Voraussetzung des gutgläubigen Erwerbs eine Kfz;
Rolle der Zulassungsbescheinigung Teil II ("Kfz-Brief") für den guten
Glauben; Beweislast für den guten Glauben des Erwerbers, sekundäre
Darlegungslast; IPR: Sachstatut gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB
BGH, Urteil vom 23. September 2022 - V ZR 148/21 - OLG
Stuttgart
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Beruft sich der Erwerber eines gebrauchten
Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb, trägt derjenige, der den guten
Glauben in Abrede stellt, die Beweislast dafür, dass der Erwerber sich die
Zulassungsbescheinigung Teil II zur Prüfung der Berechtigung des Veräußerers
nicht hat vorlegen lassen. Den Erwerber trifft allerdings regelmäßig eine
sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der
Zulassungsbescheinigung Teil II.
Zentrale Probleme:
Ein typischer Klausursachverhalt: Beim gutgläubigen
Erwerb eines Kfz wird guter Glaube regelmäßig nur dann angenommen, wenn sich
der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Kfz-Brief)
zumindest hat vorlegen lassen. Wenn eine Fälschung vorlag, kommt es darauf
an, ob der Erwerber dies ohne grobe Fahrlässigkeit erkennen konnte (s. dazu
die Anm. zu BGH, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12).
Die Beweislast für die fehlende Gutgläubigkeit trägt nach der Formulierung
des § 932 BGB ("es sein denn") allerdings der (frühere) Eigentümer.
Allerdings trifft den Erwerber insoweit eine sekundäre Darlegungslast: Eine
solche trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn
diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine
Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle
wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist,
nähere Angaben zu machen. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner
sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies
zumutbar ist. Dies führt jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu
einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1
und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem
Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu
verschaffen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast
nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als
zugestanden. Der Anspruch auf Herausgabe der Originalpapiere ergibt sich
aus § 985 BGB infolge einer analogen Anwendung von § 952 BGB ("Das Recht am
Papier folgt dem Recht aus dem Papier"), s. dazu auch die Anm. zu BGH, Urteil
vom 18. September 2020 - V ZR 8/19, NJW 2020, 3711.
©sl 2022
Tatbestand:
1 Die Klägerin, eine Gesellschaft italienischen Rechts, die Fahrzeuge in
Italien vertreibt, kaufte im März 2019 unter Einschaltung eines
Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand.
In dem Kaufvertrag heißt es, dass die Zulassungsbescheinigung Teil
II nach Erhalt der Gelangensbestätigung an die Klägerin übersandt werde.
Eigentümerin des Fahrzeugs war die Beklagte, die es an das Autohaus
verleast hatte und die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II
ist. Nach Zahlung des Kaufpreises von 30.800 € holte der Vermittler
Anfang April 2019 das Auto bei dem Autohaus ab und verbrachte es zu der
Klägerin nach Italien. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem
Vermittler eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II
vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war.
Als die Klägerin ein weiteres Fahrzeug von dem Autohaus kaufen wollte, war
es geschlossen. Gegen den Geschäftsführer wurde ein strafrechtliches
Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen eingeleitet.
2 Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die
Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II. Die Beklagte erstrebt mit
der Widerklage die Herausgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Herausgabe der
Zulassungsbescheinigung Teil II verurteilt und die Widerklage abgewiesen.
Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision will die Beklagte
die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung erreichen. Die
Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
A.
3 Das Berufungsgericht,
dessen Entscheidung in MDR 2021, 1263 veröffentlicht ist, meint, die
Klägerin könne von der Beklagten gemäß § 985 BGB die Herausgabe der
Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des
Fahrzeugs geworden sei und das Eigentum an den Fahrzeugpapieren dem Eigentum
an dem Fahrzeug folge (§ 952 BGB entsprechend). Die Klägerin, zu
deren Gunsten bereits die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB streite, habe das
Eigentum an dem Fahrzeug gemäß § 929 Satz 1, § 932 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 BGB, § 366 HGB gutgläubig erworben. Sie wäre allerdings dann nicht in
gutem Glauben gewesen, wenn dem Vermittler bei Übergabe des Fahrzeugs die
Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegt worden wäre. Die Beweislast
dafür liege jedoch bei der Beklagten, und diese habe keinen Beweis
angeboten. Die Klägerin treffe nur eine sekundäre Darlegungslast. Dieser
habe sie genügt, indem sie dargelegt habe, dass dem Vermittler eine
hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt und von
diesem geprüft worden sei. Aus dem von der Klägerin geschilderten
Sachverhalt ergäben sich auch in der Gesamtschau keine besonderen Umstände,
die den Verdacht hätten erregen müssen, das Autohaus sei Nichtberechtigte.
