§§
10 - 13 Willensmängel
Lösung zu Fall 1 (Unterverbriefung) K könnte gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB haben. Voraussetzung dafür ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen K und V über das Grundstück. A. Kaufvertrag zum Preis von 100.000.- € 1.) Einigung (Angebot und Annahme) Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass K als Käufer und V als Verkäufer vor dem Notar einen Kaufvertrag über das Grundstück des V zum Preis von 100.000 € geschlossen haben. Vom Vorliegen zweier übereinstimmender, auf einen entsprechenden Vertragsschluss gerichteter Willenserklärungen übereinstimmender Willenserklärungen in Gestalt von Angebot § 145 und Annahme § 147 BGB ist also auszugehen. Ferner ist davon auszugehen, dass die von den beiden Vertragsparteien unter Anwesenden abgegebenen empfangsbedürftigen Willenserklärungen von dem jeweiligen Erklärungsempfänger vernommen wurden, so dass an sich die Voraussetzungen für das Wirksamwerden der beiden Willenserklärungen erfüllt waren. 2.) Nichtigkeit Die beiden von V und K beim Notar abgegebenen Willenserklärungen
könnten jedoch nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig sein. Dies setzt
voraus, daß die Abgabe mit Einverständnis des jeweiligen Erklärungsempfängers
nur zum Schein, also letztlich ohne Rechtsbindungswillen abgebeben wurde.
Zwischenergebnis: Mangels wirksamer Willenserklärungen kam vor dem Notar also kein gültiger Kaufvertrag über das Grundstück des V zum Preis von 100.000 € zustande. B. Kaufvertrag zum Preis von 200.000 € (Dissimuliertes Geschäft) Das von den Parteien in Wahrheit gewollte Rechtsgeschäft (das sog. "dissimulierte Geschäft") ist wirksam, wenn es seinerseits die für dieses geltenden Gültigkeitsvoraussetzungen erfüllt (§ 117 Abs. 2 BGB). 1.) Einigung (Angebot und Annahme) In Form des privatschriftlichen Vertrag liegen zwei übereinstimmende Willenserklärungen von K und V vor, die auf den Abschluss eines Kaufvertrages über das Grundstück des V zum Preis von 200.000 € gerichtet sind. Diese Willenserklärungen sind auch ernstlich gemeint, § 117 Abs. 1 BGB ist nicht einschlägig. 2.) Nichtigkeit Der zustande gekommene Kaufvertrag könnte jedoch wegen Formmangels gem. § 125 S. 1 BGB nichtig sein. Dies setzt voraus: a) Formbedürftigkeit kraft Gesetzes Gemäß § 311b I BGB bedarf ein Grundstückskaufvertrag der notariellen Beurkundung. b) Nichteinhaltung des gesetzlichen Form Eine notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) des Kaufvertrages mit Kaufpreis 200.000 € ist nicht erfolgt. c) Anderweitige Vereinbarung der Parteien Der in § 311b I BGB steht nicht zur Disposition der Parteien (zwingende Rechtsnorm), da ansonsten der Schutzzweck der Norm (hier insbesondere die Aufklärungsfunktion) unterlaufen werden könnte. Eine Fallgruppe der arglistigen Berufung auf den Formmangel liegt nach dem Sachverhalt nicht vor. Insbesondere begründet angesichts des Schutzzwecks der Formvorschrift das Vorliegen einer entsprechenden Verzichtserklärung noch keinen Verstoß gegen § 242 BGB. d) Heilung des Formmangels (§ 311b I S. 2 BGB) Eine Heilung des Formmangels nach § 311b I S. 2 BGB hat nicht stattgefunden, da das Grundstück noch nicht übereignet wurde, d.h. Auflassung und Eintragung (§ 925 BGB) noch nicht stattgefunden haben. Ergebnis: Mangels eines gültigen Kaufvertrages hat K gegen V keinen Anspruch gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks. V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus Kaufvertrag § 433 Abs. 2 BGB haben. Dazu müsste ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen. A. Kaufvertrag zum Preis von 100.000.- € Hinsichtlich des Kaufvertrags mit dem Kaufpreis 100.000 € ist die Rechtslage hier genauso zu beurteilen wie in Frage 1: Nichtigkeit der beiden vor dem Notar abgegebenen Willenserklärungen von V und K gem. § 117 Abs. 1 BGB. B. Kaufvertrag zum Preis von 200.000 € (Dissimuliertes Geschäft) Auch hier kann auf die in Frage 1 vorgenommene Prüfung verwiesen werden; auch in der Fallvariante wurde die gesetzlich vorgesehene Form der notariellen Beurkundung (§§ 311b I S. 1, 128 BGB) nicht eingehalten, so daß der Zwischen K und V geschlossene privatschriftliche Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis von 200.000 € zunächst gem. § 125 S. 1 nichtig war. Der Formfehler könnte jedoch gemäß § 311 b I S. 2 BGB geheilt sein. Laut Sachverhalt erfolgten nunmehr notarielle Einigung (Auflassung, § 925 BGB) und Eintragung ins Grundbuch und somit Heilung des Formmangels gem. § 311b I S. 2 BGB. Mit Auflassung und Eintragung des K wurde also der zwischen K und V geschlossene privatschriftliche Vertrag über den Verkauf des Grundstücks zum Preis von 200.000 € wirksam. Ergebnis: V von K Bezahlung des Kaufpreises in Höhe von 200.000.- € verlangen.
