Vereinbarung von
Annahmefristen (§ 148 BGB) durch AGB (§ 308 Nr. 1 BGB); AGB-Kontrolle
zwischen Unternehmern und Verbrauchern (§ 310 III Nr. 2 BGB);
Voraussetzungen an eine konkludente Annahmeerklärung, Erklärungsbewusstsein;
Haftung bei der Verwendung unwirksamer AGB
BGH, Urteil vom 11. Juni
2010 - V ZR 85/09
Fundstelle:
NJW 2010, 2873
Amtl. Leitsatz:
a) Bei finanzierten und
beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss eine Bonitätsprüfung
vorausgeht, kann der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines
Zeitraumes von vier Wochen erwartet werden (§ 147 Abs. 2 BGB).
b) Die Qualifizierung eines Verhaltens als schlüssige Annahmeerklärung setzt
grundsätzlich das Bewusstsein voraus, dass für das Zustandekommen des
Vertrages zumindest möglicherweise noch eine Erklärung erforderlich ist.
c) Zwar kann die Verwendung unwirksamer Klauseln in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zu einer Haftung nach den Grundsätzen eines
Verschuldens bei Vertragsschluss führen; von dem Schutzzweck der Regelung
des § 308 Nr. 1 BGB erfasst sind jedoch nur solche Schäden, die gerade und
lediglich durch die überlange Bindung des Vertragspartners verursacht worden
sind.
d) Das Verstreichenlassen einer im selbständigen Beweisverfahren nach §§ 492
Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzten Frist führt nicht zu einer Umkehr
der Beweislast.
Zentrale Probleme:
Ein lehrreicher Fall mit einem Schwerpunkt im Allgemeinen
Teil: Für die Annahme eines Vertragsangebot ist durch AGB ein (zu lange)
Frist bestimmt. Damit gilt nach § 306 BGB das Gesetzesrecht, d.h. § 147 II
BGB. Wird danach das Angebot verspätet angenommen, ist es ein neuer Antrag
(§ 150 I BGB). Wenn die andere Partei jetzt in der Ansicht, es sei ein
Vertrag geschlossen, erfüllt, kann darin nach der zutreffenden Kernaussage
des Urteils keine konkludente Annahmeerklärung gesehen werden: Es fehlt am
Erklärungsbewußtsein, d.h. an dem Willen, rechtsgeschäftlich handeln zu
wollen. Zu diesem "Klassikerproblem" s.
BGHZ
91, 324 ff,
BGH NJW-RR 1986, 415,
BGH NJW 1995, 953
und BGH v. 5.10.2006 - III ZR 166/05
sowie
NJW 2005, 2620.
Darüber hinaus geht es um die Haftung wegen der Verwendung unwirksamer AGB,
s. dazu auch
BGH NJW 2009, 2590. Das Urteil erläutert
dabei Grundfragen des Allgemeinen Teils, wie etwa die Bestimmung der Dauer
der Annahmefrist nach § 147 II BGB sowie der AGB-Kontrolle mit den
Besonderheiten im Verhältnis Unternehmer/Verbraucher. S. auch
BGH v. 13.5.2016 - V ZR 265/14.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Am 4. Mai 2004 gab der Kläger gegenüber der Beklagten ein
notariell beurkundetes Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung ab. Danach
sollte der Kauf unter Ausschuss der Haftung für Sachmängel erfolgen und das
Angebot bis zum 30. September 2004 bindend sein. Mit notarieller Urkunde vom
22. Juni 2004 erklärte die Beklagte die Annahme des Angebotes. Nach Zahlung
des Kaufpreises von 108.200 € und erklärter Auflassung wurde der Kläger als
Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2006
erklärte der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages und stützte diese u.a.
auf von der Beklagten angeblich arglistig verschwiegene Mängel. Davon
abgesehen ist es nach Auffassung des Klägers schon nicht zu einem
Vertragsschluss gekommen. Die in dem Angebot enthaltene Annahmefrist sei als
Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren und als solche wegen zu
langer Bindungsfrist unwirksam.
