Sittenwidrigkeit von
durch Gewinnversprechen provozierten Verträgen: Verhältnis zu § 661a BGB;
Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB, Verhältnis zu § 123 BGB
im Falle "systematischer Schwächung der Entscheidungsfreiheit";
Sittenwidrigkeit von kausalen und abstrakten Schuldanerkenntnissen;
Kondiktion von abstrakten Schuldanerkenntnissen und dolo-petit-Einwand;
Voraussetzung der Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB
BGH, Urteil v. 29.6.2005 -
VIII ZR 299/04
Fundstelle:
NJW 2005, 2991
(Eigene) Leitsätze:
1. Bei der Frage der Sittenwidrigkeit
eines Vertrages nach § 138 I BGB ist nicht nur der objektive Gehalt des
Geschäftes zu berücksichtigen, sondern es sind auch die Umstände, die zu
seiner Vornahme geführt haben, in die Würdigung einzubeziehen.
2. Liegt dem Vertragsschluß eine arglistige Täuschung, müssen zudem
besondere Umstände zu der durch arglistige Täuschung bewirkten
Willensbeeinflussung hinzukommen, die das Geschäft nach seinem
Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen, damit § 138 Abs. 1 BGB
neben § 123 BGB anwendbar ist. Ein solcher Umstand kann in der
systematischen Schwächung der Entscheidungsfreiheit des anderen Teils
liegen.
3. Der gesetzliche Erfüllungsanspruch bei Gewinnmitteilungen nach § 661a BGB
steht der Sittenwidrigkeit eines durch solche bewirkten Vertragsschlusses
nicht entgegen.
4. In der Vollstreckung eines materiell unrichtigen Titels kann aus Gründen
der Rechtssicherheit nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eine sittenwidrige
Schädigung i.S.v. § 826 BGB gesehen werden.
Eine solche Durchbrechung der Rechtskraft im Wege des
Schadensersatzanspruches setzt das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die
es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar erscheinen ließen,
daß der Titelgläubigerin seine formelle Rechtsstellung unter Mißachtung der
materiellen Rechtslage zu Lasten des Vollstreckungsschuldners ausnutzt.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der sehr lehrreichen
Entscheidung steht einerseits die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften im Falle
von Sittenwidrigkeit. Die Besonderheit besteht darin, daß sich die
Sittenwidrigkeit hier im wesentlichen aus der Art der Vertragsanbahnung
(Täuschung mit Gewinnmitteilung) ergibt, wobei sich die Frage der Konkurrenz
zu § 123 BGB stellt. Aus der bloßen Anfechtbarkeit von Verträgen im Falle
arglistiger Täuschung ergibt sich nämlich im Umkehrschluß, daß in diesem
Fall nicht auch Nichtigkeit nach § 138 BGB vorliegen kann, sofern nicht über
die arglistige Täuschung hinaus weitere Sittenwidrigkeitsgründe vorliegen.
Dabei ist höchst problematisch, daß der BGH hier die Sittenwidrigkeit ohne
jeden Bezug auf den Vertragsinhalt, sondern einzig und allein auf die Art
und Weise seines Zustandekommens stützt. Bisher war hier nach der
Rechtsprechung immer auch in inhaltliches Element erforderlich, daß die
Entscheidung vermissen läßt (s. dazu aber zutreffend
BAG NJW 2005, 3164). Die Schwächung der Entscheidungsfreiheit des
anderen Teils kann hier besser durch einen Schadensersatzanspruch aus c.i.c.
(Verletzung einer vorvertraglichen Rücksichtnahmepflicht aus §§ 280 I, 311
II, 241 II BGB) berücksichtigt werden, was freilich im vorliegenden Fall
nicht zu einer Unrichtigkeit des Titels geführt hätte.
Bei der Frage der Durchbrechung der Rechtskraft bestätigt der BGH die
bisherige Rechtsprechung (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2002, 2940
sowie BGH NJW 1998, 2818
und BGH NJW 1999, 1257),
die auch verfassungsgerichtlich abgesichert ist (s.
BVerfG NJW 1993, 1125):
Die Rechtssicherheit ist ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit
und damit eines Konstitutionsprinzips des Grundgesetzes. Um der
Rechtssicherheit willen darf die Rechtsordnung über das Institut der
Rechtskraft in Kauf nehmen, daß selbst unrichtige Gerichtsentscheidungen für
den Einzelfall endgültig verbindlich sind (BVerfG aaO).
©sl 2005
Tatbestand:
Die 77 Jahre alte Klägerin erhielt im Jahr 2001 von den Unternehmen A.
Versand und L. -Versand wiederholt Werbeschreiben und Bestellangebote für
Haushaltsgegenstände und ähnliches, die mit Gewinnzusagen verbunden waren.
In der Hoffnung auf die versprochenen Gewinne bestellte die Klägerin in
sechs Fällen Waren zu Preisen bis zu 24,28 €, die am 10. August 2001, 17.
August 2001, 1. September 2001, 2. September 2001, 3. September 2001 und 22.
