Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte;
Berufshaftung von Sachverständigen und Beratern (hier: Abschlussprüfer);
Zurechnung des Mitverschuldens des Vertragspartners beim Vertrag zugunsten
Dritter; kein Mitverschulden bei Vertrauen auf die vertraglich geschuldete
Beratung; Kausalitätsnachweis: Reichweite der Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens
BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR
145/11
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Der Gesellschafter und der Geschäftsführer können
in den Schutzbereich eines zwischen einer GmbH und einem Steuerberater
geschlossenen Vertrages einbezogen sein, welcher die Prüfung einer möglichen
Insolvenzreife der GmbH zum Gegenstand hat.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt
der sehr gehaltvollen Entscheidung stehen Grundfragen des Vertrags mit Schutzwirkung für
Dritte. Die Entscheidung fasst den Stand und die Entwicklung der Rspr.
hervorragend zusammen. S. dazu auch BGHZ 159, 1
und BGHZ 133, 168 sowie die Anm. zu BGH NJW
2002, 3625. S. Weiter BGHZ 145, 187, 197;
BGHZ 127, 378, 380 f;
BGH NJW 1998, 1059, 1062. Zur Frage
der Schutzbedürftigkeit des Dritten s.
BGH NJW
2004, 3420. Zur Abgrenzung zur Drittschadensliquidation s. etwa
BGH v. 7.5.2009 - III ZR 277/08.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Klägerin war
Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der C. GmbH (nachfolgend:
GmbH). Seit dem Jahr 2002 war der beklagte Steuerberater, der seinerzeit
eine Bürogemeinschaft mit dem Ehemann der Klägerin, einem Rechtsanwalt,
unterhielt, für die GmbH tätig und erstellte unter anderem Jahresabschlüsse
und Bilanzen.
2 Anlässlich der Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 fand am 10. Februar
2006 ein Gespräch zwischen der Klägerin, ihrem an der GmbH still beteiligten
Ehemann und dem Beklagten statt. Gegenstand der Unterredung war auch die
wirtschaftliche Situation der GmbH und die Frage einer möglichen
Insolvenzantragspflicht. Nach diesem Gespräch erhöhte der Ehemann der
Klägerin seine stille Beteiligung um 100.000 €. Nach Erhalt der von dem
Beklagten für das Jahr 2005 unter dem Datum des 26. Juni 2006 gefertigten
Bilanz stellte die Klägerin am 27. Juni 2006 wegen Überschuldung und
drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag über das Vermögen der
GmbH.
3 Im eröffneten Verfahren forderte der Insolvenzverwalter der GmbH von der
Klägerin Erstattung der von ihr nach Insolvenzeintritt für die GmbH
geleisteten Zahlungen. Infolge der für den 31. Dezember 2005 festgestellten
Über-schuldung der GmbH wurde die Klägerin rechtskräftig zur Zahlung von
234.707 € verurteilt; außerdem hatte sie Prozesskosten in Höhe von 38.271,13
€ zu tragen. Ferner wurden die Klägerin und ihr Ehemann von der H. aus für
Verbindlichkeiten der GmbH übernommenen Bürgschaften in Regress genommen; im
Rahmen einer vergleichsweisen Regelung verpflichtete sich die Klägerin zur
Zahlung eines Abfindungsbetrages über 67.570,39 € sowie zur Übernahme von
Prozesskosten über 12.100,55 €. Schließlich hat die Klägerin ihrem Ehemann
wegen eines ihm aus Anlass der Erhöhung seiner stillen Beteiligung erteilten
Schuldanerkenntnisses 100.000 € zu zahlen.
4 Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen des Vorwurfs, bei
der Unterredung vom 10. Februar 2006 in Kenntnis der für das Jahr 2005
maßgeblichen Zahlen die erbetene Aufklärung über die Insolvenzreife der GmbH
versäumt zu haben, Zahlung von Schadensersatz über 452.648,17 €.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I.
6 Das Berufungsgericht hat gemeint, dass dem zwischen der GmbH und
dem Beklagten geschlossenen Steuerberatervertrag keine drittschützende
Wirkung zugunsten der Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH innewohne.
