Haftung für Persönlichkeitsrechtverletzungen
durch Suchwörterergänzung bei Internet-Suchmaschinen (Google);
verschuldensunabhängige Störerhaftung nach § 1004 BGB; Rechtswidrigkeit einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts;
internationale Zuständigkeit nach § 32 ZPO; anwendbares Recht
BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR
269/12 - OLG Köln
Fundstelle:
NJW 2013, 2348
BGHZ 197, 213
Amtl. Leitsatz:
a) Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer
Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der
Ergänzung persönlichkeits-rechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens
des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung
zumutbarer Prüfpflichten voraus.
b) Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von
der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.
c) Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung
seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig
derartige Verletzungen zu verhindern.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ging durch die Tagespresse und ist zu
recht für BGHZ vorgesehen. Die vom BGH aufgestellten Haftungskriterien
entsprechen im Wesentlichen denjenigen eines Forenbetreibers
("Host-Provider"), s. dazu bei Tz. 29 sowie
BGH NJW 2007, 2558,
BGH v. 17.12.2010 - V ZR 44/10,
BGH v.
27.3.2012 - VI ZR 144/11 und die Anm. zu
BGH v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10.
Der Senat sieht Google in Bezug auf die durch
die Suchergänzungsvorschläge vermittelte Information als "content-provider"
an, d.h. als jemanden, der eigene Inhalte anbietet und daher nach § 7 I
TMG nach den allgemeinen Gesetzen haftet (zu den Unterschieden in Bezug auf
das TMG s. die Anm. zu BGH v. 25.10.2011 - VI ZR
93/10). Die Voraussetzungen einer Störerhaftung sieht er aber ähnlich
wie bei einem "Host-Provider", s. dazu bei Tz. 29.
Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte s. auch die Anm. zu
BGH NJW 2011, 2059. Die EuGVO war hier nicht
anwendbar, weil der Beklagte (Google) seinen Sitz nicht in einem
EU-Mitgliedsstaat hat. Hinsichtlich des anwendbaren Rechts war hier die
Rom II-Verordnung nicht anwendbar.
Zwar hängt deren Anwendbarkeit nicht davon ab, ob eine Partei ihren Sitz in
einem EU-Mitgliedstaat hat (sog. "loi uniforme", s. Art. 3 Rom II-VO),
jedoch sind gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. g
Rom II-VO außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der
Persönlichkeitsrechte von deren Anwendungsbereich ausgenommen sind. Daher
war das anwendbare Recht nach Art. 40 EGBGB zu bestimmen. Danach kann der
Geschädigte für das Recht des Erfolgsorts optieren, was hier der Fall war.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin zu 1, eine
Aktiengesellschaft, die im Internet über ein "Network-Marketing-System"
Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, sowie der Kläger zu 2, ihr
Gründer und Vorstandsvorsitzender, machen gegen die Beklagte mit Sitz in den
USA, die unter der Internetadresse "www.google.de"
eine Internet-Suchmaschine betreibt, Unterlassungs- und
Geldentschädigungsansprüche geltend. Durch Eingabe von Suchbegriffen in die
Suchmaschine der Beklagten können Nutzer über eine angezeigte Trefferliste
auf von Dritten ins Internet eingestellte Inhalte Zugriff nehmen. Seit April
2009 hat die Beklagte eine "Autocomplete"-Funktion in ihre Suchmaschine
integriert, mit deren Hilfe dem Internetnutzer während der Eingabe seiner
Suchbegriffe variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in
einem sich daraufhin öffnenden Fenster automatisch verschiedene
Suchvorschläge ("predictions") in Form von Wortkombinationen angezeigt
werden. Die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten
Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der u.a.
die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.
2 Der Kläger zu 2 stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines
Namens R.S. in dem sich im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion öffnenden
Fenster als Suchvorschläge die Wortkombinationen "R.S. (voller Name)
Scientology" und "R.S. (voller Name) Betrug" erschienen. Dadurch sehen sich
die Kläger in ihrem Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen
verletzt. Sie haben u.a. behauptet, der Kläger stehe weder in
irgendeinem Zusammenhang mit Scientology noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen
noch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden.
In keinem einzigen Suchergebnis sei eine Verbindung zwischen dem Kläger und
"Scientology" bzw. "Betrug" ersichtlich.
