Schutzbereich der haftungsbegründenden Norm;
Ersetzbarkeit von Schockschäden bei ärztlicher Fehlbehandlung eines nahen
Angehörigen
BGH v. 21.3.2019 - VI ZR 299/17 (OLG Köln)
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die zum "Schockschaden"
entwickelten Grundsätze (vgl. nur Senatsurteile vom 10. Februar 2015 - VI ZR
8/14, NJW 2015, 2246 Rn. 9; vom 27. Januar 2015 -
VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451 Rn. 6) sind auch in dem Fall anzuwenden, in
dem das haftungsbegründende Ereignis kein Unfallereignis im eigentlichen
Sinne, sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist. Eine
Rechtfertigung dafür, die Ersatzfähigkeit von "Schockschäden" im Falle
ärztlicher Behandlungsfehler weiter einzuschränken als im Falle von
Unfallereignissen, besteht grundsätzlich nicht.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Haftung für sog. "Schockschäden". Im
Zentrum steht die Kausalitätsfrage bei sog. "psychisch vermittelter
Kausalität", meit im Rahmen einer deliktischen Haftung nach § 823 I BGB
wegen Körperverletzung.
Seelische Erschütterungen begründen nur dann eine Rechtsverletzung i.S.v. §
823 I BGB, wenn sie Krankheitswert haben (BGHZ 56, 163
ff;
BGH NJW 2006, 3268).
Werden diese "Schockschäden" aber psychisch vermittelt, kommt ein
Kausalitätsproblem hinzu (BGHZ 93, 351):
Zwar ist die Handlung des Schädigers, der einen nahen Angehörigen tötet,
äquivalent und uU auch adäquat kausal für den psychischen Schaden des
Familienangehörigen. Das
Haftungsrecht ist aber bemüht, hier zur Vermeidung von Haftungslawinen weitere
Einschränkungen zu setzen. Das geschieht mittels der "normativen Zurechnung"
bzw. dem Erfordernis des Zurechnungszusammenhangs. Auch wird danach
unterschieden, ob es sich nur um den "normalen" Schock einer Todesnachricht
handelt oder die medizinisch relevante Beeinträchtigung auf das Miterleben
des Unfalls zurückgeht. Einen solchen sieht die
Rspr. bei Tötung und Verletzung naher Angehöriger gegeben, nicht aber etwa
bei anderen Personen (s. hierzu etwa
BGH NJW 2007, 2764 = BGHZ 172, 263) und auch nicht bei Tieren, selbst wenn sie dem Geschädigten emotional nahe
stehen (BGH v. 20.3.2012 - VI ZR 114/11).
Wichtig ist die dabei relevante Abgernzung zum allgemeinenLebensrisiko. S. zu diesem Themenkomplex auch die Anm. zu
BGHZ
93, 351;
BGH NJW 2006, 3268;
BGH NJW 2007, 2764;
BGH NJW 2009, 3025;
BGH v. 6.2.2007 - VI ZR 55/06.
In der vorliegenden Entscheidung werden diese Grundsätze auch auf
fehlerhafte ärztliche Behandlungen angewendet - was vollkommen richtig ist:
Eine nahe Angehörige (Ehefrau) hatte aufgrund der mit Lebensgefahr
verbundenen Fehlbehandlung ihres Mannes ein depressives Syndrom erlitten.
Für dies Gesundheitsverletzung haftet der Arzt nach § 823 I BGB. Die
vorliegende Entscheidung legt lehrbuchartig den derzeitigen Stand der Rspr.
dar.
S. dazu jetzt auch BGH v. 6.12.2022 -
VI ZR 168/21, wo das Kriterium aufgegeben wurde, dass die
gesundheitlichen Beeinträchtigungen über dasjenige hinausgehen müssen, dem
Betroffene bei der Verletzung eines Rechtsgutes eines nahen Angehörigen in
der Regel ausgesetzt sind.
©sl 2019
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt die Beklagte nach einer ärztlichen Behandlung ihres
inzwischen verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Patient) aus originär
eigenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.