2 Das Landgericht hat die - auf Rückzahlung des Kaufpreises von 108.200 €
und auf Erstattung von Erwerbsnebenkosten in Höhe von insgesamt 6.500 € Zug
um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe der Wohnung gerichtete - Klage
abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der von
dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet. Zwischen den Parteien
sei ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Dabei könne offen bleiben,
ob die in dem Angebot enthaltene Bindungsfrist gemäß § 308 Nr. 1 BGB
unwirksam sei und ob der Kläger mit einer Annahme seines Angebots sieben
Wochen nach dessen Annahme noch unter regelmäßigen Umständen habe rechnen
müssen (§ 147 Abs. 2 BGB). Denn jedenfalls sei die Annahmerklärung der
Beklagten vom 22. Juni 2004 als neues Angebot anzusehen (§ 150 Abs. 1 BGB),
das der Kläger konkludent durch die vollständige Zahlung des Kaufpreises
angenommen habe. Der Mangel der fehlenden Beurkundung dieser
Annahmeerklärung sei nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB geheilt. Die von dem
Kläger erklärte Anfechtung greife nicht durch. Das Vorliegen einer
arglistigen Täuschung habe der Kläger nicht bewiesen.
II.
4 Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung im
Wesentlichen nicht stand.
5 1. Soweit der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises von 108.200 € Zug um
Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe der Eigentumswohnung verlangt, hat
das Berufungsgericht einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu
Unrecht verneint. Der Kläger hat den Kaufpreis an die Beklagte ohne
Rechtsgrund geleistet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist
zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen.
6 a) Zu einer Annahme des notariellen Angebots vom 4. Mai 2004 ist es nicht
gekommen. Zwar hat die Beklagte dessen Annahme innerhalb der in dem Angebot
enthaltenen Bindungsfrist erklärt. Die Klausel über die Bindungsfrist ist
jedoch nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Gemessen an den dann nach § 306 Abs.
2 BGB eingreifenden Vorgaben des § 147 Abs. 2 BGB ist die Annahme zu spät
erklärt worden. Der Antrag war zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen (§
146 BGB).
7
aa) Der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 1 BGB unterliegen nicht nur
Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind
und die eine Vertragspartei der anderen stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB),
sondern bei Verträgen zwischen Unternehmern (§ 14 BGB) und Verbrauchern (§
13 BGB) auch zur einmaligen Verwendung bestimmte Klauseln, soweit der
Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss
nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). So liegt es hier. Der Inhalt
des von dem Kläger abgegebenen Angebots gilt nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als
von der Beklagten als Unternehmerin gestellt. Dabei erfasst § 308 Nr. 1
BGB auch sog. Vertragsabschlussklauseln, die - wie hier die Bindungsfrist -
nicht den Inhalt des Vertrages, sondern eine Modalität des Vertragsschlusses
betreffen (vgl. nur Staudin-ger/Coester-Waltjen, BGB [2006], § 308 Nr. 1 Rdn.
6; H. Schmidt in: Ul-mer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Auflage 2006, § 308
Rdn. 2; zum AGBGB vgl. auch BGH, Urt. v. 23. März 1988, VIII ZR 175/87, NJW
1988, 1908, 1909 m.w.N.).
8 Unter Berücksichtigung der für den Vertragsgegenstand typischen Umstände
ergibt die Abwägung der Interessen der Verhandlungspartner (dazu etwa BGH,
Urt. v. 6. März 1986, III ZR 234/84, NJW 1986, 1807, 1808; Staudinger/Coester-Waltjen,
aaO, Rdn. 10; Dammann in Wolf/L./P., AGB-Recht, 5. Aufl., § 308 Nr. 1 Rdn.
