Bereicherungsausgleich bei rechtsgrundloser
Zahlung an den Zessionar: Anspruch gegen den Zedenten
BGH, Urteil v. 6.7.2012 - V ZR 268/11
Fundstelle:
NJW 2012, 3373
Eigener Leitsatz:
Im Falle der rechtsgrundlosen
Zahlung auf eine nicht bestehende, (scheinbar) abgetretene Forderung richtet
sich der Rückzahlungsanspruch des Leistenden aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
BGB (Leistungskondiktion) grundsätzlich gegen den Zedenten und nicht gegen
den Zessionar
Zentrale Probleme:
Es geht um ein Klassikerproblem
aus dem Bereicherungsrecht: Von wem kondiziert der (vermeintliche) Schuldner
einer (nicht oder nicht in der gezahlten Höhe existenten) abgetretenen
Forderung, wenn er an den Zessionar geleistet hat. Die Rspr. geht hier
grundsätzlich davon aus, dass allein der Zedent, d.h. der ursprüngliche
Forderungsinhaber passivlegitimiert ist (s. dazu die Anm. zu
BGHZ 113,
62 ff
sowie zu BGH NJW 2005, 1369,
BGH NJW 2005, 1356 und
BGH NJW 2006, 173). Das bejaht der Senat mit zutreffenden Gründen
auch hier. Entscheidend ist, dass die Zession, solange sie dem Abtretenden
zurechenbar ist, wertungsmäßig wie eine sog. "Anweisungslage" zu behandeln
ist, d.h. der Fall ist so zu lösen, wie wenn der ursprüngliche
Forderungsinhaber den (vermeintlichen) Schuldner angewiesen hätte, an einen
Dritten zu zahlen. Dann muss er sich auch bereicherungsrechtlich so
behandeln lassen, als habe er die Leistung selbst empfangen.
Vollkommen zu recht ändert daran auch nichts, dass die Parteien des
Rechtsstreits lieber eine Entscheidung in der Sache, d.h. über den Bestand
der Forderung gehabt hätten (es geht in der Sache nämlich um die zumindest
in der Tagespresse hoch emotional diskutierten Fälle des sog. "privaten
Abschleppens", s. dazu
BGH NJW 2009, 2530;
BGH NJW 2012, 528 sowie den
Telefonkommentar in NJW Audio CD 2/2012). Die
Formulierung des Senats, wonach es sich bei dem Anspruch aus § 812 BGB um
einen gesetzlichen und damit nicht der Disposition der Parteien
unterliegenden Anspruch handelt, darf freilich nicht missverstanden werden:
Auch Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen sind natürlich
parteidispositiv, aber eben nur zwischen den "richtigen" Parteien, zu
welchen der Beklagte hier als Zessionar gerade nicht gehörte.
Zur davon zu unterscheidenden Problematik der
scheinbaren (d.h. unwirksamen) Abtretung einer existierenden Forderung s. BGH NJW 2003, 3193, zur scheinbaren
Abtretung einer nicht existenten Forderung s.
BGH v. 20.4.2004 - XI ZR 171/03; zur Legalzession s.
BGH NJW 2003, 3193).
©sl 2012
Tatbestand:
Der Kläger stellte sein Fahrzeug am 3.
August 2010 auf einem Privatgrundstück im Bereich einer gekennzeichneten
Feuerwehranfahrtszone ab. Die Beklagte ist aufgrund eines mit der Besitzerin
des Grundstücks abgeschlossenen Vertrages verpflichtet, unbefugt abgestellte
Fahrzeuge von dem Grundstück zu entfernen. Ihr sind von der
Grundstücksbesitzerin deren Ansprüche auf Ersatz der Abschleppkosten gegen
unberechtigt Parkende abgetreten.
