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung mit
Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17,
BGHZ 218, 1 ff.) für das ab dem 1. Januar 2002 geltende
Werkvertragsrecht geändert. Nach dieser Entscheidung kann
der Besteller, der kleinen Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1
und 3, § 281 BGB verlangt, seinen Schaden nur dann anhand der
Mängelbeseitigungskosten bemessen, wenn er diese tatsächlich aufgewandt hat
(aaO Rn. 31 ff.). Vor den Nachteilen und Risiken einer
Vorfinanzierung werde der Besteller dadurch geschützt, dass er ungeachtet
der in § 281 Abs. 4 BGB getroffenen Regelung grundsätzlich weiterhin gemäß §
634 Nr. 2, § 637 BGB Vorschuss verlangen könne, wenn er den Mangel
beseitigen wolle (aaO Rn. 48 ff.). Auch die Bemessung des
Schadensersatzes wegen mangelhafter Planungsleistungen des Architekten gemäß
§ 280 Abs. 1 BGB müsse sich nach den tatsächlichen Dispositionen des
Bestellers richten (aaO Rn. 62 ff.). Da der Architekt nicht die Errichtung
des Bauwerks schulde, könne der Besteller nicht gemäß § 637 Abs. 3 BGB
Vorschuss verlangen; einer Vorfinanzierung der
Mängelbeseitigung bedürfe es aber auch hier nicht, da der Anspruch auf
Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB
einen zweckgebundenen und abrechnungspflichtigen Betrag für die
Mängelbeseitigung umfasse (aaO Rn. 67). Auf diese Weise, so
meint der VII. Zivilsenat, habe er das Schadensersatzrecht sowohl für
Ansprüche gegen den Architekten als auch gegen den Unternehmer "neu
gestaltet und harmonisiert" (BGH, Urteil vom 27. September 2018 -
VII ZR 45/17, NJW 2019, 421 Rn. 72). Die Rechtsprechungsänderung
bezieht sich nicht auf das Schuldrecht in der bis zum 31. Dezember 2001
geltenden Fassung, sondern allein auf das ab dem 1. Januar 2002 geltende
Werkvertragsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - VII ZR
45/17, NJW 2019, 421 Rn. 73; Urteil vom 19. Dezember 2019 - VII ZR 6/19,
juris Rn. 28 f.).
10 5. Dem möchte sich der V. Zivilsenat für
das Kaufrecht nicht anschließen, sondern an seiner bisherigen Rechtsprechung
festhalten. Hieran sieht er sich jedoch durch die
Begründung gehindert, auf die der VII. Zivilsenat den Wandel seiner
Rechtsprechung gestützt hat.
11 a) Im Ausgangspunkt gibt es
drei Wege, sich der Bemessung des kleinen Schadensersatzes statt der
Leistung zu nähern: erstens über die §§ 249 ff. BGB,
zweitens über das auf die einzelnen Schuldverhältnisse bezogene
besondere Schuldrecht oder drittens über das allgemeine
Leistungsstörungsrecht in den §§ 280, 281 BGB.
12 aa) Der V.
und der VII. Zivilsenat stimmen - soweit ersichtlich - insoweit
überein, als die Heranziehung der §§ 249 ff. BGB das Rechtsproblem nicht
lösen kann. Das wird zwar teilweise anders gesehen (vgl. etwa
Halfmeier, BauR 2013, 320, 321 ff.; Picker, JZ 2018, 676 ff.; Mohr, JZ 2019,
917, 920; siehe allerdings auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR
179/11, BauR 2013, 81 Rn. 9), trifft jedoch nicht zu.
13 (1) Obwohl die §§ 249 ff. BGB allgemein auf Schadensersatzansprüche
anwendbar sind und die darauf bezogenen Normen ergänzen (vgl.
Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., vor § 249 Rn. 1), regeln sie vor
allem den Ausgleich des Integritätsinteresses. Dagegen
dient der Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 BGB dem
Ausgleich des Äquivalenzinteresses; geschützt wird im Bereich der
kaufrechtlichen Sachmängelhaftung die Erwartung des Käufers, Wert
und Nutzungsmöglichkeit einer vertragsgemäßen Sache zu erhalten
(vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 310/79, BGHZ 86, 256, 258 f.).
Wie Leistungsstörungen auszugleichen sind, ist in erster Linie den
darauf bezogenen Normen zu entnehmen. Durch die eingehenden Regelungen zum
allgemeinen Leistungsstörungsrecht hat das neue Schuldrecht den ergänzenden
Rückgriff auf die §§ 249 ff. BGB im Hinblick auf Leistungspflichten
jedenfalls teilweise entbehrlich gemacht (vgl. etwa
Senat, Urteil vom 30. Mai 2008 - V ZR 184/07, NJW
2008, 3122 Rn. 17 zum Verhältnis von § 275 und § 251 Abs. 2 BGB).
14 (2) Inhaltlich lässt sich den §§ 249 ff. BGB nicht entnehmen,
wie der Schadensersatz statt der Leistung nach dem neuen Schuldrecht
bemessen werden soll.