10 ff.) vorliegend, dass die in dem Angebot enthaltene Bindungsfrist von
vier Monaten und drei Wochen den Käufer unangemessen lang in seiner
Dispositionsfreiheit beeinträchtigt und daher nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam
ist. Geht eine Bindungsfrist - wie hier - wesentlich über den in § 147
Abs. 2 BGB bestimmten Zeitraum hinaus - dieser ist bei dem finanzierten Kauf
einer Eigentumswohnung regelmäßig mit vier Wochen zu bemessen (dazu
unten cc (1)) -, stellt dies nur dann keine unangemessene Beeinträchtigung
dar, wenn der Verwender hierfür ein schutzwürdiges Interesse geltend
machen kann, hinter dem das Interesse des Kunden an dem baldigen Wegfall
seiner Bindung zurückstehen muss (BGH, Urt. v. 6. März 1986, III ZR
234/84, aaO).
9 Auf dieser Grundlage kann die in dem Angebot enthaltene Bindung von vier
Monaten und drei Wochen keinen Bestand haben. Es sollte ein typischer
Kaufvertrag über eine bereits fertig gestellte Wohnung geschlossen werden.
Dass der Kläger Sonderwünsche geltend gemacht hätte, deren Abklärung einen
erheblichen zeitlichen Aufwand erfordert hätte, ist nicht ersichtlich. Zwar
war die Beklagte dem Kläger auch bei der Finanzierung behilflich. Dieser
Umstand und die damit einhergehende Bonitätsprüfung - so sie überhaupt erst
nach der Abgabe des Angebots vorgenommen worden sein sollte - vermag jedoch
ebenfalls nicht die hier in Rede stehende Bindungsfrist zu rechtfertigen.
Das gilt zumindest grundsätzlich auch für die erforderliche Abklärung der
eigenen Erfüllungsfähigkeit des Verkäufers etwa unter dem Blickwinkel einer
bei Zustandekommen des Vertrages notwendig werdenden Pfandfreistellung (dazu
unten cc (1)). Denn solche Umstände wiegen die über das Maß des § 147 Abs. 2
BGB hinausgehende Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Käufers
in der Regel nicht auf. Solange dieser gebunden ist, kann er von günstigeren
Angeboten regelmäßig keinen Gebrauch machen, während der Verkäufer in jeder
Hinsicht frei bleibt.
10 bb) Die durch die Unwirksamkeit der Bindungsfrist entstandene Lücke
kann nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden, weil
die Bindungsklausel als Vertragsabschlussklausel nicht Gegenstand eines
Vertrages war. Eine sinnentsprechende Anwendung dieser Grundsätze
scheitert schon daran, dass deren lückenschließende Heranziehung nur in
Betracht kommt, wenn das nach § 306 Abs. 2 BGB zugrunde zu legende
Gesetzesrecht das Vertragsgefüge völlig einseitig zu Gunsten des Kunden
verschöbe (vgl. BGHZ 137, 153, 157; Senat, Urt. v. 16. April 2010, V ZR
175/09, Rdn. 23; jeweils m.w.N.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Mit
der Regelung des § 147 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber den Interessenkonflikt
auch für Konstellationen der vorliegenden Art angemessen austariert.
11 cc) Nach der genannten Vorschrift kann ein Antrag nur bis zu dem
Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der
Annahmeerklärung unter regelmäßigen Umständen erwartet werden darf. Die
nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Annahmefrist (dazu BGH, Urt. v. 14.
April 1999, VIII ZR 370/97, NJW 1999, 2179, 2180; Erman/Armbrüster, BGB, 12.
Aufl., § 147 Rdn. 18) setzt sich zusammen aus der Zeit für die
Übermittlung des Antrages an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und
Überlegungszeit sowie der Zeit der Übermittlung der Antwort an den
Antragenden (BGH, Urt. v. 2. November 1995, X ZR 135/93, NJW 1996, 919,
921; Staudinger/Bork, BGB [2003], § 147 Rdn. 10 ff.; Erman/Armbrüster, aaO,
m.w.N.). Sie beginnt daher schon mit der Abgabe der Erklärung und nicht erst
mit deren Zugang bei dem Empfänger (Staudinger/Bork, aaO, Rdn. 10; Dammann
in Wolf/L./P., AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, § 308 Nr. 1 Rdn. 17). Gemessen
daran ist die Annahme des Angebots zu spät erklärt worden.