Lösung zu Fall
2 Gescheitertes Scheingeschäft K kann Übergabe und Übereignung des Grundstücks gem. § 433 I 1 BGB verlangen, wenn ein wirksamer Kaufvertrag zustandegekommen ist. I. Kaufvertrag zum Preis von 50.000.- € 1. Willenserklärung des K K hat eine Willenserklärung zum Abschluß eines Kaufvertrags zu einem Preis von € 50000.- abgegeben (im Fall einer beiderseitigen Unterschrift unter einen von einem Dritten niedergelegten Vertragstext lassen sich Angebot und Annahme nicht unterscheiden). Diese enthält alle essentialia negotii eines Kaufvertrages. Sie war auch ernstlich gemeint, so dass Unwirksamkeitsgründe nach §§ 117, 118 BGB nicht in Betracht kommen. 2. Willenserklärung des V V hat nach für empfangsbedürftige Willenserklärungen maßgeblichen Empfängerhorizont erklärt, das Grundstück zum Preis von € 50000.- zu veräußern. a) Nichtigkeit nach § 117 I BGB Seine Willenserklärung könnte jedoch nach § 117 I BGB
nichtig sein. Dies setzt voraus, dass V seine Willenserklärung gegenüber
K gegenüber "mit dessen Einverständnis nur zum Schein" abgegeben
hat.
b) Nichtigkeit nach § 118 BGB Die Willenserklärung des V könnte aber nach § 118 BGB nichtig sein. Da V das objektiv Erklärte (Verkauf für 50.000,- €) nicht wollte und fälschlich davon ausging, dass dies auch von K so verstanden werde, lag eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung vor, die in der Erwartung abgegeben wurde, daß der Mangel der Ernstlichkeit nicht verkannt werde (sog. mißlungenes Scheingeschäft). Die Voraussetzungen des § 118 BGB sind daher erfüllt, so dass das Angebot des V nichtig ist. c) Verstoß gegen § 242 BGB? Fraglich ist jedoch, ob dem V die Berufung auf die Nichtigkeit gem. § 242 BGB verwehrt ist, weil er selbst das Risiko des „Misslingens des Scheingeschäfts“ zu tragen habe (so noch RGZ 168, 204: Wer dem anderen Teil fälschlich unterstelle, dieser wolle eine Urkunde zu Täuschungszwecken mißbrauchen und hierzu durch nicht ernstlich gemeinte beurkundete Willenserklärungen abgebe, trage selbst die Gefahr eines Irrtums und müsse den Vertrag mit dem beurkundeten Inhalt gegen sich gelten lassen, wenn der andere den Scheincharakter der Erklärung nicht kenne.“ Diese Ansicht ist jedoch wegen ihrer Gesetzesferne abzulehnen, weil sie § 118 BGB generell unanwendbar machen würde. Daß § 118 BGB als solcher rechtspolitisch verfehlt ist, legitimiert nicht seine Umgehung über § 242 BGB. Ergebnis: Es ist kein Vertrag über einen Kaufpreis von 50 000.- € zustandegekommen, K kann nicht Übereignung des Grundstücks gegen Zahlung von 50000.- € verlangen Frage 2: Anspruch des V gegen K auf Zahlung von € 100000.- gegen Übereignung des Grundstücks aus § 433 Abs. 2 BGB Ein Anspruch des V gegen K auf Zahlung von € 100 000.- Zug-um-Zug gegen Übereignung des Grundstücks aus § 433 Abs. 2 BGB setzt das Zustandekommen eines Kaufvertrags über den Verkauf des Grundstücks zum Preis von 100000.- € voraus. Da jedenfalls K keine entsprechende Willenserklärung abgegeben hat, ist das Zustandekommen eines solchen Vertrages bereits auf der Ebene des Konsenses ausgeschlossen, auf die Frage der Form (§§ 311 b I, 125 BGB) kommt es gar nicht mehr an.. Hierin unterscheidet sich das vorliegende sog. „misslungene Scheingeschäft“ vom Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB. Anders als dort besteht gerade kein Konsens über das vom Erklärenden Gewollte (vgl. § 117 Abs. 2 BGB). Es liegt vielmehr überhaupt kein wirksames Rechtsgeschäft vor, so daß es gar nicht mehr darauf ankommt, dass ein solcher Vertrag (Verkauf zum Preis von 100.000,- €) gar nicht gem. § 311b I S. 1 BGB notariell beurkundet wurde. Ergebnis:
V kann von K nicht Zahlung von 100 000.- € Zug-um-Zug
gegen Übereignung des Grundstücks verlangen.