15 (a) § 249 Abs. 1 BGB gibt
den Primat der Naturalrestitution vor. § 249 Abs. 2, § 250
und § 251 Abs. 2 BGB regeln jeweils, wann statt der
möglichen Naturalrestitution Ersatz in Geld verlangt werden kann, nämlich
wahlweise gemäß § 249 Abs. 2 BGB bei Verletzung einer Person oder Sache,
gemäß § 250 BGB dann, wenn die Naturalrestitution nicht innerhalb einer
gesetzten Frist erfolgt ist und schließlich gemäß § 251 Abs. 2 BGB dann,
wenn die Naturalrestitution nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich
ist. Diese Normen geben für den Schadensersatz statt der
Leistung allesamt nichts her. Verlangt der Gläubiger nach
Fristablauf Schadensersatz statt der Leistung, ist der Anspruch auf die
Primärleistung gemäß § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen (vgl. BGH,
Urteil vom 9. November 2017 - IX ZR 305/16, NJW 2018, 786 Rn. 10). Infolgedessen
kommt eine Naturalrestitution nicht in Betracht; der Anspruch
auf Schadensersatz statt der Leistung ist von vornherein und ohne Rückgriff
auf die §§ 249 ff. BGB auf Ersatz in Geld gerichtet.
16 (b)
Aus denselben Gründen führt § 251 Abs. 1 BGB nicht weiter.
Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu
entschädigen, soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung
des Gläubigers nicht genügend ist. Bei einem Verlangen nach Schadensersatz
statt der Leistung ist die Naturalrestitution aber nicht unmöglich, sondern
die Primärleistung kann aufgrund der Ausübung des Wahlrechts gemäß § 281
Abs. 4 BGB nicht mehr beansprucht werden; aus dieser Norm - und
nicht aus § 251 Abs. 1 BGB - ergibt sich, dass nunmehr Ersatz in Geld
geschuldet ist (vgl. Senat, Urteil vom 11. Dezember 2015 - V ZR
26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 21; grundlegend zu § 635 BGB aF BGH, Urteil vom
6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 84 ff.; ebenso zum Mietrecht
BGH, Urteil vom 28. Februar 2018 - VIII
ZR 157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 26).
17 (c)
Dementsprechend
hat der V. Zivilsenat § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Frage nach der
Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten nicht direkt, sondern nur
entsprechend herangezogen (Senat, Urteil
vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 36), und auch der
VII. Zivilsenat stützt seine Entscheidung vom 22. Februar 2018 zum
Werkvertragsrecht nicht auf die §§ 249 ff. BGB (VII
ZR 46/17, aaO Rn. 23, 73; anders allerdings noch Urteil vom 11. Oktober
2012 - VII ZR 179/11 BauR 2013, 81 Rn. 9).
18 bb)
Infolgedessen kann sich die Bemessung des kleinen Schadensersatzes statt der
Leistung nur entweder nach dem jeweiligen besonderen Schuldrecht oder nach
dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht richten.
19 (1)
Der VII. Zivilsenat verankert die Rechtsfrage zwar vordergründig im
besonderen Schuldrecht ("Regelungskonzept des § 634 BGB";
"Besonderheiten des Werkvertragsrechts", vgl.
Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17,
aaO Rn. 36 und 70). Inhaltlich stützt er sich aber weniger auf
spezifisch werkvertragliche Regelungen als vielmehr auf
verallgemeinerungsfähige Überlegungen zum Schadensbegriff und zu der Gefahr
einer Überkompensation (vgl.
Urteil vom
22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 33 f. und 70). Im
wesentlichen Kern betrifft dies das allgemeine Leistungsstörungsrecht und
namentlich die Auslegung der §§ 280, 281 BGB.
20 (2)
Diese Normen sind auch für die Bemessung des kaufvertraglichen
Schadensersatzes statt der Leistung maßgeblich.
Die Rechte
des Käufers und des Bestellers eines Werkes bei Sach- oder Rechtsmängeln
werden nämlich im Hinblick auf Rücktritt und Schadensersatz seit der
Schuldrechtsreform einheitlich im allgemeinen Leistungsstörungsrecht und nur
ergänzend in den Vorschriften des besonderen Teils geregelt. Folgerichtig
treffen § 437 Nr. 3 BGB für das Kaufrecht und § 634 Nr. 4 BGB für das
Werkvertragsrecht keine eigenständigen Regelungen über den Schadensersatz.
Beide Bestimmungen verweisen insoweit u.a. auf den zentralen
Haftungstatbestand in § 280 BGB, der durch § 281 BGB ergänzt wird
(BT-Drucks.
14/6040 S. 135). In diesen Normen findet sich die eigentliche
Grundlage für den kauf- und den werkvertraglichen Anspruch
auf Schadensersatz statt der Leistung; das gilt einheitlich auch für andere
Vertragstypen wie das Mietrecht. Für das Kaufrecht hat der
Gesetzgeber zugleich die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung einer
mangelfreien Sache in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeführt. Das war bis zum
31. Dezember 2001 bekanntlich anders, da das frühere Schuldrecht die
Fehlerfreiheit der Kaufsache nicht zum Inhalt der Leistungspflicht des
Verkäufers erklärte. Die kaufrechtliche "Gewährleistung" war ein
eigenständiges Haftungssystem, in dem für den Stückkauf keine
Nacherfüllungspflicht und für den Gattungskauf nur eine
Nachlieferungspflicht (§ 480 BGB aF) des Verkäufers vorgesehen war.
Nunmehr ist als vorrangiges Mängelrecht der an den Erfüllungsanspruch
anknüpfende Nacherfüllungsanspruch vorgesehen (§ 437 Nr. 1, § 439 BGB); dies
entspricht den insoweit in der Sache unveränderten werkvertraglichen Regeln
(§ 634 Nr. 1, § 635 BGB). Im Kauf- wie im Werkvertragsrecht kann
Schadensersatz statt der Leistung im Grundsatz erst verlangt werden, wenn
eine dem Schuldner gesetzte angemessene Frist für die Nacherfüllung
erfolglos verstrichen ist (§ 437 Nr. 1, § 439, § 280, § 281 Abs. 1 BGB; §
643 Nr. 4, § 635, § 280, § 281 Abs. 1 BGB).
21 b)
Aus Sicht des V. Zivilsenats kann weder der V. noch der VIII. Zivilsenat an
der bisherigen kaufrechtlichen Rechtsprechung festhalten, ohne im Sinne von
§ 132 Abs. 2 GVG von der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats abzuweichen
(vgl. Tenor unter 1.).