12 (1) Auch bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren
Abschluss regelmäßig eine Bonitätsprüfung vorausgeht, kann der Eingang der
Annahmeerklärung jedenfalls innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen
erwartet werden (vgl. auch v. Westphalen in Löwe/v. Westphalen/Trinkner,
AGBG, 2. Aufl. 1983, § 10 Nr. 1 Rdn. 13; Basty, Der Bauträgervertrag, 6.
Aufl., Rdn. 171; großzügiger: OLG Dresden BauR 2005, 559, 560;
Bamberger/Roth/Becker, BGB, 2. Aufl. 2007, § 308 Nr. 1 Rdn. 9; strenger:
Cremer/Wagner NotBZ 2004, 331, 333). Etwas anders gilt nur bei Vorliegen
absehbarer Verzögerungen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 2007, XII ZR 13/06,
NJW 2008, 1148, 1149; MünchKomm-BGB/Kramer, 5. Aufl., § 147 BGB Rdn. 7 m.w.N.),
die auch ein verständiger Offerent vor dem Hintergrund des mit der
Bindungsfrist einhergehenden „nicht ganz ungefährlichen Schwebezustandes"
(Motive, Bd. 1 S. 170) in Rechnung stellt. Solche Besonderheiten sind hier
jedoch nicht ersichtlich. Die Beklagte verweist nicht auf Vorbringen in den
Tatsacheninstanzen, das eine solche Annahme rechtfertigen würde. Zu
diesbezüglichem Vortrag wäre sie jedoch - auch wenn der Kläger für das
Vorliegen eines rechtsgrundlosen Erwerbs nach § 812 Abs. 1 BGB darlegungs-
und beweispflichtig ist - jedenfalls nach den Grundsätzen der sekundären
Darlegungslast gehalten gewesen, nachdem die Berufungsbegründung maßgeblich
auch auf die verspätete Annahme des Angebots gestützt worden ist. Besondere
absehbare Verzögerungen hat die Beklagte indessen nicht vorgetragen, sondern
mit ihrer Berufungserwiderung lediglich geltend gemacht, bis zur Annahme des
Angebots seien allenfalls sieben Wochen abgelaufen gewesen, was noch
innerhalb der Bindungsfrist des § 147 Abs. 2 BGB liege.
13 Selbst wenn man zugrunde legt, dass die Wohnungsgrundbücher noch nicht
angelegt waren, zur Durchführung des Kaufvertrages eine Freistellung des
Objektes von Grundpfandrechten erfolgen musste und der Kläger bei der Abgabe
des Angebots beide Umstände in Rechnung stellte, rechtfertigt dies keine
Verlängerung des regelmäßigen Annahmezeitraumes. Denn innerhalb dieses
Zeitraumes musste die Beklagte nicht ihre Erfüllungsfähigkeit herstellen,
sondern sich nur darüber klar werden, ob sie gewillt und in der Lage sein
würde, den Kaufvertrag entsprechend den darin vereinbarten Modalitäten zu
erfüllen. Dafür, dass diese Abklärung vorliegend mit besonderen und auch für
den Kläger absehbaren Schwierigkeiten verbunden und deshalb nicht zeitnah
möglich war, ist nichts ersichtlich. Die Frage, ob eine längere
Bindungsfrist bei Bauträgerverträgen anzuerkennen ist (bejahend etwa OLG
Nürnberg AGBE I § 10 Nr. 5; LG Frankfurt AGBE II § 10 Nr. 19; Staudinger/Coester-Waltjen,
BGB [2006], § 308 Nr. 1 Rdn. 11; Blank, Bauträgervertrag, Rdn. 1160;
Cremer/Wagner NotBZ 2004, 331, 333; Walchshöfer WM 1986, 1041, 1044;
verneinend: v. Westphalen in Löwe/v. Westphalen/Trinkner, AGBG, 2. Aufl.,
1983, § 10 Nr. 1 Rdn. 13; Basty, Der Bauträgervertrag, 6. Aufl., Rdn. 172),
erscheint zweifelhaft, stellt sich hier jedoch nicht.