An dem guten Glauben der Klägerin fehle es insbesondere nicht deshalb, weil
die Zulassungsbescheinigung Teil II dem Vermittler nicht ausgehändigt worden
sei. Im internationalen Kfz-Handel sei es üblich, die Papiere bis zum Erhalt
der Gelangensbestätigung (§ 17a UStDV) zurückzubehalten. So sehe es auch der
Kaufvertrag ausdrücklich vor. Der Annahme eines solchen Brauchs sei die
Beklagte nicht entgegengetreten.
4 Die auf Herausgabe des Fahrzeugs
gerichtete Widerklage sei nicht begründet. Ein Anspruch der Beklagten aus §
985 BGB bestehe nicht, weil sie nicht Eigentümerin des Fahrzeugs sei.
B.
5 Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
6 I.
Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende
(vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2008 - V ZR 11/08, NJW 2008, 3502 Rn. 6
mwN) internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
ist gegeben. Für die Klage sind die deutschen Gerichte nach Art. 4 Abs. 1,
Art. 63 Abs. 1 a) der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO) zuständig, weil sich der
satzungsmäßige Sitz der Beklagten in Deutschland befindet. Für die
Widerklage ergibt sich die Zuständigkeit aus Art. 8 Nr. 3 EuGVVO.
7
II. Klage
8 Das Berufungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
9 1. Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet beurteilt
das Berufungsgericht die Frage, ob die Klägerin das Eigentum an dem Fahrzeug
erworben hat, gemäß Art. 43 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht als der
maßgeblichen lex rei sitae (§ 929 Satz 1, § 932 Abs. 1 und 2 BGB).
In dem für die Vollendung des Eigentumserwerbs der Klägerin durch
Einigung und Übergabe maßgeblichen Zeitpunkt befand sich das Fahrzeug in
Deutschland (vgl. Senat, Urteil vom 20.
Juli 2012 - V ZR 135/11, WM 2013, 858 Rn. 14 mwN).
10 2. Die
Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 985 BGB die Herausgabe der
Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie gemäß § 929 Satz
1, § 932 BGB Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist. In (entsprechender)
Anwendung des § 952 BGB folgt das Eigentum an dem Fahrzeugpapier dem
Eigentum an dem Fahrzeug (vgl. Senat, Urteil
vom 18. September 2020 - V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 32 mwN).
11 a) Ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs war zwar die Beklagte.
Zwischen der Klägerin und dem Autohaus hat aber eine Einigung und
Übergabe im Sinne von § 929 Satz 1 BGB stattgefunden. Weil das Fahrzeug dem
Autohaus als Veräußerer nicht gehörte, konnte die Klägerin das Eigentum
durch diesen Vorgang allerdings nur gutgläubig erwerben; dafür
kommt es auf den guten Glauben an das Eigentum des Autohauses
an, das nach der Darstellung der Klägerin als Eigentümerin aufgetreten ist
(§ 932 Abs. 1 BGB). § 366 Abs. 1 HGB ist nicht einschlägig
(vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1966 - VIII ZR 60/64, BeckRS 1966, 31180082).
Auch hat die von dem Berufungsgericht herangezogene
Eigentumsvermutung des § 1006 BGB keine rechtliche Bedeutung, wenn - wie
hier - allein zu klären ist, ob die Voraussetzungen des § 932 BGB bezogen
auf einen konkreten Erwerbsvorgang vorliegen. Die Verteilung der Darlegungs-
und Beweislast richtet sich nach der maßgeblichen Regelung in § 932 Abs. 1
Satz 1 BGB.
12 b) Rechtsfehlerfrei nimmt das
Berufungsgericht an, dass die Beweislast für den fehlenden guten
Glauben der Klägerin bei der Beklagten liegt.
13 aa) Nach §
932 Abs. 1 Satz 1 BGB wird der Erwerber durch eine nach § 929 BGB erfolgte
Veräußerung auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer
gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften
das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. Wird
der Erwerber - wie hier - bei der Einigung über den Eigentumsübergang
vertreten, schadet die Bösgläubigkeit des Vertreters (§ 166 Abs. 1
BGB; vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12,
MDR 2013, 707 Rn. 12 mwN; Beschluss vom 16. September
2015 - V ZR 8/15, MDR 2016, 414 Rn. 20 f.).