22 aa) Eine Vorlage an den Großen
Senat für Zivilsachen ist dieser Bestimmung zufolge nicht nur bei
unterschiedlicher Auslegung derselben Gesetzesbestimmung erforderlich,
sondern auch dann, wenn der gleiche Rechtsgrundsatz, mag er auch in mehreren
Gesetzesbestimmungen seinen Niederschlag gefunden haben, von zwei Senaten
unterschiedlich aufgefasst und gehandhabt wird (BGH, Beschluss vom 30. März
1953 - GSZ 1-3/53, BGHZ 9, 179, 181). Die Vorlagepflicht des V. Zivilsenats
entfällt insbesondere nicht dadurch, dass der VII. Zivilsenat seinerseits
von der Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen gemäß § 132 GVG abgesehen
hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1955 - GZSt 2/55, BGHSt 10, 94, 96).
23 bb) Die Rechtsprechungsänderung lässt sich jedenfalls auf der
Grundlage der bislang von dem VII. Zivilsenat gegebenen Begründung nicht auf
das Werkvertragsrecht beschränken. Eine Divergenz verneint der VII.
Zivilsenat im Kern mit zwei Argumenten, von denen sich aus Sicht des V.
Zivilsenats keines als stichhaltig erweist.
24 (1) Das gilt zunächst
für die Berufung auf "Besonderheiten des Werkvertragsrechts" (Urteil vom 22.
Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 70 ff.).
25 (a) Es ist nicht
erkennbar, dass - wie der VII. Zivilsenat meint (Urteil vom 22. Februar 2018
- VII ZR 46/17, aaO Rn. 36, 40) - aus § 634 BGB ein eigenes (also von § 437
BGB ggf. abweichendes) Regelungskonzept entnommen werden kann, wonach sich
der Ausgleich daran orientiert, ob eine Mängelbeseiti gung
durchgeführt wird. Denn § 437 BGB und der dieser Bestimmung nachgebildete
(vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 261) § 634 BGB zählen im Sinne erläuternder
"Servicenormen" die bestehenden Mängelrechte auf, indem sie jeweils auf das
allgemeine (für alle Vertragstypen einheitliche)
Leistungsstörungsrecht verweisen (vgl.
BT-Drucks.
14/6040 S. 219 f.;
Heinemeyer, NJW 2018, 2441, 2443). Der Gleichlauf zwischen Kauf- und
Werksvertragsrecht war erklärtes Ziel der Schuldrechtsreform, weshalb § 634
BGB in Nachbildung von § 437 BGB entstanden ist (vgl.
BT-Drucks.
14/6040 S.
94 f., 261). Mit der Einführung des Anspruchs auf eine mangelfreie Sache
sowie des hieran anknüpfenden Nacherfüllungsanspruchs (§ 437 Nr. 1, § 439, §
281 Abs. 1 BGB) ist einerseits das Kauf- dem Werkvertragsrecht stark
angenähert und andererseits die Haftung des Werkunternehmers für Mängel des
Werks an die neue kaufrechtliche Sachmängelhaftung angepasst worden
(vgl.
BT-Drucks.
14/6040 S. 95, 209, 260). Dementsprechend hat auch der Senat den
Nacherfüllungsanspruch im Kaufrecht gemäß § 439 BGB als inhaltsgleich zu dem
Nacherfüllungsanspruch im Werkvertrag angesehen (vgl.
Senat, Urteil vom
15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31; Urteil vom 11.
Dezember 2015 - V ZR 26/15, WM 2016, 1748 Rn. 21; siehe auch BGH, Urteil vom
7. Februar 2019 - VII ZR 63/18, ZfIR 2019, 374 Rn. 32). Für den Anspruch auf
Schadensersatz statt der Leistung, der an die Stelle des
(Nach-)Erfüllungsanspruchs tritt, gilt nichts Anderes (vgl. Senat,
Urteil
vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31;
Urteil vom 4. April
2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 32 f.; BGH, Urteil vom 7. Februar 2019
- VII ZR 63/18, ZfIR 2019, 374 Rn. 32).
26 (b) Allerdings steht die
Verweisung in den §§ 437, 634 BGB auf die §§ 280, 281 BGB jeweils unter dem
Vorbehalt, dass "nicht ein anderes bestimmt ist". Auf spezifisch
werkvertragliche Bestimmungen, aus denen sich ein vom Kaufrecht abweichender
Umfang des Schadensersatzanspruchs ableiten lassen könnte, stützt sich
der VII. Zivilsenat jedoch nicht. Das gilt insbesondere für den Hinweis
darauf, dass das Werkvertragsrecht im Gegensatz zum Kaufrecht einen
Vorschussanspruch vorsehe (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR
46/17, aaO Rn. 72; vgl. auch Urteil vom 19. Dezember 2019 - VII ZR 6/19,
juris Rn. 29). Richtig ist zwar, dass das Kaufrecht eine § 637 BGB
entsprechende Regelung - also ein mit einem Vorschussanspruch
flankiertes Selbstvornahmerecht des Käufers - nicht enthält. Aber auch im
Verhältnis zu dem Architekten, dem Planungsfehler unterlaufen sind, besteht
im Hinblick auf den Schadensersatz neben der Leistung kein Vorschussanspruch
gemäß § 637 Abs. 3 BGB; insoweit leitet der VII. Zivilsenat einen
Vorfinanzierungsanspruch des Bestellers aus dem allgemeinen
Schadensersatzrecht her. Schadensersatzansprüche stehen auch dem Käufer zu.