2 Die Beklagte setzte das Fahrzeug um. Dessen Standort teilte sie dem Kläger
erst nach Zahlung der Abschleppkosten von 261,21 € (brutto) mit. Der Kläger,
der diese Kosten für überhöht hält, verlangt mit der Klage die Rückzahlung
von 130,31 €. Amts- und Landgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der
von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger
beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stehe ein Bereicherungsanspruch
gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, weil der von ihm gezahlte Betrag die
ortsüblichen Abschleppkosten übersteige und zudem Vergütungen für
Dienstleistungen enthalte, für die er keinen Ersatz leisten müsse. Die
Beklagte sei passivlegitimiert. Nach zutreffender, wenn auch umstrittener
Ansicht richte sich der Bereicherungsanspruch des Schuldners, der auf eine
nicht bestehende Forderung an den Zessionar geleistet habe, gegen diesen. Zu
demselben Ergebnis gelange die Auffassung, die grundsätzlich den Zedenten
als Bereicherungsschuldner ansehe. Ausnahmsweise hielten nämlich auch deren
Vertreter einen Anspruch gegen den Zessionar für gegeben. Ein Ausnahmefall
liege hier vor; denn die Beklagte habe durch die Ausübung ihres
Zurückbehaltungsrechts an dem Fahrzeug des Klägers Druck auf diesen
ausgeübt, unmittelbar und unverzüglich an sie zu leisten, ohne dass die
Grundstücksbesitzerin dazu beigetragen habe.
II.
4 Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass dem
Kläger ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB
zusteht, soweit der von ihm geleistete Betrag den ersatzfähigen Schaden
übersteigt, den die Grundstücksbesitzerin durch das unberechtigte Abstellen
seines Fahrzeugs erlitten hat (vgl.
Senat, Urteil vom 5. Juni 2009 - VZR
144/08 BGHZ 181,233, 236 Rn. 11).
6 2. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme, dieser Anspruch richte sich
gegen die Beklagte. Der gestörte Grundstücksbesitzer ist nicht nur dann
Bereicherungsschuldner, wenn das Abschlepp- bzw. Inkassounternehmen bloße
Zahlstelle für die Abschleppkosten ist (Senat, aaO), sondern grundsätzlich
auch ,n den Fällen, in denen er - wie hier - seinen Schadensersatzanspruch
gegen den Fahrzeugführer (§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB) an das
Abschlepp- bzw. Inkassountemehmen abgetreten hat.
7 a) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs findet, wenn der Schuldner nach Abtretung des Anspruchs
an den Zessionar (Abtretungsempfänger) geleistet hat, die
bereicherungsrechtliche Rückabwicklung grundsätzlich nicht direkt in dem
Verhältnis dieser Personen statt sondern zum einen zwischen dem Zessionar
und dem Zedenten (Abtretender) und zum anderen zwischen diesem und dem
Schuldner (vgl.
BGH, Urteil vom 2 November 1988 - IVb ZR 102/87, BGHZ 105, 365, 368 ff.;
Urteil vom 10. März 1993 -XII ZR 253/91, BGHZ 122, 46, 50 f, Urteil vom 24.
Februar 2003 - II ZR 385/99, BGHZ 154, 88, 91;
Urteil vom 19. Januar 2005 - VIII
ZR 173/03 NJW 2005, 1369). Maßgeblicher Grund
hierfür ist die sachgerechte Verteilung der Insolvenzrisiken, die nur
gewährleistet ist, wenn die Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen
Kausalverhältnisse erfolgt (vgl.
BGH, Urteil vom 19. Januar 2005
-VIII ZR 173/03, aaO). Dieser Gesichtspunkt hat
auch bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis, wie es infolge unberechtigten
Parkens zwischen dem betroffenen Grundstücksbesitzer und dem Fahrzeugführer
entsteht, seine Berechtigung. Auch wenn dem Fahrzeugführer der
Grundstücksbesitzer in aller Regel unbekannt sein wird, ist es ihm eher
zuzumuten, dessen Insolvenzrisiko zu tragen als dasjenige des von diesem
beauftragten Abschleppunternehmens. Während ihm nämlich das
Parken auf dem fremden Grundstück unmittelbar zuzurechnen ist, hat er auf
die Auswahl des Abschleppunternehmens durch den Gestörten keinerlei
Einfluss. Gleichzeitig erscheint es billig, das
Insolvenzrisiko des Abschlepp- oder Inkassounternehmens dem Geschädigten als
dessen Auftraggeber aufzuerlegen.