September 2001 ausgeliefert wurden. Gewinne wurden nicht ausgezahlt.
Die Versender traten ihre Kaufpreisansprüche gegen die Klägerin an die
Beklagte ab. Da die Klägerin nicht zahlte, schaltete die Beklagte zunächst
die U. Inkasso GmbH ein. Der Geschäftsführer dieses Inkassobüros ist
gleichzeitig Geschäftsführer der Beklagten. Am 21. Mai 2002 und am 24. Mai
2002 ließ sie durch einen Rechtsanwalt die Klägerin jeweils drei mit
Anerkenntnis und Antrag auf Ratenzahlung überschriebene Schriftstücke
unterzeichnen, in denen diese anerkannte, der Beklagten Beträge zwischen
137,40 € und 149,68 € zuzüglich 13,25 % Zinsen auf die jeweilige
Hauptforderung ab dem 4. Juni 2002 zu schulden, und zugleich jeweils
monatliche Ratenzahlungen von 15 € beantragte.
Nach vorangegangenen Mahnverfahren erwirkte die Beklagte im Zeitraum
zwischen dem 3. September 2002 und dem 16. Oktober 2002 sechs
Vollstreckungsbescheide über Beträge von 190,98 € bis 207,03 €, in denen als
Hauptforderungen die vorgenannten Schuldanerkenntnisse aufgeführt sind. Die
Forderungen setzen sich im wesentlichen aus Inkasso- und Mahnkosten
zusammen. Die Vollstreckungsbescheide sind rechtskräftig geworden, weil die
Klägerin keine Rechtsbehelfe ergriffen hat.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten die
Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden sowie
deren Herausgabe. Hilfsweise hat sie die Aufrechnung mit einem Anspruch aus
einem Gewinnversprechen von November 2002 über 6.500 € erklärt und
beantragt, die Vollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden für unzulässig
zu erklären.
Das Amtsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete
Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die
Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Klägerin stehe gemäß § 826 BGB ein Schadensersatzanspruch auf
Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden und
auf deren Herausgabe zu. Es sei ein besonders schwerwiegender Ausnahmefall
zu bejahen, der die Durchbrechung der Rechtskraft rechtfertige.
Voraussetzung dafür, daß der Gläubigerin zuzumuten sei, die ihr unverdient
zugefallene Rechtsposition aufzugeben, seien die materielle Unrichtigkeit
des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids, die Kenntnis der
Vollstreckungsgläubigerin davon sowie eine sittenwidrige Ausnutzung des
Vollstreckungstitels. Ein solcher Fall sei hier gegeben.
Das Berufungsgericht hat Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen
Urteils, worin es heißt: Die Vollstreckungsbescheide seien
materiellrechtlich unrichtig, weil der Beklagten aus den
Schuldanerkenntnissen keine Zahlungsansprüche gegen die Klägerin zustünden.
Die Klägerin erhebe zu Recht den Einwand der ungerechtfertigten
Bereicherung. Auch wenn es sich um selbständige Schuldanerkenntnisse handeln
sollte, hätten diese den Zweck, eine dem Grunde nach bestehende Schuld zu
sichern. Eine solche sei nicht entstanden, denn die Hauptforderungen
gründeten sich auf nach § 138 BGB sittenwidrige und damit nichtige
Rechtsgeschäfte.
Die Klägerin sei in sittenwidriger Weise zu ihren Bestellungen veranlaßt
worden. Sie habe diese ausschließlich und gerade auf Grund von
Geldgewinnzusagen getätigt, die ihr gegenüber abgegeben und nicht ausgezahlt
worden seien. Die Geschäftspraktik der Zedentinnen - in Kombination mit den
nicht erfüllten Gewinnversprechen - verstoße gegen das Rechtsempfinden aller
billig und gerecht Denkenden und sei damit sittenwidrig. Es seien dadurch
die Unerfahrenheit, das mangelnde Urteilsvermögen und eine erhebliche
Willensschwäche der Klägerin ausgenutzt worden. Die Zedentinnen wendeten
sich in ihrer Geschäftspraktik gerade an ältere, rechtlich und geschäftlich
unerfahrene Personen. Das folge aus dem von ihnen angebotenen Sortiment
(Kaffeeservice im "Stiefmütterchen Design", Tortenringe, Zwiebelschneider,
Tischdecken, Hammerzehschützer, Wärme-Kältekissen, Massagegeräte und
ähnliches), das herkömmlicher Weise gerade bei diesen Menschen Bestellungen
herausfordere.