Mit dem fehlenden Selbstvornahmerecht des Käufers lässt sich ein
Auseinanderfallen von kauf- und werkvertraglichem Haftungsregime deshalb
nicht begründen (vgl. Rodemann, ZfBR 2018, 320, 323).
27 (2)
Eine unterschiedliche Auslegung der §§ 280, 281 BGB lässt sich auch nicht
mit dem zweiten Argument des VII. Zivilsenats begründen, dass nämlich die
Gefahr einer "erheblichen Überkompensation" im Werkvertragsrecht stärker als
im Kaufrecht gegeben sei (so
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR
46/17, aaO Rn. 71). Dabei handelt es sich um eine in erster
Linie rechtspolitische Erwägung. Der V. Zivilsenat hat Zweifel daran, dass
sie sich empirisch belegen lässt. So wird der Erwerb einer Eigentumswohnung
von dem errichtenden Bauträger jedenfalls dann nach Kaufrecht beurteilt,
wenn die Wohnung etwa drei Jahre nach der Errichtung veräußert wird und
vermietet war (BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 156/13, NJW 2016,
1575 Rn. 25); das Überschreiten dieser zeitlichen Grenze dürfte an der
Gefahr einer "Überkompensation" nichts ändern.
Gerade im Hinblick auf die
Veräußerung relativ neuer Immobilien wollte der Gesetzgeber erreichen,
dass die Zuordnung zum Werkvertrags- oder Kaufrecht ihre Bedeutung verliert
(BT-Drucks.
14/6040 S. 95). Ebenfalls unscharf sind die Trennlinien zwischen
Werkvertrag einerseits und Kaufvertrag mit Montageverpflichtung
(§ 434 Abs.
2 BGB; dazu BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 19/18, BauR 2018, 1879
Rn. 19) oder Werklieferungsvertrag (§ 650 BGB) andererseits. Auch der
vorliegende Fall zeigt exemplarisch das Nebeneinander von kauf- und
werkvertraglichen Pflichten: die werkvertragliche Pflicht zum Isolieren und
Verputzen der Fassade steht neben der - hier im Streit stehenden -
kaufrechtlichen Haftung für die Feuchtigkeitserscheinungen im Schlafzimmer.
28 cc) Dafür, dass die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats von
der Rechtsprechung des V., des VIII. und auch des XII. Zivilsenats abweicht,
spricht die Rezeption der Entscheidung in Rechtsprechung und Literatur (vgl.
etwa Selk, NJW-Editorial 39/2019). So wird nunmehr die Schadensberechnung
anhand "fiktiver" Mängelbeseitigungskosten teilweise auch für das Kaufrecht
versagt (Immobilienkauf: OLG Frankfurt, ZfIR 2019, 265 ff.; bewegliche
Sachen: LG Ravensburg, BeckRS 2018, 37613) und für das Mietrecht - etwa für
den Anspruch auf Schadensersatz für unterbliebene Schönheitsrenovierungen -
verneint (Lehmann-Richter, NZM 2018, 315, 316 f.; Richter in
Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 538 BGB Rn. 136; Mäsch, JuS 2019,
907, 909; ausführlich und ablehnend Riehm, NZM 2019, 273, 277 ff.; vgl. auch
AG Blankenese, Urteil vom 12. Juni 2019 - 531 C 60/17, juris Rn. 62 bis 64).
Dass sich die Begründung des VII. Zivilsenats nicht auf das
Werkvertragsrecht beschränken lässt, sondern auf die anderen Vertragstypen
des besonderen Schuldrechts übertragbar ist, entspricht der ganz
überwiegenden Ansicht (vgl. nur OLG Frankfurt a.M., ZfIR 2019, 265, 268; LG
Darmstadt, ZfIR 2019, 58, 59; r+s 2019, 173, 174; Rodemann, ZfBR 2018, 320,
322 f.; Heinemeyer, NJW 2018, 2441, 2444; Picker, JZ 2018, 676; Peters, JR
2019, 331, 342; Retzlaff, BauR 2019, 871, 876 f.; Mohr, JZ 2019, 917, 923 f.; Mäsch, JuS
2018, 907, 909; Lotz, JuS 2019, 749, 752).
29 6. Diese Gesichtspunkte
sprechen dafür, dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Angleichung
der Rechtsprechung der Zivilsenate in diesem Punkt erfordert.
30 a) Im
Ausgangspunkt sind dem Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Änderung einer
gefestigten Rechtsprechung Grenzen gesetzt.
31 aa) Nach ständiger
Rechtsprechung des Hauses gilt dies für die Auslegung älterer
Gesetzesbestimmungen, die im Laufe der Zeit durch eine gefestigte
höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeformt worden sind. In solchen Fällen
treten die Rechtswerte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in
den Vordergrund und verlangen im allgemeinen ein Festhalten an der
einmal eingeschlagenen Rechtsentwicklung. Ein Abgehen von der Kontinuität
der Rechtsprechung kann nur ausnahmsweise hingenommen werden, wenn deutlich
überwiegende oder sogar schlechthin zwingende Gründe dafür sprechen (BGH,
Beschluss vom 4. Oktober 1982 - GSZ 1/82, BGHZ 85, 64).
32 bb)
Diese
Obersätze sind hier zu beachten. Denn die seit Jahrzehnten anerkannte
Bemessung des kleinen Schadenersatzes im Werkvertragsrecht (§ 635 BGB aF)
anhand der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten wurde nach der
Einführung des kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruchs von dem V. und VIII.