Frage 3: Anspruch des K gegen V auf Übereignung des Grundstücks gegen Zahlung von € 100000.- aus § 433 Abs. 1 BGB Ein Anspruch des K gegen V auf Übereignung des Grundstücks Zug-um-Zug gegen Zahlung von 100000.- € aus § 433 Abs. 1 BGB setzt das Zustandekommen eines Kaufvertrags über den Verkauf des Grundstücks zum Preis von 100000.- € voraus. Diese Zustandekommen ist, wie bei Frage 2 dargelegt, an sich zu verneinen. Ähnlich, wie sich im Falle einer Irrtumsanfechtung nach § 242 BGB der Anfechtende nach Wahl des Anfechtungsgegners an dem von ihm wirklich gewollten festhalten lassen muß (Ausschluß des Reuerechts, s.u. Lösung zu Fall 5 Frage 3), verstößt es jedoch auch hier gegen Treu und Glauben, wenn V sich nicht an dem von ihm tatsächlich Gewollten (Verkauf zum Preis von 100000.- €) festhalten läßt. Ähnlich wie im Fall einer unschädlichen Falschbezeichnung, die auch bei beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften denkbar ist (vgl. BGHZ 87, 150) muß er sich daher so behandeln lassen, als habe er einen Kaufvertrag zum Preis von € 100000.- abgeschlossen. Ergebnis: K kann von V Übereignung des Grundstücks Zug-um-Zug gegen Zahlung von € 100000.- verlangen.
Lösung zu Fall 3 (falsa
demonstratio) Dies setzt zunächst zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) voraus. 1. Angebot V hat dem K eine Tonne "Haakjöringsköd" angeboten. Der Inhalt dieser Erklärung ist durch Auslegung zu ermitteln. Grundsätzlich sind Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont §§ 133, 157 BGB auszulegen. Aus dieser Warte heraus liegt ein Angebot über Haifischfleisch vor. Einer solchen Auslegung geht jedoch das tatsächliche Verständnis vor, wenn es sich mit dem wirklichen Willen deckt. Maßgebend ist dann gemäß § 133 BGB daher das von den Parteien tatsächlich gewollte. Erst wenn dies nicht feststellbar ist, ist nach dem objektiven Empfängerhorizont zu entscheiden. Hier sind beide Parteien subjektiv übereinstimmend davon ausgegangen, daß Walfischfleisch angeboten werden sollte. Somit liegt ein Angebot über Walfischfleisch vor. 2. Annahme K hat dieses Angebot auch angenommen. Da beide Parteien übereinstimmend einen Vertrag über Walfischfleisch abschließen wollten, existiert ein tatsächlicher Konsens, der unabhängig vom objektiven Erklärungsgehalt maßgeblich. Die übereinstimmende Falschbezeichnung der Parteien ist unschädlich (falsa demonstratio non nocet) Ergebnis: K kann von V Lieferung von
1 t Walfischfleisch gegen Zahlung von € 3000.- aus § 433 Abs. 1 BGB
verlangen.
Lösung
zu Fall 4 (Inhaltsirrtum):
Die B-Bank könnte gegen M einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises
in Höhe von 198,- € aus § 433 Abs. 2 BGB haben.