8 b) Außergewöhnliche Umstände, die eine Ausnahme von dem Grundsatz
der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Verhältnis zwischen dem
Schuldner und dem Zedenten - hier also zwischen dem Kläger und der
Grundstücksbesitzerin - rechtfertigten, liegen nicht vor.
9 Zwar hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem der
Zessionar den Schuldner - trotz lediglich vorläufiger Berechnung der
(Werklohn-)Forderung -mit großer Intensität zu einer (Zuviel-)Zahlung
gedrängt hatte, eine Direktkondiktion gegen den Zessionar zugelassen (Urteil
vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161, 162). Maßgeblich
dafür war aber nicht allein das Verhalten des Zessionars, sondern die
Erwägung, dass dieses aufgrund der tatsächlichen Umstände nicht der
Rechtsbeziehung zwischen dem Schuldner und dem Zedenten zugerechnet werden
konnte und folglich auch die darauf beruhende Zuvielzahlung ihre Ursache
außerhalb des Verhältnisses von Schuldner und Zedenten hatte (vgl.
BGH, aaO; Urteil vom 25. September 1996 - VIIl ZR 76/95, NJW 1997, 461, 464
sowie Urteil vom 26. Januar
2006 -1 ZR 89/03, NJW 2006, 1731, 1732).
10 Demgegenüber ist in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt das
Verhalten des beklagten Abschleppunternehmens der Grundstücksbesitzerin ohne
weiteres zuzurechnen. Indem die Beklagte die Bekanntgabe des
Standorts des abgeschleppten Fahrzeugs von der vorherigen Bezahlung der
Abschleppkosten abhängig machte, hat sie der Sache nach ein
Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug des Klägers ausgeübt. Das ist eine im
Grundsatz zulässige und bei Abschleppvorgängen nicht unübliche
Rechtsausübung (vgl. Senat,
Urteil vom 2. Dezember 2011 -V ZR 30/11, NJW 2012, 528, 529 Rn. 17 f.),
mit der die Grundstücksbesitzerin als Auftraggeberin des Abschleppvorgangs
rechnen musste. Auch waren ihr aus dem Rahmenvertrag die Kosten bekannt, die
die Beklagte für das Umsetzen von Fahrzeugen berechnete. Soweit diese Kosten
den erstattungsfähigen Schaden der Grundstücksbesitzerin übersteigen,
war eine unter dem Druck des Zurückbehaltungsrechts erfolgte
Zuvielzahlung des Klägers somit vorhersehbare Folge des Abschleppauftrags;
sie ist deshalb der Rechtsbeziehung zwischen diesem und ihr als Geschädigter
zuzurechnen. Eine andere Beurteilung käme nur in Betracht, wenn die
Beklagte die Bekanntgabe des Fahrzeugstandorts von einer zusätzlichen,
hinter dem Rücken der Grundstücksbesitzerin vereinnahmten Zahlung durch den
Kläger abhängig gemacht hätte. So liegt es hier jedoch nicht.
11 3. Der Abweisung der Klage steht nicht entgegen, dass der Vertreter der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, in erster
Linie an einer Entscheidung über die Ersatzfähigkeit der dem Kläger in
Rechnung gestellten Kosten interessiert zu sein. Da es sich bei dem
Anspruch aus § 812 BGB um einen gesetzlichen und damit nicht der Disposition
der Parteien unterliegenden Anspruch handelt, kann die Beklagte ihre
fehlende Passivlegitimation nicht für unerheblich erklären. Hieran
änderte auch ein Einverständnis des Klägers nichts.
III.
12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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