Bereicherungsausgleich
bei Zahlung an den Zessionar eines Scheingläubigers einer (tatsächlich
existenten) Forderung
BGH, Urt. v. 26. Januar
2006 - I ZR 89/03
Fundstelle:
NJW 2006, 1731
Amtl. Leitsatz:
Wer sich als Schuldner
einer (tatsächlich bestehenden) Forderung in der Person des Gläubigers irrt
und dementsprechend auch irrtümlich annimmt, dieser habe die Forderung an
einen Dritten abgetreten, kann das, was er an den Dritten als den
vermeintlichen neuen Gläubiger geleistet hat, unmittelbar von diesem
kondizieren.
Zentrale Probleme:
Es geht um einen Fall des Bereicherungsausgleichs im
Mehrpersonenverhältnis im Falle einer Zession. Die Entscheidung weicht dabei
nur scheinbar von der bisherigen Rspr. ab, tatsächlich ist sie vollkommen
konsequent (s. dazu die fett markierten Passagen):
Wird eine nichtexistente Forderung abgetreten und zahlt
der (Schein)Gläubiger daraufhin an den Zessionar, wird üblicherweise davon
ausgegangen, dass er einen Anspruch aus Leistungskondiktion nicht gegen den
Zessionar, sondern gegen den Zedenten hat. Zwar hält er Ersteren für einen
Gläubiger und "leistet" daher bei formaler Betrachtungsweise an diesen. Wenn
und soweit die Zession aber mit einer sog. Anweisungslage vergleichbar ist,
ist der Fall bereicherungsrechtlich nicht anders zu beurteilen, wie wenn der
(vermeintliche) Schuldner auf Weisung des ursprünglichen Gläubigers an einen
Dritten gezahlt hat. Dann aber läge eine Leistung an den Gl., nicht an den
Dritten vor und der Dritte wäre vor einer Kondiktion des (vermeintlichen)
Schuldners geschützt (s. dazu die Anm.
BGHZ 113,
62 ff
sowie zu BGH NJW 2005, 1369 und
BGH NJW 2005, 1356). Ebenso
im Falle eines Anspruchs aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis
BGH v. 6.7.2012 - V ZR 268/11.
Hier stellte sich aber die Frage, ob die Zession hier tatsächlich einer
solchen Weisung vergleichbar war: Der Schuldner zahlte an den Zessionar
(Bank), ohne dass dies in irgendeiner Weise vom (vermeintlichen) Zedenten
veranlasst war. Er hatte weder die Abtretung mitgeteilt noch die
(irrtümliche) Zahlung sonst irgendwie veranlasst. Da er auch nicht den
Rechtsschein einer solchen "Weisung" (im weitesten Sinne) veranlasst hatte,
ändert sich daran auch nichts deshalb, weil der Zessionar von einer Leistung
an den Zedenten ausgehen musste (s. dazu
BGHZ 147, 145, 151;
152, 307, 312). Aus demselben Grund (keine
weisungsähnliche Veranlassung durch den scheinbaren Gläubiger) verneint die
Rspr. auch eine Kondiktion (Schein)Schuldner/Zedent in den Fällen der
Legalzession (s. die Anm. zu
BGH NJW 2003, 3193)
oder im Falle der Unwirksamkeit des Zessionsakts selbst (s. s. dazu die Anm.
zu
BGH v. 20.4.2004 - XI ZR 171/03).
Damit lag hier eine "Leistung" im bereicherungsrechtlichen Sinne seitens des
Putativschuldners an den Pseudo-Zessionar und nicht an den Zedenten vor. Der
BGH verweist zurück, weil noch ein Wegfall der Bereicherung (§ 818 III BGB)
zu prüfen war.
Zum Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen s. im übrigen eingehend
Lorenz JuS 2003, 729 ff; 839 ff.
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt einen Holzhandel. Bis zur Mitte des Jahres 2001
stand sie in ständiger Geschäftsbeziehung zu dem Transportunternehmen Walter
S.
Die beklagte Bank teilte der Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2000 mit,
dass Walter S. mit Vertrag vom 28. Januar 1997 zu ihren Gunsten eine
Globalzession hinsichtlich aller bestehenden und zukünftigen Forderungen aus
seinem Geschäftsbetrieb vorgenommen habe und die Klägerin Zahlungen
ausschließlich auf das bei ihr geführte Konto von Walter S. zu leisten habe.
Walter S. stellte zum 31. Mai 2001 die Zusammenarbeit mit der Klägerin ein.
Am 7. August 2001 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.
Zum Insolvenzverwalter wurde der Nebenintervenient bestellt, der dem
vorliegenden Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist.
