Vertragsschluss: Auslegung von
Willenserklärungen; Anfechtung wegen Inhaltsirrtums; bedingte
Anfechtungserklärung
BGH, Urteil vom 15. Februar 2017 - VIII ZR 59/16 - LG
Bielefeld
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsätze:
a) Sind bei Verkaufsaktionen auf der
eBay-Internetplattform die Erklärungen der Teilnehmer nicht aus sich heraus
verständlich oder lückenhaft und bedürfen sie deshalb der Auslegung, ist
grundsätzlich zwar der Aussagegehalt der eBay-AGB ergänzend in die Auslegung
der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Rückt jedoch einer der
Teilnehmer von den Regelungen der eBay-AGB erkennbar in bestimmter Hinsicht
ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts
nicht mehr in Betracht. Es ist dann vielmehr das individuell Vereinbarte
maßgeblich (Fortführung der Senatsurteile vom 7.
November 2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 135 f.; vom
11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346
Rn. 21; vom 10. Dezember 2014 - VIII ZR 90/14, NJW
2015, 1009 Rn. 19).
b) Zum Vorliegen einer Anfechtungserklärung kann es schon genügen, dass der
Anfechtende eine Verpflichtung, die er nach dem objektiven Erklärungswert
seiner - gegebenenfalls durch schlüssiges Handeln getätigten -
Willensäußerung übernommen hat, bestreitet oder nicht anerkennt oder ihr
sonst widerspricht, sofern sich unzweideutig der Wille ergibt, dass er das
Geschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehenlassen will. Dies
ist auch in Form einer Eventualanfechtung möglich, die für den Fall erklärt
wird, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt
hat oder nicht ohnehin nichtig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai
1968 - VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B III mwN; vom 28. September 2006
- I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17).
Zentrale Probleme:
Mal wieder ein ebay-Fall mit klassischen Problemen des
Allgemeinen Teils, deshalb extrem lehrreich: Ein Verkäufer gibt bei ebay
einen Sofort-Kauf Preis von 100 € an, erklärt aber erkennbar im
Angebotstext, dass er zu einem viel höheren Preis, nämlich für 2600 €
verkaufen will. Der Käufer nimmt das Angebot an, will aber nur zu 100
kontrahieren. Der Senat kommt zu einem Vertragsschluss über den 2600.- € an;
Nach einem objektiven Empfängerhorizont liegt nämlich ein Angebot über
diesen Preis vor, weshalb V die als "ja" zu verstehende Erklärung des K
ebenso verstehen darf. Allerdings gestattet der Senat dem K eine Anfechtung,
weil dieser glaubte, mit seinem "Klick" eine Annahme zu 100.- zu erklären
(Inhaltsirrtum nach § 119 I Alt. 1 BGB. Letzteres ist allerdings nicht immer
zutreffend: Wenn K erkannt hätte, dass V nicht zu 100.- verkaufen will und
ihn aber "beim Wort" nehmen wollte, liegt auf seiner Seite kein Irrtum vor.
Sein mangelender Wille, zu 2600.- € zu kaufen, wäre dann nach § 116 S. 1 BGB
irrelevant. Die Entscheidung enthält viele weitere wichtige Details zur
Anfechtung sowie zu Anfechtungserklärung, also: LESEN!
©sl 2017
Tatbestand:
1 Der Beklagte bot im Oktober 2014
über die Internet-Plattform eBay unter Nutzung der Festpreis-Funktion
"Sofort-Kaufen" ein E-Bike zum Kauf an. An der dafür vom Plattformbetreiber
auf der Angebotsseite vorgesehenen Stelle trug der Beklagte einen
Sofortkaufpreis von 100 € und Versandkosten von 39,90 € ein. Die auf der
Angebotsseite vom Beklagten unter Verwendung von Großbuchstaben und
Fettdruck der Preisangabe unmittelbar vorangestellte Artikelbezeichnung
lautete:
"Pedelec neu einmalig 2600 €
Beschreibung lesen!!"
2 Am Ende der Artikelbeschreibung hatte der Beklagte - wiederum in
Großbuchstaben - folgende Angaben hinzugefügt:
"Das Fahrrad ist noch original verpackt, kann aber auf Wunsch zusammengebaut
werden. Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 € eingeben
kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 €
mit einem Verkaufspreis von 2600 + Versand einverstanden. Oder machen Sie
mir einfach ein Angebot! Danke."