Es komme lediglich im Einzelfall eine Einbeziehung des Geschäftsführers in
den Schutzbereich des Mandats mit der GmbH in Betracht, wenn ein
Steuerberater monatlich gesondert abgerechnete Überschuldungsprüfungen zu
fertigen habe, deren Arbeitsergebnis in evidenter Weise auch für den
Geschäftsführer maßgeblich sei. Anhaltspunkte für eine derartige Gestaltung
seien im Streitfall nicht ersichtlich. Die Klägerin könne eigene
Ansprüche auch nicht auf einen mit dem Beklagten geschlossenen
Auskunftsvertrag stützen.
7 Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht der GmbH schieden ebenfalls
aus. Zwar habe dem Beklagten als Nebenpflicht seines Auftrags oblegen, die
GmbH vor einer Insolvenzgefahr zu warnen. Darum wäre der Beklagte anlässlich
der Unterredung vom 10. Februar 2006 verpflichtet gewesen, auf eine drohende
Insolvenzgefahr und die Erforderlichkeit entsprechender Prüfungen
hinzuweisen. Es stelle sich aber die Frage, in welchem Umfang eine Belehrung
konkret geschuldet sei und ob von der Widerlegung einer
Belehrungsbedürftigkeit auszugehen sei. Insoweit komme dem Umstand Bedeutung
zu, dass die Klägerin in ihrer Funktion als GmbH-Geschäftsführerin und wegen
ihrer Vorbildung als Diplomvolkswirtin nicht als in wirtschaftlichen
Zusammenhängen unerfahren gelten könne. Im Übrigen seien sich die
Beteiligten anlässlich der Besprechung des Insolvenzrisikos bewusst gewesen.
Es stelle sich die weitere Frage, ob der Beklagte zu einem deutlicheren
Hinweis verpflichtet gewesen sei, dass auf der Basis der vorhandenen
Erkenntnisse keine abschließende Beurteilung des Insolvenzrisikos erfolgen
könne. Hier habe sich der Beklagte auf eine hinreichende Beratung der
Klägerin durch ihren Ehemann als zugezogenen Spezialisten verlassen dürfen.
II.
8 Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach
dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt hat der Beklagte
fehlerhafte Auskünfte über eine Insolvenzreife der GmbH erteilt.
9 1. Verpflichtet sich der Steuerberater zur Prüfung der
Insolvenzreife eines Unternehmens, handelt es sich um einen Werkvertrag
(§ 631 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, WM
2000, 973, 974; vom 7. Februar 2002 - III ZR 1/01, WM 2002, 1406, 1407),
der keine steuerliche Beratung zum Gegenstand hat.
10 a) Der Tätigkeitsbereich des Steuerberaters geht über die eigentliche
steuerliche Rechtsberatung weit hinaus. Die Hilfeleistung in Steuersachen
umfasst nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG auch "die Hilfeleistung bei der Führung
von Büchern und Aufzeichnungen sowie bei der Aufstellung von Abschlüssen,
die für die Besteuerung von Bedeutung sind" (vgl. auch § 33 Satz 2 StBerG).
Darüber hinaus ist dem Steuerberater gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG
ausdrücklich erlaubt "eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder
treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die
Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und
Erfolgsrechnungen". Davon wird auch verbreitet Gebrauch gemacht, und zwar
vor allem - wie auch der Streitfall belegt - bei der Erstellung oder Prüfung
von Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen (BGH, Beschluss vom 13.
Oktober 1980 - NotZ 13/80, BGHZ 78, 237, 242). Das Berufsbild des
Steuerberaters kennt danach wenigstens zwei selbständige Formen der
Berufsausübung innerhalb des Sammelbegriffs "Hilfeleistung in Steuersachen",
einmal die eigentliche Steuerberatung in der Form echter Rechtsberatung auf
dem Gebiet des Steuerrechts und zum anderen die Buchführungshilfe (BVerfGE
54, 301, 323). Von der eigentlichen Steuerberatung als Rechtsberatung auf
dem Gebiet des Steuerrechts ist also die Hilfeleistung bei der Erfüllung der
Buchführungspflichten zu unterscheiden (Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl., §
33 Rn. 8), die der Rechnungslegung zuzuordnen ist
(Bundessteuerberaterkammer, DStR 1992, 683, 686).