Zivilsenat geteilt, so dass sich eine langjährige einheitliche
Rechtsprechung ausgebildet hat, auf die sich der Rechtsverkehr eingestellt
hat und auf deren Einhaltung er vertrauen darf. Das gilt umso mehr, als eine
solche Schadensberechnung der langjährigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung im Deliktsrecht entspricht (vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Mai
2017 - VI ZR 9/17, NJW 2017, 2401 Rn. 7 mwN). Auch im Mietrecht geht der
XII. Zivilsenat bei einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung
ohne weiteres von der Zulässigkeit einer fiktiven Schadensberechnung aus
(vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. März 2014 - XII ZR 108/13, NZM 2014, 306
Rn. 31; Urteil vom 8. Januar 2014 - XII ZR 12/13, NJW 2014, 920 Rn. 26);
ebenso beurteilen der VIII. und der XII. Zivilsenat den Umfang eines
Anspruchs auf Schadensersatz neben der Leistung wegen einer Beschädigung der
Mietsache durch den Mieter (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2018 - VIII ZR
157/17, BGHZ 218, 22 Rn. 26 ff.; Urteil vom 27. Juni 2018 - XII ZR 79/17,
NZM 2018, 717 Rn. 16 ff.).
33 b) Ein Abgehen von
der Kontinuität dieser Rechtsprechung muss sich deshalb daran messen lassen,
ob dafür deutlich überwiegende oder sogar schlechthin zwingende Gründe
sprechen. Diese Voraussetzungen sind aus Sicht des V. Zivilsenats für das
Kaufrecht zu verneinen. Insoweit sprechen die weitaus überwiegenden
Argumente für die bisherige Lösung.
34 aa) Da der Schadensersatz gemäß § 437
Nr. 3 i.V.m. §§ 280, 281 BGB "statt der Leistung" gewährt wird, kann der
Gläubiger verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen
würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (sog.
positives Interesse; vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - VIII ZR
328/07, JZ 2010, 44 Rn. 20). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die
Bestimmung des positiven Interesses ist der Nacherfüllungsanspruch (vgl.
insoweit auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 - VII ZR 63/18, ZfIR 2019, 374
Rn. 32). Der Unterschied zwischen dem kaufrechtlichen Erfüllungs- und dem
Nacherfüllungsanspruch besteht - neben der speziellen Verjährungsfrist des §
438 BGB - im Wesentlichen darin, dass Gegenstand des Nacherfüllungsanspruchs
nicht mehr die erstmalige Lieferung einer mangelfreien Kaufsache ist,
sondern die Herstellung ihrer Mangelfreiheit durch Nachbesserung oder durch
Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (vgl.
BGH, Urteil vom 13. April
2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 50; vgl. auch Senat,
Urteil vom 14.
Februar 2020 - V ZR 11/18, z.V.b.). Infolgedessen kann der Schadensersatz
anhand der Kosten für die (ausgebliebene) Nachlieferung oder Nachbesserung
bestimmt werden, für die der Käufer nunmehr selbst Sorge tragen muss. Diese
Kosten werden durch die Mängelbeseitigungskosten zutreffend abgebildet, ohne
dass es darauf ankommt, ob sie tatsächlich aufgewendet werden; denn sie
belasten die Vermögensbilanz des Käufers schon im Zeitpunkt des
Schadensersatzverlangens. Das entspricht der bisherigen Rechtsprechung des
VII. Zivilsenats zu § 635 BGB aF (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII
ZR 321/03, MDR 2005, 983, 984). Zu seiner abweichenden Auffassung, nach der
sich der Vermögensschaden zunächst in dem mangelbedingten Minderwert der
Sache erschöpft (vgl.
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 -VII ZR 46/17, aaO
Rn. 32 f.), gelangt der VII. Zivilsenat deshalb, weil er auf die (nur) für
die Begründung des Anspruchs erforderliche Pflichtverletzung (Sachmangel)
abstellt; jedenfalls im Kaufrecht ist richtiger Bezugspunkt aber
die Nacherfüllung, zu der der Verkäufer vorrangig verpflichtet ist, und
deren Ausbleiben der Schadensersatzanspruch kompensieren soll.
35 bb) Die Schadensermittlung anhand der Mängelbeseitigungskosten ist im
Kaufrecht auch deshalb angemessen, weil der mangelbedingte Minderwert
der Sache das Leistungsinteresse des Käufers nicht immer zutreffend
abbildet. Man denke etwa an die Lieferung des gekauften PKW in einer
gängigen Farbe statt des bestellten grellen Farbtons. Ein solcher Sachmangel
kann dazu führen, dass der Marktwert nicht sinkt, sondern steigt. Obwohl ein
Minderwert des PKW nicht gegeben ist, hat der Käufer die bestellte Leistung
nicht erhalten, für die er seinerseits die Gegenleistung erbracht hat.
Bessert der Verkäufer nicht nach (Neulackierung), kann der Wert der dem
Käufer entgangenen Leistung (Neulackierung) anhand der hierfür
erforderlichen Kosten bemessen werden, ohne dass es darauf ankommt, ob diese bereits aufgewendet worden
sind. Die Ersatzbeschaffungs- oder Mängelbeseitigungskosten bilden das
Äquivalenzinteresse zutreffend ab, also das Interesse des Käufers, für
seinen Kaufpreis das geschuldete Äquivalent zu erhalten. Sind die
Mängelbeseitigungskosten tatsächlich aufgewendet worden, zieht dies der VII.
Zivilsenat auch für das Werkvertragsrecht nicht in Zweifel (Urteil vom 22.
Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 46).
36 cc) Die bisherige
Rechtsprechung entspricht dem Verständnis des Gesetzgebers der
Schuldrechtsreform.
