Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen: Leistungsbegriff, Verfolgung eines doppelten Leistungszwecks (Zahlung an den Zessionar zur Tilgung der abgetretenen Forderung und zur Erreichung einer Freistellungserklärung)


BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - VII ZR 184/04


Fundstelle:

NJW 2005, 1356
für BGHZ vorgesehen


Amtl. Leitsätze:

1. Eine Baubeschreibung, die Vertragsinhalt ist, muss beurkundet werden. Die Beurkundungsverpflichtung besteht unabhängig davon, ob und inwieweit der Bauträger die geschuldete Werkleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich ausgeführt hat.
2. Ist ein Bauträgervertrag nichtig, kann der Erwerber gegen die das Bauvorhaben des Bauträgers finanzierende Bank einen Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung des Betrags haben, den er an die Bank gezahlt hat, um entsprechend deren Freistellungserklärung lastenfreies Eigentum zu erwerben.

 


Zentrale Probleme:

Der Kl. erbrachte Zahlungen auf einen nach § 313 BGB a.F. (jetzt: § 311b I BGB) nichtigen Vertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung on einem Bauträger. Diese Zahlungen erbrachte er aber nicht an den Bauträger selbst, sondern an dessen Bank, welcher der Bauträger die Forderungen abgetreten hatte. An sich besteht damit ein Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion nur gegen den Verkäufer, nicht gegen die Bank (s. dazu die Anm. zu  BGHZ 113, 62 ff sowie zu BGH v. 19.1.2005 - VIII ZR 173/03, BGH NJW 2006, 1731 sowie BGH v. 6.7.2012 - V ZR 268/11.m.w.N.). Der Kl. hatte aber an die Bank auch deshalb gezahlt, weil sich die Bank gegenüber dem Bauträger verpflichtet hatte, auf Grundschulden zu verzichten, wenn die Zahlung erfolgt. Der bejaht deshalb eine Direktkondiktion des Kl. gegen die Bank aus dem Gesichtspunkt der Leistungskondiktion. Da der Kl. nicht ausschließlich auf die abgetretene Forderung gezahlt, sondern mit der Zahlung gleichzeitig einen eigenen Leistungszweck gegenüber der bekl. Bank verfolgt habe, weil er sie hierdurch zu einer Freistellung verpflichten wollte, liege insoweit (auch) eine "Leistung" des Kl. an die Bekl. vor, die diesen mangels Rechtsgrundes zur Rückforderung berechtige. Dieses Ergebnis entspreche auch der im (nichtigen) Bauträgervertrag und der Freistellungsverpflichtung der Bank erfolgten Risikoverteilung. Zweck dieser Freistellungserklärung sei es nämlich, dem Erwerber die Möglichkeit zu eröffnen, im Falle der Insolvenz des Bauträgers entweder lastenfreies Eigentum zu erwerben oder – wenn das Bauvorhaben nicht durchgeführt wird – die geleisteten Zahlungen zurückzuerhalten.
Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht hochproblematisch: Die Verpflichtung aus der Freistellungserklärung setzt – wie der Senat auch bei der zutreffenden Verneinung eines Rückzahlungsanspruchs aus dieser selbst darlegt – einen Auflassungsanspruch aus dem Bauträgervertrag zwischen dem Bauträger und dem Erwerber voraus. Da eine solcher wegen der Nichtigkeit des Bauträgervertrags hier nicht bestand, war, wie der Senat ebenfalls ausführt, die von der Zahlung des Kaufpreises an die Bekl. abhängige Freistellungsverpflichtung und damit auch die darin vorgesehene Risikoverteilung gegenstandslos (keineswegs aber unwirksam!). Diese Risikoverteilung bezog sich nämlich nur auf das Insolvenzrisiko im Zusammenhang mit der Durchführung eines wirksamen Vertrages zwischen dem Bauträger und dem Erwerber, nicht aber auf das Risiko der Unwirksamkeit dieses Vertrages und das daraus resultierende Insolvenzrisiko. Es ist ein innerer Widerspruch in der Argumentation, einen Anspruch aus der Freistellungsvereinbarung zu verneinen, weil diese den Fall nicht erfasse, das bereicherungsrechtliche Ergebnis aber mit der in der Freistellungsvereinbarung vorgenommenen Risikoverteilung zu begründen und dabei noch dazu die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung aus der Nichtigkeit des Bauträgervertrages zwischen dem Kl. und dem Bauträger (einem Dritten!) herzuleiten. Auch kann diesem Vertrag schwerlich eine Risikoverteilung zu Lasten der bekl. Bank entnommen werden. Wenn der Erwerber durch die Zahlung an die Bank tatsächlich einen doppelten Leistungszweck verfolgte (Zahlung an die Bank als Zessionar zu Tilgung der Kaufpreisforderung und zugleich zur Begründung eine Freistellungsverpflichtung), so verlangt die bereicherungsrechtliche Beurteilung einer wertenden Betrachtung und kann sich nicht starr am Leistungsbegriff mit dem Argument orientieren, der Kl. habe jedenfalls "auch" eine Leistung an die Bank erbringen wollen. Richtigerweise ist hier nach dem Zweck der Freistellungsverpflichtung und dem dadurch abgedeckten Risiko zu fragen. Das Risiko der Unwirksamkeit des Bauträgervertrages zwischen dem Bauträger und dem Erwerber war damit aber sicherlich nicht übernommen.
Die Risikoverteilung, mit welcher der Senat das gefundene Ergebnis rechtfertigt, ist daher höchst bedenklich und läßt einen Hauch von Billigkeitsrechtsprechung verspüren.

