| Nachbarrechtlicher 
	Ausgleichsanspruch aus § 906 II S. 2 BGB und Schmerzensgeld 
 BGH, Urteil vom 23. Juli 
	2010 - V ZR 142/09 
 Fundstelle:
 NJW 2010, 3160
 
 Amtl. Leitsatz: Der Ausgleichsanspruch nach § 906 
	Abs. 2 Satz 2 BGB gewährt kein Schmerzensgeld. 
 Zentrale Probleme: 
	Es geht um den Inhalt eines Ausgleichsanspruchs 
	nach § 906 II 2 BGB. Die Rechtsprechung erkennt übrigens einen 
	(verschuldensunabhängigen!) nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 
	906 II 2 BGB auch bei Schäden an, die ein Nachbar durch Emissionen des 
	Nachbargrundstücks erleidet, die an sich nicht duldungspflichtig sind, die 
	er aber faktisch nicht abwehren kann (s. dazu etwa 
	BGH NJW 2004, 603 sowie
	BGH NJW 2004, 775: Keine 
	Ausdehnung auf den bloßen Besitzer). Erfasst werden dabei auch 
	Grobimmissionen wie etwa Feuer, Wasser (s. auch BGH 
	NJW 2004, 3701: Baumsturz). Das führt etwa bei einem 
	übergreifenden Brand, der nicht auf Brandstiftung zurückzuführen ist, zu 
	einem Ausgleichsanspruch der de facto einem Schadensersatzanspruch 
	gleichkommen kann, aber eben keiner ist (s. dazu BGH NJW 1999, 2896 = BGHZ 
	142, 66). Hier geht es nun um die Frage, ob dies auch einen Anspruch auf 
	Schmerzensgeld (§ 253 II BGB) beinhaltet, was der Senat zutreffend verneint.S. auch BGH, Urt. v. 4. Februar 2005 - V ZR 142/04. 
	Zum Störerbegriff s. BGH, Urt. v. 27. Januar 2006 - V 
	ZR 26/05; zur Reichweite eines Anspruchs analog § 906 II 2 s. 
	BGH v. 1.2.2008 - V ZR 47/07.
 
©sl 2010 
 Tatbestand: 
	1 Die Klägerin bewohnt mit ihrer Familie ein Eigenheim in S. 
	(Saarland). Dort sowie in der Umgebung kam es in den Jahren 2005 und 2006 zu 
	Erderschütterungen, welche auf den im Auftrag und für Rechnung der Beklagten 
	in der Gegend betriebenen untertägigen Steinkohlebergbau zurückzuführen 
	sind. Es wurden Schwingungsgeschwindigkeiten von bis zu 71 mm/sek. gemessen.
 2 Mit der Behauptung, aufgrund der Erderschütterungen leide sie seit März 
	2005 an erheblichen psychischen Problemen in Form einer Phobie sowie an 
	psychosomatischen Beschwerden wie Schlaflosigkeit und ständigen 
	Angstzuständen in Erwartung weiterer Beben, verlangt die Klägerin jetzt noch 
	ein Schmerzensgeld von mindestens 4.000 €. Die Klage ist in den 
	Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht 
	zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die 
	Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtmittels.
 
 Entscheidungsgründe:
 
	I.
 3 Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Klägerin nach § 906 Abs. 2 
	Satz 1 BGB zur Duldung der Erschütterungen verpflichtet, weil die dadurch 
	hervorgerufene - unterstellte - wesentliche Beeinträchtigung der 
	Grundstücksnutzung durch die ortsübliche Benutzung des emittierenden 
	Grundstücks hervorgerufen worden sei und nicht durch wirtschaftlich 
	zumutbare Maßnahmen habe verhindert werden können. Deshalb fehle es an einem 
	nach §§ 114 ff. BBergG zu ersetzenden Bergschaden. Einem Anspruch aus § 823 
	Abs. 1 BGB stehe entgegen, dass der Kohleabbau auf der Grundlage einer 
	behördlichen Genehmigung und somit nicht widerrechtlich betrieben worden 
	sei. Konkrete Anhaltspunkte für eine Missachtung der behördlichen Vorgaben 
	oder eine Verletzung von Verkehrspflichten durch die Beklagte seien von der 
	Klägerin nicht aufgezeigt worden. Auch ein verschuldensunabhängiger Anspruch 
	nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB komme nicht in Betracht, weil gesundheitliche 
	Schäden nicht nach dieser Vorschrift ausgeglichen werden könnten.
 