37 (1) In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich
darauf verwiesen, dass sich der Schadensersatz bei einer Zuweniglieferung
(90 statt gekaufter 100 Flaschen Wein) ebenso wie bei einer mangelhaften
Lieferung (Auto mit defektem Navigationsgerät) jeweils nach den
Ersatzbeschaffungskosten bemisst (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 139 f.).
Folglich hat der Gesetzgeber bei der Angleichung des Kaufrechts an das
Werkvertragsrecht im Einklang mit der damals gefestigten Rechtsprechung zum
Werkvertragsrecht nicht darauf abgestellt, ob die Mängel bereits beseitigt
worden sind und ob der Käufer dies beabsichtigt.
38 (2) Auf die
Schadensberechnung bezogene Änderungen hat der Gesetzgeber weder erwogen
noch hat er sie vorgenommen; im Gegenteil baut das Gesamtkonzept der
Schuldrechtsreform inhaltlich auf der bisherigen Rechtsprechung auf.
39 (a)
Zu den Kernzielen der Schuldrechtsreform gehörte die Schaffung eines
Leistungsstörungsrechts für sämtliche Vertragstypen mit dem einheitlichen
Haftungstatbestand der "Pflichtverletzung" in den §§ 280 ff. BGB. Das
zweite "wesentliche Strukturmerkmal" ist der durch das Erfordernis der
Fristsetzung gesicherte Vorrang des Erfüllungsanspruchs (BT-Drucks.
14/6040 S. 92 f.). Sachmängel sollen vorrangig durch Nacherfüllung behoben
und nur zweitrangig durch Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz
ausgeglichen werden. Zugleich ist die Haftung des Verkäufers durch die
Einführung einer allgemeinen Schadensersatzpflicht auch für unmittelbare
Mangelschäden gezielt verschärft worden (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 226).
Die Nacherfüllung kann der Verkäufer nur dann verweigern, wenn sie mit
unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Auf diese Weise sollten die
vertraglich vereinbarten Leistungspflichten möglichst durchsetzbar gemacht
werden ("pacta sunt servanda", vgl. Deppenkemper, JM 2018, 222, 228).
40 (b) Das Ziel, dem Käufer mittels Einführung eines vorrangigen
Nacherfüllungsanspruchs zu der versprochenen Leistung zu verhelfen und die
Verkäuferhaftung zu verschärfen, würde durch die Übernahme der neuen
Rechtsprechung des VII. Zivilsenats konterkariert. Denn für den Verkäufer
entstünden Anreize, die Nacherfüllung nicht vorzunehmen, wenn der erst nach
verweigerter oder fehlgeschlagener Nacherfüllung und nur bei einem
Vertretenmüssen gewährte Anspruch auf kleinen Schadensersatz auf den
mangelbedingten Minderwert oder auf tatsächlich aufgewendete Kosten
beschränkt wäre. Er könnte darauf hoffen, sich bei einem Verlangen nach
Schadensersatz finanziell besser zu stehen, als wenn er seiner
Nacherfüllungspflicht entspricht. Sieht nämlich der Käufer von der
Nachbesserung ab, muss nur der - oft geringere - Minderwert ersetzt werden,
ohne dass es wie bislang (vgl. Rn. 8) entscheidend darauf ankommt, ob die
Herstellung der Mangelfreiheit unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert.
Damit bliebe außer Acht, dass der Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung nach dem Konzept der Schuldrechtsreform den ausgebliebenen
Erfüllungserfolg und nicht nur den Minderwert der Sache ausgleichen soll;
durch die Ersatzfähigkeit der Mängelbeseitigungskosten unabhängig von deren Aufwendung wird der Vorrang des
Erfüllungsanspruchs schadensrechtlich umgesetzt (vgl. zum Ganzen
Deppenkemper, JM 2018, 222, 227 f.).
41 dd) Ein Ergebnis, wonach der Käufer
einer Sache die beabsichtigte Mängelbeseitigung vorfinanzieren muss, sieht
der Senat als nicht vertretbar an (aA OLG Frankfurt, ZfIR 2019, 265, 269).
42
(1) Den mit der Vorfinanzierung verbundenen erheblichen wirtschaftlichen
Nachteil müsste der Käufer tragen, nachdem und weil der Verkäufer die ihm
obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat; das Berufungsgericht weist
zutreffend darauf hin, dass Immobilienkäufer neben der Kaufpreisfinanzierung
oft nicht in der Lage sein werden, die Kosten der Mängelbeseitigung
vorzustrecken. Zu einer solchen Vorfinanzierung wäre der Käufer nach der
klaren gesetzlichen Regelung gezwungen. Denn ein Selbstvornahmerecht mit
einem Vorschussanspruch, wie er in § 637 Abs. 3 BGB vorgesehen ist, gibt es
im Kaufrecht nicht (ebenso im Mietrecht, vgl. Lehmann-Richter, NZM 2018,
315, 316 f.).
43 (2) Ein Vorfinanzierungsanspruch kann insbesondere nicht
aus dem Schadensersatzanspruch gemäß § 437 Nr. 3, § 280, 281 Abs. 1 BGB
hergeleitet werden. Allerdings geht der VII. Zivilsenat, der die
Vorfinanzierung durch den Geschädigten ebenfalls vermeiden will, diesen Weg
für die Architektenhaftung. Danach kann der Besteller von dem Architekten
gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB Vorfinanzierung "in Form der vorherigen
Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags" verlangen
(vgl.
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 67).