3 Der auf das Angebot aufmerksam gewordene Kläger betätigte am 16. Oktober
2014 die Schaltfläche ("Button") "Sofort-Kaufen" auf der Angebotsseite, um
das E-Bike zu erwerben. In einer noch am gleichen Tage durch E-Mails
über die Höhe des Kaufpreises geführten Korrespondenz wies der Beklagte den
Kläger auf den in der Artikelbeschreibung angegebenen Kaufpreis von 2.600 €
als aus seiner Sicht maßgeblich hin, während sich der Kläger auf den
eingegebenen und ihm auch in der Kaufbestätigung von eBay einschließlich der
Versandkosten angezeigten Kaufpreis von 139,90 € berief. Auf die am
Folgetag übersandte Aufforderung des Beklagen, den nach seiner Auffassung
angefallenen Kaufpreis binnen fünf Tagen zu bezahlen, zahlte der Kläger nur
139,90 € und bat um den Versand des E-Bikes an seine Anschrift. Als der
Beklagte dem nicht nachkam, verlangte der Kläger von diesem mit
Anwaltsschreiben vom 31. Oktober 2014 unter Hinweis auf das von ihm durch
Betätigung des Buttons lediglich zu 100 € zuzüglich Versandkosten
angenommene Angebot erneut die Übersendung des E-Bikes.
4 Seine auf Herausgabe und Übereignung des E-Bikes sowie auf einen Ersatz
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage hat in
den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
7 Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übereignung und Übergabe des E-Bikes
aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil zwischen den Parteien ein Kaufvertrag
nicht zustande gekommen sei. Hierbei könne im Ergebnis dahin stehen, ob es
im Rahmen der Auslegung des Festpreisangebots des Beklagten nach dem
objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) auf den Inhalt der gesamten
Artikelbeschreibung ankomme, zumal die Hinweise zu § 6 Nr. 3 eBay-AGB einem
Käufer auch bei Sofortkauf-Angeboten insoweit eine Angebotsprüfung anrieten.
Denn ein Angebot des Beklagten mit dem Inhalt, das E-Bike für 100 € zu
verkaufen, sei jedenfalls wegen fehlender Ernstlichkeit nach § 118 BGB
nichtig.
8 Die fehlende Ernstlichkeit ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte
am Ende der Artikelbeschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen habe, der
angegebene Sofortkaufpreis sei nicht der wirkliche Angebotspreis, sondern
ein mit Rücksicht auf die eBay-Gebühren bewusst niedrig gehaltener
"Scheinkaufpreis". Der Beklagte habe ersichtlich in der Erwartung gehandelt,
der Interessent werde die gesamte Artikelbeschreibung lesen und erkennen,
dass der angegebene Sofortkaufpreis nicht ernst gemeint sei. Ob der Kläger
durch Betätigen des "Sofort-Kaufen-Buttons" ein (eigenes) Angebot über 100 €
abgegeben habe, bedürfe keiner Entscheidung, da der Beklagte ein solches
Angebot jedenfalls nicht angenommen habe.
II.
9 Diese Beurteilung hält - allerdings nur im Ergebnis - rechtlicher
Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
10 Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe und
Übereignung des streitgegenständlichen E-Bikes (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB)
nicht zu. Zwar ist - wenn auch zu einem Kaufpreis von 2.600
€ - zwischen den Parteien ursprünglich ein Kaufvertrag zustande gekommen, so
dass der Kläger - den (Fort-)Bestand dieses Vertrages vorausgesetzt - die
Übergabe und Übereignung des gekauften E-Bikes, allerdings nur Zug um Zug
gegen Zahlung des zwischen den Parteien gemäß § 433 Abs. 2 BGB vereinbarten
(Rest-) Kaufpreises in Höhe von 2.500 €, hätte verlangen können
(vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 - V ZR 111/14, juris mwN).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich aber zugleich, dass der
Kläger seine nach dem Empfängerhorizont des Beklagten objektiv auf einen
Kaufpreis von 2.600 € lautende Annahmeerklärung anschließend gemäß § 119
Abs. 1, § 121 Abs. 1, § 143 Abs. 1, 2 BGB wirksam wegen eines Inhaltsirrtums
angefochten hat, so dass es wegen der dadurch als von Anfang an als nichtig
anzusehenden Annahmeerklärung (§ 142 Abs. 1 BGB) letztlich an einem die
Klageforderung tragenden Vertragsschluss der Parteien fehlt.
