Verjährung von
Bereicherungsansprüchen (Schenkkreise); subjektive Voraussetzungen des
Verjährungsbeginns nach § 199 BGB; Hemmung der Verjährung nach § 167 ZPO
i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ("Demnächst"-Zustellung)
BGH, Urteil vom 18.
Dezember 2008 - III ZR 132/08
Fundstelle:
NJW 2009, 984
Amtl. Leitsatz:
Zum Beginn der
Verjährung bei einem Bereicherungsanspruch auf Rückerstattung einer im
Rahmen eines "Schenkkreises" geleisteten sittenwidrigen Zuwendung.
Zentrale Probleme:
In der Folge der Problematik der sog. "Schenkkreise" (kein
Rückforderungsausschluß nach § 817 S. 2 BGB, s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2006, 45,
BGH NJW 2008, 1942 und
BGH v. 21.6.2012 - III ZR 291/11) geht es hier jetzt
um die Verjährung des Bereicherungsanspruchs. Von Bedeutung ist dabei
insbesondere der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns nach § 199 BGB (s. dazu
die Anm. zu
BGH NJW 2007, 1584 sowie
BGH v. 19.3.2008 - III ZR 220/07).
S. dazu auch
BGH v. 23.9.2008 - XI ZR 262/07 sowie BGH v. 22.9.2009 - XI ZR
230/08.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Im Juni oder Juli 2003 erbrachte die Klägerin im Rahmen eines
"Schenkkreises", der wie im Senatsurteil vom 13.
März 2008 (III ZR 282/07 = NJW 2008, 1942) beschrieben organisiert war,
an den auf der Empfängerposition stehenden Beklagten eine Zuwendung in Höhe
von 5.000 €.
2 Mit der vorliegenden, am 29. Dezember 2006 bei Gericht eingegangenen und
am 1. August 2007 zugestellten Klage verlangt sie die Rückerstattung dieses
Betrages mit Zinsen.
Der Beklagte erhebt unter anderem die Einrede der Verjährung.
4 Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
5 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihre Forderung weiter.
Entscheidungsgründe
6 Die Revision ist nicht begründet.
7 1. Allerdings ist davon auszugehen, dass die seinerzeitige Leistung der
Klägerin an den Beklagten wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig gewesen
ist und einen auf Rückzahlung gerichteten Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1 BGB - Leistungskondiktion -) begründet hat.
8 a) Bei den Schenkkreisen handelt es sich um ein Schneeballsystem, welches
darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen (meist) sicheren
Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren
Einsatz verlieren muss, weil angesichts des Vervielfältigungsfaktors in
absehbarer Zeit keine neuen Mitglieder mehr geworben werden können. Dies
verstößt - wie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist - gegen die
guten Sitten. Dieser Verstoß gegen die guten Sitten fällt im vorliegenden
Fall sowohl der Klägerin als der Leistenden als auch dem Beklagten als dem
Empfänger zur Last (st. Rspr.; siehe insbesondere Senatsurteile vom 10.
November 2005 - III ZR 72/05 = NJW 2006, 45, 46
Rn. 9; vom 13. März 2008 - III ZR 282/07 = NJW
2008, 1942 Rn. 6; vom 6. November 2008 - III ZR 120/08 Rn. 10 und 121/08
Rn. 10, jeweils m.w.N.).
9 b) Der hierauf gestützte Bereicherungsanspruch scheitert auch nicht an §
817 Satz 2 BGB. Die dortige Kondiktionssperre entfällt nicht nur bei
Bereicherungsansprüchen, die sich gegen die Initiatoren eines
"Schenkkreises" richten, sondern allgemein bei allen Zuwendungen im Rahmen
derartiger Kreise, ohne dass es auf eine einzelfallbezogene Prüfung der
Geschäftsgewandtheit und Erfahrenheit des betroffenen Gebers oder Empfängers
ankommt (Senatsurteile vom 13. März 2008 aaO Rn. 10 ff und vom 6. November
2008 Rn. 11).
10 2. Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht angenommen, dass gegen den
Bereicherungsanspruch die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung
durchgreift.
11 a) Der Anspruch unterlag der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei
Jahren nach § 195 BGB n.F.
12 Die Verjährungsfrist begann mit dem Schluss des Jahres, in dem der
Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden
Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe
Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB n.F.).
13 b) Dies war hier bereits der Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zuwendung im
Juni oder im Juli 2003. Die "den Anspruch begründenden Umstände" im Sinne
des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB bestanden hier - wie das Berufungsgericht mit
Recht angenommen hat - in der Funktionsweise des sittenwidrigen
Schneeballsystems. Diese Kenntnis konnte bei der Klägerin nach dem
unstreitigen Sachverhalt und den tatsächlichen Feststellungen des
Berufungsgerichts vorausgesetzt werden. Hingegen war grundsätzlich nicht
erforderlich, dass die Klägerin aus diesen Gegebenheiten die zutreffende
rechtliche Würdigung zog (Senatsbeschluss vom
v. 19.3.2008 - III ZR 220/07 =
ZIP 2008, 1538 f Rn. 7 m.w.N.).