3 Die Kläger haben zunächst im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung vom
12. Mai 2010 erwirkt, durch die der Beklagten untersagt wurde, auf der
Internetseite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers zu 2
als Suchbegriff im Rahmen der "Autocomplete"-Funktion die ergänzenden
Kombinationsbegriffe "Scientology" und "Betrug" vorzuschlagen. Nach der
Zustellung der Beschlussverfügung an die damalige administrative
Ansprechpartnerin der Beklagten in Deutschland am 27. Mai 2010 erschienen
die beanstandeten Ergänzungsvorschläge nicht mehr. Die Beklagte hat eine
Abschlusserklärung verweigert. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verlangen
die Kläger über das bereits im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend
gemachte Unterlassungsbegehren hinaus Ersatz vorprozessualer
Rechtsverfolgungskosten und der Kläger zu 2 zusätzlich die Zahlung einer
Geldentschädigung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen
gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht u.a. in GRUR-RR 2012, 486 und
ZUM 2012, 987 m. Anm. Seitz) hat sowohl die internationale Zuständigkeit als
auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts bejaht. Es hat jedoch die Klage
nicht als begründet erachtet, weil den automatisierten
Suchergänzungsvorschlägen in der Suchmaschine der Beklagten bei Eingabe des
Namens des Klägers zu 2 kein eigener Aussagegehalt beizumessen sei. Die
angezeigten Suchergänzungsbegriffe "R.S. Scientology" und "R.S. Betrug"
enthielten keine (eigene) Aussage der Beklagten mit dem Inhalt, dass R.S.
Mitglied bei Scientology sei oder dieser Sekte zumindest positiv
gegenüberstehe oder Täter oder Teilnehmer eines Betruges sei. Es begegne
bereits Zweifeln, ob den Begriffskombinationen überhaupt eine solche
Konnotation bzw. ein insofern aus sich heraus verständlicher Sinngehalt
beigemessen werden könne. Letztlich könne dies indessen offenbleiben, da es
nach dem Erfahrungshorizont der Nutzer der Suchmaschine der Beklagten
fernliege, die streitgegenständlichen Ergänzungssuchbegriffe als Äußerungen
zu verstehen, mit denen inhaltliche Bezüge zwischen dem eingegebenen
Suchbegriff und den dazu angezeigten Ergänzungsvorschlägen durch die
Beklagte hergestellt würden. Eine hiervon abweichende Würdigung ergebe sich
weder aus den von den Klägern vorgebrachten Manipulationsversuchen noch aus
Presseberichterstattungen über ähnliche Vorgänge noch aus den Ergebnissen
der von den Klägern zur Akte gereichten Verkehrsbefragung. Ein Anlass für
die von den Klägern beantragte Einholung eines demoskopischen
Sachverständigengutachtens bestehe nicht, da die Mitglieder des erkennenden
Senats zu dem angesprochenen Adressatenkreis, nämlich dem unvoreingenommenen
und verständigen Durchschnittsrezipienten der streitgegenständlichen
Ergänzungssuchbegriffe, gehörten. Aus Sicht eines solchen
Durchschnittsrezipienten lasse sich der Anzeige der Ergänzungssuchbegriffe
lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine der Beklagten entnehmen, dass
andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche
eingegeben hätten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten
Drittinhalten jeweils als solche auffinden ließen. Diese Aussage sei wahr
und daher von den Klägern hinzunehmen.
II.
5 Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand.
6 1. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht die Klage für zulässig
erachtet.
7 a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte in entsprechender Anwendung des § 32
ZPO bejaht. Zwar genügt es nach der Rechtsprechung des
erkennenden Senats zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der
deutschen Gerichte im Rahmen des § 32 ZPO nicht, dass der Kläger den
Mittelpunkt seiner Interessen im Inland hat; erforderlich ist vielmehr, dass
die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen
Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der
widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der Achtung seines
Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung
seines Internetauftritts andererseits - nach den Umständen des konkreten
Falles, insbesondere aufgrund des Inhalts der konkreten Meldung, im Inland
tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann (vgl. Senatsurteile
vom 29. März 2011 - VI ZR 111/10, NJW 2011,
2059 und vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313).
Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im
Streitfall gegeben, da eine Kenntnisnahme der beanstandeten
Suchergänzungsvorschläge im Inland erheblich näher liegt als es aufgrund der
bloßen Abrufbarkeit der Meldung der Fall wäre und die von den Klägern
geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch
Kenntnisnahme der Suchergänzungsvorschläge auch im Inland eintreten würde.
Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit entsprechend § 39 ZPO auch aufgrund
rügeloser Einlassung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1987 - II ZR 280/86,
BGHZ 101, 296, 301).