Seit Juni 2001 arbeitete die Klägerin mit der neu gegründeten S. Transport
GmbH (im Weiteren: S. GmbH) zusammen. Am 28. Juni 2001 überwies sie einen
Betrag von 62.888,27 DM auf das bei der Beklagten geführte Konto von Walter
S. ; am 10. Juli 2001 nahm sie eine weitere Überweisung auf dieses Konto in
Höhe von 37.835,27 DM vor. Die Überweisungen betrafen lediglich in Höhe von
1.770,78 DM Forderungen von Walter S. ; in Höhe des Restbetrages von
98.952,76 DM - umgerechnet 50.593,74 € - sollten Rechnungen der S. GmbH über
28.370,69 DM und 34.587,27 DM sowie der H. Transporte GmbH über 35.994,80 DM
beglichen werden. Zu den Überweisungen auf das Konto von Walter S. zur
Begleichung von Rechnungen der S. GmbH kam es nach Darstellung der Klägerin
deshalb, weil ihre zentrale Buchhaltung wegen eines internen
Informationsversehens nichts von der Umstellung der Geschäftsverbindung von
Walter S. auf die S. GmbH (und der entsprechenden Änderung der
Bankverbindung) erfahren hatte. Der Betrag, der zur Begleichung der Rechnung
der H. Transporte GmbH bestimmt war, wurde versehentlich mit auf das Konto
von Walter S. eingezahlt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie könne die versehentlich
überwiesenen Beträge unmittelbar von der Beklagten zurückverlangen. Dieser
sei bekannt gewesen, dass den Überweisungen keine Forderungen von Walter S.
an die Klägerin zugrunde gelegen hätten.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 50.593,74 € nebst
Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, die Klägerin könne von ihr keinen
Bereicherungsausgleich verlangen, da diese an Walter S. als ihren
vermeintlichen Gläubiger geleistet habe. Sie selbst habe keine Kenntnis
davon gehabt, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Betrag nur
versehentlich auf das Konto von Walter S. überwiesen habe. Jedenfalls sei
sie entreichert, weil sie den Kontoinhaber - in Unkenntnis von dem geltend
gemachten Anspruch - über die eingegangenen Beträge habe verfügen lassen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung des Nebenintervenienten hat zur Abweisung der Klage geführt.
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren
Zahlungsanspruch weiter. Der Nebenintervenient beantragt, das Rechtsmittel
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet und hierzu
ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil
diese zu keinem Zeitpunkt ungerechtfertigt bereichert gewesen sei. Die
Klägerin habe im Hinblick auf die zwischen Walter S. und der Beklagten
vereinbarte Abtretung an die Beklagte gezahlt. Wenn auf eine abgetretene
Forderung gezahlt werde, gelte der Grundsatz, dass die
bereicherungsrechtliche Rückforderung des Schuldners gegen den
Leistungsempfänger, den Zedenten, und nicht gegen den Zessionar zu richten
sei. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei hier auch dann nicht
anzunehmen, wenn unterstellt werde, dass die Beklagte bei Empfang der
Zahlungen gewusst habe, dass diese auf einem Irrtum beruhten. Die Klägerin
habe nicht an die Beklagte geleistet, sondern auf das einzige Geschäftskonto
Walter S. als des vermeintlichen Gläubigers gezahlt, über das dieser
unstreitig auch habe verfügen können.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die
Klägerin kann die Beträge, die sie irrtümlich an die Beklagte als die
vermeintliche Gläubigerin gezahlt hat, von dieser als ungerechtfertigte
Bereicherung zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn die Beklagte
nicht entreichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB) oder nach § 819 Abs. 1, § 818 Abs.
4 BGB der verschärften Bereicherungshaftung unterliegt.
1. Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Entscheidung maßgeblich auf das
in BGHZ 105, 365 ff. veröffentlichte Urteil
des IVb-Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. November 1988 gestützt.
Danach findet, wenn der Schuldner nach Abtretung des Anspruchs an den
Abtretungsempfänger geleistet hat, der Bereicherungsausgleich grundsätzlich
nicht direkt in dem Verhältnis zwischen diesen beiden Personen statt,
sondern zum einen zwischen dem Abtretungsempfänger und dem Abtretenden und
zum anderen zwischen diesem und dem Schuldner (BGHZ
105, 365, 368 ff.; vgl. weiter BGHZ 122, 46, 50 f.;
BGH, Urt. v. 19.1.2005 - VIII ZR 173/03, NJW 2005, 1369 f.; zum
Meinungsstand in der Literatur vgl. die Nachweise bei
BGH NJW 2005, 1369, 1370 sowie Erman/H.P.
Westermann, BGB, 11. Aufl., § 812 Rdn. 36 m.w.N.). Der sachliche Grund
für die insoweit vorgenommene bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im
Verhältnis zwischen dem (vermeintlichen) Schuldner und dem Zedenten liegt
darin, dass in dem zwischen ihnen bestehenden Vertrag der angenommene
Rechtsgrund für die vermeintlich geschuldete Zahlung zu sehen ist. Das legt
nach den hierfür maßgeblichen Gesichtspunkten der Risikoverteilung und des
Vertrauensschutzes eine Leistungskondiktion in diesem Vertragsverhältnis
nahe, sofern nicht besondere Umstände eine andere Risikoverteilung gebieten
(BGH NJW 2005, 1369 f.). Letzteres ist
etwa dann der Fall, wenn der Abtretungsempfänger den Schuldner ohne Zutun
des Abtretenden zur Zahlung genötigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.1988 -
IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161, 162 und dazu Dörner, NJW 1990, 473, 476 f.
