Haftung des "Hostproviders" für
persönlichkeitsrechtsverletzende Blogeinträge; IZPR/IPR: Internationale
Zuständigkeit und anwendbares Recht bei Hostprovider mit Sitz im Ausland
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI
ZR 93/10
Fundstelle:
NJW 2012, 148
Amtl. Leitsatz:
a) Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf
Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines
Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung
zumutbarer Prüfpflichten voraus.
b) Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der
Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die
Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß
auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden
kann.
c) Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags besteht, wenn
auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen und
einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu
verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des
Persönlichkeitsrechts auszugehen ist.
Zentrale Probleme:
Eine wichtige Entscheidung für
die Frage der Verantwortlichkeit des Hostproviders für einen "blog-Eintrag".
Als "HostProvider" bezeichnet man Anbieter im Internet, die fremde Inhalte
auf ihren Webservern bereithalten, d.h. Speicherplatz an andere vermieten,
die dort ihrerseits eigene Inhalte bereitstellen ("content-provider"). Die
jeweilige Haftung ist im
Telemediengesetz (TMG) (teil-)geregelt, dessen § 10 auch hier eine Rolle
spielt: Er schränkt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit und eine
zivilrechtliche Schadensersatzpflicht des Hostproviders ein, nicht aber
Unterlassungspflichten, d.h. die Störerhaftung.
Der Provider hatte seinen Sitz in den USA, weshalb die Internationale
Zuständigkeit nicht nach der EuGVO ("Brüssel
I-VO") bestimmt werden konnte (Art. 4 EuGVO stellt klar, dass deren
Regelungen grds. nur anwendbar sind, wenn der Beklagte seinen
Wohnsitz/Niederlassung in einem Vertragsstaat hat). Maßgeblich war damit §
32 ZPO (s. dazu
BGH v. 29.3.2011 - VI ZR 111/10).Auch für
das anwendbare Recht bleibt es bei der Anwendung des innerstaatlichen
(autonomen) IPR, hier in Gestalt von Art. 40 EGBGB. Die "Rom
II-VO" ist nämlich nach deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. g nicht auf
Persönlichkeitsrechtsverletzungen anwendbar.
Auf der Basis des deutschen Rechts befasst sich der Senat dann mit den
Pflichten des Hostproviders als Störer (s. zu diesem Begriff auch
BGH v. 17.12.2010 - V ZR 44/10),
die er wohl abgewogen darlegt. Kernaussage: Ein Tätigwerden des
Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist,
dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen
ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung bejaht werden kann.
Der Hostprovider hat zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für
den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine
Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist
von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete
Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung
der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb
berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem
Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus
denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme
des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise
nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der
Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter
Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen
eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der
beanstandete Eintrag zu löschen.
Art. 3 TMG (das sog. "Herkunftslandprinzip")
spielte hier keine Rolle, weil der Bekl. nicht in einem Mitgliedstaat der EU
ansässig war. Der Senat verweist hier auf seinen Vorlagebeschluss an den
EuGH (BGH NJW 2010, 1232), über den der EuGH
übrigens (am gleichen Tag!) entschieden hat, s. dazu
EuGH, Urteil v. 25.10.2011 - verb. Rs. C-509/09 und
C-161/10 (eDate Advertising GmbH und Martinez).
S. dazu auch die
Pressemeldung des BGH Nr. 169/2011 sowie
BGH v. 27.3.2012 - VI ZR 144/11 (Störerhaftung
des Betreibers eines Nachrichtenportals für fremde Nachrichten) und
BGH v. 14.5.2013 - VI ZR 269/12 (Haftung eines
Suchmaschinenbetreibers für auto-complete Schlagwörter).
Zur Frage, ob der Blog- oder Portalbetreiber zur Herausgabe der Nutzerdaten
verpflichtet ist, s. BGH v. 1.7.2014 - VI ZR 345/13.
©sl 2011
Tatbestand:
1 Der Kläger zu 1 (künftig: Kläger)
nimmt die Beklagte zu 2 (künftig: Beklagte) wegen der Verbreitung einer
Äußerung, die sich auf der Webseite m_.blogspot.com befindet, auf
Unterlassung in Anspruch.