Entscheidend sei die Tatsache, daß es hier im Zuge der Gewinnzusagen nicht
bei einer einmaligen Aufforderung geblieben sei, eine Bestellung abzugeben,
sondern es von seiten der Zedentinnen ein wiederholtes Nachhaken und Drängen
auf Abgabe einer Bestellung gegeben habe, um den Gewinn "endlich" auszahlen
zu können. Dadurch hätten diese die geschäftliche Unerfahrenheit der
Klägerin und ihre eigene wirtschaftliche und intellektuelle Übermacht
mißbraucht. Auch wenn sie die Unerfahrenheit und das Alter der Klägerin
nicht gekannt hätten, hätten sie bewußt deren schwächere Lage zum eigenen
Vorteil ausgenutzt, weil sie sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen
hätten, daß sich die Klägerin nur wegen ihrer schwächeren Lage auf die
ungünstigen Verträge eingelassen habe. Sie hätten davon ausgehen müssen, daß
es durch das wiederholte Zurückhalten des Gewinns keine echte
Entscheidungsfreiheit der anderen Seite gegeben habe. Es sei unschwer zu
erkennen, daß es der Klägerin bei den wiederholt aufgegebenen Bestellungen
letztlich nicht darum gegangen sei, die bezeichneten Gegenstände zu
erwerben, sondern die versprochenen Gewinne ausgezahlt zu bekommen, und daß
so nur ein geschäftlich unerfahrener, besonders schutzbedürftiger Kunde
handele. Im Hinblick auf das mehrmalige Nachhaken - zudem in mehreren Fällen
- spreche sogar eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus
verwerflicher Gesinnung. Stets sei in den Schreiben der Zedentinnen davon
die Rede, daß mit der "Bargeldzuweisung" und der "Lieferanweisung" der
Bestellschein möglichst rasch zurückgeschickt werden möge, erst dann stünde
der Auszahlung "wirklich nichts mehr im Wege". Auch die Formulierung "Kann
es sein, daß bei der Zusendung Ihrer Gewinnanforderung die Bestellung fehlt?
Weil ich sie als Gewinner ganz persönlich betreue, möchte ich schon
sichergehen, daß auch in der Bestellabwicklung alles stimmt", belege die
sittenwidrige Typik des Vorgehens.
Angesichts des Eindrucks, den das Gericht im Rahmen der mündlichen
Verhandlung von der Klägerin gewonnen habe, könne nicht angenommen werden,
die Klägerin habe damit rechnen müssen, daß der dem Schuldanerkenntnis
zugrunde liegende Kaufvertrag nach § 138 BGB als nichtig zu beurteilen sei.
Nur dann aber könnten die Schuldanerkenntnisse nicht der Rückforderung wegen
ungerechtfertigter Bereicherung unterliegen.
Der Beklagten sei als Titelgläubigerin die Unrichtigkeit des
Vollstreckungstitels bekannt gewesen. Es reiche aus, wenn dem Gläubiger
diese Kenntnis während des Rechtsstreits über den Anspruch aus § 826 BGB
vermittelt werde. Schließlich lägen auch die besonderen Umstände vor, die es
verlangten, daß die Beklagte die von ihr erlangten Rechtspositionen aufgebe.
Sie habe Forderungsinkasso und Mahnverfahren bewußt dazu mißbraucht, um für
ihr nicht zustehende Ansprüche Vollstreckungstitel zu erlangen. Bei Wahl des
Klageverfahrens wäre die Beklagte, wie sie hätte erkennen müssen, mit ihrem
Anspruch schon deshalb gescheitert, weil die gerichtliche
Schlüssigkeitsprüfung die Sittenwidrigkeit der zugrunde liegenden
Bestellungen offenbart hätte. Die Klägerin habe aus Unerfahrenheit und
Ungewandtheit die Vollstreckungsbescheide rechtskräftig werden lassen. Ihr
seien die Vielzahl der Schreiben der Beklagten und der Zedentinnen schlicht
über den Kopf gewachsen. Sie habe auch gar nicht mehr überblicken können,
worüber sich die Schuldanerkenntnisse verhielten. Die materiellen Ansprüche
der einzelnen Warenbestellungen seien in dem von der Beklagten gewählten
Verfahren geradezu verschleiert worden. Die Mahnverfahren seien nicht auf
Ansprüche aus Warenlieferungen, sondern auf Ansprüche aus
Schuldanerkenntnissen gestützt worden. Bereits daraus könne ein Schluß auf
die fehlende Gutgläubigkeit der Beklagten gezogen werden. Insgesamt weise
damit auch die Durchsetzung der Forderung eine sittenwidrige Typik auf und
berühre ein besonderes Schutzbedürfnis der Klägerin, weswegen das Vorgehen
aus den Titeln das Rechtsgefühl in schlechthin unerträglicher Weise
verletzen würde.
In Ergänzung dieser Erwägungen des Amtsgerichts hat das Berufungsgericht
ausgeführt: Die Sittenwidrigkeit der Anerkenntnisse folge zum einen aus dem
Umstand, daß die Hauptforderungen der Zedentinnen sittenwidrig und somit
nichtig gewesen seien. Außerdem seien die Anerkenntnisse der Klägerin in
sittenwidriger Weise erlangt. Die Art und Weise ihres Zustandekommens
benachteilige die Klägerin unter Würdigung des Gesamtcharakters des
Rechtsgeschäfts in unangemessener Weise. Sie seien der Klägerin als "Antrag
auf Ratenzahlung und Anerkenntnis" übersandt worden. Eine geschäftlich
unerfahrene Person sehe darin in erster Linie die Möglichkeit,
Verbindlichkeiten in überschaubaren Beträgen zurückzuzahlen. Daß darüber
hinaus auch das Bestehen einer Schuld dadurch bestätigt werde, sei für die
Klägerin als geschäftlich unerfahrene Person nicht erkennbar gewesen. Zudem
hätten die Anerkenntnisse lediglich die Angabe einer Summe aus
Hauptforderung und Inkassogebühren der Beklagten enthalten; für die Klägerin
sei nicht erkennbar gewesen, wie sich die Summe zusammengesetzt und welche
einzelnen Forderungen sie anerkannt habe.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem
entscheidenden Punkt nicht stand.