 II.
 
 4 Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
 
 5 1. Im Ergebnis zu Recht verneint das Berufungsgericht einen 
	Schmerzensgeldanspruch nach den Vorschriften über die Bergschadenshaftung 
	(§§ 114 ff. BBergG). Es fehlt - entweder, wie das Berufungsgericht meint, 
	nach § 114 Abs. 2 Nr. 3 BBergG oder nach § 114 Abs. 1 BBergG - an einem 
	Bergschaden. Die Revision nimmt dies hin. Sie meint lediglich, das 
	Berufungsgericht habe nicht offen lassen dürfen, ob die Erschütterungen die 
	Benutzung des von der Klägerin bewohnten Grundstücks unwesentlich oder 
	wesentlich beeinträchtigt hätten, denn die Pflicht zur Duldung 
	unwesentlicher Beeinträchtigungen führe nicht zu einem Ausgleichsanspruch 
	nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Dieser Einwand ist unerheblich, weil das 
	Berufungsgericht zugunsten der Klägerin eine wesentliche 
	Nutzungsbeeinträchtigung unterstellt und damit den Anwendungsbereich der 
	verschuldensunabhängigen Haftung der Beklagten nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB 
	eröffnet hat.
 
 6 2. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass der betroffene 
	Grundstückseigentümer bzw. -nutzer nach dieser Vorschrift kein 
	Schmerzensgeld verlangen kann.
 
 7 a) Anstelle des durch die Duldungspflicht nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB 
	ausgeschlossenen Abwehranspruchs erhält der beeinträchtigte 
	Grundstückseigentümer bzw. -nutzer gegen den Eigentümer des emittierenden 
	Grundstücks nach Satz 2 der Vorschrift einen verschuldensunabhängigen 
	Ausgleichsanspruch in Geld, wenn die Einwirkung die ortsübliche Benutzung 
	seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus 
	beeinträchtigt. Diese Regelung dient dem Interessenausgleich unter Nachbarn 
	und beruht auf dem Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im 
	nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (siehe nur Senat, BGHZ 157, 188, 
	193). Sie findet im Fall von Erschütterungen der Erdoberfläche, die durch 
	untertägigen Bergbau hervorgerufen werden, im Verhältnis zwischen 
	beeinträchtigtem Eigentümer und Bergbauberechtigtem Anwendung (Senat, BGHZ 
	178, 90).
 
 8 b) Bei dem Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB handelt es 
	sich um einen aus dem Grundstückseigentum abgeleiteten Anspruch; die 
	Gewährung einer Entschädigung auf seiner Grundlage setzt einen Bezug zu dem 
	beeinträchtigten Grundstück in Form der Eigentums- oder Besitzstörung mit 
	der Folge einer zu duldenden Nutzungsbeeinträchtigung voraus (siehe nur 
	Senat, Urt. v. 18. September 2009, V ZR 75/08, NJW 2009, 3787, 3788 m. 
	umfangr. Nachw.). Von einem Schadensersatzanspruch unterscheidet sich der 
	Ausgleichsanspruch darin, dass die Entschädigung die durch die zu duldende 
	Einwirkung eingetretene Vermögenseinbuße beseitigen soll, während der 
	Schadensersatz der Wiederherstellung des Zustands dient, der bestünde, wenn 
	die Einwirkung nicht zu der unzumutbaren Beeinträchtigung geführt hätte 
	(Senat, BGHZ 147, 45, 53). Auszugleichen sind somit vermögenswerte 
	Nachteile, die ihre Ursache in der Eigentums- oder Besitzstörung haben.
 