14 c) Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn es sich um eine
unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage handelt, so dass sie selbst
ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag
(Senatsbeschluss vom 19. März 2008 aaO m.w.N.).
Eine derartige Fallkonstellation lag hier indessen nicht vor: Aus der
Sittenwidrigkeit des Schneeballsystems und der Nichtigkeit der in diesem
erbrachten Zuwendungen ergab sich der Bereicherungsanspruch von selbst.
Fraglich konnte allenfalls sein, ob diesem die Kondiktionssperre des § 817
Satz 2 BGB entgegenstand. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof jedoch
bereits im Jahre 1990 - d.h. lange vor den hier in Rede stehenden Vorgängen
- darauf hingewiesen, dass bei dem Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB
nicht außer Betracht bleiben kann, welchen Zweck das in Frage stehende
Verbotsgesetz verfolgt, und dass danach im Einzelfall eine einschränkende
Auslegung der rechtspolitisch problematischen und in ihrem Anwendungsbereich
umstrittenen Vorschrift geboten sein kann (BGHZ 111, 308, 312). Auch
wenn es sich dabei nicht um einen allgemeingültigen Grundsatz handelte
(Senatsurteil BGHZ 118, 142, 150), ergab sich schon daraus - und nicht erst,
wie die Revision meint, aus dem Senatsurteil vom 10. November 2005 - für die
Rückabwicklung von Zuwendungen im Rahmen eines "Schenkkreises" ein
hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass eine Überwindung der
Kondiktionssperre durchaus erfolgversprechend war. Insbesondere war
erkennbar, dass innerhalb der Leistungskondiktion der Schutzzweck der
jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm nicht dadurch konterkariert werden
durfte, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand perpetuiert
oder weiterem sitten- und verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet werden
durfte (Senatsurteil vom 13. März 2008 aaO Rn. 10 m.w.N.). Dass gleichwohl -
wie die Revision unter Hinweis auf divergierende oberlandesgerichtliche
Entscheidungen darzulegen versucht - ein gewisses Prozessrisiko verblieb,
ist für die Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB unerheblich.
15 d) Dementsprechend begann die Verjährung hier mit dem Ende des Jahres
2003 und lief am 31. Dezember 2006 ab.
16 e) Eine Hemmung der Verjährung nach § 167 ZPO i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr.
1 BGB ist hier nicht eingetreten.
17 aa) Allerdings ist die Klageschrift rechtzeitig vor dem Verjährungsablauf
bei Gericht eingegangen. Die Verzögerung der Zustellung beruhte darauf, dass
die vom 4. Januar 2007 datierende Anforderung des Gerichtskostenvorschusses
an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter einer falschen Anschrift
gerichtet worden war. Als das Gericht dies nach Ablauf der sechsmonatigen
Wiedervorlagefrist am 5. Juli 2007 feststellte, übersandte es die Rechnung
an diesem Tag an die richtige Adresse. Am 19. Juli 2007 ging daraufhin der
Gerichtskostenvorschuss ein. Sodann wurde umgehend die Klagezustellung
veranlasst, die am 1. August 2007 erfolgte.
18 bb) Diese Verzögerung war zunächst nicht von der Klägerin oder ihrem
Prozessbevollmächtigten zu vertreten, sondern beruhte auf einem Fehler des
Gerichts. Gleichwohl hätte nach Ablauf einer gewissen - großzügig zu
bemessenden - Frist dem Prozessbevollmächtigten auffallen müssen, dass der
Vorschuss nicht angefordert und die Zustellung nicht bewirkt worden war.
Dies hätte Anlass geben müssen, zumindest durch entsprechende Nachfragen
oder Erinnerungen beim Gericht auf das Weiterbetreiben des Verfahrens
hinzuwirken (BGHZ 69, 361, 364 f; BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 - IV ZR
23/05 = NJW 2006, 3206, 3207 Rn. 18). Dem Berufungsgericht ist darin
zuzustimmen, dass der hier in Rede stehende Zeitraum von einem halben Jahr,
innerhalb dessen nichts geschehen ist, für ein entschuldbares Zuwarten zu
lang gewesen ist. Gegenteiliges ist auch dem Urteil des IV. Zivilsenats vom
15. Januar 1992 (IV ZR 13/91 = BGHR ZPO § 270 Abs. 3 Prozesskostenvorschuss
1 = NJW-RR 1992, 470), auf das sich die Revision beruft, nicht zu entnehmen.
Dementsprechend hat das Berufungsgericht mit Recht entschieden, dass die
Klagezustellung hier nicht "demnächst" erfolgt ist und deshalb eine
Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift nicht
stattfinden kann.
19 3. Die Klage ist nach alledem im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.
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