11 1. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Beklagte das E-Bike nicht
für 100 €, sondern für 2.600 € an den Kläger verkauft.
12 a) Durch die Nutzung der von eBay zur Verfügung gestellten Option
"So-fort-Kaufen" hat der Beklagte das E-Bike zu einem von ihm vorgegebenen
Festpreis zum Verkauf angeboten. Auch in diesem Fall richtet sich
der Erklärungsgehalt der zu beurteilenden Willenserklärungen neben den sich
dafür aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Auslegungsregeln grundsätzlich nach den
Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen von eBay (im Folgenden: eBay-AGB),
denen die Parteien vor der Teilnahme an der Verkaufsaktion zugestimmt haben
(vgl. Senatsurteile vom
8. Juni 2011 - VIII ZR 305/10, WM 2011, 2146 Rn. 15;
vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10, WM 2012, 2299 Rn. 29; vom
24. August 2016 - VIII ZR 100/15,
NJW 2017, 468 Rn. 19 [zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt]; jeweils
mwN). Deren Aussagegehalt ist, wenn die Erklärungen der Teilnehmer
an der Verkaufsaktion nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft
sind und der Auslegung bedürfen, dann entsprechend in die Auslegung der
abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen (Senatsurteile vom
7. November 2001 - VIII ZR 13/01,
BGHZ 149, 129, 135 f.; vom
11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 21; vom
10. Dezember 2014 - VIII ZR 90/14,
NJW 2015, 1009 Rn. 19).
13 Rückt jedoch einer der Teilnehmer an der Verkaufsaktion erkennbar
von den Regelungen der eBay-AGB in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren
Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in
Betracht. Denn diese Bedingungen werden nur zwischen eBay und dem
Inhaber eines Mitgliedskontos vereinbart, so dass ihnen keine unmittelbare
Geltung im Verhältnis zwischen Anbieter und Kaufinteressent zukommt.
In diesem Verhältnis ist vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich
(vgl. Senatsurteile vom 7.
November 2001 - VIII ZR 13/01, aaO S. 136 f.; vom
11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09,
aaO; vom 10. Dezember 2014 - VIII
ZR 90/14, aaO). So verhält es sich auch im Streitfall.
14 b) Der Beklagte hat - wovon auch das Berufungsgericht noch zutreffend
ausgegangen ist - in dem von ihm auf der eBay-Plattform eingestellten
Angebot unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Preis für
das zum Verkauf stehende E-Bike nicht nur 100 €, sondern 2.600 € betragen
sollte.
15 aa) Entgegen der Auffassung der Revision kann eine Auslegung des Angebots
sich nicht auf den Umstand beschränken, dass das E-Bike aufgrund der Wahl
der Verkaufsform und des neben dem Sofortkauf-Button angegebenen Festpreises
auf den ersten Blick für einen Preis von 100 € zum (Sofort-)Kauf stehen
sollte. Denn eine Auslegung darf sich jedenfalls bei einem
- wie hier -Individualangebot, auf das § 305c Abs. 1 BGB mit dem darin
geregelten Schutz vor überraschenden Klauselinhalten keine Anwendung findet,
nicht auf einzelne Aussagen gründen, sondern hat die im Wortlaut des
Angebots getroffenen Aussagen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen und
darf sich nicht nur auf die einem Anspruchsteller günstigen
Erklärungsbestandteile stützen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Oktober
1989 - II ZR 2/89, WM 1990, 13 unter 2; vom 13. März 2003 - IX ZR 199/00,
NJW 2003, 2235 unter II 1; vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 179/13, BGHZ 201, 271
Rn. 23, 34).
16 bb) Die Auslegung des vom Beklagten geschalteten Angebots in
seiner Gesamtheit ergibt, dass das E-Bike nicht für 100 € zum Verkauf
gestellt war. Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung
der Angebotsseite nach seinem Empfängerhorizont zunächst davon ausgehen,
dass der neben der Schaltfläche "Sofort-Kaufen" erscheinende und optisch
hervorgehobene Festpreis betragsmäßig dem Angebot des Verkäufers entspricht.