14 bb) Angesichts der
Formulierung „es sei denn“ in § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB trägt nach allgemeinen
Regeln derjenige die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden guten
Glauben des Erwerbers, der den Eigentumserwerb bestreitet (vgl. BGH, Urteil
vom 23. April 1951 - IV ZR 158/50, BGHZ 2, 37, 53 zu § 366 HGB; Urteil vom
5. Oktober 1981 - VIII ZR 235/80, NJW 1982, 38 zu § 1207 BGB; vgl. auch
Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 Rn. 39 zu §
937 BGB; Baumgärtel/Schuschke, Handbuch der Beweislast, 4. Aufl., § 932 Rn.
2; Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 932 Rn. 15; jurisPK-BGB/Beckmann, 9.
Aufl., § 932 Rn. 55; Staudinger/C. Heinze, BGB [2020], § 932 Rn. 104).
Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst
als Ausschließungsgrund ausgestaltet (vgl. Protokolle der Kommission für die
zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band III, 1899, S.
207 f.; Staudinger/C. Heinze, aaO Rn. 101). Derjenige, der sich auf den
gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB
beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit.
15
cc) Diese Beweislastverteilung gilt auch dann, wenn die Bösgläubigkeit des
Erwerbers darauf gestützt wird, bei dem Erwerb des Fahrzeugs habe
die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegen.
16 (1)
Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet der Besitz des Fahrzeugs
allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen
Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für
einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der
Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV; früher:
Kraftfahrzeugbrief, § 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO aF) vorlegen lässt, um die
Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (vgl. Senat, Urteil vom 1. März
2013 - V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 13 mwN; Urteil vom 18. September 2020 -
V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 Rn. 29). Kommt der Erwerber dieser
Obliegenheit nach und wird ihm eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt,
treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch
keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren
Nachforschungspflichten (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12,
MDR 2013, 707 Rn. 14). Diese Grundsätze gelten auch für den Erwerb unter
Kraftfahrzeughändlern (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1996 - II ZR 222/95, NJW
1996, 2226, 2227 mwN; Urteil vom 9. Februar 2005 - VIII ZR 82/03, NJW 2005,
1365, 1366).
17 (2)
Diese Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht der Revision nicht so zu
verstehen, dass die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II von
demjenigen zu beweisen wäre, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft.
18
(a) Allerdings wird vereinzelt angenommen, die Beweislast dafür, dass die
Zulassungsbescheinigung Teil II dem Erwerber vorgelegt wurde, trage der
Erwerber. Diesem sei die Beweisführung leicht möglich, während der den
Eigentumserwerb bestreitende ursprüngliche Eigentümer an dem
Erwerbsvorgang nicht beteiligt gewesen sei und keine Kenntnis von dem
Geschehensablauf habe (vgl. MüKoBGB/Oechsler, 8. Aufl., § 932 Rn. 55; KG,
BeckRS 2014, 22393 Rn. 14 ohne nähere Begründung).
19 (b)
Dieser Ansicht ist
das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Beruft sich der Erwerber eines
gebrauchten Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb, trägt derjenige, der den
guten Glauben in Abrede stellt, die Beweislast dafür, dass der Erwerber sich
die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Fahrzeugbrief) zur Prüfung der
Berechtigung des Veräußerers nicht hat vorlegen lassen (vgl. Eggert in
Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 4765a; OLG Braunschweig,
Beschluss vom 2. Januar 2019 - 9 U 32/18, juris Rn. 42 ohne nähere
Begründung).
20 (aa) Für den Erwerb vom Eigentümer durch Einigung und
Übergabe gemäß § 929 Satz 1 BGB kommt es auf die Zulassungsbescheinigung
Teil II nicht an. Die Bescheinigung verbrieft nicht das Eigentum (vgl.
Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12, MDR 2013, 707 Rn. 14).
Sie ist
auch kein Traditionspapier; die Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil II
ersetzt also nicht die Übergabe des Kraftfahrzeugs (zum Fahrzeugbrief vgl.
BGH, Urteil vom 8. Mai 1978 - VIII ZR 46/77, NJW 1978, 1854;
Urteil vom 13.
September 2006 - VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 Rn. 13).