14 (2) Ob die von dem Zeitpunkt der Abgabe des Angebots laufende und aus der
Warte eines verständigen Offerenten zu beurteilende (vgl. Motive, Bd. 1 S.
170; MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, § 147 Rdn. 6) Bindungsfrist von vier Wochen
eingehalten worden ist, hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt
folgerichtig - nicht geprüft. Diese Prüfung kann der Senat nachholen, weil
weitere Feststellungen hierzu nicht zu erwarten sind. Sie führt zur
Verneinung der Frage. Notariell beurkundet wurde das Angebot am 4. Mai 2004.
Wie sich aus § 13 des angebotenen Kaufvertrages ergibt, war die Übersendung
Sache des Notars. Damit hatte der Kläger mit der Erklärung des Angebots vor
dem Notar alles aus seiner Sicht Erforderliche getan. Da Notare zu einer
zügigen Abwicklung ihrer Amtsgeschäfte gehalten sind (Arndt/Lerch/Sandkühler,
BNotO, 6. Aufl., § 19 Rdn. 48; vgl. auch BGH, Urt. v. 7. November 1978, VI
ZR 171/77, DNotZ 1979, 311, 312 f.), konnte und durfte der Kläger davon
ausgehen, dass das befristete Angebot alsbald übersandt werden würde. Vor
diesem Hintergrund war die erst am 22. Juni 2004 erklärte Annahme verspätet.
Da es nach § 147 Abs. 2 BGB nur auf die Zeit ankommt, unter der der
Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten
darf, gälte dies selbst dann, wenn das Angebot den Adressaten - wofür hier
indessen nichts ersichtlich ist - ungewöhnlich spät erreicht haben sollte
(vgl. nur MünchKommBGB/Kramer, aaO; Staudinger/Bork [2003], § 147 BGB Rdn.
11).
15 dd) Soweit vertreten wird, ein Angebot erlösche nicht nach Ablauf der
Bindungsfrist, sondern sei lediglich frei widerruflich und könne auch nach
Ablauf der Annahmefrist noch angenommen werden (so Cremer/Wagner NotBZ
2004, 331, 335), steht diese Auffassung in klarem Widerspruch zu der
Regelung des § 146 BGB. In Übereinstimmung mit der Entstehungsgeschichte
(vgl. Motive Bd. 1, S. 168) und dem unzweideutigen Wortlaut der Vorschrift
erlischt ein nicht rechtzeitig nach den §§ 147 bis 149 BGB angenommenes
Angebot. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof bereits
entschieden, dass das Erlöschen des Antrages nicht nur die Bindung des
Antragenden nach § 145 BGB beseitigt, sondern dazu führt, dass der Antrag
nicht mehr angenommen werden kann; dieser ist nicht mehr existent
(BGH, Urt. v. 1. Juni 1994, XII ZR 227/92, NJW-RR 1994, 1163, 1164; ebenso
etwa Erman/Armbrüster, aaO, § 146 Rdn. 4; MünchKomm-BGB/Kramer, 5. Aufl., §
146 Rdn. 3; vgl. auch Thode, ZNotP 2005, 162, 165 mit weiteren Argumenten).
16 b) Eine Annahme der nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot geltenden
verspäteten Annahmeerklärung durch Schweigen (dazu etwa BGH, Urt. v. 6.