A. Die Revision rügt allerdings vergeblich, das Berufungsurteil enthalte
keine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO genügende Begründung.
Danach bedarf es einer kurzen Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder
Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Diesen Anforderungen wird das
Berufungsurteil gerecht. Auch eine reine Bezugnahme auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ist jedenfalls dann erlaubt,
wenn dadurch das zulässige Berufungsvorbringen erschöpft wird (Musielak/Ball,
ZPO, 4. Aufl., § 540 Rdnr. 7; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 540
Rdnr. 13). Das Berufungsgericht muß sich mit den Berufungsgründen nur
auseinandersetzen, soweit dies zur Begründung der getroffenen Entscheidung
erforderlich ist (Musielak/Ball, aaO). Dafür war es hier aus der Sicht des
Berufungsgerichts entgegen der Auffassung der Revision nicht geboten, im
einzelnen auf die Angriffe der Berufung gegen die Feststellungen des
Amtsgerichts zur Sittenwidrigkeit der Kaufverträge einzugehen. Denn das
Berufungsgericht hat sich nicht nur den Gründen des erstinstanzlichen
Urteils angeschlossen, sondern es hat daneben - als weitere und selbständige
Begründung seines Urteils - die Auffassung vertreten, die
Vollstreckungsbescheide seien materiell unrichtig, weil die Beklagte (auch)
die Schuldanerkenntnisse, auf die sie gestützt seien, in sittenwidriger
Weise erlangt habe.
B. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch
der Klägerin gemäß § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus
den Vollstreckungsbescheiden und auf Herausgabe der Vollstreckungstitel
angenommen.
1. Zutreffend ist allerdings die Auffassung der Vorinstanzen, die
Vollstreckungsbescheide seien materiell unrichtig.
a) Die von der Beklagten mit den Zedentinnen geschlossenen Kaufverträge
hat das Amtsgericht, dessen Würdigung sich das Berufungsgericht
angeschlossen hat, zu Recht gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit als
nichtig angesehen. Diese Einwendung muß sich gemäß § 404 BGB auch die
Beklagte entgegen halten lassen.
aa) Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach
seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu
entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist
(BGHZ 146, 298, 301; 107, 92, 97; 86, 82,
88). Hierbei ist weder das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit noch eine
Schädigungsabsicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die
Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt; dem steht es gleich,
wenn sich jemand bewußt oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher
Tatsachen verschließt (BGHZ 146, 298, 301;
BGH, Urteil vom 10. Oktober 1997 - V ZR 74/96, WM 1998, 513 = NJW-RR 1998,
590, unter II, m.w.Nachw.). Zu berücksichtigen ist nicht nur der
objektive Gehalt des Geschäftes, sondern es sind auch die Umstände, die zu
seiner Vornahme geführt haben, sowie die Absicht und die Motive der Parteien
in die Würdigung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1997, aaO).
Liegt dem Vertragsschluß eine arglistige Täuschung - wie hier über die zu
erwartenden Geldgewinne - zugrunde, müssen zudem besondere Umstände zu der
durch arglistige Täuschung bewirkten Willensbeeinflussung hinzukommen, die
das Geschäft nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen,
damit § 138 Abs. 1 BGB neben § 123 BGB anwendbar ist (BGH, Urteil vom
26. September 1995 - XI ZR 159/94, WM 1995, 1950 = NJW 1995, 3315, unter II
1 b; Urteil vom 23. Februar 1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425 = WM 1995,
1064, unter II 2 d bb; vgl. auch Urteil vom 4. Juli
2002 - IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774 = WM 2003, 89, unter I 2, zur
widerrechtlichen Drohung).
bb) Solche Umstände hat das Amtsgericht, dessen Begründung sich das
Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, rechtsfehlerfrei festgestellt. Es
hat neben den nicht erfüllten Gewinnversprechen insbesondere die allgemeine
Geschäftspraktik der Zedentinnen als gegen das Anstandsgefühl aller billig
und gerecht Denkenden angesehen. Seine Feststellung, die Zedentinnen
wendeten sich gezielt an ältere, rechtlich und geschäftlich unerfahrene
Personen, wie hier die Klägerin, ist entgegen der Ansicht der Revision aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch wenn das von den Zedentinnen
angebotene Warensortiment Produkte enthalten mag, die in nahezu jedem
Haushalt Verwendung finden können, ist nicht zu erwarten, daß sich eine
rechtlich und geschäftlich erfahrene Person, unabhängig von ihrem Alter,
durch Gewinnzusagen, wie sie die Zedentinnen erteilt haben, dazu verleiten
läßt, derartige Produkte überhaupt oder (wegen der Gewinnzusagen) gerade bei
den Zedentinnen zu erwerben. Bei den von der Klägerin abgeschlossenen
Kaufverträgen handelt es sich zwar im einzelnen um einfache und
überschaubare Geschäfte des täglichen Lebens, deren Bewältigung regelmäßig
keine nennenswerten Erfahrungen im Rechtsund Geschäftsleben voraussetzt.