2 Der Kläger ist im Immobiliengeschäft tätig. Er war Geschäftsführer einer
in Deutschland ansässigen GmbH, die nach Abweisung eines Antrags auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse im Jahr 2003 aufgelöst
wurde. Ferner war er Geschäftsführer einer spanischen Bauträgergesellschaft
mit Sitz in Palma de Mallorca. Nunmehr ist der Kläger Geschäftsführer einer
anderen spanischen Gesellschaft.
3 Die Beklagte, die ihren Sitz im Bundesstaat Kalifornien der Vereinigten
Staaten hat, stellt die technische Infrastruktur und den Speicherplatz für
die Website
www.blogger.com und für die unter
www.blogspot.com
von Nutzern eingerichteten Weblogs (Blogs), also journal- oder tagebuchartig
angelegte Webseiten, zur Verfügung.
4 Ein an dem Rechtsstreit nicht beteiligter Dritter richtete auf der
Webseite
www.blogspot.com den Blog m...blogspot.com ein. Dort hieß
es in einem auf den 2. August 2007 datierten Eintrag unter der Überschrift
"Hat Pleitier ... F... ein Intelligenzproblem?" unter anderem:
"Apropos Banco S..., im Frühjahr 2000 hat das Institut Herrn F...s Firmen...
Visakarte auf Veranlassung seines Steuerberaters!!!, ... gesperrt und
eingezogen. Begründung: F... nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen zur
Begleichung von Sex-Club Rechnungen und sei allem Anschein nach .manchen
Situationen nicht gewachsen.' Honi soit qui mal y pense!"
5 Der Kläger verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, folgende
Behauptung zu verbreiten: "F... nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen zur
Begleichung von Sex-Club Rechnungen", hilfsweise Beseitigung der Äußerung.
6 Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dieses Unterlassungsbegehrens
stattgegeben, allerdings nur bezogen auf die Verbreitung im Bereich der
Bundesrepublik Deutschland. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten
hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
erstrebt die Beklagte vollumfängliche Klageabweisung. Hinsichtlich einer
Reihe weiterer vom Kläger beanstandeter Äußerungen sowie hinsichtlich der
Beklagten zu 1 und der Klägerin zu 2 ist die Klage in den Vorinstanzen
rechtskräftig abgewiesen worden.
Entscheidungsgründe:
I.
7 Das Berufungsgericht, dessen Urteil in MMR 2010, 490 veröffentlicht ist,
hat ausgeführt: Das Landgericht habe die Anwendbarkeit deutschen materiellen
Rechts zu Recht und mit zutreffender Begründung aus Art. 40 EGBGB
hergeleitet. Bezüglich der Verbreitung des Satzes "F. nützte diese
Visa-Karte im Wesentlichen zur Begleichung von Sex-Club-Rechnungen..." auf
der von der Beklagten "gehosteten" Seite bestehe ein Unterlassungsanspruch
des Klägers gegen die Beklagte als Störerin. Die Beklagte habe nicht
vorgetragen, dass die in dem Beitrag erwähnte Visa-Karte der Banco S... zur
Begleichung einer SexClub-Rechnung verwendet worden sei. Der Kläger habe
bestritten, jemals SexClub-Rechnungen mit Visa-Karte beglichen zu haben, und
vorgetragen, dass die Banco S... der Firma C... niemals eine Kreditkarte
ausgestellt habe. Diese Aussage sei hinreichend bestimmt. Der Kläger bringe
damit zum Ausdruck, dass es keine Anhaltspunkte für die verbreitete
Behauptung gebe, sondern dass es sich um eine freie Erfindung handele.
Weitere Ausführungen zu einem nicht geschehenen Ereignis könne eine Partei
naturgemäß nicht machen. Diese Erklärung des Klägers habe die Beklagte
veranlassen müssen, in eine Prüfung einzutreten, ob die unzweifelhaft
ehrenrührige Behauptung zutreffe, und, sofern dies nicht zu klären gewesen
sei, den Betreiber zur Löschung der Passage zu veranlassen. Da die Beklagte
abgesehen von der Weiterleitung der Beanstandung nichts unternommen habe, um
den Verfasser zur Löschung zu veranlassen, und da sie auch weder dargetan
noch bewiesen habe, dass die Tatsachenbehauptung zutreffend gewesen sei, sei
sie insoweit ihrer Pflicht als technische Verbreiterin nicht nachgekommen.
Dass ihr ein Handeln nicht zumutbar oder möglich gewesen wäre, habe sie
selbst nicht behauptet. Daher bestehe insoweit ein Unterlassungsanspruch des
Klägers.