I. Anspruchsentstehung 1.) Angebot Im Vorlegen des Bestellformulars durch A hat die B-Bank dem M noch kein
Angebot, § 145 BGB, zum Verkauf der Münze unterbreitet,
vielmehr ist grundsätzlich in dem Vor- oder Auslegen von Bankformularen
lediglich eine invitatio ad offerendum zu sehen, da davon auszugehen ist,
das sich die Bank erst nach der Prüfung der ausgefüllten Daten
bindend verpflichten will und ihr daher zu der Zeit der Rechtsbindungswille
fehlt.
2.) Annahme Das Angebot wurde spätestens durch die Erklärung, die Münze läge jetzt bereit, angenommen. Ein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB ist damit zunächst entstanden II. Erlöschen des Anspruchs Der Kaufvertrag könnte jedoch gem. § 142 Abs. 1 BGB als von
Anfang an nichtig anzusehen sein. Dies ist dann der Fall, wenn M seine
Willenserklärung wirksam angefochten hat.
Dies setzt voraus 1. Anfechtungsgrund Fraglich ist, ob ein Anfechtungsgrund vorliegt. In Betracht kommt ein
Inhaltsirrtums gem. § 119 I Alt. 1 BGB.
Da M die von A vorgelegten Papiere nicht in bewusster Unkenntnis unterschrieben hat, sondern dabei davon ausgegangen ist, lediglich ein Konto zu eröffnen, ist dieser Fall in der letztgenannten Gruppe einzuordnen, so dass ein Inhaltsirrtum vorliegt. Auf Verschulden, Erkennbarkeit etc. kommt es insoweit nicht an. Dieser Inhaltsirrtum berechtigt auch zur Anfechtung, da er kausal für die Abgabe der Willenserklärung war, § 119 I Hs 2 BGB. Bei Kenntnis der Sachlage und verstäniger Würdigung des Falles hätte M nämlich das Kaufvertragsformular nicht unterzeichnet, da er eine Silbermünze nicht erwerben wollte. Ein Anfechtungsgrund nach § 119 I Alt. 1 BGB ist daher gegeben.
2. Anfechtungserklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner, § 143 Abs. 1 BGB Eine Anfechtungserklärung ist jede Erklärung, die eindeutig
erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft wegen eines Willensmangels
nicht gelten soll. Das Wort "anfechten" braucht dabei nicht verwendet werden.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Erklärung des M, da er unzweifelhaft
darlegt, dass er wegen seines Irrtums nicht am Münzkauf festhalten
will.
3. Anfechtungsfrist, § 121 BGB Nachdem M von seinem Irrtum Kenntnis erlangt hat, hat er die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern erklärt. Er hat somit "unverzüglich" gehandelt und die Anfechtungsfrist des § 121 Abs.1 S. 1 BGB gewahrt. Gem. § 142 Abs. 1 BGB ist der Kaufvertrag als von Anfang an unwirksam anzusehen. III. Ergebnis: Die B-Bank kann von M
nicht Zahlung von € 198.- verlangen.
Lösung zu Fall 5 (Erklärungsirrtum) Lösung zu Frage 1: I. Entstehung des Vertrags 1. Angebot des J J hat dem K den Ring objektiv zum Preis von € 200.- zum Kauf angeboten. Maßgeblich für den Inhalt dieser empfangsbedürftigen Willenserklärung ist nicht der subjektive Wille des J, sondern der objektive Erklärungswert, § 157 BGB. Daß J, der tatsächlich kein Angebot in dieser Höhe machen wollte, damit der sog. Geschäftswille fehlte, ist unschädlich, da dieser kein konstitutives Merkmal einer Willenserklärung ist. 2. Annahme II. Nichtigkeit des Vertrags Der somit zwischen J und K geschlossene Vertrag könnte aber gem. § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. Dies setzt voraus, daß J seine Willenserklärung wirksam angefochten hat.