11 b) Bereits der Gesetzgeber hat im Rahmen der Begründung der mit § 33
StBerG nahezu inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 2 StBerG aF in
Einklang mit dem Gesetzeswortlaut darauf verwiesen, dass lediglich die
Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung als
Steuerberatung zu verstehen sind (BT-Drucks. 3/128, S. 24). Gesetzlich
vorgeschriebene Prüfungen sind gemäß § 319 Abs. 1 HGB - abhängig von der
Größe des Unternehmens - Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern
vorbehalten. Dagegen können die im Streitfall den Vertragsgegenstand
bildenden freiwilligen Prüfungen grundsätzlich von „jedermann" durchgeführt
werden (Hense/Ulrich/ Wollburg, WPO, 2008, § 2 Rn. 5), mithin auch von
Steuerberatern (Bundessteuerberaterkammer DStR 1992, 683). Demgemäß besteht
der eigens nach §§ 35, 36 StGebV zu vergütende Vertrag über die
Abschlussprüfung unabhängig von dem über die laufende Steuerberatertätigkeit
(BGH, Urteil vom 1. Februar 2000, aaO). Vor diesem Hintergrund scheidet bei
Ausübung dieser Tätigkeit eine steuerrechtliche Rechtsberatung aus.
12 2. Der Klägerin können auf der Grundlage von § 634 Nr. 4 BGB aus
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herzuleitende
Schadensersatzansprüche (vgl. Zugehör in Zugehör/G. Fischer/Vill/D.
Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1705)
gegen den Beklagten zustehen. Sie ist - was im Blick auf die
verfolgten unterschiedlichen Schadensersatzansprüche von Bedeutung ist -
sowohl in ihrer Funktion als Gesellschafterin wie auch als Geschäftsführerin
in den Schutzbereich des von der GmbH mit dem Beklagten geschlossen
Prüfvertrages einbezogen.
13 a) Neben dem gesetzlich geregelten Vertrag zu Gunsten Dritter (§
328 BGB), bei dem ein Dritter unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu
fordern, hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten
Dritter herausgebildet, bei dem der Anspruch auf die geschuldete
Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise
in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten, aber auch
Hauptleistungspflichten, einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung
vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann (BGH,
Urteil vom 8. Juni 2004 - X ZR 283/02, WM 2004, 1869,1870).
14 aa) Diese Rechtsprechung beruht auf einer
maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten
ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Ihr liegt zugrunde, dass der
Vertragsschuldner die Leistung nach dem Vertrag so zu erbringen hat, dass
bestimmbare Dritte nicht geschädigt werden. Das hat zur Folge, dass einem
einbezogenen Dritten im Falle der Schädigung ein eigener Ersatzanspruch als
sekundärer vertraglicher Leistungsanspruch gegen den Schuldner zusteht
(BGH, Urteil vom
20. April 2004 - X ZR 250/02, BGHZ 159, 1, 4).
Der Bundesgerichtshof hat bei der Entscheidung darüber, ob eine bestimmte
Person in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen ist, vielfach darauf
abgestellt, ob das Wohl und Wehe dieser Person dem Vertragspartner der
schutzpflichtigen Partei anvertraut war (BGH, Urteil vom 2.
November 1983 - IVa ZR 20/82, NJW 1984, 355 f).
15 bb) Die Rechtsprechung darf jedoch nicht dahin missverstanden
werden, dass damit die rechtlichen Grenzen für die Einbeziehung Dritter in
den Schutzbereich eines Vertrages abschließend bezeichnet werden sollten;
vielmehr sollte lediglich die Frage entschieden werden, unter welchen
Voraussetzungen allein aufgrund der objektiven Interessenlage - also ohne
einen konkreten Anhaltspunkt in ausdrücklichen Parteierklärungen oder im
sonstigen Parteiverhalten - die stillschweigende Vereinbarung einer
Schutzpflicht für Dritte anzunehmen ist. Die
Vertragsparteien können daher auch dann, wenn einer von ihnen Wohl und Wehe
eines Dritten anvertraut ist, wirksam vereinbaren, dass dieser Dritte nicht
in den Schutzbereich des Vertrages eingebunden werden soll (BGH,
Urteil vom 23. Januar 1985 - IVa ZR 66/83, ZIP 1985, 398, 400).