Dabei darf er jedoch nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur
Bestimmung des wirklichen Erklärungstatbestands stets die insgesamt
abgegebenen Erklärungen berücksichtigen und darf nicht nur einzelne
Erklärungsbestandteile als vermeintlich maßgebend herausgreifen.
17 Bei der danach gebotenen Vorgehensweise zur Erfassung des Angebotsinhalts
fällt zwar zunächst ein Widerspruch auf zwischen dem ins Auge springenden
Sofortkauf-Angebot über 100 € und der nachfolgend in der Beschreibung
enthaltenen Erklärung, nach der bei einer Gebotsabgabe Einverständnis mit
einem Verkaufspreis von 2.600 € besteht. Dieser Widerspruch löst sich jedoch
allein schon durch die abgegebenen Erklärungen unmissverständlich dahin auf,
dass der im Eingang genannte Angebotspreis von 100 € nur zwecks Einsparung
von Verkaufsgebühren genannt, in Wirklichkeit aber nicht gewollt war,
sondern auf 2.600 € lauten sollte, und dass das Angebot bei einer Betätigung
des Buttons zu diesem Preis angenommen würde. Zudem hatte der Beklagte
bereits in der direkt über dem Sofortkauf-Button platzierten
Angebotsüberschrift einen Preis von 2.600 € deutlich sichtbar hervorgehoben
und zur Erläuterung auf die nachgestellte Beschreibung verwiesen.
18 cc) Diese Gegebenheiten verkennt das Berufungsgericht auch, wenn es -
ohne das Angebot auf das erkennbar Gewollte hin auszulegen - sich im Kern
nur damit befasst, was der Beklagte nicht gewollt hat, um daraus ein nicht
ernstlich gemeintes und deshalb gemäß § 118 BGB nichtiges Angebot über 100 €
herzuleiten. Denn es versteht sich von selbst, dass das Angebot, ein E-Bike
für 2.600 € zu verkaufen, nicht gleichzeitig ein nicht ernstlich gemeintes
Verkaufsangebot über 100 € sein kann, sondern sich auf den erkennbar
gewollten Angebotsgehalt beschränkt und kein dazu im Widerspruch stehendes
weiteres Angebot enthält.
19 dd) Die Auslegung des Sofortkauf-Angebots, wonach der Beklagte das E-Bike
nur zum Preis von 2.600 € und zu keinem anderen Preis zum Verkauf gestellt
hat, kann der Senat auch selbst vornehmen. Zwar ist die Auslegung von
Individualerklärungen und -vereinbarungen grundsätzlich dem Tatrichter
vorbehalten und in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar (vgl.
etwa Senatsurteile vom 17. Dezember 2014 - VIII ZR 89/13, juris Rn. 34; vom
27. April 2016 - VIII ZR 61/15, NJW-RR 2016, 910 Rn. 26; jeweils mwN). Hat
das Tatgericht jedoch unter Verkennung anerkannter Auslegungsregeln die
gebotene Auslegung zur Ermittlung des mit einer Willenserklärung wirklich
Gewollten unterlassen, kann diese Auslegung durch das Revisionsgericht
erfolgen, wenn die erforderlichen Feststellungen getroffen sind (st. Rspr.;
vgl. BGH, Urteile vom 25. September 1975 - VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, 112;
vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 280/09, NJW-RR 2010, 1310 Rn. 10; vom 18.
September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 61; jeweils mwN). Dies ist
nach den vorstehend wiedergegebenen und für den Vertragsschluss allein
maßgeblichen Erklärungen in ihrer Gesamtheit, namentlich dem Wortlaut und
der Gestaltung der Angebotsseite durch den Beklagten, hier der Fall.
Danach hat der Beklagte nur ein einheitliches Angebot zum Verkauf des
E-Bikes für 2.600 € abgegeben.
20 ee) Ohne Erfolg wendet die Revision dagegen ein, es widerspreche dem Sinn
und Zweck der Option "Sofort-Kaufen", wenn vom Käufer verlangt werde, vor
Annahme das gesamte Angebot einschließlich der Artikelbeschreibung zu lesen,
da dieses Angebotsformat gerade besonders schnell Entschlossenen die
Möglichkeit einräumen wolle, einen Artikel zum Schnäppchenpreis zu erwerben.