1. Anfechtungsgrund a) Irrtum Fraglich ist, ob ein Anfechtungsgrund vorliegt. In Betracht kommt das Vorliegen eines Erklärungsirrtums gem. § 119 I Alt. 2 BGB. Ein Erklärungsirrtum ist dann gegeben, wenn der Erklärende "eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollt. Damit meint das Gesetz hauptsächlich Fälle des Verschreibens, Versprechens und Vergreifens. J hat sich versprochen. Während er den zutreffenden Kaufpreis von 2000,-€ verlangen wollte, sagte er aber "200,-€". Eine Willenserklärung "Verkaufe Ring für 200,-€" wollte er nicht abgeben. Damit liegt ein Fall eines Erklärungsirrtums bezüglich seines auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Angebots vor. b) Kausalität Dieser Erklärungsirrtum war auch kausal für die Abgabe der Willenserklärung war, § 119 I Hs. 2 BGB. Bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles hätte J nämlich den Ring nicht für € 200.- verkauft. Ein Anfechtungsgrund nach § 119 I Alt. 2 BGB ist daher gegeben. 2. Anfechtungserklärung, § 143 BGB a) Inhalt Eine Anfechtungserklärung ist jede Erklärung, die eindeutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft wegen des Willensmangels nicht gelten soll. Das Wort "anfechten" braucht dabei nicht verwendet werden. Diese Voraussetzungen erfüllt die Erklärung des J. b) Adressat Diese Erklärung gab J auch gegenüber dem Anfechtungsgegner K ab, § 143 II BGB. 3. Anfechtungsfrist, § 121 BGB J erklärte K die Anfechtung unmittelbar, nachdem ihm sein Irrtum bewusst wurde. Schuldhaftes Zögern ist ihm daher nicht vorzuwerfen. Er hat somit "unverzüglich" gehandelt und die Anfechtungsfrist des § 121 I 1 BGB gewahrt. III. Ergebnis Es liegt kein wirksamer Kaufvertrag vor.
Lösung zu Frage 2:
I. Anspruch des J gegen K auf Herausgabe des Rings aus § 985 BGB Der Anspruch besteht dann, wenn J Eigentümer des Rings ist, K dessen Besitzer und K auch kein Recht zu Besitz i.S.v. § 986 BGB hat. 1. Ursprünglich war J Eigentümer des Ringes. 2. Übereignung an K J könnte sein Eigentum aber gem. § 929 S. 1 BGB durch Übereignung an K verloren haben. Dies setzt die Verfügungsberechtigung des J sowie rechtsgeschäftliche Einigung über den Eigentumsübergang (sog. dinglicher Vertrag) und Übergabe voraus. a) Berechtigung des J J war Eigentümer und damit verfügungsberechtigt. b) Einigung aa) Angebot Im Entgegenstrecken der offenen Hand hat K konkludent ein Angebot zum Abschluß eines (§ 145 BGB) erklärt. bb) Annahme J hat dieses Angebot durch die Übergabe des Ringes auch konkludent angenommen. c) Übergabe Die zur Übereignung nach § 929 S. 1 BGB erforderliche Übergabe des Ringes an K fand statt. d) Unwirksamkeit der Übereignung infolge Anfechtung (§ 142 I BGB)? Die Annahme des J könnte aber gem. § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie wirksam angefochten wurde. aa) Anfechtung des dinglichen Vertrages (Trennungsprinzip) Fraglich ist aber bereits, ob bezüglich der auf die Einigung iSd § 929 S. 1 BGB gerichteten Annahme ein Anfechtungsgrund gegeben ist. Diesbezüglich liegt aber ein (einzig denkbarer) Irrtum nach § 119 I BGB nicht vor, da J zum einen genau den betreffenden Ring übereignen wollte (also kein Inhaltsirrtum). Zum anderen wollte er genau eine solche Erklärung abgeben (also kein Erklärungsirrtum). Die Fehlleistung bezüglich des Kaufpreises berührt nicht den dinglichen Vertrag (Übereignung), weil die Einigung über den Kaufpreis nicht Bestandteil dieses Vertrages ist. Dieser setzt nur eine Einigung über den Eigentumsübergang als solchen voraus (sog. "dinglicher Minimalkonsens"). Bezogen darauf ist die Fehlvorstellung des J über den vereinbarten bzw. zu vereinbarenden Kaufpreis lediglich ein (unbeachtlicher) Motivirrtum. Mangels wirksamer Anfechtung bleibt es bei dem Ergebnis, dass eine wirksame Einigung iSd § 929 S. 1 BGB vorliegt. bb) Auswirkungen der erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrages (Abstraktionsprinzip) An diesem Ergebnis ändert auch die Anfechtung des Kaufvertrages durch J nichts. Die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts berührt nämlich als solche die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes nicht (Abstraktionsprinzip).