Dieser Argumentation kann sich der V. Zivilsenat für das
Leistungsstörungsrecht im Allgemeinen und für das Kaufrecht im Besonderen
nicht anschließen,
weshalb er auch insoweit anfragt, ob der VII. Zivilsenat an dieser Ansicht
festhalten will (Tenor unter 2.). Nach der dogmatischen Konzeption
des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ist der Anspruch auf Schadensersatz
neben oder statt der Leistung nicht zweckgebunden, und über seine
Verwendung muss nicht abgerechnet werden. Die Dispositionsfreiheit des
Geschädigten zählt für Sachschäden zu den anerkannten Grundsätzen des
deutschen Schadensersatzrechts (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1986 - VI ZR
48/85, BGHZ 97, 14, 17 f.; Urteil vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61,
28, 30 f.). Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich der Anspruch auf
Schadensersatz von einem Vorschussanspruch, wie ihn das Bürgerliche
Gesetzbuch an verschiedenen Stellen und insbesondere bei dem
werkvertraglichen Selbstvornahmerecht vorsieht (§ 637 Abs. 3 BGB; vgl.
ferner § 475 Abs. 6, § 555a Abs. 3 Satz 2 oder § 669 BGB). Im Kaufrecht
stünde ein aus § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB abgeleiteter
zweckgebundener und abzurechnender Vorfinanzierungsanspruch in direktem
Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber aufgrund bewusster Entscheidung davon
abgesehen hat, ein Selbstvornahmerecht nebst Vorschussanspruch einzuführen.
Dies hat der VIII. Zivilsenat in seinem grundlegenden Urteil zum Vorrang der
Nacherfüllung vom 23. Februar 2005 (VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219, 225 f.)
überzeugend dargelegt.
45 ee) Für das Kaufrecht kann der V.
Zivilsenat auch in der Sache nicht erkennen, dass die bisherige
Rechtsprechung zu einer Überkompensation geführt hätte.
46 (1)
Zunächst darf
der Begriff der "fiktiven" Mängelbeseitigungskosten nicht dahingehend
missverstanden werden, dass fiktive, also nicht vorhandene Schäden ersetzt
werden müssten. Das wäre schon im Ansatz nicht richtig, weil das Verhältnis
zwischen Leistung und Gegenleistung gestört ist; die Fiktion
betrifft nur die Bewertung der ausgebliebenen Leistung in Gestalt der
Nacherfüllung (vgl. zu der Terminologie Medicus, DAR 1982, 352
f.). Im Regelfall führt die bisherige Rechtsprechung schon deshalb nicht zu
unangemessenen Ergebnissen, weil der Käufer - wie hier - schlicht die
Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung vermeiden möchte; er kann im Übrigen
auch andere anerkennenswerte Gründe dafür haben, dass er die Behebung des
Mangels auf einen späteren Zeitpunkt verschieben will. Selbst die
Entscheidung, von der Mängelbeseitigung ganz abzusehen, wird von der
Dispositionsfreiheit des Käufers gedeckt. Er darf mit dem Mangel leben und
den Wert der Leistung anders verwenden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1973 -
VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30 f.).
47 (2) Hierfür streitet auch der
Gesichtspunkt der Praktikabilität. Denn anhand der voraussichtlich
entstehenden Mängelbeseitigungskosten kann der Schadensersatz relativ
verlässlich und vorhersehbar bemessen werden, während die Ermittlung des
mangelbedingten Minderwerts häufig auf Schwierigkeiten stößt. Die
Schadensabwicklung wird damit erheblich erleichtert und für
den Rechtsverkehr vorhersehbar ausgestaltet. Das gilt umso mehr, als
abrechnungs- oder vorfinanzierungsbezogene Lösungen eine Vermehrung von
Prozessen zur Folge haben können, während das bislang anerkannte
Schadensersatzrecht zu einer endgültigen Streitbeilegung führt (vgl. Weyer,
NZBau 2013, 269, 270; Riehm, NZM 2019, 274, 280).
48 (3) Nicht anders liegt
es, wenn der Käufer die mangelhafte Sache während des
Schadensersatzprozesses verkauft und der Erwerber sich an dem Mangel nicht
stört. In solchen Fallkonstellationen liegt es zwar auf den ersten Blick
nahe, dass der Schaden gleichsam entfallen ist. Aber die bisherige
Rechtsprechung, wonach der Schadensersatzanspruch auch nach einer
Veräußerung der Sache unverändert fortbesteht, hatte alle Argumente für und
wider wohl erwogen; am Ende hatte sie gute Gründe auf ihrer Seite
(vgl.
Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326
Rn. 31 im
Anschluss an BGH, Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81,
86 f.). Insbesondere darf es nicht der vertragsbrüchigen Partei
zugutekommen, dass der Geschädigte die Sache weiterverkauft, und dieser soll
nicht über einen längeren Rechtsstreit hinweg an der Veräußerung der Sache
gehindert sein.
49 ff) Gegen die Übernahme der
neuen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats spricht schließlich auch die
Kohärenz der Rechtsordnung mit Blick auf die höchstrichterliche
Rechtsprechung zum Deliktsrecht.
50 (1) Bei der Beschädigung einer Sache
stellen die grundsätzliche Berechtigung des Geschädigten zur fiktiven
Schadensabrechnung und dessen Dispositionsfreiheit seit vielen Jahrzehnten
Eckpfeiler der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats dar. Hierzu steht die
Rechtsprechung des VII. Zivilsenats nicht in Widerspruch, da diese auf das
allgemeine Leistungsstörungsrecht und nicht auf das Recht der unerlaubten
Handlungen bezogen ist (verkannt von LG Darmstadt, MDR 2019, 1128 ff.). Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem
Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus
unerlaubter Handlung um eine echte Anspruchskonkurrenz mit der Folge, dass
grundsätzlich weder die Deliktsordnung von der Vertragsordnung verdrängt
wird noch umgekehrt und dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen,
seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen ist und
seinen eigenen Regeln folgt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2005 - VII
ZR 158/03, BGHZ 162, 86; Urteil vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86,
BGHZ 101, 337, 343 f.). Dementsprechend hat der VI. Zivilsenat seine
Rechtsprechung bekräftigt und fortgesetzt, ohne die neue Rechtsprechung des
VII. Zivilsenats auch nur zu erwähnen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September
2019 - VI ZR 65/18, NJW 2019, 852 Rn. 6).