©sl 2005


Tatbestand:

Die beklagte Bank finanzierte die S. GmbH, einen Bauträger. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung des Betrags, den er an die Beklagte für den Erwerb einer Eigentumswohnung gezahlt hat.
Der Kläger und die S. GmbH schlossen einen Vertrag über den Erwerb einer zu errichtenden Eigentumswohnung zum Preis von 210.000 DM. Das Baugrundstück war mit einer Grundschuld zugunsten der Beklagten belastet. Die Fälligkeit des Erwerbspreises sollte u.a. voraussetzen, daß eine Freistellungserklärung der Beklagten vorliegt, die den Bestimmungen der MaBV entspricht. Der Erwerbspreis sollte in Raten nach Baufortschritt auf das Konto zu zahlen sein, das die Beklagte in der Freistellungserklärung benennen würde. Die Baubeschreibung, die zum Vertragsinhalt gehören sollte, wurde nicht beurkundet und wurde der Vertragsurkunde auch nicht beigefügt.
Die S. GmbH trat ihre Ansprüche gegen den Kläger an die Beklagte ab. Zugleich verpflichtete sich die Beklagte in einer "Freistellungserklärung" gegenüber der S. GmbH, auf die Grundpfandrechte, die auf dem vom Kläger erworbenen Grundstücksteil lasten, zu verzichten, wenn u.a. der dem erreichten Bautenstand entsprechende Teil der Vertragssumme auf ein bei ihr geführtes Konto gezahlt worden sei. Diese Verpflichtung sollte in dem Fall, daß das Bauvorhaben nicht vollendet werde, entfallen, wenn die Beklagte die erhaltenen Beträge zurückzahlen und der Erwerber hierfür die zu seinen Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung im Grundbuch löschen lassen bzw. das ihm bereits übertragene Eigentum lastenfrei zurückübertragen würde.
Der Kläger zahlte an die Beklagte 202.650 DM (= 103.613,30 €). Den Betrag der Differenz zu dem vereinbarten Erwerbspreis behielt er wegen Mängeln ein.
Die S. GmbH führte das Bauvorhaben nicht zu Ende. Sie ist zahlungsunfähig. Die Beklagte betrieb aus der für sie eingetragenen Grundschuld die Zwangsversteigerung und erwarb die Eigentumswohnung.
Der Kläger hat, soweit dies Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, von der Beklagten die Rückzahlung des gezahlten Betrages zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangt Zug-um-Zug u.a. gegen Abtretung der Ansprüche, die ihm gegen die S. GmbH und den Notar, der den Vertrag zwischen dem Kläger und der S. GmbH beurkundet hat, zustehen. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der beurkundende Notar als Streithelfer des Klägers die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I. Das Berufungsgericht führt aus, der Bauträgervertrag sei nichtig, weil die Baubeschreibung nicht beurkundet worden sei. Ansprüche des Klägers aus der Freistellungserklärung bestünden nicht, weil diese Ansprüche einen Eigentums-verschaffungsanspruch gegen die Bauträgerin voraussetzten. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung; der Bereicherungsausgleich müsse zwischen Erwerber und Bauträger erfolgen.
II. Das hält einer rechtlichen Überprüfung teilweise nicht stand.
1. Aus der Freistellungserklärung ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung an den Kläger. Da ein Auflassungsanspruch des Klägers wegen Nichtigkeit des Bauträgervertrages nicht bestand (dazu unten 2. a), war die Freistellungsverpflichtung gegenstandslos (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2001 - VII ZR 498/99, BauR 2001, 1097, 1098 = ZfBR 2001, 404 = NZBau 2001, 388).
In der Freistellungserklärung hat sich die Beklagte lediglich verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen auf das Grundpfandrecht zu verzichten, das für sie eingetragen war. Diese Verpflichtung sollte entfallen, wenn die Bank die erhaltenen Beträge zurückzahlt. Dies ist keine Verpflichtung der Beklagten, gemäß § 262 BGB nach ihrer Wahl entweder auf das Grundpfandrecht zu verzichten oder den erhaltenen Betrag zurückzuzahlen. Die Freistellungserklärung der Beklagten weicht von derjenigen ab, die Gegenstand des Urteils des Senats vom 30. September 2004 (VII ZR 458/02, BauR 2005, 91 = NZBau 2005, 38) war.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 202.650 DM (= 103.613,30 €) aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB.