2 Der Patient ließ am
27. April 2012 in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus eine
Koloskopie mit Polypektomie durchführen. Am 28. April 2012 wurde eine
Darmperforation festgestellt; in der Folgezeit kam es zu einer Peritonitis.
Nach einem zunächst konservativen Therapieversuch wurde am 30. April 2012
eine Laparoskopie und am 3. Mai 2012 eine Laparotomie durchgeführt. Im Jahr
2014 kam ein vom Patienten in Auftrag gegebenes Privatgutachten zum
Ergebnis, zwar handle es sich bei der Perforation des Darmes um eine
schicksalhafte Komplikation der Koloskopie, grob fehlerhaft sei es aber
gewesen, den Darmwanddefekt drei Tage nach der Perforation im Stadium der
Entzündung laparoskopisch zu übernähen. Ein weiteres, für die AOK Rheinland
erstelltes Gutachten stellte ebenfalls Behandlungsfehler fest. Die Operation
sei - so dieses Gutachten - verspätet und unter Anwendung einer fehlerhaften
Operationstechnik durchgeführt worden. Der Patient einigte sich schließlich
mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten auf eine Abfindungszahlung in
Höhe von 90.000 €.
3 Im Wesentlichen mit der Behauptung, der Patient
sei in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus grob fehlerhaft
behandelt worden und habe deshalb mehrere Wochen in akuter Lebensgefahr
geschwebt, weshalb sie - die Klägerin - massive psychische
Beeinträchtigungen in Form eines depressiven Syndroms mit ausgeprägten
psychosomatischen Beschwerden und Angstzuständen erlitten habe,
nimmt die Klägerin die Beklagte auf materiellen und immateriellen
Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das
Berufungsgericht die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin
zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht hat
zur Begründung seiner Entscheidung, die in Juris und unter BeckRS 2017,
145862 veröffentlicht ist, im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe
auch unter Berücksichtigung der zu den sogenannten "Schockschäden"
entwickelten Rechtsprechung kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld
gegen die Beklagte zu. Zwar sei in Rechtsprechung und Literatur seit langem
anerkannt, dass psychische Beeinträchtigungen, die jemand infolge des
Unfalltodes oder einer schweren Gesundheitsverletzung eines nahen
Angehörigen erleide, eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1
BGB darstellen könnten, wenn die psychischen Beeinträchtigungen - wie die
hier von der Klägerin behaupteten - pathologisch fassbar seien und nach Art
und Schwere über das hinausgingen, was nahe Angehörige in vergleichbarer
Lage erfahrungsgemäß erlitten. Auch komme als haftungsbegründendes
Schadensereignis eine fehlerhafte ärztliche Behandlung in Betracht. Ein
solcher Anspruch setze entgegen der Annahme des Landgerichts nicht
grundsätzlich den Tod eines nahen Angehörigen voraus. Der Klägerin
stehe im Streitfall aber deshalb kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die
Beklagte zu, weil sich der Patient, als er nach dem Vorbringen der Klägerin
infolge eines ärztlichen Behandlungsfehlers eine lebensgefährliche
Peritonitis erlitten habe, aufgrund der schicksalhaft bei der Koloskopie
eingetretenen Darmperforation bereits in einem potenziell lebensbedrohlichen
Zustand befunden habe, deren möglicherweise fehlerhafte Behandlung (nur) zu
einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch Auftreten der
Peritonitis geführt habe. Denn das Erleben einer nach ärztlicher
Behandlung eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines
nahen Angehörigen sei dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen
und unterfalle daher grundsätzlich nicht dem Schutzzweck
der deliktischen oder vertraglichen Haftung. Anderes könne
ausnahmsweise für solche Fälle gelten, in denen durch den Behandlungsfehler
ein Gesundheitsschaden des Patienten verursacht worden sei, der nach Art und
Schwere eine ganz andere Qualität als die behandelte Grunderkrankung
aufweise und den durch den Behandlungsfehler ausgelösten Schock in
irgendeiner Weise verständlich mache; ein solcher Fall sei vorliegend nicht
gegeben.