8 b) Das Berufungsgericht hat den - auch die alternative Verwendung der
streitgegenständlichen Ergänzungsbegriffe umfassenden - Unterlassungsantrag
für hinreichend bestimmt angesehen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das
nimmt die Revision als ihr günstig hin und begegnet auch keinen rechtlichen
Bedenken.
9 2. Die Begründetheit der Klage kann jedoch - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts - aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht
verneint werden.
10 a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler deutsches Recht angewandt.
Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter
Handlung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige
gehandelt hat. Der Verletzte kann jedoch nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 und 3
EGBGB im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem
Ende des schriftlichen Vorverfahrens verlangen, dass anstelle dieses Rechts
das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Von
dieser Möglichkeit haben die Kläger im Streitfall Gebrauch gemacht. Der nach
Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort liegt in Deutschland.
Hier wird die Achtung des in Deutschland wohnhaften Klägers zu 2 bzw. der
Klägerin zu 1 mit Sitz in Deutschland gestört bzw. gefährdet (vgl.
Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08,
VersR 2012, 994 Rn. 31 - auch zur Nichtanwendbarkeit der Rom
II-Verordnung (Rn. 22) und zu § 3 TMG als sachlichrechtliches
Beschränkungsverbot (Rn. 30)).
11 b) Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger
entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Artt. 1, 2 GG gegen die Beklagte
als Betreiberin der Internet-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.
12 aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beinhalten die
Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug" bei Eingabe des Vor-
und Zunamens des Klägers zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten
eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger, da ihnen ein
verletzender Aussagegehalt innewohnt.
13 (1) Der mit dem Begriff "Scientology" in Verbindung mit dem Namen einer
real existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Sinngehalt lässt sich - wie
schon das Berufungsgericht in Betracht gezogen hat - hinreichend dahin
spezifizieren, dass zwischen dieser Sekte, zu der im Verkehr nicht zuletzt
durch eine vorangegangene Medienberichterstattung konkrete Vorstellungen
existieren, und der namentlich erwähnten Person eine Verbindung besteht.
Diese Verbindung ist geeignet, eine aus sich heraus aussagekräftige
Vorstellung hervorzurufen.
14 (2) Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es dem Begriff
des Betrugs eine inhaltliche Aussagekraft mit der Begründung absprechen
will, dass mit diesem Begriff ein vielfältiges, unspezifisches
Bedeutungsspektrum verbunden sei. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung
ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen
und verständigen Publikums (vgl. BVerfGE 93, 266, 295). Zwar mag es
zutreffen, dass von einem durchschnittlichen Internetnutzer unter "Betrug"
nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten
Straftatbestandes verstanden werden muss. Jedoch verbindet der
Durchschnittsleser mit der Verwendung dieses Begriffes zumindest ein
sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleiht ihm damit
einen hinreichend konkreten Aussagegehalt (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn.
42).
15 (3) Das Berufungsgericht hat den von der Suchmaschine der
Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen lediglich die Aussage
entnommen, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen
zur Recherche eingegeben haben oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in
verlinkten Drittinhalten auffinden lassen (vgl. auch Härting K & R
2012, 633; Heckmann AnwZert ITR 18/2012 Anm. 1; Brosch AnwZert ITR 20/2012
Anm. 2; a.A. Weltig MMR 2011 Nr. 12 V f.; Seitz ZUM 2012, 994, 995 f.; s.
auch Meyer K & R 2013, 221, 225 f. mwN auch zur Rechtsprechung ausländischer
Gerichte). Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
16 Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen
forschende Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des
Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen
inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält ihn
jedenfalls für möglich. Aus dem "Ozean von Daten" werden dem
suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht
x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig
"Treffer" liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst
attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein
möglichst großes Publikum zu eröffnen - auf inhaltlich weiterführende
ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm
bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem
Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem
fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht
in der - in der Praxis oft bestätigten - Erwartung, dass die mit dem
Suchbegriff bereits verwandten Wortkombinationen - je häufiger desto eher -
dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein können, weil die zum
Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge
widerspiegeln. Diese Erwartung hat das Berufungsgericht bei der Bestimmung
des Aussagegehalts der von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten
Ergänzungssuchvorschläge nicht berücksichtigt. Sie führt im Streitfall dazu,
dass den bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers zu 2 "automatisch"
angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen "r. s. scientology" und "r. s. betrug"
die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem Kläger zu 2 und den - negativ
konnotierten -Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein
sachlicher Zusammenhang.