sowie Erman/H.P. Westermann aaO § 812 Rdn. 36 a.E. m.w.N.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Streitfall mit Fällen
dieser Art jedoch nicht vergleichbar. Dies gilt schon deshalb, weil die
Forderungen, auf die die Klägerin gezahlt hat, tatsächlich bestanden und
auch nicht an einen Dritten abgetreten worden waren. Die Überweisungen der
Klägerin auf das bei der Beklagten geführte Konto von Walter S. hatten ihren
Grund nicht in dem Vertrag zwischen der Klägerin und Walter S. , sondern
wurden als Zahlungen auf Forderungen, die Dritten zustanden, lediglich
dorthin fehlgeleitet. Walter S. hat keinen ihm zurechenbaren Grund für
einen Anschein gesetzt, die Zahlungen der Klägerin seien als Leistungen von
ihm an die Beklagte anzusehen. Es besteht daher kein Grund, ihn in den
Bereicherungsausgleich einzubeziehen.
Walter S. hatte zu dem Irrtum der Klägerin, wer Gläubiger der Forderungen
sei, die sie begleichen wollte, in keiner Weise beigetragen. Die
Globalzession, die er mit der Beklagten vereinbart hatte, bezog sich nur auf
Forderungen, die ihm selbst zustanden. Der Irrtum der Klägerin, die
Rechnungen, auf die sie zahlen wollte, bezögen sich auf Forderungen von
Walter S. , hatte lediglich - ebenfalls ohne dessen Beteiligung - zur Folge,
dass sie auch annahm, sie müsse diese Forderungen wegen der Globalzession
durch Zahlung an die Beklagte als neue Gläubigerin erfüllen. Dabei müsse sie
der Weisung nachkommen, die ihr die Beklagte bei der Mitteilung der
Globalzession erteilt hatte, Zahlungen an sie als neue Gläubigerin durch
Überweisung auf das bei ihr eingerichtete Konto von Walter S. zu leisten.
3. Der vorliegende Fall ist danach dadurch gekennzeichnet, dass der
Schuldner bei seiner Zahlung an einen anderen als den (ursprünglichen)
Gläubiger einem Irrtum unterlegen ist, den letzterer nicht veranlasst
hatte. In solchen Fällen hat die Rechtsprechung jeweils dem zahlenden
Schuldner einen direkten Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger
zuerkannt. Dies gilt etwa in dem - auch vom Berufungsgericht
angesprochenen - Fall, dass der Schuldner irrtümlich oder versehentlich an
den Abtretungsempfänger eine Überzahlung vorgenommen hat (vgl. BGH NJW
1989, 161, 162). Ebenso ist der Fall entschieden worden, dass der
Schuldner bei seiner Leistung irrig von einer Abtretung ausgegangen ist
(vgl. BGHZ 113,
62, 70). Ein direkter Bereicherungsanspruch des
Schuldners gegenüber demjenigen, auf den die Forderung vermeintlich
übergegangen war, ist außerdem für den Fall bejaht worden, dass der
Drittschuldner bei mehrfacher Forderungspfändung irrtümlich an einen
nachrangigen Vollstreckungsgläubiger geleistet hat und deshalb nochmals an
den vorrangigen Gläubiger leisten muss (BGHZ 82, 28, 31 ff.).
4. Nach dem vorstehend Ausgeführten kommt es nicht auf die Frage an, ob
die Beklagte bei Erhalt der Zahlungen nach ihrem Empfängerhorizont von
Leistungen des Walter S. ausgehen durfte. Nach einer allgemeinen Erkenntnis
der Rechtsscheinslehre wird auch ein Gutgläubiger bei fehlender
Zurechenbarkeit des Rechtsscheins nicht geschützt (vgl.
BGHZ 147, 145, 151;
152, 307, 312; MünchKomm.BGB/Lieb, 4. Aufl., § 812 Rdn. 54 ff.; Larenz/Canaris,
Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II 2, 13. Aufl., § 70 IV 2, jeweils m.w.N.).
5. Der Anspruchsverpflichtung der Beklagten steht auch nicht der Umstand
entgegen, dass die Klägerin die fraglichen Zahlungen auf das bei der
Beklagten geführte Konto von Walter S. erbracht hat. Die Beklagte war
insoweit, nachdem sie die zu ihren Gunsten erfolgte Globalzession von Walter
S. offengelegt hatte, nicht lediglich Zahlstelle, sondern Empfängerin der
Leistung.
III. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt nach Allem davon ab, ob sich
die Beklagte darauf berufen kann, dass sie entreichert ist (§ 818 Abs. 3
BGB), oder ob sie - wie die Klägerin behauptet - in jedem Fall gemäß § 819
Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB wegen Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes
der verschärften Bereicherungshaftung unterliegt. Da das Berufungsgericht in
dieser Hinsicht keine Feststellungen getroffen hat, vermag der Senat den
Rechtsstreit nicht abschließend zu entscheiden. Dementsprechend ist das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
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