II.
5 Diese Ausführungen halten der
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
6 1.
Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus,
dass die vom Senat zum "Schockschaden" entwickelten Grundsätze auch in dem
Fall anwendbar sind, in dem das schadensbegründende Ereignis kein
Unfallgeschehen im eigentlichen Sinne, sondern eine fehlerhafte ärztliche
Behandlung ist.
7 a) Nach ständiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung können psychische Störungen von Krankheitswert eine
Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen
(vgl. Senatsurteile vom 27. Januar 2015 - VI ZR
548/12, NJW 2015, 1451 Rn. 6; vom 20. Mai 2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201,
263 Rn. 8; vom 22. Mai 2007 - VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn. 12; vom 16.
Januar 2001 - VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431, 1432, juris Rn. 13; vom 30.
April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 344, juris Rn. 15; vom 4. April
1989 - VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317 f., juris Rn. 9; vom 12. November 1985
- VI ZR 103/84, NJW 1986, 777, 778, juris Rn. 9). Die
Schadensersatzpflicht für psychische Auswirkungen einer Verletzungshandlung
setzt nicht voraus, dass diese Auswirkungen eine organische Ursache haben;
es genügt vielmehr grundsätzlich die hinreichende Gewissheit, dass die
psychisch bedingte Gesundheitsbeschädigung ohne die Verletzungshandlung
nicht aufgetreten wäre (Senatsurteile vom 27. Januar 2015 - VI ZR
548/12, aaO; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO, 343 f., juris Rn. 14;
vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90, NJW 1991, 2347, 2348, juris Rn. 9; vom 2.
Oktober 1990 - VI ZR 353/89, NJW 1991, 747, 748, juris Rn. 8; vom 4. April
1989 - VI ZR 97/88, aaO; jeweils mwN). Im Bereich der sogenannten
"Schockschäden" erfahren diese Grundsätze allerdings eine gewisse
Einschränkung. Danach begründen seelische Erschütterungen wie Trauer oder
seelischer Schmerz, denen Betroffene beim Tod oder einer schweren Verletzung
eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, auch dann nicht ohne
weiteres eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, wenn sie
von Störungen der physiologischen Abläufe begleitet werden und für die
körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sind. Denn die Anerkennung
solcher Beeinträchtigungen als Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs.
1 BGB widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, die Deliktshaftung gerade
in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch nach den durch sie
gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken
und Beeinträchtigungen, die allein auf die Verletzung eines Rechtsgutes bei
einem Dritten zurückzuführen sind, mit Ausnahme der §§ 844, 845 BGB
ersatzlos zu lassen. Psychische Beeinträchtigungen können
in diesen Fällen deshalb nur dann als Gesundheitsverletzung im Sinne des §
823 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind und über
die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Betroffene beim
Tod oder einer schweren Verletzung eines nahen Angehörigen in der Regel
ausgesetzt sind (vgl. nur Senatsurteile vom 10. Februar 2015 - VI
ZR 8/14, NJW 2015, 2246 Rn. 9; vom 27. Januar 2015 - VI ZR 548/12, aaO, Rn.
7; ferner Senatsurteil vom 17. April 2018 - VI ZR 237/17, BGHZ 218, 220 Rn.
10).
8 b) Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Grundsätze im
Ausgangspunkt im hier vorliegenden Fall angewendet, in dem das
haftungsbegründende Ereignis kein Unfallereignis im eigentlichen Sinne,
sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist (vgl. etwa OLG
Koblenz, GesR 2017, 724 ff.; OLG Naumburg, VersR 2014, 591, 592 f.; NJW-RR
2009, 1402, 1403 f.; OLG Köln, VersR 2011, 674 f.; OLG Frankfurt, FamRZ
1999, 1064; Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. A 94;
Spickhoff/Greiner, 3. Aufl., BGB §§ 823 ff. Rn. 364). Es ist kein
Grund erkennbar, denjenigen, der eine (psychische) Gesundheitsverletzung im
dargestellten Sinne infolge einer behandlungsfehlerbedingten Schädigung
eines Angehörigen erleidet, anders zu behandeln als denjenigen, den die
(psychische) Gesundheitsverletzung infolge einer auf einem Unfallereignis
beruhenden Schädigung des Angehörigen trifft.