Ihre Entscheidungsfreiheit und ihre Fähigkeit zur unvoreingenommenen
Beurteilung der Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit der angebotenen
Vertragsschlüsse wurden jedoch, wie das Amtsgericht zutreffend in den
Vordergrund stellt, seitens der Zedentinnen systematisch dadurch geschwächt,
daß sie der Klägerin innerhalb kurzer Zeiträume eine Vielzahl von
Gewinnzusagen in beträchtlicher Höhe zusandten, deren Erfüllung sie von
Bestellungen abhängig machten.
Entgegen der Auffassung der Revision steht einer Berücksichtigung der
zahlreichen Gewinnzusagen bei der Würdigung des Verhaltens der Zedentinnen
als sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB nicht die Vorschrift des §
661a BGB entgegen. Daß der Gesetzgeber damit dem Verbraucher, der eine
Gewinnzusage erhält, einen Anspruch auf Leistung des Preises eingeräumt hat,
läßt nicht den Schluß zu, nach seinem Willen könnten solche
Gewinnversprechen nicht (auch) die Nichtigkeit eines mit ihrer Hilfe
herbeigeführten Rechtsgeschäfts zur Folge haben. Nach der Begründung des
Gesetzentwurfs hat der Gesetzgeber mit der Regelung das Ziel verfolgt, die
Praxis, dem Verbraucher durch Gewinnzusagen Waren aufzudrängen, mit denen er
sich nicht befassen möchte, schon im Ansatz zu unterbinden (BT-Drucks.
14/2658, S. 48 f.; BT-Drucks. 14/2920, S. 15). Dieses Regelungsziel
schließt es nicht aus, für den Fall seiner Verfehlung Art und Weise der
Erteilung der Gewinnzusage und des damit verbundenen Einwirkens auf die
Entschließungsfreiheit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig
anzusehen.
Schließlich hat das Amtsgericht für sein Sittenwidrigkeitsurteil
rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, daß es seitens der Zedentinnen nicht bei
einer einmaligen Aufforderung, eine Bestellung abzugeben, geblieben ist,
sondern es ein wiederholtes Drängen auf Abgabe einer Bestellung gegeben hat,
um den Gewinn "endlich" auszahlen zu können. Die von der Beklagten in der
Berufung erhobene und von der Revision in Bezug genommene Rüge (§ 286 ZPO),
dem Vorbringen der Klägerin könne ein solches wiederholtes Drängen, das
letztlich ursächlich für tatsächlich erfolgte Bestellungen der Klägerin
geworden sei, nicht entnommen werden, hat der Senat geprüft, aber nicht für
durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).
Die geschilderte Geschäftspraktik der Zedentinnen hat das Amtsgericht zu
Recht als mit den guten Sitten nicht vereinbar angesehen. Sie war darauf
angelegt, unter bewußter Ausnutzung der rechtlichen und geschäftlichen
Unerfahrenheit der angesprochenen Personen diese, wie die Klägerin, durch
eine massive Häufung von Gewinnzusagen und wiederholte Appelle, dabei -
einschließlich der Bestellungen - auch alles "richtig" zu machen, zum Kauf
von Gegenständen zu verleiten, die sie sonst nicht erworben hätten.
b) Aus der Nichtigkeit der Kaufverträge folgt, daß die hier streitigen
Vollstreckungsbescheide auch im Hinblick auf die darin enthaltenen Mahn- und
Inkassokosten materiell unrichtig sind, weil Mahn- und Inkassokosten von der
Klägerin nur als Schadensersatz gemäß § 286 BGB in der bis zum 31. Dezember
2001 geltenden Fassung (jetzt §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB) wegen Verzuges
mit der Erfüllung der Kaufpreisforderung geschuldet sein könnten.
c) Zutreffend haben die Vorinstanzen schließlich angenommen, daß die
Vollstreckungsbescheide nicht wegen der von der Klägerin abgegebenen
Schuldanerkenntnisse materiell richtig sind. Dabei kommt es weder
darauf an, ob - wie das Berufungsgericht meint - die Schuldanerkenntnisse
als solche in sittenwidriger Weise erlangt und deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB
nichtig sind, noch darauf, ob es sich um deklaratorische oder konstitutive
Schuldanerkenntnisse handelt.