21 (bb)
Aus dem Umstand, dass die Zulassungsbescheinigung
Teil II für den Tatbestand des § 929 Satz 1 BGB keine Bedeutung hat, folgt
für den Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass
sich die Zulassungsbescheinigung Teil II nur auf den guten Glauben des
Erwerbers auswirken kann. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit
gegeben, die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen (vgl.
BGH, Urteil vom 5. Februar 1975 - VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736). Diese
Prüfung hat der Erwerber vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober
Fahrlässigkeit auszusetzen (vgl. oben Rn. 16). Aus dem Fehlen der
Zulassungsbescheinigung Teil II, das heißt aus deren Nichtvorlage bzw.
Nichtprüfung, ergeben sich somit Verdachtsmomente, die den guten Glauben des
Erwerbers ausschließen (vgl. Eggert in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14.
Aufl., Rn. 4675).
22 (cc) Die Beweislast für den fehlenden guten Glauben
trägt - wie ausgeführt (vgl. oben Rn. 14) - nach allgemeinen Regeln
derjenige, der den Eigentumserwerb bestreitet.
23 c) Allerdings trifft den
Erwerber, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, regelmäßig - und auch
hier - eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung
der Zulassungsbescheinigung Teil II (vgl. BeckOK BGB/Kindl [1.8.2022], § 932
Rn. 20; Eggert in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 4765a;
Gerdemann/Helmes, JA 2019, 856, 858).
24 aa) Den Prozessgegner trifft in der
Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete
Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine
Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem
Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind
(vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 255/17, NJW 2019, 3147 Rn. 49;
BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12,
BGHZ 200, 76 Rn. 17 mwN; für negative Tatsachen: Senat, Urteil vom 12.
November 2010 - V ZR 181/09, BGHZ 188, 43 Rn. 12; Urteil vom 6. März 2020 -
V ZR 2/19, WM 2021, 1760 Rn. 10).
25 bb) Diese Voraussetzung ist im
Verhältnis zwischen dem primär Darlegungsbelasteten, der den guten Glauben
des Erwerbers bestreitet, und demjenigen, der sich auf den gutgläubigen
Erwerb von einem Nichtberechtigten beruft, regelmäßig erfüllt. Bei der
behaupteten unterbliebenen Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II
handelt es sich um eine negative Tatsache. Der den Eigentumserwerb
Bestreitende hat regelmäßig keine Kenntnisse von dem Geschehensablauf, weil
er an dem Erwerbsvorgang zwischen dem Erwerber und dem Nichtberechtigten
nicht beteiligt gewesen ist, während dem Erwerber nähere Angaben dazu ohne
weiteres möglich und zumutbar sind. Dieser muss in zeitlicher, räumlicher
und inhaltlicher Weise (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 2010 - V ZR
181/09, BGHZ 188, 43 Rn. 12) substantiiert zu der Vorlage der
Zulassungsbescheinigung Teil II vortragen.
26 d) Hiernach ist es Sache der
Beklagten zu beweisen, dass dem Vermittler die Zulassungsbescheinigung Teil
II nicht vorgelegt worden ist. Die Annahme des Berufungsgerichts, die
Klägerin habe die sie treffende sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der
Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II erfüllt und die Beklagte habe
den Beweis für den bösen Glauben der Klägerin nicht geführt, ist nicht zu
beanstanden.
27 aa) Nach der Darstellung der Klägerin war das Autohaus in
Besitz einer hochwertigen Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II, die
der Vermittler eingesehen und anhand derer er die Berechtigung des
Autohauses geprüft hat. Damit hat die Klägerin ihrer sekundären
Darlegungslast genügt.
28 bb) Den ihr
obliegenden Gegenbeweis hat die Beklagte nicht geführt. Einen Beweis für die
Nichtvorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II hat sie nicht angeboten.
Sie hat im Gegenteil in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
ausdrücklich erklärt, den Vermittler nicht als Zeugen zu benennen.