II.
8 Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer
Ladung im Termin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden,
das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen
Prüfung des Antrags beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR
110/60, BGHZ 37, 79, 81).
9 Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
10 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte angenommen, die in jedem
Verfahrensabschnitt, auch im Revisionsverfahren, von Amts wegen zu prüfen
ist (Senatsurteile vom 29. März 2011 - VI
ZR 111/10, VersR 2011, 900 Rn. 6; vom 29. Juni 2010 - VI ZR 122/09,
VersR 2011, 137 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28.
November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff.; vom 19. April 2007
- I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 16 - Internet-Versteigerung II).
11 Zur Entscheidung über Klagen wegen
Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare
Veröffentlichungen sind die deutschen Gerichte nach § 32 ZPO international
zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv
einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine
Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten
Falls im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann.
Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme der beanstandeten
Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher
liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und
die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts
durch eine Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde
(Senatsurteile vom 29. März 2011 - VI ZR
111/10, aaO Rn. 8 ff.; vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn.
16 ff.). Nach diesen Kriterien bestimmt sich der für die
internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfolgsort auch dann, wenn gegen
den Hostprovider als Störer geklagt wird, ungeachtet der eventuell
strengeren Voraussetzungen für dessen Haftung (dazu nachfolgend).
12 Danach ist die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte gegeben. Der Kläger hat im Streitfall spätestens zum
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen deutlichen Inlandsbezug
des beanstandeten Blogs schlüssig vorgetragen. Maßgebend ist der
Inlandsbezug der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten des
Klägers. Insoweit ist auf den Inhalt des beanstandeten Blogs abzustellen.
Dieser richtet sich vorrangig an auf Mallorca und in Deutschland
ansässige Personen, die - etwa als "Residenten" oder "Immobilienbesitzer" -
einen Bezug zu Mallorca und Interesse an den in der Blog-Überschrift
angekündigten "Insiderinfos" und "Fakten" haben. Der Blogeintrag
vom 2. August 2007, der die angegriffene Äußerung enthält, ist in deutscher
Sprache abgefasst und der Kläger ist unter Angabe seines Wohnorts in
Deutschland mit vollem Namen genannt. In dem Blogeintrag wird auch die
angeblich fortdauernde Geschäftstätigkeit des Klägers in Deutschland
angesprochen.
13 2. Das Berufungsgericht geht zu Recht von der Anwendbarkeit
deutschen materiellen Rechts aus. Die richtige Anwendung des deutschen
Internationalen Privatrechts ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu
prüfen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli
2008 - VI ZR 105/07, BGHZ 177, 237 Rn. 8 mwN; BGH, Urteil vom 2. Oktober
1997 - I ZR 88/95, BGHZ 136, 380, 386; Zöller/ Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 293
Rn. 9 ff.).
14 a) Das anwendbare Recht bestimmt sich nach den Art. 40 ff. EGBGB.
Denn außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der
Persönlichkeitsrechte sind nach Art.
1 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO) vom Anwendungsbereich
der Rom II-VO ausgenommen (vgl. dazu MünchKomm BGB/Junker, 5.
Aufl., Art. 1 Rom II-VO Rn. 43). Auch § 3 TMG, dessen
kollisionsrechtlicher Charakter streitig ist (vgl.
Senat, Vorabentscheidungsersuchen vom 10. November 2009 - VI ZR 217/08,
VersR 2010, 226 Rn. 31 ff. mwN), greift nicht ein. Denn die Beklagte hat
ihren Sitz nicht in dem Geltungsbereich der Richtlinien 2000/31/EG und
89/552/EWG, sondern in den Vereinigten Staaten (vgl. MünchKommBGB/Martiny,
5. Aufl., Art. 9 Rom I-VO Anh. III. Rn. 71).
[Red. Anm.: S. zu § 3 TMG jetzt
EuGH, Urteil v. 25.10.2011 - verb. Rs. C-509/09 und
C-161/10 (eDate Advertising GmbH und Martinez)]
15 b) Maßgebend ist Art. 40 EGBGB,
dem auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich sich daraus herleitender
Unterlassungsansprüche unterfällt (vgl. MünchKommBGB/Junker, 5.
Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 85, und die Begründung des zugrunde liegenden
Gesetzentwurfs BT-Drucks. 14/343, S. 10). Im Streitfall ergibt sich
die Anwendbarkeit deutschen Rechts jedenfalls daraus, dass der Kläger sein
Bestimmungsrecht zugunsten deutschen Rechts gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2
EGBGB in der Klageschrift ausgeübt hat.