aa) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist nicht nur nichtig,
soweit es selbst gegen die guten Sitten verstößt, sondern grundsätzlich
auch, soweit es sich auf ein sittenwidriges Ausgangsverhältnis bezieht und
die Nichtigkeitsgründe bei seiner Abgabe noch fortbestehen (BGHZ 104, 18,
24). Das war hier der Fall, weil die Wirkung des sittenwidrigen Verhaltens
der Zedentinnen im Zeitpunkt der Abgabe der Anerkenntnisse durch die
Klägerin noch andauerte. Auf die Kenntnis der Klägerin von den tatsächlichen
Umständen, die das Unwerturteil begründen und die ihr auch schon bei
Abschluß der Kaufverträge bekannt waren, kommt es bei einer derartigen
Fallgestaltung nicht an (BGHZ 104, 18, 25).
bb) Als selbständige, konstitutive Schuldanerkenntnisse unterliegen
die von der Klägerin abgegebenen Anerkenntnisse jedenfalls der Rückforderung
wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs.
2 BGB. Ihrer Geltendmachung durch die Beklagte steht und stand deshalb schon
bei Erlaß der Vollstreckungsbescheide der von Amts wegen zu beachtende
(BGHZ 37, 147, 152) Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242
BGB entgegen, weil die Beklagte das aufgrund der Anerkenntnisse Erlangte
alsbald gemäß §§ 812, 818 Abs. 1 BGB an die Klägerin zurückzugewähren hätte
(dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Der allgemeine
Arglisteinwand des § 242 BGB wird durch die Bereicherungseinrede des § 821
BGB, die von dem Berechtigten geltend gemacht werden muß (BGH, Urteil
vom 16. April 1991 - XI ZR 68/90, WM 1991, 1152 = NJW 1991, 2140, unter II 3
a; Urteil vom 30. November 1998 - II ZR 238/97, NJW-RR 1999, 573, unter
III), nicht ausgeschlossen (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 821 Rdnr.
2 a. E.).
Das Amtsgericht, auf dessen Begründung das Berufungsgericht Bezug genommen
hat, ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Klägerin die
Verpflichtungen aus den Anerkenntnissen zum Zwecke der Sicherung der
Forderungen aus den Kaufverträgen bzw. erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB)
übernommen hat. Ein solches Anerkenntnis ist grundsätzlich kondizierbar,
wenn die gesicherte Forderung, wie hier, nicht oder nicht mehr besteht (BGH,
Urteil vom 16. April 1991, aaO, unter II 3 b; Urteil vom 30. November 1998,
aaO; Urteil vom 18. Mai 2000 - IX ZR 43/99, NJW
2000, 2501 = WM 2000, 1806, unter I 1).
Ein Bereicherungsanspruch kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn die
Parteien mit dem Anerkenntnisvertrag einen Streit oder eine Unsicherheit
über den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses beenden
und ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des anerkannten
Anspruchs eine klare Rechtslage schaffen wollten (Urteil
vom 18. Mai 2000, aaO). Entgegen der Rüge der Revision haben die
Vorinstanzen eine solche Unsicherheit jedenfalls auf seiten der Klägerin, -
rechtsfehlerfrei - verneint.
2. Über die danach gegebene materielle Unrichtigkeit der
Vollstreckungsbescheide hinaus setzt jedoch ein Anspruch aus § 826 BGB auf
Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe der Titel das
Hinzutreten besonderer Umstände voraus, die sich aus der Art und Weise der
Titelerlangung oder der beabsichtigten Vollstreckung ergeben und die das
Vorgehen des Gläubigers als sittenwidrig prägen, so daß letzterem zugemutet
werden muß, die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufzugeben. Solche
Umstände haben das Amtsgericht und ihm folgend das Berufungsgericht zu
Unrecht bejaht.
Die Durchbrechung der Rechtskraft eines Vollstreckungstitels, auch eines
Vollstreckungsbescheides, auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs
nach § 826 BGB darf - wie im Ansatz auch die Vorinstanzen nicht verkannt
haben - nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen
gewährt werden, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt und die
Rechtssicherheit beeinträchtigt würden. Die Rechtskraft muß nur dann
zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar
wäre, daß der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Mißachtung
der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt (st. Rspr.:
BGH, Urteil vom 9. Februar 1999 - VI ZR 9/98, NJW
1999, 1257 = WM 1999, 919, unter II B 1; Urteil
vom 30. Juni 1998 - VI ZR 160/97, WM 1998, 1950 = NJW 1998, 2818, unter
II 1; BGHZ 112, 54, 58 f.; 103, 44, 46 f.; 101, 380, 383 ff.).
a) Das kann der Fall sein, wenn der Gläubiger das Mahnverfahren bewußt
mißbraucht, um für einen ihm nicht zustehenden Anspruch einen
Vollstreckungstitel zu erlangen (Urteil vom 9.