29 cc)
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht nicht dadurch
gegen § 286 ZPO und § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verstoßen, dass es die Beklagte
als beweisfällig angesehen hat, ohne die Zeugenaussage des Vermittlers zu
verwerten, die dieser bei seiner polizeilichen Vernehmung in dem
Ermittlungsverfahren gegen das Autohaus getätigt hat. Die Verwertung der
Niederschrift einer Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des
Urkundenbeweises ist zwar zulässig (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November
2005 - V ZR 68/05, juris Rn. 9 mwN; BGH, Urteil vom 17. November 2020
- X ZR 132/18, MDR 2021, 374 Rn. 64). Das Vernehmungsprotokoll war für
die Beweisführung durch die Beklage aber nicht ausreichend. Das Landgericht
hat den Vermittler als Zeugen vernommen und dessen Aussage, die
Zulassungsbescheinigung Teil II sei ihm vorgelegt worden, als
nachvollziehbar und glaubhaft angesehen. Es sah sich wegen der
widersprüchlichen Angaben des Zeugen im Rahmen seiner polizeilichen
Vernehmung jedoch letztlich an einer dahingehenden Überzeugungsbildung
gehindert und hat - rechtsfehlerhaft - eine Beweislastentscheidung zum
Nachteil der Klägerin getroffen. In dieser Situation kann die Beklagte den
Gegenbeweis, die Zulassungsbescheinigung Teil II sei nicht vorgelegt worden,
nicht allein durch das Protokoll der polizeilichen Vernehmung
des Vermittlers führen.
30 e) Die
Annahme des Berufungsgerichts, der gute Glaube der Klägerin sei insbesondere
nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Autohaus dem Vermittler die
Zulassungsbescheinigung Teil II nicht ausgehändigt habe, ist
rechtsfehlerfrei.
31 aa) Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in
gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt
ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter der hier in Betracht
kommenden Alternative der groben Fahrlässigkeit wird im Allgemeinen ein
Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten
Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem
dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte
einleuchten müssen (Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12, MDR 2013,
707 Rn. 11 mwN).
32 bb) Ist der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und der
Zulassungsbescheinigung Teil II, kann der Erwerber zwar bösgläubig sein,
wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese
unbeachtet lässt (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12, MDR
2013, 707 Rn. 13 mwN; Urteil vom 18. September 2020 - V ZR 8/19, NJW 2020,
3711 Rn. 29). Es ist aber nicht per se ungewöhnlich, dass dem Erwerber die
Zulassungsbescheinigung Teil II nicht sofort ausgehändigt wird (für die
Zusage der Zusendung des Fahrzeugbriefs nach Kaufpreiszahlung vgl. LG
Darmstadt, NJW-RR 2002, 417; Eggert in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14.
Aufl., Rn. 4685). Der Einbehalt der Zulassungsbescheinigung Teil II durch
den Veräußerer kann die Gutgläubigkeit des Erwerbers allerdings dann
ausschließen, wenn es dafür an einem plausiblen Grund fehlt.
33 cc) Das
Berufungsgericht hält es für plausibel, dass - wie in dem Kaufvertrag
vereinbart - das Autohaus die Zulassungsbescheinigung Teil II einbehalten
hat, um sicherzustellen, dass die Klägerin die Gelangensbestätigung (§ 17a
Abs. 2 Nr. 2 UStDV) übersendet, mit der bei innergemeinschaftlichen
Lieferungen die Umsatzsteuerfreiheit nachgewiesen werden kann (vgl. § 4 Nr.
1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG; vgl. BFHE 219, 410, 414 f.). Diese
tatrichterliche Würdigung kann durch das Revisionsgericht nur darauf
überprüft werden, ob der maßgebliche Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit
verkannt worden ist oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze vorliegen (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12,
MDR 2013, 707 Rn. 15 mwN). Einen solchen Rechtsfehler vermag die Revision
nicht aufzuzeigen. Soweit sie geltend macht, üblich sei die Zahlung einer
Kaution in Höhe der Umsatzsteuer durch den Erwerber, die nach Erhalt der
Gelangensbestätigung zurückgewährt werde, ergibt sich daraus nicht, dass der
hier vereinbarte Einbehalt der Zulassungsbescheinigung Teil II bis zur
Übersendung der Bestätigung ungewöhnlich und deshalb verdächtig gewesen
wäre. Ob es im innergemeinschaftlichen Kraftfahrzeughandel, wie das
Berufungsgericht annimmt, sogar einen auf die zuletzt genannte
Vorgehensweise bezogenen Handelsbrauch (§ 346 HGB) gibt, ist unerheblich.
34 III. Widerklage
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht
die Widerklage abgewiesen. Weil die Klägerin Eigentümerin des Fahrzeugs
geworden ist, steht der Beklagten kein Anspruch auf Herausgabe gemäß § 985
BGB zu.
26 C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1
ZPO.
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