16 cc) Ebenso können die Vertragspartner im umgekehrten Fall, wenn
es ihnen nicht um das Wohl und Wehe eines Dritten geht oder gehen muss,
diesen Dritten ausdrücklich oder stillschweigend in den Schutzbereich ihres
Vertrages einbeziehen (BGH, Urteil vom 19. März 1986 - IVa ZR
127/84, NJW-RR 1986, 1307). Auf dieser Entwicklungslinie hat sich
eine Berufshaftung für Rechtsanwälte, Sachverständige, Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer herausgebildet. Es handelt sich hier um
Berufsgruppen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde
verfügen und deren Vertragsleistungen von
vornherein erkennbar zum Gebrauch gegenüber einem Dritten bestimmt sind und
nach dem Willen des Auftraggebers mit einer entsprechenden Beweiskraft
ausgestattet sein sollen, so etwa bei einer Bilanz oder einem
Sachverständigengutachten, die nicht nur für das Innenverhältnis zwischen
Auftraggeber und Sachverständigem oder Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
bestimmt sind (BGH,
Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 172).
17 b) Nach § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Abschlussprüfer zur
gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit
verpflichtet. Verletzt er vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten, ist
er der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt
worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens
verpflichtet (§ 323 Abs. 1 Satz 3 HGB). Wenn § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB
eine gesetzliche Haftung (nur) gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem
verbundenen Unternehmen regelt, bedeutet dies nicht, dass damit eine
vertragliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten nach Maßgabe der
von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Dritthaftung Sachkundiger
von vornherein ausgeschlossen wäre (BGH, Urteil vom 2. April 1998 -
III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 261). In den Schutzbereich des
Abschlussprüfervertrages zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem
Abschlussprüfer kann vielmehr ein Dritter einbezogen sein (BGH,
Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, WM 2006, 423, 425).
18 c) Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden allgemein bei
Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über
eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich
bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), ein
Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem
Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S.
260 f). Diese Grundsätze können auch in Fällen angewendet werden, in
denen ein Abschlussprüfer mit der Prüfung einer Kapitalgesellschaft betraut
ist, wenn sich für ihn nur hinreichend deutlich ergibt, dass von ihm
anlässlich dieser Prüfung eine besondere Leistung begehrt wird, von der
gegenüber einem Dritten, der auf seine Sachkunde vertraut, Gebrauch gemacht
werden soll (BGH, aaO S. 261). Dem
Abschlussprüfer muss erkennbar sein, dass von ihm im Drittinteresse eine
besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich
vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht (BGH,
Urteil vom 6. April 2006 - III ZR 256/04, BGHZ 167, 155
Rn. 15 aE; vom 7. Mai 2009
- III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 39). Dieser
Rechtsprechung liegt der allgemeine Rechtsgedanke zu Grunde, dass für die
Vollständigkeit und Richtigkeit der in Verkehr gebrachten Angaben jeder
einstehen muss, der durch von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch
entgegengebrachtes Vertrauen auf den Willensentschluss Dritter Einfluss
genommen hat (BGH, Urteil vom 26. September 2000 - X ZR 94/98, BGHZ
145, 187, 198). In diesen Fällen beschränkt sich der Drittschutz
nicht auf solche Personen, denen gegenüber dem Vertragspartner eine
gesteigerte Fürsorgepflicht obliegt, weil keine Erweiterung des
Haftungsrisikos eintritt, wenn dem Abschlussprüfer klar sein muss, dass die
von ihm erbrachte Leistung der Sicherung wirtschaftlicher Drittinteressen
dient (BGH, Urteil
vom 20. April 2004, aaO S. 9). Diese Maßstäbe gelten auch
für eine - hier in Rede stehende - freiwillige Prüfung (BGH, Urteil vom 6.
April 2006, aaO Rn. 13).
19 d) Das Bestehen und die Reichweite eines etwaigen Drittschutzes
sind durch Auslegung des jeweiligen Prüfvertrages zu ermitteln. Dabei kann
nicht angenommen werden, dass der Abschlussprüfer ein so weites
Haftungsrisiko zu übernehmen bereit ist, wie es sich aus der Einbeziehung
einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder
Anteilserwerbern in den Schutzbereich ergäbe (BGH, Urteil vom 15.
Dezember 2005, aaO). Anders liegt es indessen, wenn die
Vertragsteile übereinstimmend davon ausgehen, dass die Prüfung auch im
Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt und das Ergebnis diesem
Dritten als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Jedenfalls in solchen Fällen
liegt in der Übernahme des Auftrags die schlüssige Erklärung des Prüfers,
auch im Interesse des Dritten gewissenhaft und unparteiisch prüfen zu wollen
(BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 262).