Demnach hat J sein Eigentum an K verloren, so dass er keinen Anspruch auf Herausgabe des Ringes aus § 985 BGB hat. II. Anspruch des J gegen K auf Herausgabe des Ringes gem. §§ 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) 1. Tatbestand des § 812 I 1 Alt. 1 BGB K hat Eigentum und unmittelbaren Besitz, also „etwas" iSd § 812 I 1 BGB erlangt. Dies geschah durch eine Leistung (bewusste und gewollte Mehrung fremden Vermögens) des J. Die Leistung erfolgte auch ohne rechtlichen Grund, da der zugrundeliegende Kaufvertrag, der die Pflicht zur Übergabe und Übereignung begründete, durch die Anfechtung gem. § 142 I BGB rückwirkend entfallen ist. Der Tatbestand des § 812 I 1 Alt. 1 BGB ist daher erfüllt. 2. Anspruchinhalt Demnach ist K zur Herausgabe verpflichtet. Der Inhalt der Herausgabepflicht bestimmt sich nach der Art des Erlangten. Hier hat K Eigentum und Besitz am Ring erlangt, so dass er beides auf J zurückübertragen muss.
Lösung zu Frage 3: Ein Kaufvertrag über einen Preis von € 2000.- wurde nicht geschlossen. Die Anfechtung hat zur Vernichtung des Kaufvertrages, nicht aber zum Entstehen eines Kaufvertrags mit diesem Inhalt geführt. Allerdings könnte es gegen § 242 BGB (Treu und Glauben) verstoßen, wenn sich J nicht bereiterklärt, den Ring zu dem ursprünglich von ihm ja gewollten Preis zu verkaufen, denn er "benutzt" ja jetzt die Anfechtung gleichsam, um aus einem aus anderen Gründen bereuten Vertragsschluß zu "entwischen". Die Anfechtung soll den Irrenden aber nur vor den Nachteilen des Irrtums schützen, nicht aber ihm einen unverdienten Vorteil gewähren. Daher ist nach § 242 BGB die Anfechtung i.d.R. ausgeschlossen, wenn der Erklärungsgegner bereit ist, das Geschäft so gegen sich gelten lassen, wie es der Irrende irrtumsfrei gewollt hat (Ausschluß des Reuerechts; vgl. etwa Köhler AT § 14 Rn. 31; Köhler/Fritzsche JuS 1990, 16, 19). Ähnlich wie im Fall einer unschädlichen Falschbezeichnung muß er sich daher so behandeln lassen, als habe er einen Kaufvertrag zum Preis von € 2000.- abgeschlossen. Lösung zu Fall
6 ("Preisirrtum") D kann von V Übergabe und
Übereignung des Auspuffs gem. § 433 I 1 BGB gegen Zahlung eines Kaufpreises
von 500,- € verlangen, wenn ein entsprechender Kaufvertrag zustande gekommen
und weiterhin wirksam ist. 1.) Angebot (§ 145 BGB) Die Angaben im Katalog stellen lediglich eine invitatio ad offerendum dar. Mangels Rechtsbindungswillen stellen sie kein Angebot seitens des V dar. D hat daraufhin ein Angebot abgegeben (§ 145 BGB), einen Auspuff des genannten Typs für 500,- € kaufen zu wollen. 2.) Annahme (§ 147 I BGB) Durch die Entgegnung, das Geschäft "gehe so in Ordnung" hat V hat die Annahme diese Angebots erklärt. II. Erlöschen des Annspruchs Der Vertrag könnte gem. § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Willenserklärung des V wirksam angefochten wurde. 1.) Anfectungserklärung (§ 143 BGB) Eine Anfechtungserklärung liegt vor 2.) Anfechtungsgrund a) Inhaltsirrtum, § 119 I Alt. 1 BGB Ein Inhaltsirrtum läge dann vor, wenn sich unbewusst Wille und Erklärung des V nicht gedeckt hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. V wollte ja gerade zum abgelesenen Preis von 500,- € verkaufen. b) Erklärungsirrtum, § 119 I Alt. 2 BGB Ein Erklärungsirrtum liegt nach § 119 I Alt. 2 BGB dann vor, wenn eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgegeben werden sollte. Gemeint sind vor allem die Fälle des Versprechens, Verschreibens und Vergreifens. Hier wollte V die abgegebene Erklärung auch so abgeben, so dass ein Erklärungsirrtum zu verneinen ist. Die Besonderheit im vorliegenden Fall ist jedoch, dass sich V auf den vom Computer richtig ermittelten Kaufpreis verlässt, dem jedoch veraltetes Datenmaterial zugrunde liegt. Um aber dem Nutzer sog. automatisierter Erklärungen keinen unangemessenen Vorteil zukommen zu lassen, kann bei solchen Verfahren ein Erklärungsirrtum allenfalls dann angenommen werden, wenn das Eingabegerät fehlerhaft bedient wurde. Dann nämlich ist der Ablauf, der