Januar 1951, II ZR 46/50, NJW 1951, 313; Urt. v. 6. März 1986, III ZR
234/84, NJW 1986, 1807, 1809) kommt bei besonders bedeutsamen
Rechtsgeschäften, wozu beurkundungsbedürftige Grundstücksgeschäfte gehören,
schon nicht in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 1. Juni 1994, XII ZR 227/92,
NJW-RR 1994, 1163, 1185 m.w.N.).
17 c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nach den
Umständen des Falles auch nicht die Zahlung des Kaufpreises als schlüssige
Annahmeerklärung gewertet werden. Die gegenteilige tatrichterliche
Würdigung des Berufungsgerichts ist zwar revisionsrechtlich nur
eingeschränkt überprüfbar, in diesem Rahmen aber zu beanstanden. Die
Revision rügt nämlich zu Recht, dass der Kläger nicht nur mit der
Berufungsbegründung die verspätete Annahme des Vertragsangebots geltend
gemacht, sondern mit weiterem Schriftsatz vom 19. März 2009 nach Schluss der
mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, die Wertung der
Kaufpreiszahlung als Vertragsannahme scheitere daran, dass die Parteien
damals davon ausgegangen seien, der Vertrag sei bereits wirksam geschlossen
worden. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Gericht Vorbringen
der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE
22, 267, 274; 65, 293, 295; 88, 366, 375 f.; Senat, BGHZ 154, 288, 300) -
das gilt auch für Rechtsausführungen in einem nicht nachgelassenen
Schriftsatz -, kann das Berufungsurteil nur so verstanden werden, dass es
von dem unzutreffenden Rechtssatz ausgegangen ist, die Würdigung eines
Verhaltens als schlüssige Annahmeerklärung komme auch dann in Betracht, wenn
die Parteien der Auffassung sind, der Vertrag sei bereits zustande gekommen.
18 Die Qualifizierung eines Verhaltens als schlüssige Annahmeerklärung
setzt das Bewusstsein voraus, dass für das Zustandekommen des Vertrages
zumindest möglicherweise noch eine Erklärung erforderlich ist (vgl.
BGH, Urt. v. 29. November
1994, XI ZR 175/93, NJW 1995, 953 m.w.N.; ferner
Senat BGHZ 110, 220, 222; 138, 339, 348. Der Erklärende muss zumindest
Zweifel an dem Zustandekommen des Vertrages haben (vgl. Senat 138, 339,
348; ferner BGH, Urt. v. 26. März 2003, IV ZR 222/02, NJW 2003, 1594, 1595;
Urt. v. 22. Oktober 2003, IV ZR 398/02, NJW 2004, 59, 61; Urt. v. 14. Juni
2004, II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1397). Soweit einem tatsächlichen
Verhalten auch ohne ein solches Erklärungsbewusstsein oder ohne einen
Rechtsbindungswillen die Wirkungen einer Willenserklärung beigelegt werden
(vgl. BGHZ 91, 324, 329 f.;
109, 171, 177), geschieht dies zum Schutze des redlichen Rechtsverkehrs
und setzt einen Zurechnungsgrund voraus. Ein solcher liegt nur vor, wenn ein
sich in missverständlicher Weise Verhaltender bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass die in
seinem Verhalten liegende Äußerung nach Treu und Glauben und der
Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der
Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH,
Urt. v. 29. November 1994, XI ZR 175/93, aaO, m.w.N.).
Danach scheidet eine Würdigung der Zahlung als eine auf den Abschluss des
Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung aus. Beide Parteien gingen bei
Zahlung des Kaufpreises von einem Vertragsschluss und damit davon aus, dass
der Kläger mit der Zahlung lediglich den vermeintlich zustande gekommen
Vertrag erfüllen wollte. Dass ein Vertrag nicht zustande gekommen sein
könnte, ist erstmals im Berufungsrechtszug und nur auf der Grundlage einer
neuen rechtlichen Bewertung geltend gemacht worden.
19 2. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Abweisung der Klage zu Recht
bestätigt. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein
Anspruch auf Erstattung der Erwerbsnebenkosten (Grundsteuer nebst
Säumniszuschlag, Notar- und Grundbuchkosten sowie sonstige Kosten) zu.