17 bb) Diese Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger
ist der Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von
ihr geschaffenen Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und den
Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet. Die
Verknüpfungen der Begriffe werden von der Suchmaschine der Beklagten und
nicht von einem Dritten hergestellt. Sie werden von der Beklagten im Netz
zum Abruf bereitgehalten und stammen deshalb unmittelbar von ihr.
18 c) Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede
Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet.
19 aa) Zwar ist die Beklagte nicht bereits nach § 10
Telemediengesetz (künftig: TMG) von der Verantwortlichkeit für den Inhalt
der von ihr betriebenen Website befreit.
20 Das Berufungsgericht hat die Beklagte zutreffend als
Diensteanbieter (§ 2 Satz 1 Nr. 1 TMG) qualifiziert, der eigene
Informationen zur Nutzung bereit hält und deshalb gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach
den allgemeinen Gesetzen - mithin auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB -
verantwortlich ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR
196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 13 f. s. auch Heckmann, aaO; a.A. Brosch, aaO).
Die Kläger nehmen die Beklagte nicht wegen der Durchleitung,
Zwischenspeicherung oder Speicherung fremder Informationen, sondern wegen
einer eigenen Information in Anspruch, konkret wegen der als Ergebnisse
ihres Autocomplete-Hilfsprogramms dem Nutzer ihrer InternetSuchmaschine
angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge. Es geht mithin um einen
von der Suchmaschine der Beklagten angebotenen "eigenen" Inhalt und
nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von Fremdinhalten, für
die der Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt
verantwortlich ist.
21 bb) Es bedarf aber wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts
als eines Rahmenrechts einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich
geschützten Belange, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie
die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind
(vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR
2004, 522, 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und
- VI ZR 7/07, VersR
2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17;
vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20. April
2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120,
180, 200 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 17; AfP 2009, 480
Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann
rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen
Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21.
Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI
ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR
227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR
243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 - VI
ZR 245/08, aaO).
22 cc) Danach sind das Interesse der Kläger am Schutz ihrer
Persönlichkeitsrechte einerseits und die durch Artt. 2, 5 Abs. 1 und 14 GG
geschützten Interessen der Beklagten auf Meinungs- und wirtschaftliche
Handlungsfreiheit andererseits abzuwägen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Beklagte die Suchmaschinenfunktion zwar in ihrem
eigenen geschäftlichen Interesse in der beschriebenen Weise betreibt, um
Nutzer wegen der Effektivität der Suche an sich zu binden. Doch ziehen die
Nutzer ihrerseits daraus den Vorteil einer begriffsorientierten Suche nach
Daten und Informationen. Auch die Kläger wenden sich nicht dagegen, dass
mittels der Suchmaschine persönliche Daten, wie der Name des Klägers zu 2
und sein Bezug zur Klägerin zu 1, aufgefunden werden können. Auf Seiten der
Kläger ist für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften Begriffe
einen unwahren Aussagegehalt haben, weil der Kläger zu 2 - wovon nach dem
Vortrag der Kläger revisionsrechtlich auszugehen ist - weder in Verbindung
mit einem Betrug gebracht werden kann noch Scientology angehört oder auch
nur nahe steht. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssen nicht hingenommen
werden (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI
ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12,
VersR 2013, 63,
Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn.
39).
23 d) Ist mithin nach den vorstehenden Grundsätzen davon auszugehen, dass
die beanstandeten Suchwortergänzungsvorschläge das Persönlichkeitsrecht der
Kläger verletzen, kann eine Haftung der Beklagten als Störerin nicht von
vornherein verneint werden.
24 aa) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist - ohne Rücksicht darauf, ob
ihn ein Verschulden trifft - jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt
hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei
einer Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die
Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art
und Umfang des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten
an der Verwirklichung der Störung an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er
sonst nach der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre
(vgl. Senat, Urteile vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800;
vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1076; vom 9. Dezember
2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 524). Als (Mit-)Störer kann auch jeder
haften, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der
Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern der
in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser
Handlung hatte. Dem negatorischen Unterlassungsbegehren steht nicht
entgegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Kenntnis der die
Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit begründenden Umstände fehlt.
Ebenso ist Verschulden nicht erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni
2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 13, vom 9. Dezember 2003 - VI ZR
373/02, aaO mwN; BGH, Urteil
vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff.; Diederichsen,
FS Müller, 2009 S. 507, 523).
25 bb) Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beklagte deshalb uneingeschränkt
und unabhängig von Zumutbarkeitsgesichtspunkten haftet. Denn nach den
besonderen Umständen des Streitfalles liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen.