a) Der Kläger hat den Erwerbspreis ohne Rechtsgrund gezahlt.
Der Bauträgervertrag, zu dessen Erfüllung der Kläger die Zahlung geleistet hat, ist gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Der Vertrag sah die Übertragung eines Grundstücksrechts vor. Er bedurfte daher gemäß § 313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung. Dies schließt alle Abreden ein, die Gegenstand der vertraglichen Pflichten der Parteien werden sollen. Eine Baubeschreibung, die Vertragsinhalt ist, muß beurkundet werden (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1977 - V ZR 90/75, BGHZ 69, 266; Urteil vom 6. April 1979 - V ZR 72/74, BGHZ 74, 346). Die Beurkundungsverpflichtung besteht unabhängig davon, ob und inwieweit der Bauträger die geschuldete Werkleistung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich ausgeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - VII ZR 257/03, zur Veröffentlichung bestimmt).
b) Der Kondiktionsanspruch des Klägers richtet sich gegen die Beklagte.
aa) Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB ist die bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1988 - IVb ZR 102/87, BGHZ 105, 365). Leistungsempfänger ist derjenige, dessen Vermögen der Leistende durch die Zahlung vermehren will. Der Zweck der Leistung ist nach objektiven Kriterien aus der Sicht des Zahlungsempfängers zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1988 - IVb ZR 102/87, aaO). Der Zuwendende leistet an den Zahlungsempfänger, wenn er aus der Sicht des Zahlungsempfängers diesem gegenüber einen eigenen Leistungszweck verfolgt und nicht die Schuld eines Dritten erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 38/04, NJW 2005, 60). Es ist nicht entscheidend, wer Gläubiger der Forderung ist, auf die eine Zuwendung erfolgt.
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung des Klägers eine Leistung auch an die Beklagte. Durch die Freistellungserklärung der Beklagten sollte der Anspruch des Klägers begründet werden, unter den in der Erklärung genannten Voraussetzungen die Lastenfreistellung zu verlangen. Zweck der Zahlung des Klägers war es demgemäß, lastenfreies Eigentum an der von der S. GmbH zu errichtenden Eigentumswohnung zu erwerben. Dieser Zweck war der Beklagten bekannt und der Kläger konnte ihn nach der von der Beklagten erteilten Freistellungserklärung nur erreichen, indem er den Erwerbspreis an die Beklagte zahlte. Der Kläger verfolgte daher mit der Zahlung gegenüber der Beklagten einen eigenen Leistungszweck. Die Beklagte konnte die Zahlung des Klägers nicht nur als Leistung der S. GmbH, sondern mußte sie auch als Leistung des Klägers an sie verstehen.
c) Dieses Ergebnis entspricht der in dem Bauträgervertrag und der Freistellungsverpflichtung der Bank vorgenommenen Risikoverteilung. Durch die Freistellungserklärung der Bank soll der Erwerber vor dem Risiko geschützt werden, das ihm dadurch entsteht, daß er den Erwerbspreis bereits zu einem Zeitpunkt zahlen muß, in dem er noch nicht Eigentümer der Eigentumswohnung ist und darüber hinaus sein Vertragspartner nicht eigenständig in der Lage ist, ihm lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Durch die Freistellungserklärung soll dem Erwerber die Möglichkeit eröffnet werden, auch dann entweder lastenfreies Eigentum zu erwerben oder die von ihm geleisteten Zahlungen zurückzuerhalten, wenn der Bauträger insolvent und das Bauvorhaben daher nicht oder nicht vollständig durchgeführt wird.
Für den Fall der Insolvenz des Bauträgers ist die globalfinanzierende Bank durch die Grundschuld gesichert. Der Wert dieser Sicherheit steigt mit dem Baufortschritt.