 9 c) Nach diesen Grundsätzen scheidet die Berücksichtigung von 
	Gesundheitsstörungen bei der Prüfung, ob ein Ausgleichsanspruch nach § 906 
	Abs. 2 Satz 2 BGB besteht, nicht von vornherein aus; Relevanz können sie bei 
	der Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des betroffenen 
	Grundstücks haben, wenn nämlich Einwirkungen i.S.v. § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB 
	zur Herbeiführung von Gesundheitsstörungen geeignet sind (Senat, BGHZ 
	49, 148, 153 f.; Urt. v. 19. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 
	1319). Das bedeutet jedoch nicht, dass in einem solchen Fall eine 
	Entschädigung in der Form des Schmerzensgeldes für die erlittene 
	Gesundheitsverletzung zu zahlen ist. Soweit sich die Revision für ihre 
	gegenteilige Ansicht auf Stimmen in der Literatur (Staudinger/Roth, BGB 
	[2009], § 906 Rdn. 77 und 110; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 
	Bd. II 2. Halbband, § 85 II 5; Gerlach, Privatrecht und Umweltschutz im 
	System des Umweltrechts, S. 236 ff.) beruft, bleibt das erfolglos. Zwar 
	befürworten die genannten Autoren (ebenso Staudinger/Kohler, Einl. zum 
	UmweltHR [2002], Rdn. 120, siehe aber auch Rdn. 219) die Einbeziehung von 
	Gesundheitsschäden in den Schutzbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB im Wege 
	der Analogie. Ob dem zu folgen ist, kann indes offen bleiben, denn sie 
	sprechen sich nicht dafür aus, dass als Folge davon neben der Entschädigung 
	für vermögenswerte Nachteile auch die Zahlung eines Schmerzensgeldes 
	verlangt werden kann. Lediglich Spindler (Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 
	253 Rdn. 10) und Däubler (JuS 2002, 625, 626 f.) bejahen einen 
	Schmerzensgeldanspruch auf der Grundlage von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. 
	§ 253 Abs. 2 BGB. Diese Autoren verkennen jedoch, dass der 
	Ausgleichsanspruch ungeachtet des Umstands, dass die auf seiner Grundlage zu 
	zahlende Entschädigung im Einzelfall die Höhe des vollen Schadensersatzes 
	erreichen kann (Senat, BGHZ 142, 66, 70), kein Schadensersatzanspruch ist
	(siehe oben unter b)); Voraussetzung für die Verpflichtung des 
	Schädigers zur Zahlung eines Schmerzensgeldes ist jedoch das Bestehen eines 
	Schadensersatzanspruchs (§ 253 Abs. 2 BGB). Fehlt es - wie hier - daran, ist 
	die Vorschrift in § 253 Abs. 2 BGB auch nicht entsprechend anwendbar 
	(Bamberger/Roth/ Fritzsche, BGB, 2. Aufl., § 906 Rdn. 77). Auch kann sich 
	die Revision nicht mit Erfolg auf eine "Parallelwertung im 
	Bundesimmissionsschutzgesetz" stützen, denn nach § 14 Satz 2 BImSchG kann 
	unter den dort genannten Voraussetzungen Schadensersatz verlangt werden. Das 
	ist, wie gesagt, etwas anderes als die Entschädigung nach § 906 Abs. 2 Satz 
	2 BGB.
 
 10 3. Schließlich verneint das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht einen 
	verschuldensabhängigen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat 
	nicht rechtswidrig gehandelt. Ob die Begründung, mit der das 
	Berufungsgericht die Rechtswidrigkeit verneint, den Angriffen der Revision 
	standhält, kann offen bleiben. Denn wegen der Duldungspflicht der Klägerin 
	nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB fehlte es an einer widerrechtlichen Handlung 
	der Beklagten.
 