9 2. Weiter
scheidet ein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des - auch im
Revisionsverfahren zugrunde zu legenden - Vortrags der Klägerin
nicht deshalb aus, weil ihre psychischen Beeinträchtigungen nicht das von
der Rechtsprechung geforderte außergewöhnliche Ausmaß erreicht hätten.
Die Würdigung des Berufungsgerichts, die von der Klägerin behaupteten
pathologisch fassbaren Beschwerden, ein mittelschweres depressives Syndrom
und behandlungsbedürftige Angstzustände, gingen hinsichtlich
Intensität und Dauer über das hinaus, was ein Angehöriger in vergleichbarer
Lage erleide, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
10 3.
Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, ein
Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte sei deshalb zu verneinen, weil die
Erkrankung der Klägerin - auch bei unterstellter Kausalität der
behandlungs-fehlerbedingten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des
Patienten für die von der Klägerin behauptete (psychische)
Gesundheitsverletzung - nicht vom Schutzzweck der verletzten Normen
umfasst werde und sich in der Erkrankung der Klägerin deshalb lediglich das
allgemeine Lebensrisiko verwirklicht habe.
11 a)
Freilich bedarf der Zurechnungszusammenhang gerade in Fällen psychischer
Gesundheitsbeeinträchtigungen einer gesonderten Prüfung (vgl.
Senatsurteile vom 17. April 2018 - VI ZR 237/17, BGHZ 218, 220 Rn. 13; vom
20. Mai 2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn. 9; vom 22. Mai 2007 - VI ZR
17/06, BGHZ 172, 263 Rn. 13 ff.; Stöhr, NZV 2009, 161, 163). Dabei
ist zu berücksichtigen, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck
der verletzten Norm begrenzt wird. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur,
wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der
Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist.
Hierfür muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende
Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung bzw. der
geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise
unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Daran fehlt es in der
Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen
Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist.
Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar
gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise
zu gewärtigen hat. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. nur
Senatsurteile vom 17. April 2018 - VI ZR 237/17, aaO; vom 20. Mai 2014 - VI
ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn. 10, mwN).
12 Verneint wurde der
Zurechnungszusammenhang bei psychischen Beeinträchtigungen vor diesem
Hintergrund etwa dann, wenn der Geschädigte das schadensauslösende Ereignis
in neurotischem Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass
nimmt, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen
(vgl. nur Senatsbeschluss vom 10. Juli 2018 - VI ZR 580/15, NJW 2018,
3097 Rn. 7; Senatsurteil vom 10. Februar 2015 - VI ZR 8/14, NJW 2015,
2246 Rn. 11, mwN), ebenso im Fall der psychischen Gesundheitsverletzung
einer Mutter aufgrund der Nachricht über eine schwere Erbkrankheit des
Vaters der gemeinsamen Kinder (Senatsurteil vom 20. Mai 2014 - VI ZR 381/13,
BGHZ 201, 263 Rn. 9 ff.). Entsprechendes kann gelten, wenn das schädigende
Ereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle), nicht gerade speziell eine
Schadensanlage des Verletzten trifft und die psychische Reaktion deshalb im
konkreten Fall schlechterdings nicht mehr verständlich ist, weil sie in grobem Missverhältnis zum Anlass steht (vgl. etwa Senatsbeschluss vom
10. Juli 2018 - VI ZR 580/15, aaO; Senatsurteile vom 10. Februar 2015 - VI
ZR 8/14, aaO; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 346, juris
Rn. 21; ferner Pauge/Offenloch, Arzthaftungsrecht, 14. Aufl., Rn. 370).