51 (2)
Gleichwohl ergäben sich aus dem Nebeneinander von deliktischen und
vertraglichen Ansprüchen bedenkliche und der Einheit der
Rechtsordnung abträgliche Brüche, wenn die neue Rechtsprechung des VII.
Zivilsenats für das Kaufrecht maßgeblich sein sollte. Werden infolge der
Schlechtleistung des Verkäufers andere Rechtsgüter des Käufers beschädigt,
könnten (nur) die Kosten für die Behebung dieser Schäden fiktiv abgerechnet
werden, nicht jedoch die auf die vertraglich geschuldete Leistung bezogenen
Kosten. Eine solche Differenzierung kann nicht überzeugen. Die Folge wäre
nämlich das Wiederaufleben der durch die Schuldrechtsreform jedenfalls
weitgehend überwundenen Differenzierung zwischen Mangel- und
Mangelfolgeschaden, die der Gesetzgeber beseitigen wollte als ein
"Dauerthema der Rechtsprechung, zu dem Ströme wissenschaftlicher Tinte
geflossen sind, ohne dass eine klare, plausible und vor allem praktikable
Lösung in Sicht wäre" (BT-Drucks. 14/6040 S. 88 im Anschluss an den
Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S.
23). Für Abhilfe sollte die Neuregelung des Verjährungsrechts sorgen (vgl.
BT-Drucks. 14/6040 S. 88 f.). Nunmehr könnten vermeintlich zurückgedrängte
Rechtsfiguren wie etwa der "weiterfressende Schaden" (vgl. dazu BGH, Urteil
vom 24. November 1976 - VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359, und zu den Erwartungen
des Gesetzgebers BT-Drucks. 14/6040 S. 229) oder die fehlende
"Stoffgleichheit" (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 310/79,
BGHZ 86, 256, 262; Urteil vom 28. Oktober 2010 - VII ZR 172/09, NJW 2011,
594 Rn. 26 f.) herangezogen werden, um über konkurrierende
deliktische Ansprüche zu einer fiktiven Abrechnung zu gelangen.
52 7.
Abschließend ist die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfragen noch in
einem Punkt zu klären.
53 a) Nach dem Verständnis des V. Zivilsenats sieht
es der VII. Zivilsenat nach wie vor als zulässig an, die
Mängelbeseitigungskosten für die Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO) des
mangelbedingten Minderwerts der durch das Werk geschaffenen oder
bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache heranzuziehen. Er
verweist nämlich bei der Darstellung der (beibehaltenen) Methode der
Schadensberechnung anhand einer Vermögensbilanz (Urteil vom 22. Februar 2018
- VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 27 und 30) auf die zum alten Schuldrecht
ergangene Rechtsprechung des V. Zivilsenats. In dem in Bezug genommenen
Urteil hat der V. Zivilsenat seine ständige Rechtsprechung zu § 463 BGB aF
erläutert, wonach der "kleine Schadensersatz" grundsätzlich nach den Kosten
für eine Herrichtung des verkauften Gegenstands in einen mangelfreien
Zustand berechnet werden durfte; weil es damals keinen
Nacherfüllungsanspruch gab, handelte es sich hierbei nur um eine
vereinfachte Form der Berechnung des auszugleichenden Minderwerts. Blieb die
mangelbedingte Wertminderung der Sache deutlich hinter den Kosten für die
Herstellung der zugesicherten Eigenschaft zurück und war diese Abweichung
nicht nur mit einem fehlenden Abzug "neu für alt” bei den Herstellungskosten
zu erklären, konnte der Käufer nur Ersatz des Minderwerts der Sache
verlangen (Senat, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 45/07, NJW 2008, 436
Rn. 11 f.). Das soll also nach wie vor gelten (so auch Halfmeier, BauR 2019,
391, 394; Rodemann, ZfBR 2018, 320, 321), wenngleich die
Mängelbeseitigungskosten bei der Minderung nicht mehr herangezogen werden
dürfen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn.
42).
54 b) Dann käme hier grundsätzlich in Betracht, den mit der
Feuchtigkeit einhergehenden Minderwert der Eigentumswohnung anhand der
Mängelbeseitigungskosten zu bemessen und ihn auf diese Weise ohne
Widerspruch zu der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats als ersatzfähig
anzusehen. Das entspricht jedoch nicht dem streitgegenständlichen Begehren
der Kläger, über das das Berufungsgericht entschieden hat. Die Kläger
fordern nämlich vollen Ersatz der ihnen entstehenden
Mängelbeseitigungskosten, weshalb sie auch die Ersatzpflicht für weitere
Schäden feststellen lassen wollen. Bei dem Ersatz des mangelbedingten
Minderwerts kommen spätere Nachforderungen aufgrund höherer tatsächlicher
Kosten sowie der Umsatzsteuer gerade nicht in Betracht. Denn
die voraussichtlich entstehenden Mängelbeseitigungskosten dienen lediglich
als Berechnungsgrundlage für den abschließend zu bemessenden Minderwert.
Aus Sicht des V. Zivilsenats sind die Kläger - wie ausgeführt - nicht auf
eine solche Schadensberechnung beschränkt.
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