Februar 1999, aaO, unter II B 2 b aa; Urteil
vom 30. Juni 1998, aaO, unter II 2 b aa). Der festgestellte
Sachverhalt rechtfertigt jedoch den vom Amtsgericht angenommenen bewußten
Mißbrauch des Mahnverfahrens durch die Beklagte nicht. Das Amtsgericht
folgert diesen aus dem Umstand, daß die Beklagte, wie diese hätte erkennen
müssen, bei Wahl des Klageverfahrens mit ihrem Anspruch schon deshalb
gescheitert wäre, weil die gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung die
Sittenwidrigkeit der zugrunde liegenden Bestellungen offenbart hätte. Diese
Annahme trifft, wie die Revision zu Recht rügt, nicht zu, so daß
offenbleiben kann, ob sie den Schluß auf einen bewußten Mißbrauch des
Mahnverfahrens rechtfertigen könnte.
Die Beklagte hätte zur Begründung einer Klageforderung lediglich vortragen
müssen, daß und mit welchem Inhalt zwischen den Zedentinnen und der Klägerin
Kaufverträge geschlossen worden sind. Der Inhalt dieser Verträge ist nach
den tatrichterlichen Feststellungen für sich genommen nicht zu beanstanden;
dies gilt erst recht für die Schuldanerkenntnisse. Die sittenwidrigen
Geschäftspraktiken der Zedentinnen, die zu den Bestellungen der Klägerin
geführt haben, sind allein aufgrund der geschlossenen Verträge nicht zu
erkennen; daß sie den Bestellscheinen zu entnehmen gewesen wären, hat die
Klägerin nicht behauptet. Auch daß die Geschäftspraktiken - etwa aufgrund
der vom Amtsgericht angeführten Kampagne der Verbraucherzentrale
Mecklenburg-Vorpommern - offenkundig im Sinne von § 291 ZPO gewesen wären,
ist nicht festgestellt und auch nicht dargetan. Der Anspruch der Beklagten
hätte deshalb einer Schlüssigkeitsprüfung, wie sie für den Erlaß eines
Versäumnisurteils nach § 331 ZPO geboten ist, stand gehalten.
Andere Anhaltspunkte für einen bewußten Mißbrauch des Mahnverfahrens durch
die Beklagte sind nicht ersichtlich. Sie hat - wie die Revision zu Recht
geltend macht - in den Tatsacheninstanzen stets bestritten, die Umstände,
die dem Sittenwidrigkeitsurteil bezüglich der Forderungen der Zedentinnen
zugrunde liegen, bereits bei Beantragung der Mahn- und
Vollstreckungsbescheide gekannt zu haben, und hat vorgetragen, sie sei mit
den Unternehmen A. GmbH und L. -Versand weder persönlich verbunden noch
wirtschaftlich an diesen beteiligt; vielmehr betreibe sie reines
Forderungsfactoring, indem sie von diversen Versandhäusern und Verlagen
fällige, unbestrittene und kaufmännisch angemahnte Forderungen erwerbe, ohne
dabei Kenntnis davon zu erlangen, in welcher Weise die zugrundeliegenden
Verträge im Einzelfall beworben würden. Dem ist die Klägerin, die die
Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 826
BGB trägt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 322 Rdnr. 74), nicht mit
einem unter Beweis gestellten abweichenden Sachvortrag entgegen getreten;
entsprechendes wird auch von der Revisionserwiderung nicht aufgezeigt.
b) Der Fall weist auch keine sonstigen Merkmale typisch sittenwidriger
Fallgestaltungen auf, wie sie in der Rechtsprechung etwa bei der Fallgruppe
der Ausnutzung des Mahnverfahrens im Rahmen von Ratenkreditverträgen mit
unerfahrenen Darlehensnehmern herausgearbeitet worden sind.
Grundvoraussetzungen für eine Durchbrechung der Rechtskraft ist in diesen
Fällen, daß der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid für eine - auch aus
seiner Sicht - erkennbar unschlüssige Forderung erwirkt hat (BGH,
Urteil vom 9. Februar 1999, aaO, unter II B 2 b bb (a); Urteil vom 4.
Mai 1993 - XI ZR 9/93, WM 1993, 1324 = NJW-RR 1993, 1013, unter II 3 a).
Schon daran fehlt es hier, wie hinsichtlich der Hauptforderung oben bereits
ausgeführt.
Ob auch die von der Beklagten im Mahnverfahren geltend gemachten, die
geringen Hauptforderungen der Höhe nach um ein Vielfaches übersteigenden
Ansprüche auf Inkasso- und Rechtsverfolgungskosten einer
Schlüssigkeitsprüfung stand gehalten hätten, kann dahinstehen. Denn die
Erstattungsfähigkeit von Mahn- und Inkassokosten ist in Rechtsprechung und
Schrifttum stark umstritten. Insbesondere ob, unter welchen Voraussetzungen
und in welcher Höhe der Schuldner für Kosten einzustehen hat, die wie hier
durch die Einschaltung eines Inkassobüros entstanden sind, ist bisher nicht
abschließend geklärt (vgl. Seitz in Inkasso-Handbuch, 3. Aufl., Rdnr. 639
ff.; Münch-Komm/Thode, BGB, 4. Aufl., § 286 Rdnr. 22; Palandt/Heinrichs,
BGB, 64. Aufl., § 286 Rdnr. 49; Staudinger/Löwisch, BGB (2004), § 286 Rdnr.