16 aa) Dem Kläger stand ein Bestimmungsrecht nach Art. 40 Abs. 1
Satz 2 EGBGB zu. Nach den von den Parteien nicht angegriffenen
Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt,
liegt der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort in
Deutschland. Der Kläger, der in Deutschland wohnt und Geschäfte betreibt,
ist hier in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen; hier kollidiert sein
Interesse an der Unterlassung der ehrverletzenden Veröffentlichung mit dem
Interesse des Bloggers daran, ein deutsches Publikum über die behaupteten
Machenschaften des Klägers zu informieren. Daran ist auch im Fall der Klage
gegen den Hostprovider anzuknüpfen.
17 bb) Den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen ist auch eine
Ausübung des Bestimmungsrechts durch den Kläger zu entnehmen. Im Streitfall
hat der Kläger sich in der Klageschrift vom 8. Juli 2008 auf deutsche
Rechtsnormen berufen und auch auf den vorgerichtlichen Schriftwechsel
verwiesen. Dazu gehört das Anwaltsschreiben vom 8. Februar 2008 (Anlage K6
zur Klageschrift vom 8. Juli 2008), auf das im Tatbestand des
Berufungsurteils Bezug genommen wird. In dem Schreiben bezieht sich der
Kläger auf deutsches Recht und widerspricht der E-Mail der Beklagten zu 1
vom 7. Februar 2008, in der sie für die Beklagte zu 2 die Auffassung
vertreten hat, nur Recht der Vereinigten Staaten sei anwendbar. Danach hat
der Kläger bereits mit der Klageschrift klar zum Ausdruck gebracht, dass
deutsches Recht zur Anwendung kommen soll.
18 3. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nach
deutschem Recht (§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs.
1 GG) ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht bejaht
werden.
19 a) Allerdings ist die Beklagte nicht bereits nach § 10 Satz 1 TMG
von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website
befreit. Sie hält zwar als Diensteanbieter nach § 2 Satz 1 Nr. 1
Halbs. 1 TMG Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG zur Nutzung
bereit. Sie unterhält die Website
www.blogger.com
und speichert die unter
www.blogspot.com
eingerichteten Blogs, journal- oder tagebuchartige Webseiten mit
chronologisch sortierten Beiträgen des "Bloggers" (vgl. Heckmann in jurisPK-Internetrecht,
2. Aufl., Kap. 1.7 Rn. 34), zum Zwecke des Abrufs. Die Beklagte
fungiert damit als Hostprovider (vgl. Art. 14 - "Hosting" - der
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni
2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der
Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs,
im Binnenmarkt). Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG gilt
aber nicht für Unterlassungsansprüche (st. Rspr., vgl.
Senatsurteile vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06, VersR 2007, 1004 Rn. 7 -
Meinungsforum; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 17 -
Domainverpächter; BGH, Urteile vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172,
119 Rn. 19 - Internet-Versteigerung II; vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08,
GRUR 2011, 152 Rn. 26 - Kinderhochstühle im Internet). Wie sich aus
§ 7 Abs. 2 Satz 2 TMG und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung
ergibt, betrifft § 10 TMG lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit
und die Schadensersatzhaftung (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2007
- VI ZR 101/06, aaO; BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158,
236, 245 ff. - InternetVersteigerung I, zur Vorgängerregelung des § 11
Teledienstegesetz).
20 b) Die Beklagte trifft aber hinsichtlich des vom Kläger
beanstandeten Eintrags nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, weil sie
ihn weder verfasst noch sich seinen Inhalt zu Eigen gemacht hat. Sie kann
lediglich als Störerin in Anspruch genommen werden, weil sie die technischen
Möglichkeiten des Blogs zur Verfügung gestellt hat.
21 aa) Als Störer ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer
zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur
Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt (vgl. Senatsurteil vom 30.
Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 13 f. - Domainverpächter; BGH, Urteil vom
11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 - Internet-Versteigerung I;
Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, aaO Rn. 45 - Kinderhochstühle im
Internet; Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, zur Veröffentlichung in
BGHZ bestimmt, Rn. 20 - Stiftparfüm). Indem die Beklagte die Website
www.blogspot.com
betreibt, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern eingerichteten
Webseiten bereitstellt und den Abruf dieser Webseiten über das Internet
ermöglicht, trägt sie willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von
Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter
beeinträchtigen.