20 a) Insbesondere liegen die Voraussetzungen einer
bereicherungsrechtlichen Haftung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vor.
21 aa) Dass Bereicherungsansprüche mit Blick auf Erwerbsnebenkosten nur in
Betracht kommen, wenn dadurch nicht die aus der Saldotheorie folgende
Risikoverteilung unterlaufen wird, hat der Senat bereits entschieden.
Danach können nur solche Aufwendungen kondiziert oder in die
bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einbezogen werden, für die der andere
Teil nach den Vorschriften zu dem fehlgeschlagenen Geschäft oder nach dem
Willen der Vertragsschließenden das Entreicherungsrisiko tragen sollte
(Senat BGHZ 116, 251, 255 f.). Das ist jedoch bei den Beurkundungs- und
Grundbuchkosten nach der Wertung des § 448 Abs. 2 BGB nicht der Fall (Senat,
aaO, zu § 449 a.F.). Da auch Grunderwerbssteuern unter die genannte
Vorschrift fallen (vgl. nur Erman/Grunewald, aaO, § 448 Rdn. 6; Palandt/Weidenkaff,
aaO, § 448 Rdn. 7; jeweils m.w.N.; im Ergebnis ebenso MünchKomm-BGB/Westermann,
5. Aufl., § 448 Rdn. 11; a.A. zu § 449 BGB a.F. Griwotz, NJW 2000, 2646,
2647), gilt insoweit nichts anderes.
22 bb) Soweit der Kläger - entgegen den Verfügungen des Landgerichts vom 26.
Juli und 8. August 2007 - Nebenkosten in Höhe von 1.715 € nicht spezifiziert
hat, ist der Senat schon nicht zu der Prüfung der bereicherungsrechtlichen
Relevanz in der Lage.
23 b) Ansprüche nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss
(§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB) scheiden ebenfalls aus.
24 aa) Allerdings entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die
Verwendung unwirksamer Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einer
Haftung nach der genannten Anspruchsgrundlage führen kann (vgl. BGH,
Urt. v. 28. Mai 1984, III ZR 63/83, NJW 1984, 2816, 2817; Urt. v. 12.
November 1986, VIII ZR 280/85, NJW 1987, 639, 640 m.w.N.;
Urt. v. 27. Mai 2009, VIII ZR
302/07, NJW 2009, 2590; vgl. auch Senat, BGHZ 116,
251, 257). Zu erstatten sind jedoch nur Schäden, die gerade durch die
Unwirksamkeit der Klausel verursacht worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 8.
Oktober 1987, VII ZR 358/86, NJW 1988, 197, 198). Ersatzfähig sind nur
solche Schäden, deren Realisierung die verletzte Norm verhindern soll. Die
Schäden müssen innerhalb des Schutzzwecks der Norm liegen (vgl. nur
Palandt/Grüneberg, aaO, vor § 249 Rdn. 29 f. m.w.N.). Daran fehlt es
hier.
25 Mit der Vorschrift des § 308 Nr. 1 BGB will der Gesetzgeber erreichen,
dass der Vertragspartner des Verwenders nicht in unangemessener Weise in
seiner Dispositionsfreiheit beschnitten wird. Dieser soll lediglich vor den
Nachteilen bewahrt werden, die sich aus einer zu langen Annahmefrist ergeben
(Dammann in Wolf/L./P., aaO, § 308 Nr. 1 Rdn. 1). Von dem Schutzzweck
der Regelung erfasst sind daher nur solche Schäden, die gerade und lediglich
durch die überlange Bindung des Vertragspartners verursacht worden sind
(etwa Finanzierungskosten, die aus der zu langen Bindungsfrist resultieren).
So liegt es bei den hier geltend gemachten Aufwendungen jedoch nicht.