216 ff., jeweils m.w.Nachw.). Der Senat hat in einer Entscheidung vom 24.
Mai 1967 (VIII ZR 278/64, unter II) die einem Gläubiger durch den Auftrag
zur Einziehung einer Forderung bei einem Inkassobüro entstandenen Kosten als
möglichen Verzugsschaden angesehen, der grundsätzlich gemäß § 286 BGB zu
ersetzen ist, und lediglich unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB die Frage
aufgeworfen, ob der Gläubiger eine Erfolglosigkeit der Bemühungen des
Inkassobüros voraussehen konnte. Vor diesem Hintergrund wäre die Annahme,
die Beklagte hätte bei ihren Anträgen auf Erlaß der Vollstreckungsbescheide
jedenfalls erkennen können und müssen, daß ihre Ansprüche auf Mahn- und
Inkassokosten zumindest teilweise schon in einer Schlüssigkeitsprüfung
scheitern würden, selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn dies tatsächlich
der Fall ist.
Der Beklagten kann deshalb auch nicht als ein besonderer, ihr Vorgehen bei
der Durchsetzung ihrer Gesamtforderungen als sittenwidrig prägender Umstand
vorgeworfen werden, sie habe eine etwaige gerichtliche Sachprüfung, sei es
hinsichtlich der Hauptforderungen, sei es hinsichtlich Mahn- und
Inkassokosten von vornherein dadurch umgangen, daß sie die Klägerin
Schuldanerkenntnisse habe unterzeichnen lassen und ihre Anträge auf Erlaß
der Mahn- und Vollstreckungsbescheide auf diese Schuldanerkenntnisse
gestützt habe.
c) Nach alledem fehlt es - selbst wenn man von einem besonderen
Schutzbedürfnis der Klägerin als einer geschäftlich und wirtschaftlich
unerfahrenen Person ausgeht, die nach den tatrichterlichen Feststellungen
mit der Vielzahl der von der Beklagten veranlaßten Mahnungen,
Anerkenntnisse, Teilzahlungsabreden und schließlich Mahn- und
Vollstreckungsbescheide in der Abwicklung, wenn auch möglicherweise nicht in
finanzieller Hinsicht, überfordert war - auf seiten der Beklagten, die
lediglich Zessionarin der geltend gemachten Forderungen aus den
sittenwidrigen Kaufverträgen ist, an den erforderlichen - nachweisbaren -
besonderen Umständen, die es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin
unvereinbar erscheinen ließen, daß sie als Titelgläubigerin ihre formelle
Rechtsstellung unter Mißachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten der
Klägerin ausnutzt. Die Rechtssicherheit gebietet es, eine Durchbrechung der
Rechtskraft auch bei einem unrichtigen Titel - wie ausgeführt - nur in
besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen. Die
von den Vorinstanzen festgestellten Umstände bei der Durchsetzung der
Forderungen durch die Beklagte reichen dafür ihrer Art und ihrer Bedeutung
nach nicht aus.
III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die
Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif
ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Der auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus den
Vollstreckungsbescheiden und auf Herausgabe der Titel gerichtete Hauptantrag
der Beklagten ist nach dem oben (unter II) Ausgeführten als unbegründet
abzuweisen.
Unbegründet und mithin abzuweisen ist auch der Hilfsantrag der Klägerin, die
Vollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden für unzulässig zu erklären.
Die Klägerin hat die damit erhobene Vollstreckungsabwehrklage aus § 767 ZPO
auf ein von der Beklagten im November 2002 abgegebenes Gewinnversprechen
über 6500 € gestützt, das gemäß § 661a BGB einen Leistungsanspruch der
Klägerin begründet habe, mit dem sie die Aufrechnung gegenüber den mit den
Vollstreckungsbescheiden titulierten Forderungen erklärt hat. Diese
Aufrechnung ist unzulässig.
Denn der Vortrag der Klägerin zu einem Gewinnversprechen der Beklagten ist
unschlüssig. Sie hat zur Begründung ein Schreiben von November 2002
vorgelegt, das nicht die Beklagte, sondern das Unternehmen A. Versand als
Absender der Gewinnzusage ausweist. Nur diesem gegenüber kann sie deshalb
nach § 661a BGB einen Zahlungsanspruch erworben haben; Absender einer
Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB ist derjenige Unternehmer, den ein
durchschnittlicher Verbraucher in der Lage des Empfängers einer Gewinnzusage
als Versprechenden ansieht (BGH, Urteil vom 7.
Oktober 2004 - III ZR 158/04, NJW 2004, 3555, unter II 2 a). Für eine
Aufrechnung fehlt es daher an der gemäß § 387 BGB erforderlichen
Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen. Die Klägerin kann mit einem
erst im November 2002 gegenüber dem Unternehmen A. begründeten Anspruch aus
§ 661a BGB auch nicht gemäß § 406 BGB gegenüber der Beklagten aufrechnen,
weil sie bei Erwerb des Anspruchs bereits wußte, daß das Unternehmen A. die
Gegenforderungen an die Beklagte abgetreten hatte. |