zur ungewünschten Willenserklärung geführt hat dem des „Versprechens, Verschreibens und Vergreifens" ähnlich. Wurde das Eingabegerät, wie hier von V unter Eingabe der zutreffenden Bestellnummer richtig bedient und war nur das Datenmaterial fehlerhaft, so begründet dies als unbeachtlicher Irrtum bei der Erklärungsvorbereitung (Motivirrtum) kein Anfechtungsrecht (s. hierzu etwa AG Frankfurt/Main NJW-RR 1990, 116 f) c) Eigenschaftsirrtum, § 119 II BGB Eigenschaften einer Sache sind alle wertbildenden Merkmale von gewisser Dauer, die ihren Grund in der Sache selbst haben, oder sich auf die Sache beziehen. Der Wert oder Marktpreis - anders als die wertbildenden Faktoren – stellen jedoch keine Eigenschaft iSd § 119 II BGB dar, so dass auch ein Eigenschaftsirrtum ausscheidet. Ergebnis:
Lösung
zu Fall 7 (Eigenschaftsirrtum) K kann gem. §119 II BGB ihre dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Willenserklärung erfolgreich wegen Eigenschaftsirrtums anfechten, wenn sie sich bei deren Abgabe im Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der H befunden hätte. I. Verkehrswesentliche Eigenschaft 1. Eigenschaften einer Person sind neben den auf ihrer äußeren Beschaffenheit beruhenden Merkmale auch ihre tatsächliche und rechtliche Beziehungen zur Umwelt, mit anderen Worten, ihre prägenden Merkmale, sofern sie der Person von gewisser Dauer anhaften. Auch religiöse Überzeugungen sind Eigenschaften einer Person, da sie - zumindest üblicherweise - von bestimmter Dauer sind. 2. Verkehrswesentlich ist eine Eigenschaft dann, wenn sie für den Abschluss des konkreten Geschäfts von Bedeutung ist. Die Mitgliedschaft bei der S-Sekte ist für die Einstellung der H als Kindergärtnerin in einem kirchlichen Kindergarten gerade von besonderer Bedeutung, also verkehrswesentlich. Aufgabe der K ist es nämlich, den ihr anvertrauten Kindern mitunter eine christliche Erziehung zukommen zu lassen. Dies erscheint nicht gewährleistet, wenn H einer Glaubensgemeinschaft angehört, die der christlichen Lehre entgegengesetzte Ziele verfolgt. Im übrigen hätte die K die Abmeldung von Kindern aus dem Kindergarten und eine Schädigung ihres Rufs zu befürchten, wenn sie ihre Einrichtungen mit Hilfe von Mitgliedern der S-Sekte betreibt. II. Die K unterlag auch einem Irrtum, da ihr die Sektenmitgliedschaft der H bei Abgabe der Willenserklärung unbekannt war. III. Dieser Irrtum berechtigt auch zur Anfechtung, da er kausal für die Abgabe der Willenserklärung der K war. Bei Kenntnis der Zugehörigkeit der H zur S-Sekte und bei verständiger Würdigung des Falles, hätte die K die H nicht eingestellt. Ergebnis: Der Arbeitsvertrag ist gem. § 119 II BGB anfechtbar. Lösung zu Fall 8 ("online-shopping") K könnte gegen V eine Anspruch auf Übereignung des Buches zum Preis von 30 € haben, wenn zwischen den Parteien ein entsprechender wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist (§ 433 Abs. 1 S 1 BGB). I. Anspruchsentstehung Die Darbietung des Buches im Internet durch V stellt - ebenso wie etwa eine Auslage in einem Schaufenster - nach dem objektiven Empfängerhorizont noch keine Willenserklärung, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum dar, da sich V in diesem Stadium erkennbar noch nicht binden will. Ein Angebot des K ist jedoch im Klicken auf das "JA" Feld zu sehen. Da sowohl Kaufgegenstand und Kaufpreis (essentialia negotii) deutlich abgebildet waren, war das Angebot per Mausklick auch hinreichend bestimmt. Die Erklärung müsste gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB auch zugegangen sein. Zugang liegt vor, wenn die Erklärung dergestalt in den Machtbereich des Empfängers geraten ist, daß mit einer tatsächlichen Kenntnisnahme zu rechnen ist. Digitale Willenserklärungen werden in der Regel im Wege der Einweg-Kommunikation abgegeben, d. h. sie erfolgen mittels E-Mail derart, dass die Nachrichten beim Empfänger abrufbereit gespeichert werden; die Kenntnisnahme also noch von der Entscheidung des Erklärungsempfängers abhängt. In den Fällen, in denen eine direkte Übermittlung der Erklärung erfolgt, gelangt diese mit Passieren der internen Schnittstelle der Anlage des Empfängers in dessen Machtbereich. Wird die Erklärung so über Dritte abgegeben, dass der Provider die Erklärung für den Empfänger zum Abruf bereithält, gelangt die Erklärung dann in den Machtbereich, wenn sie im Computer des Providers gespeichert und für den Empfänger abrufbar ist. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht technisch gesehen rund um die Uhr. Hat der Anbieter selbst erklärt, vollautomatisiert zu arbeiten, besteht kein Anlass, die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme auf übliche Geschäftszeiten zu reduzieren. Im übrigen obliegt dem Empfänger die Pflicht, jedenfalls während der Geschäftszeiten regelmäßig Nachschau in seiner Mailbox zu halten. Geschäftliche Mitteilungen gehen folglich regelmäßig noch am selben Arbeitstag zu. Im vorliegenden Fall ist Zugang in jedem Fall zu bejahen. 2. AnnahmeFraglich ist, ob in der elektronisch erstellten E-Mail eine Annahme des V gesehen werden kann. Nach dem objektiven Empfängerhorizont stellt die Erklärung eine Annahme dar.
Zwar hat V die Willenserklärung nicht selbst erstellt, jedoch ist die elektronisch generierte Erklärung auf seinen Willen zurückzuführen. Er will gerade durch die entsprechende Gestaltung des Computerprogramms, dass die Kaufverträge selbstständig zustande kommen. Es ist also ausreichend, dass er (bzw. eine natürliche Person als Vertreter) den Prozess in Gang gesetzt hat. Solange dieses Programm ordnungsgemäß, d.h. so wie mit dem Willen des V in Gang gesetzt, arbeitet, sind die hergestellten Willenserklärungen ihm auch dann zurechenbar, wenn er ihren Inhalt nicht kannte. Insofern ist die rechtliche Beurteilung mit dem Fall der Unterschrift unter eine ungelesene Urkunde in bewußter Unkenntnis ihres Inhalts vergleichbar (sog. Willenserklärung "tel quel", s. dazu Fall 4), in welchem sich der Erklärende die Erklärung ohne Kenntnis ihres Inhalts zu eigen macht, s. dazu etwa BGH NJW 1995, 190. Die Willenserklärung ist spätestens mit Kenntnisnahme der e-mail durch K auch zugegangen (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). II. Erlöschen des Anspruchs durch Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB) Die Willenserklärung des V könnte jedoch ex tunc nichtig sein, wenn sie wirksam angefochten worden wäre (§ 142 Abs. 1 BGB). 1. Anfechtungsgrunda) In Betracht kommen könnte ein Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Dies wäre bei Auseinanderfallen von Wille und Erklärung, etwa durch Verschreiben, Vertippen oder Versprechen der Fall. Hier beruht der Fehler jedoch nicht auf einer Fehlbedienung des Computers oder fehlerhaften Eingabe des Preises, sondern allein auf der Verwendung fehlerhaften bzw. veralteten Datenmaterials. Es liegt also kein Erklärungsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB vor. b) Ein Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB) scheidet schon deshalb aus, weil sich V überhaupt keine Gedanken zum Inhalt gemacht hatte und das Computerprogramm fehlerfrei arbeitete. c) Denkbar wäre ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB. Abgesehen davon, daß der Preis einer Sache nach ganz h.M. keine Eigenschaft i.S.v. § 119 Abs. 2 BGB ist, weil er - auf der Wertschätzung des Marktes beruhend - weder der Sache selbst innewohnt noch von ihr selbst ausgeht, fehlt es hier bereits an einem Irrtum. Da V überhaupt keine Vorstellung vom Inhalt der konkreten Willenserklärung hatte, sondern diese so, wie vom Computer generiert, gelten lassen wollte, liegt überhaupt keine Fehlvorstellung vor (s. dazu etwa OLG Hamm NJW 2001, 1142 im "ricardo.de"-Urteil). III. Ergebnis Damit liegen zwei übereinstimmende Willenserklärungen gerichtet auf einen Preis von 30.- €, und damit ein wirksamer Kaufvertrag, vor. K kann von V Übergabe und Übereignung des Buches Zug-um-Zug gegen Zahlung von 30.- € verlangen.
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