Vertragsunwirksamkeit bei Schwarzarbeit;
Ausschluss der Rückforderung bezahlten Werklohns gem. § 817 S. 2 BGB
BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - VII
ZR 216/14 - OLG Celle
Fundstelle:
NJW 2015, 2406
JuS 2015, 1038 (Mäsch)
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Ist ein Werkvertrag wegen
Verstoßes gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG vom 23. Juli
2004 nichtig, steht dem Besteller, der den Werklohn bereits gezahlt hat,
gegen den Unternehmer kein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt
einer ungerechtfertigten Bereicherung zu (Fortführung von
BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13,
BGHZ 201, 1).
Zentrale Probleme:
Eine weitere Entscheidung zum Problemkomplex der Nichtigkeit eines
Werkvertrages wegen Versto ß gegen das
Schwarzarbeitsgesetz. Nachdem der BGH bereits entschieden hat, dass der
Auftraggeber im Falle eines solchen Vertrags keine Gewährleistungsansprüche
hat (BGHZ 198, 141) und ein auf
bereicherungsrechtlichen Wertersatz gestützter "Werklohnanspruch" des
Unternehmers an § 817 S. 2 BGB scheitert (BGHZ
201, 1), geht es
nunmehr um die Frage, ob der Besteller den gezahlten Werklohn nach § 812
Abs. 1 S. 1 BGB zurückfordern kann. Auch das schließt der BGH unter Berufung
auf § 817 S. 2 BGB aus. Er stützt sich dabei wiederum auf die
Präventivfunktion dieser Norm.
Ganz unproblematisch ist dies allerdings nicht: In der Rechtsprechung ist
anerkannt, dass § 817 S. 2 BGB dann keine Anwendung findet, wenn diese
letztlich dazu führen würde, dass ein gesetzes- oder sittenwidriger Zustand
letztlich aufrechterhalten wird (vgl. dazu
BGH NJW 2006, 45
sowie
BGH NJW 2008, 1942 zu
den sog. "Schenkkreisen"). In
Fällen der Schwarzarbeit führt die Anwendung von § 817 S. 2 BGB in Bezug auf
den vom Besteller gezahlten Werklohn aber geradezu diesen Effekt: Der
Schwarzarbeiter darf den Werklohn behalten. Ob das mit der Präventivfunktion
der Norm vereinbar ist, ist zumindest fraglich.
Zur nachträglichen "Ohne-Rechnung-Abrede" s. BGH
v. 16.3.2017 - VII ZR 197/16. Zur Abgrenzung zur Schwarzgeldabrede beim
Grundstückskauf s. BGH v. 15.3.2024 - V ZR 115/22
.
©sl 2015
Tatbestand:
1 Der Kläger verlangt
Schadensersatz wegen Mängeln der vom Beklagten durchgeführten Ausbauarbeiten
im Dachgeschoss seines Hauses. Der Beklagte fordert mit der
Widerklage die Rückzahlung bereits an den Kläger geleisteter
Schadensersatzzahlungen.
2 Der Beklagte unterbreitete dem Kläger am 12. Januar 2007 einen
"Kostenanschlag" für den Einbau von vier V. -Fenstern zu einem Preis von
2.120 € und für den Ausbau des Dachgeschosses mit Gipsbauplatten zu einem
Preis von 10.531,90 € jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Anschließend schlossen
die Parteien mündlich einen Vertrag zu einem Pauschalpreis von
10.000 €, den der Kläger bar entrichtete. Am 21. Februar 2007
erteilte der Beklagte dem Kläger eine Rechnung "zum Festpreis von 10.000
Euro". Der Rechnungsvordruck enthält in den Spalten für "Rechnung
Nr.", "Steuer-Nr.2", "Rechnungs-Betrag netto", "+ % MwSt. = MwSt.-Betrag",
"= Rechnungs-Endbetrag gesamt" keine Eintragungen.