Für eine derartige Sichtweise des Verkehrs besteht jedoch kein Anhalt. Sie
wäre im Streitfall zudem auch angesichts ihres Widerspruchs zu den
allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, insbesondere der in § 133 BGB zum
Ausdruck kommenden Maßgeblichkeit eines - wie hier - hinreichend deutlich
geäußerten Parteiwillens, unbeachtlich. Das gilt umso mehr, als der
Plattformbetreiber eBay den Kaufinteressenten in seinen auch im
Berufungsurteil herangezogenen "Weiteren Informationen zur
Sofort-Kaufen-Option" ausdrücklich empfiehlt, den "Sofort-Kaufen-Preis" wie
auch die Versandkosten sowie andere sich eventuell aus der
Artikelbeschreibung ergebende zusätzliche Kosten vor Annahme des Angebots zu
überprüfen.
21 ff) Vergeblich macht die Revision weiter geltend, eine Auslegung der
abgegebenen Erklärung, dass ein Kaufpreis in Höhe von 2.600 € gefordert sei,
verstoße gegen den Auslegungsgrundsatz, wonach die Vertragsparteien im
Zweifel eine gesetzeskonforme Regelung gewollt hätten und deshalb diejenige
Auslegung den Vorzug verdiene, bei der die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts
vermieden werde. Denn ein auf 2.600 € lautender Kaufpreis liefe wegen der
dann anfallenden höheren Transaktionsgebühren auf eine betrügerische
Manipulation zu Lasten von eBay hinaus und hätte gemäß § 134 BGB die
Nichtigkeit einer solchen Preisvereinbarung zur Folge.
22 Dieser Einwand berührt das genannte Auslegungsergebnis schon deshalb
nicht, weil bei der nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung der
Preisvereinbarung von deren Wortlaut und deren erkennbarem Sinn und Zweck
auszugehen ist, ohne dass es jedenfalls bei einem danach - wie im Streitfall
- eindeutigen Auslegungsergebnis noch zusätzlich darauf ankommt, ob
die sich hierbei ergebende Vertragsbestimmung gesetzeskonform ist
(vgl. BGH, Urteile vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 15;
vom 21. Januar 1957 - II ZR 147/56, WM 1957, 512 unter III). Darüber
hinaus verkennt die Revision, dass das Rechtsverhältnis der Parteien
untereinander von ihrem Rechtsverhältnis zum Plattformbetreiber eBay
unabhängig und abweichenden Regelungen mit der Folge zugänglich ist, dass in
dieser Rechtsbeziehung das individuell Vereinbarte gilt, auch wenn es mit
den eBay-AGB nicht im Einklang steht (dazu vorstehend II 1 a; vgl.
ferner OLG Hamm, MMR 2011, 241 f.). Letztlich steht auch die erkennbare
Akzessorietät des Gebührenanspruchs der Annahme entgegen, eine zu niedrige
Kaufpreisangabe könne die nach der tatsächlichen Höhe angefallene
Transaktionsgebühr beeinflussen oder führe sogar zu einer (Teil-)Nichtigkeit
der Preisvereinbarung und damit des Kaufvertrages.
23 c) Das auf einen Kaufpreis von 2.600 € lautende Angebot hat
- wie der Senat wegen Unterbleibens der gebotenen eigenen Auslegung
durch das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
ebenfalls selbst abschließend beurteilen kann - der Kläger
angenommen. Der Beklagte durfte zu dem insoweit
maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der den Vertragsschluss vollendenden
Annahmeerklärung des Klägers (vgl. BGH, Urteile vom 5. April 2006 -
VIII ZR 384/04, WM 2006, 1358 Rn. 12; vom 12. Oktober 2012 - V ZR 187/11,
NJW-RR 2013, 789 Rn. 32; jeweils mwN) mangels gegenteiliger
Anhaltspunkte nach seinem Empfängerhorizont davon ausgehen, dass der Kläger
durch die vorbehaltlose Betätigung des Sofortkauf-Buttons die Annahme seines
vorstehend beschriebenen Angebots uneingeschränkt erklärt hat.