 11 a) Die Verletzung eines nach § 823 BGB geschützten Rechtsguts ist 
	grundsätzlich rechtswidrig, wenn nicht ein Rechtfertigungsgrund besteht. 
	Geht es - wie hier - um das Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn, so sind 
	die nachbarrechtlichen Sonderbestimmungen der §§ 906 ff. BGB in dem davon 
	erfassten Regelungsbereich maßgebend dafür, ob die von dem einen auf das 
	andere Grundstück ausgehenden Einwirkungen rechtswidrig sind; diese 
	Bestimmungen entscheiden deshalb auch darüber, ob eine widerrechtliche 
	deliktische Handlung gemäß § 823 BGB vorliegt oder nicht (Senat, BGHZ 
	90, 255, 257 f.).
 
 12 b) Beurteilungsmaßstab ist hier § 906 BGB. Die Vorschrift regelt die 
	Voraussetzungen, unter denen der Grundstückeigentümer oder der 
	Nutzungsberechtigte Einwirkungen i.S.v. Absatz 1 Satz 1 dulden muss. Die 
	Duldungspflicht der Klägerin ergibt sich entweder aus § 906 Abs. 1 Satz 1 
	BGB, wenn die Erschütterungen die Benutzung des von ihr bewohnten 
	Grundstücks unwesentlich beeinträchtigt haben, oder aus § 906 Abs. 2 Satz 1 
	BGB, wenn die Beeinträchtigung zwar wesentlich war, aber durch die 
	ortsübliche Benutzung des emittierenden Grundstücks herbeigeführt wurde und 
	nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden konnte. Von 
	dem Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das Berufungsgericht ausgegangen. 
	Dagegen wendet sich die Revision bei der Prüfung eines 
	verschuldensunabhängigen Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht, 
	sondern nimmt es als für die Klägerin günstig hin. Bei der Erörterung eines 
	Anspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB rügt die Revision zwar, dass das 
	Berufungsgericht den beweisbewehrten Vortrag der Klägerin übergangen habe, 
	das der Betriebsplanzulassung zugrunde liegende Sachverständigengutachten 
	sei erkennbar unrichtig. Das kann für die Frage der Ortsüblichkeit der 
	Benutzung des emittierenden Grundstücks Bedeutung haben, denn die 
	Grundstücksnutzung aufgrund einer fehlerhaften öffentlich-rechtlichen 
	Genehmigung ist nicht ortsüblich (vgl. zur fehlenden Genehmigung Senat, BGHZ 
	140, 1, 9 f.). Aber dazu bezieht sie sich nur auf den in erster Instanz 
	gehaltenen Vortrag, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Weiter 
	rügt die Revision in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe den 
	Vortrag der Klägerin zu der Überschreitung der zulässigen 
	Abbaugeschwindigkeit übergangen. Das kann für die Frage Bedeutung haben, ob 
	die wesentliche Beeinträchtigung des von der Klägerin bewohnten Grundstücks 
	durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden konnte. Dazu 
	bezieht sich die Klägerin zwar auch auf Vortrag in der Berufungsinstanz; 
	darin fehlt aber ein Beweisantritt. Entgegen der Ansicht der Revision war 
	ein solcher nicht entbehrlich. Die Klägerin hätte sich - auch ohne Kenntnis 
	der genauen Vorgänge unter Tage - für die Richtigkeit ihrer Behauptung, der 
	Abbau sei mit zu hoher Geschwindigkeit vorgenommen worden, auf ein 
	Sachverständigengutachten oder auf die bei der Beklagten vorhandenen 
	Aufzeichnungen über den Abbau berufen können. Dem hätte das Berufungsgericht 
	durch Anordnung der Einholung eines Gutachtens (§§ 402 ff. ZPO) oder der 
	Vorlage der Aufzeichnungen durch die Beklagte (§ 142 Abs. 1 ZPO) nachkommen 
	müssen. Da sie das nicht getan hat, musste das Berufungsgericht diesen 
	Vortrag nicht berücksichtigen. Somit bleibt es dabei, dass die Klägerin nach 
	§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB die Erschütterungen dulden musste. An einer 
	widerrechtlichen Handlung der Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB fehlte es 
	demnach (vgl. Palandt/Sprau, BGB 69. Aufl., § 823 Rdn. 32).
 
 III.
 
 13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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