3 Der Kläger fordert Schadensersatz in Höhe von 11.901,53 € wegen
Mängeln der vom Beklagten erbrachten Arbeiten. Der Beklagte, der
der Auffassung ist, der Werkvertrag sei wegen Verstoßes gegen das
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) nichtig, macht im Wege
der Widerklage die Rückzahlung bereits gezahlter Schadensbeträge im Umfang
von 1.392,76 € geltend. Das Landgericht hat der Klage in vollem
Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung
des Beklagten hat das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten zur
Zahlung auf einen Betrag von 8.300 € nebst Zinsen ermäßigt. Weiter
hat es den Kläger auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten
1.014,90 € nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es
zurückgewiesen.
4 Mit der vom Berufungsgericht in Bezug auf die Klage zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision des Beklagten hat Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht führt - soweit für die Revision noch von Interesse -
aus, der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz
aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag. Dieser Vertrag sei
wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 BGB). Der
Beklagte habe, indem er dem Kläger eine Rechnung gestellt habe, die nicht
den Anforderungen des § 14 UStG entspreche, Schwarzarbeit geleistet (§ 1
Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG). Der Kläger habe dieses bewusst zu seinem Vorteil
ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein Entgelt vereinbart habe, das
keinen Umsatzsteueranteil enthalte. In der Rechnung des Beklagten fehlten,
obwohl im Rechnungsvordruck vorgesehen, entgegen § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2,
4, 8 UStG Angaben zu Steuernummer, Rechnungsnummer und Steuersatz.
Der Kläger habe eingeräumt, dass er erkannt habe, der Beklagte wolle keine
Umsatzsteuer abführen, indem er vorgetragen habe, "wenn der Beklagte die
Arbeiten 'schwarz' durchgeführt, keine Steuern an das Finanzamt abgeführt
habe, sei dies seine Angelegenheit".
7 Der Kläger könne von dem Beklagten jedoch Wertersatz in Höhe von
8.300 € aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen. Dieser
Anspruch beruhe auf keinem anderen Klagegrund als demjenigen, auf den der
Kläger seinen Schadensersatzanspruch stütze. Der Beklagte habe 10.000 €
erlangt. Dies beruhe auf einer Leistung des Klägers, der durch die Zahlung
seine Werklohnschuld gegenüber dem Beklagten habe erfüllen wollen. Der
Leistung fehle der rechtliche Grund. Der Beklagte habe auf sie keinen
Anspruch. Der Vertrag, auf dem der Anspruch beruhe, sei nichtig. Die
Saldierung des Wertes der Leistung, die der Beklagte empfangen habe, mit
demjenigen des Werkes, das der Kläger erhalten habe, führe zu einem
Überschuss zugunsten des Klägers in Höhe von 8.300 €. Die Werkleistung des
Beklagten, die dieser für den Kläger erbracht habe, habe nur einen Wert von
1.700 €. Die Saldierung sei nicht, soweit sie den Beklagten
begünstige, gemäß § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB ausgeschlossen, weil der
Beklagte wegen dieser Vorschrift von sich aus den Kläger nicht auf
Wertersatz für sein Werk in Anspruch nehmen könnte. Die genannte
Vorschrift sei einschränkend auszulegen. Das Gesetz, gegen das der Kläger
verstoßen habe, solle auch ihn schützen. Die Folgen der Anwendung des § 817
Satz 2 Halbs. 1 BGB träfen ihn in unbilliger Weise ungleich härter als den
Beklagten. Da der Besteller schon durch den Verlust der
Gewährleistungsansprüche belastet sei, dürfe ihm nicht auch noch die volle
Bezahlung eines wegen Mängeln minderwertigen Werkes aufgebürdet werden.
II.
8 Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9 1. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm
getroffenen Feststellungen allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger
wegen Mängeln der vom Beklagten erbrachten Werkleistung kein
Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, §§ 633, 280, 281 BGB zusteht, weil
der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag wegen Verstoßes gegen § 1
Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig ist, § 134 BGB.
10 a) § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines
Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine
Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag
geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt.
Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn
der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß
des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH,
Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 13).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat Schwarzarbeit
gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG geleistet, indem er für den mündlich
vereinbarten Werklohn in Höhe von 10.000 € keine Umsatzsteuer verlangen und
abführen wollte. Der Kläger hat dies erkannt und bewusst zu seinem Vorteil
ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein Entgelt vereinbart hat, das
keinen Umsatzsteueranteil enthielt. Dies ist ausreichend, um einen
zur Nichtigkeit des Vertrages führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1
Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG anzunehmen (vgl.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 13;
Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13, BGHZ 198,
141 Rn. 23).
11 b) Dem Kläger als Besteller stehen aufgrund eines Vertrages, der
wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG in Verbindung mit § 134
BGB nichtig ist, keine Mängelansprüche gegen den Unternehmer zu
(vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13,
BGHZ 198, 141 Rn. 27).
12 2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Annahme des
Berufungsgerichts, dem Kläger stehe wegen des gezahlten Werklohns gegen den
Beklagten ein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer
ungerechtfertigten Bereicherung in Höhe von 8.300 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz
1 Alt. 1 BGB zu.
13 a) Die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs gemäß § 812 Abs. 1
Satz 1 Alt. 1 BGB sind zwar erfüllt. Der Beklagte hat die Werklohnzahlung
des Klägers im Hinblick auf den nichtigen Werkvertrag ohne Rechtsgrund
erlangt.
14 b) Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des an den Beklagten
geleisteten Werklohns ist jedoch gemäß § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB
ausgeschlossen.
15 aa) Nach § 817 Satz 1 BGB ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet,
wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger
durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Satz 2 Halbs.
1 dieser Vorschrift schließt die Rückforderung aus, wenn dem Leistenden
gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt. Entsprechend der
Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes verstößt nicht nur die § 1
Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG widersprechende vertragliche Vereinbarung der
Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung
dieser Vereinbarung erfolgende Leistungserbringung durch den Unternehmer. §
817 Satz 2 Halbs. 1 BGB ist daher nicht einschränkend auszulegen, wenn der
Unternehmer für die von ihm aufgrund eines nichtigen Vertrags erbrachte
Werkleistung einen Bereicherungsanspruch gegen den Besteller geltend macht
(vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR
241/13, BGHZ 201, 1 Rn. 20 ff.).
16 bb) § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB findet auch dann Anwendung, wenn
der Besteller in Ausführung eines solchen gemäß § 134 BGB nichtigen
Werkvertrags seine Leistung erbringt, indem er ohne Rechnung mit
Steuerausweis den vereinbarten Betrag bezahlt (vgl.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13,
BGHZ 201, 1 Rn. 19).
17 Eine einschränkende Auslegung des § 817 Satz 2 Halbs. 1 BGB kommt
nicht in Betracht. Zwischen den Vertragsparteien erfolgt in einem
solchen Fall ebenfalls kein Wertausgleich. Wer bewusst das im
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot missachtet, soll nach der
Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das
verbotene Geschäft nicht abzuschließen (vgl.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13,
BGHZ 201, 1 Rn. 27; Urteil vom 5. Mai 1992 - X ZR 134/90, BGHZ 118, 182,
193, juris Rn. 40). Der Ausschluss eines bereicherungsrechtlichen
Anspruchs mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung ist ein geeignetes
Mittel, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung des
Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern (vgl.
BGH, Urteil vom 10. April 2014 - VII ZR 241/13,
aaO Rn. 29 m.w.N.). Dies gilt sowohl für bereicherungsrechtliche
Ansprüche des Werkunternehmers als auch des Bestellers, der sich auf den
Abschluss eines gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG
verstoßenden Werkvertrags eingelassen hat.
18 3. Das Berufungsurteil kann danach, soweit es mit der Revision
angefochten worden ist, keinen Bestand haben. Der Senat kann gemäß § 563
Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils
nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das
festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur
Endentscheidung reif ist. Die Klage ist danach insgesamt abzuweisen.
III.
19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1
ZPO.
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