Denn
auch bei Benutzung elektronischer Kommunikationsmittel zur Abgabe und zum
Empfang von Willenserklärungen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln,
wonach empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis
regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der Vertrauensschutz des
Erklärungsempfängers maßgeblich ist, so auszulegen sind, wie sie der
Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte
verstehen musste (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 - X ZR 37/12, BGHZ 195,
126 Rn. 18 f.). Einen das Vertrauen des Beklagten in eine vorbehaltslose
Angebotsannahme beseitigenden Willen, die Annahmeerklärung auf einen
Kaufpreisbetrag von 100 € zu beschränken, hat der Kläger bei dieser
Gelegenheit (noch) nicht zum Ausdruck gebracht.
24 2. Der danach aufgrund des wirksam geschlossenen
Kaufvertrages zunächst entstandene, wenn auch vom Beklagten gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB
nur Zug um Zug gegen Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 2.500 € zu
erfüllende Anspruch des Klägers auf Übergabe und Übereignung des E-Bikes (§
433 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist jedoch erloschen (§ 142 Abs. 1 BGB), weil der
Kläger seine auf einen Kaufpreis von 2.600 € lautende Annahmeerklärung
wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten hat (§ 119 Abs. 1, § 121 Abs.
1, § 143 Abs. 1, 2 BGB). Das Berufungsgericht hat zwar die nach seinem
Rechtsstandpunkt nicht entscheidungserhebliche Frage offengelassen, ob der Kläger durch die Betätigung des Sofortkauf-Buttons lediglich
ein Angebot über 100 € abgegeben hat oder - wie das Amtsgericht angenommen
hat - abgeben wollte. Dass der Kläger aber nur die neben dem
Sofortkauf-Button angegebenen 100 € bieten und sich an einen Vertrag mit
einem Kaufpreis von 2.600 € nicht gebunden wissen wollte, hat er nach dem
festgestellten und nicht weiter ergänzungsbedürftigen Geschehensablauf
alsbald unmissverständlich im Sinne einer Anfechtung gegenüber dem Beklagten
zum Ausdruck gebracht, so dass der Senat in der Lage ist, hieraus selbst die
erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen.
25 a) Der Kläger ist, als er den Sofortkauf-Button betätigt hat, einem
Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB über den von ihm damit
angenommenen Kaufpreisvorschlag unterlegen. Ein solcher Irrtum setzt ein
Auseinanderfallen von Wille und Erklärung voraus. Der Erklärende muss also,
ohne dies zu bemerken, gegenüber dem Erklärungsempfänger aus dessen Sicht
etwas anderes zum Ausdruck gebracht haben als das, was er in Wirklichkeit
erklären wollte; er hat seine Erklärung zwar so, wie sie lautet, auch
tatsächlich abgeben wollen, sich aber über die Bedeutung, die dem Erklärten
unter den gegebenen Umständen im Rechtsverkehr zukam, geirrt (BGH, Urteil
vom 28. April 1991
- V ZR 201/68, WM 1971, 745 unter 5; Beschluss vom 5. Juni 2008 - V ZB
150/07, BGHZ 177, 62 Rn. 15; jeweils mwN). So verhält es sich auch im
Streitfall.
26 Bereits in der am Tage des Kaufs mittels E-Mail geführten Korrespondenz
hat der Kläger den vom Beklagten verlangten Kaufpreis von 2.600 € nicht
gelten lassen wollen, sondern sich auf den eingegebenen und ihm auch in der
Kaufbestätigung von eBay angezeigten Kaufpreis von 100 € als maßgeblich
berufen sowie auch nur diesen kurz darauf bezahlt, um wenig später durch
Anwaltsschreiben vom Beklagten seinerseits die Erfüllung des Kaufvertrags
nach
diesen Bedingungen einzufordern. Allein schon ein derartiger Ablauf lässt
mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen, dass diese Sichtweise
bei dem Kläger bereits vorhanden war, als er kurz zuvor den
Sofortkauf-Button betätigt hat, nämlich mit dem Willen, das Kaufangebot des
Beklagten lediglich zu dem neben dem Button aufgeführten Preis von 100 €
anzunehmen.