26 (1) Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge
erarbeitenden Software ist der Beklagten nicht vorzuwerfen; hierbei handelt
es sich vielmehr um eine durch Artt. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche
Tätigkeit. Das Suchmaschinenangebot der Beklagten zielt auch nicht von
vornherein auf eine Rechtsverletzung durch eine gegen eine bestimmte Person
gerichtete unwahre Tatsachenbehauptung ab. Nur durch das Hinzutreten eines
bestimmten Nutzerverhaltens können ehrverletzende Begriffsverbindungen
entstehen. Die Tätigkeit der Beklagten ist andererseits aber nicht nur rein
technischer, automatischer und passiver Art (anders liegen die Fälle: Google
France/Louis Vuitton EuGH, Urteil vom 23. März 2010 - C-236/08 bis C-238/08,
NJW 2010, 2029 Rn. 114 und BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ
185, 291 Rn. 39 - Vorschaubilder - jeweils zum Hostprivileg nach Art. 14
Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG). Sie ist nicht ausschließlich beschränkt
auf die Bereitstellung von Informationen für den Zugriff durch Dritte. Die
Beklagte verarbeitet vielmehr die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen
Programm, das Begriffsverbindungen bildet. Für deren Angebot in Form eigener
Suchvorschläge ist die Beklagte grundsätzlich aufgrund der ihr
zuzurechnenden Erarbeitung verantwortlich. Der Beklagten kann deshalb
grundsätzlich nur vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen
getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten
Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.
27 (2) Bei Beeinträchtigungen, die eine pflichtwidrige Unterlassung als
(Mit-) Ursache haben, ist zur Vermeidung einer zu weitgehenden Haftung eine
fallweise wertende Betrachtung erforderlich. Die Verantwortlichkeit des
Unterlassenden wird durch die Kriterien der Möglichkeit und Zumutbarkeit der
Erfolgsverhinderung begrenzt.
28 Dabei kann sich die Möglichkeit der Beseitigung einer Beeinträchtigung
daraus ergeben, dass der Betroffene die Quelle der Störung beherrscht oder
Einfluss auf jemanden nehmen kann, der zur Beendigung der Beeinträchtigung
in der Lage ist (Erman/Ebbing, BGB, 13. Aufl., § 1004 Rn. 120). Ist dies der
Fall, kann für die Zumutbarkeit der Beseitigung der Beeinträchtigung eine
dem Betroffenen obliegende Überwachungspflicht von Bedeutung sein (vgl. BGH,
Beschluss vom 19. Dezember 1960 - GSZ 1/60, BGHZ 34, 99, 108 f.).
29 Voraussetzung einer Haftung des Betreibers einer Suchmaschine mit
entsprechender Hilfsfunktion ist daher ebenso wie bei der Haftung eines
Hostproviders wegen der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung
eines Dritten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10,
BGHZ 191, 219) eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie
deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller
betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte
Anforderungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte
Teilnahme am geschäftlichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden.
Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es
entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den
Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2007 -
I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 38; vom 10. Oktober 1996 - I ZR 129/94, NJW
1997, 2180, 2181 f. = WRP 1997, 325 - Architektenwettbewerb; Urteil vom 17.
Mai 2001 - I ZR 251/99, BGHZ 148, 13, 17 f. -
ambiente.de;
Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01,
BGHZ 158, 236, 251 - Internetversteigerung I, vom 17. Dezember 2010 - V ZR
44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff., jeweils mwN).
30 Der Betreiber einer Suchmaschine ist danach grundsätzlich nicht
verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge
generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde den
Betrieb einer Suchmaschine mit einer der schnellen Recherche der Nutzer
dienenden Suchergänzungsfunktion wenn nicht gar unmöglich machen, so doch
unzumutbar erschweren. Eine entsprechende präventive Filterfunktion kann
zwar für bestimmte Bereiche, wie etwa Kinderpornographie, erforderlich und
realisierbar sein, sie vermag jedoch nicht allen denkbaren Fällen einer
Persönlichkeitsrechtsverletzung vorzubeugen. Den Betreiber einer
InternetSuchmaschine trifft deshalb grundsätzlich erst dann eine
Prüfungspflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist
ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine auf eine
rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber
der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu
verhindern (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2012
- VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 19).
31 3. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - eine
rechtliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von
Prüfungspflichten ebenso wenig vorgenommen wie unter dem Gesichtspunkt des -
nur in engen Grenzen zu gewährenden (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2012 -
VI ZR 123/11, VersR 2012, 630 Rn. 15 mwN) - Anspruchs auf Geldentschädigung
und
des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dies wird es
nachzuholen haben.
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