Für
den auch im Streitfall betroffenen Bereich der sogenannten "Schockschäden"
ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung darüber hinaus anerkannt, dass
es an dem für eine Schadensersatzpflicht erforderlichen
Schutzzweckzusammenhang fehlt, wenn der Dritte, auf dessen Tod oder schwere
Verletzung die psychischen Beeinträchtigungen des Betroffenen zurückgehen,
diesem nicht persönlich nahesteht; auch insoweit verwirklicht sich allein
ein - dem Schädiger nicht zurechenbares - allgemeines Lebensrisiko (vgl.
Senatsurteil vom 20. März 2012 - VI ZR 114/11, BGHZ 193, 34 Rn. 8, mwN;
zur Gegenmeinung vgl. etwa Huber, LMK 2012, 336116).
13 b) Nach diesen
Grundsätzen kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen
nicht davon ausgegangen werden, in der - von ihr behaupteten und mangels
abweichender Feststellungen der revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu
legenden - psychischen Gesundheitsverletzung der Klägerin habe sich
lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Weder kann die
vorliegend zu beurteilende Fallkonstellation einer insoweit anerkannten
Fallgruppe zugeordnet werden noch ist es bei wertender Betrachtung
gerechtfertigt, das Risiko, das sich im Streitfall bei der Klägerin
verwirklicht hat, allein ihrer Sphäre zuzurechnen.
14 aa) Nach dem
Vortrag der Klägerin, hinsichtlich dessen das Berufungsgericht keine
entgegenstehenden Feststellungen getroffen hat und der deshalb der
revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist, waren die Peritonitis
und der mit ihr einhergehende akut lebensbedrohliche Zustand des Patienten
- jedenfalls auch - Folge eines ärztlichen Behandlungsfehlers im Hause der
Beklagten. Der Behandlungsfehler war damit nicht nur adäquat
kausal für die Lebensgefahr des Patienten; vielmehr realisierte sich für den
Patienten in seiner lebensbedrohlichen Erkrankung auch das dem
Behandlungsfehler innewohnende Risiko.
15 bb) Für die
Gesundheitsverletzung der Klägerin gilt im Ergebnis nichts anderes. Ob
der behandlungsfehlerbedingt akut lebensgefährliche Zustand des Patienten
für die (psychische) Gesundheitsverletzung der Klägerin kausal war, hat das
Berufungsgericht - trotz geäußerter Zweifel - offengelassen. Im
Revisionsverfahren ist die von der Klägerin behauptete Kausalität deshalb zu
unterstellen. Auf dieser Grundlage ist dann aber auch der für eine Haftung
der Beklagten gegenüber der Klägerin erforderliche Zurechnungszusammenhang
zu bejahen. Zwar erfasst der - wie gezeigt ohne weiteres gegebene -
Zurechnungszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und der akut
lebensgefährlichen Erkrankung des Patienten nur einen Teilaspekt des für
eine Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin erforderlichen
Zurechnungszusammenhangs zwischen Behandlungsfehler einerseits und
psychischer Gesundheitsverletzung der Klägerin andererseits. Die danach noch
bestehende "Lücke" zwischen der Rechtsgutsverletzung beim Patienten und der
Gesundheitsverletzung der Klägerin wird aber durch die Grundsätze der
sogenannten "Schockschadensrechtsprechung" geschlossen. Insbesondere bestand
zwischen dem Patienten und der Klägerin als seiner Ehefrau die danach
erforderliche (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2012 - VI ZR 114/11, BGHZ 193,
34 Rn. 8) besondere personale Beziehung. Eine Rechtfertigung dafür, die
Ersatzfähigkeit sogenannter "Schockschäden" im Falle ärztlicher
Behandlungsfehler weiter einzuschränken als im Falle von Unfallereignissen,
ist - anders als das Berufungsgericht meint - auch insoweit nicht zu
erkennen.
III. 16 Danach war das angefochtene Urteil gemäß §
562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im weiteren Verfahren wird das
Berufungsgericht zu beachten haben, dass für den für eine Haftung der
Beklagten gegenüber der Klägerin erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen
behandlungsfehlerbedingter Verschlechterung des Gesundheitszustands des
Patienten einerseits und psychischer Gesundheitsverletzung der Klägerin
andererseits das Beweismaß des § 286 ZPO gilt.
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