Diese sind nicht Ausdruck einer unangemessenen Beschneidung der
Dispositionsfreiheit des Klägers, sondern beruhen alleine auf dessen
früherer Annahme, infolge der Annahmeerklärung der Beklagten sei ein
Kaufvertrag zustande gekommen.
26 bb) Soweit der Kläger behauptet, die Beklagte habe Mängel des Kaufobjekts
arglistig verschwiegen, scheidet eine Haftung aus Verschulden bei
Vertragsschluss ebenfalls aus. Es ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass das Berufungsgericht den Kläger insoweit als beweisfällig
angesehen hat.
27 (1) Für das Vorliegen von Mängeln, die Gegenstand einer
Aufklärungspflicht sein sollen, trägt der Kläger nach allgemeinen
Grundsätzen die Beweislast (vgl. nur Senat, Urt. v. 13. November 1998, V
ZR 386/97, NJW 1999, 352, 353 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Beklagte
eine im selbständigen Beweisverfahren nach §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 2
ZPO gesetzte Frist zur Stellungnahme hat verstreichen lassen (a.A. OLG
Düsseldorf, Urt. v. 14. Januar 1988, 10 U 98/87, juris, Rdn. 10). Ein
solcher Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht (vgl. Entwurf der
Bundesregierung zum Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz, BT-Drucks. 11/3621,
S. 41) hat keine materiellrechtlichen Auswirkungen (vgl. auch Stein/Jonas/Leipold,
ZPO, 22. Aufl. 2008, § 282 Rdn. 7). Er bewirkt keine Umkehr der Beweislast,
sondern kann lediglich dazu führen, dass die Partei in dem nachfolgenden
Rechtsstreit mit Einwänden verfahrensrechtlich ausgeschlossen wird (§ 411
Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 296 Abs. 1, 4 ZPO). Von der Möglichkeit der
Zurückweisung verspäteten Vorbringens hat das Berufungsgericht jedoch keinen
Gebrauch gemacht. Vielmehr hat es die erst im Klageverfahren erhobenen
Einwände zum Anlass genommen, den Sachverständigen ergänzend anzuhören. Der
Bundesgerichtshof hat jedoch bereits wiederholt entschieden, dass die
Zulassung verspäteten Vorbringens in den Tatsacheninstanzen nicht mehr durch
das Revisionsgericht beseitigt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 4. Mai 1999,
XI ZR 137/98, NJW 1999, 2269, 2270; BGH, Beschl. v. 26. Februar 1991, XI ZR
163/90, NJW 1991, 1896 f.; BGH, Urt. v. 13. Dezember 1989, VIII ZR 204/82,
NJW 1990, 1302, 1304; BGH, Urt. v. 21. Januar 1981, VIII ZR 10/80, NJW 1981,
928 f.).
28 Dass das selbständige Beweisverfahren, in dem die Beklagte gegen die
Prozessförderungspflicht verstoßen hat, bereits abgeschlossen ist,
rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn nach § 493 Abs. 1 ZPO steht die
Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren einer Beweisaufnahme vor dem
Prozessgericht gleich. Dass diese Gleichstellung auch für
präklusionsrelevantes Verhalten gilt, wird durch § 492 Abs. 1 ZPO bestätigt.
Die Norm verweist auf die für die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht
geltenden Normen und damit auch auf die Regelungen der §§ 411 Abs. 4, 296
Abs. 1 u. 4 ZPO.
29 (2) Verfahrensrügen gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts hat
die Revision nicht erhoben.
30 3. Der zuerkannte Betrag ist nicht zu verzinsen. Der Verpflichtung zur
Zahlung von Prozesszinsen nach §§ 818 Abs. 4, 291 BGB steht das
Zurückbehaltungsrecht der Beklagten entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar
1971, VII ZR 3/69, NJW 1971, 615, 616 m.w.N.).
III.
31 Da die Sache auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zur
Endentscheidung reif ist, hat der Senat den Rechtsstreit nach § 563 Abs. 3
ZPO abschließend entschieden.
IV.
32 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 238 Abs. 4 ZPO. |