27 Insoweit kann dahin stehen, ob der Kläger, wie er behauptet hat, das
Kaufangebot nicht zu Ende gelesen und deshalb die nach seiner Sicht im
"Kleingedruckten" stehende Erläuterung nicht zur Kenntnis genommen hat, oder
ob er die Erläuterung aus sonstigen Gründen, etwa wegen einer unzulässigen
Abweichung von den durch eBay vorgegebenen Regeln, für unmaßgeblich gehalten
hat. Selbst wenn er das Angebot nicht zu Ende gelesen hätte, stünde dies
einem Inhaltsirrtum nicht entgegen. Denn auch derjenige, der ein
Schriftstück ganz oder teilweise ungelesen unterschrieben hat, darf
anfechten, wenn er sich - wie hier - von dessen Inhalt eine bestimmte,
allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat und dadurch bei Abgabe einer
hierauf bezogenen Erklärung Erklärungsinhalt und Erklärungswille miteinander
nicht im Einklang stehen (BGH, Urteile vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93,
WM 1994, 2274 unter II 2 a; vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01, WM 2002, 436
unter III 1 a; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13, NJW 2014, 1242 Rn.
8; jeweils mwN).
28 b) Wegen dieses Irrtums hat der Kläger seine Annahmeerklärung
unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) und damit rechtzeitig gegenüber dem
Beklagten angefochten.
29 aa) Eine Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 Abs. 1 BGB ist jede
Willenserklärung, die unzweideutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft
rückwirkend beseitigt werden soll. Dazu bedarf es nicht des ausdrücklichen
Gebrauchs des Wortes "anfechten". Es kann vielmehr nach den Umständen genügen, wenn eine Verpflichtung, die nach dem objektiven Erklärungswert der -
gegebenenfalls durch schlüssiges Handeln getätigten - Willensäußerung
übernommen worden ist, bestritten oder nicht anerkannt wird oder wenn ihr
sonst widersprochen wird. Erforderlich ist nur, dass sich unzweideutig der
Wille ergibt, das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht
bestehenlassen zu wollen (BGH, Urteile vom 22. September 1983 - VII ZR
43/83, BGHZ 88, 240, 245; vom 7. Juni 1984 - IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324, 331
f.; vom 22. Februar 1995 - IV ZR 58/94, VersR 1995, 648 unter 1 b; jeweils mwN). So liegt es nach dem dargestellten Geschehensablauf auch hier.
30 bb) Der Kläger hat bereits in der unmittelbar nach Abschluss des
Geschäfts mittels E-Mail geführten Korrespondenz gegenüber dem Beklagten zum
Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit sei, eine Verpflichtung zur
Kaufpreiszahlung in der vom Beklagten verlangten Höhe anzuerkennen, und dies
in der wenige Tage später erfolgten Zahlung des nach seiner Auffassung
geschuldeten Kaufpreises von lediglich 100 € nachdrücklich wiederholt.
Dadurch ist die von § 121 Abs. 1 BGB geforderte Unverzüglichkeit der
Anfechtungserklärung gewahrt.
31 cc) Einer Wirksamkeit dieser Anfechtungserklärung steht nicht entgegen,
dass der Kläger gleichwohl in erster Linie die Erfüllung des Kaufvertrages
durch den Beklagten nach Maßgabe des von ihm angenommenen Vertragsinhalts
begehrt und insoweit von einem (Fort-)Bestand des Vertrages ausgeht. Zwar
ist eine Anfechtungserklärung wegen ihres Gestaltungscharakters
grundsätzlich bedingungsfeindlich (BGH, Urteil vom 28. September 2006 - I ZR
198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17 mwN). Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das
Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht
ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine
Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist.
Denn streiten die Parteien über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts und will
die eine Partei an den Vertrag nur gebunden sein, wenn er in ihrem Sinne
ausgelegt wird, und ficht sie anderenfalls das Rechtsgeschäft vorsorglich
an, ist die Anfechtungserklärung nicht von einem zukünftigen ungewissen
Ereignis abhängig gemacht. Vielmehr soll die (unbedingte)
Anfechtungserklärung nur für den Fall gelten, dass die Auslegung in einem
der Auffassung des Anfechtenden widersprechenden Sinne erfolgt. Nur für
diesen Fall will er an den Vertrag nicht gebunden sein. Die Wirkung der
Anfechtung ergibt sich dann nämlich aus der künftigen gerichtlichen
Klarstellung eines damals nur für die Parteien ungewissen, aber objektiv
bereits bestehenden Rechtszustandes (BGH, Urteile vom 15. Mai 1968 - VIII ZR
29/66, NJW 1968, 2099 unter B III mwN; vom 28. September 2006 - I ZR 198/03,
aaO). So verhält es sich auch im Streitfall.
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