22 bb) Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt
werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen
haben. Sie setzt die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten,
insbesondere von Prüfungspflichten voraus; deren Umfang bestimmt sich
danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den
jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion
und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen,
der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat,
eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 -
VI ZR 210/08, aaO Rn. 18 - Domainverpächter; BGH, Urteil vom 11. März 2004 -
I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 - Internet-Versteigerung I; vom 30. April
2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 50 - Internet-Versteigerung III;
Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn. 20 - Stiftparfüm, jeweils
mwN).
23 c) Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen gelten
für die Inanspruchnahme des Hostproviders unter dem Gesichtspunkt der
Störerhaftung für das Persönlichkeitsrecht verletzende Blogs die folgenden
Maßstäbe.
24 aa) Ein Hostprovider ist nicht verpflichtet, die von den Nutzern
in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle
Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er
Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den
Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den
Nutzer eines Blogs hin, kann der Hostprovider als Störer verpflichtet sein,
zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. BGH, Urteil
vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 252 - Internet-Versteigerung
I; Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 -
Internet-Versteigerung II; Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173,
188 Rn. 43 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; Urteil vom 17. August 2011 -
I ZR 57/09, aaO Rn. 26 - Stiftparfüm). Diese Erwägungen stehen im Einklang
mit den Maßstäben, die der Gerichtshof der Europäischen Union und der
Bundesgerichtshof hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Betreibern eines
Internet-Marktplatzes für Markenrechtsverletzungen aufgestellt haben (vgl.
EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - C-324/09, EuZW 2011, 754 - L'Oreal/eBay;
BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn. 22 ff.
- Stiftparfüm).
25 bb) Allerdings wird sich bei der behaupteten Verletzung von
Persönlichkeitsrechten eine Rechtsverletzung nicht stets ohne weiteres
feststellen lassen. Sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des
Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines
Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem
durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht des Providers auf
Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung
eines Betroffenen konfrontiert, die richtig oder falsch sein kann, ist eine
Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung
einer etwaigen Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen erforderlich.
Hiernach ergeben sich für den Provider regelmäßig folgende Pflichten:
26 Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der
Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der
Behauptungen des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche
und tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann. Dabei hängt das
Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den
Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten
Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des
Providers auf der anderen Seite.
27 Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den
für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine
Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist
von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete
Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung
der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb
berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem
Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus
denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme
des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise
nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der
Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter
Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen
eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der
beanstandete Eintrag zu löschen.
28 d) Danach kann ein Unterlassungsanspruch des Klägers derzeit nicht bejaht
werden.
29 Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger
habe hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei der beanstandeten
Mitteilung betreffend die Verwendung der Visakarte um eine freie Erfindung
handelte, so dass die Beklagte in eine Prüfung habe eintreten müssen.
30 Dies hat die Beklagte indes zunächst getan, indem sie über die Beklagte
zu 1 in einen Schriftwechsel eintrat. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts widersprach der Kläger dem Angebot der Beklagten zu 1 vom
7. Februar 2008, die Abmahnung des Klägers an den Blogger weiterzuleiten,
unter dem 8. Februar 2008 und erteilte der Klägervertreter erst nach
Klageerhebung durch Schreiben vom 11. Dezember 2008 gegenüber den Beklagten
die Erlaubnis zur Weiterleitung an den Blogger, was die Beklagte
unverzüglich veranlasste. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs stellt das
Berufungsgericht lediglich fest, dass die Seiten weiterhin abrufbar blieben.
31 Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Parteien weiter hätten
vortragen können und vorgetragen hätten, wenn sie die oben dargestellten
Maßstäbe zu dem der Beklagten obliegenden Prüfungsvorgang in den Blick
genommen hätten. Hierzu ist ihnen nunmehr rechtliches Gehör zu gewähren.
III.
32 Die Sache ist demnach an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
damit dieses - eventuell nach ergänzendem Tatsachenvortrag der Parteien -
die noch notwendigen Feststellungen treffen kann. Gegebenenfalls wird auch
die Frage einer bestehenden Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr zu
prüfen sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn.
37 ff. - Stiftparfüm). Für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu
einer Verurteilung der Beklagten gelangt, wird es die Ausführungen der
Revision zur Fassung des Unterlassungsausspruchs in Erwägung ziehen müssen.
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