Dementsprechend kommt im Falle der Abschlussprüfung ein Vertrag mit
Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht, wenn die Bilanz im Blick auf
den Anteilserwerb durch einen bestimmten Dritten (BGH, Urteil vom
2. April 1998, aaO S. 262 f) oder im Blick auf eine Kreditvergabe
durch einen bestimmten Dritten (BGH, Urteil vom 26. November 1986 -
IVa ZR 86/85, WM 1987, 257 ff; vom 21. Januar 1993 - III ZR 15/92, WM 1993,
897; vom 19. Dezember 1996 - IX ZR 327/95, WM 1997, 359, 360)
verwendet werden soll.
20 3. Das Berufungsgericht hat hier wesentlichen Auslegungsstoff,
insbesondere den Zweck der erbetenen Stellungnahme sowie die eigenen Angaben
des Beklagten zu Inhalt und Umständen der Auftragserteilung (vgl. BGH,
BGH, Urteil vom 20. April
2004, aaO S. 6) außer Betracht gelassen. Bei
Würdigung aller maßgeblichen Gegebenheiten ergibt die Auslegung, dass die
Klägerin als Gesellschafterin ebenso wie als Geschäftsführerin in den
Schutzbereich des von der GmbH mit dem Beklagten vereinbarten Prüfvertrages
eingebunden ist. Der Abschlussprüfer hat nicht nur für
Begutachtungen, sondern auch für Testate oder andere Äußerungen, die mit dem
Prüfgegenstand im Zusammenhang stehen, die haftungsrechtliche Verantwortung
zu übernehmen (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 260). Daher ist
eine Einstandspflicht auch bei unrichtigen mündlichen Äußerungen begründet.
21 a) Die Klägerin ist als Gesellschafterin in den zwischen der GmbH
und dem Beklagten geschlossenen Prüfvertrag einbezogen.
22 aa) Die Erklärungen des Beklagten dienten einmal den Interessen der GmbH.
War der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 1 InsO) zu befürchten,
konnte ein entsprechender Hinweis des Beklagten die GmbH in die Lage
versetzen, durch die Veräußerung von Vermögen oder durch eine Kreditaufnahme
den Liquiditätsengpass zu beseitigen. Sofern eine Überschuldung (§ 19 Abs. 1
InsO) drohte, konnte eine Mitteilung Veranlassung geben, Maßnahmen zu
treffen, um mit Hilfe der bisherigen Gesellschafter oder durch Gewinnung
neuer Gesellschafter das Eigenkapital der GmbH zu erhöhen.
23 bb) Von den Erkenntnissen des Beklagten sollte aber auch
bestimmungsgemäß gegenüber der Klägerin als Gesellschafterin der GmbH
Gebrauch gemacht werden. Insoweit sollte eine über die Prüfung hinausgehende
besondere Leistung erbracht werden, die Vermögensdispositionen der Klägerin
als Gesellschafterin der GmbH beeinflusste.
24 (1) Die Bilanz oder etwaige Äußerungen zu ihrem
voraussichtlichen Inhalt (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO, S. 260, 262)
dienten ersichtlich nicht nur der Unterrichtung der GmbH. Von der
Begutachtung des Beklagten sollte nach dem Parteiwillen auch gegenüber der
Klägerin als Gesellschafterin Gebrauch gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom
2. April 1998, aaO S. 262;
BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 4 f), weil die
Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem beiderseitigen
Parteiwillen über die Interessenlage der GmbH hinaus vor allem auch eine
Entscheidungsgrundlage für die Klägerin als Gesellschafterin des
Unternehmens darstellte, entweder zur Insolvenzvermeidung zu Lasten eigener
Vermögenswerte geeignete Vorkehrungen zu ergreifen oder - verbunden mit
Nachteilen für das eigene geschäftliche Ansehen -einer Liquidation oder der
Einleitung eines Insolvenzverfahrens den Vorrang zu geben. Die Hinweise des
Beklagten waren darum insbesondere für eine Entschließung der Klägerin von
Bedeutung, ob sie als Gesellschafterin zugunsten des möglicherweise
insolventen Unternehmens weitere Mittel - sei es durch eine Kapitalerhöhung,
eine Darlehensgewährung oder die Besicherung eines Fremddarlehens -
bereitstellen wollte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte
die Unterredung der Parteien - wie der Beklagte eingeräumt hat -insbesondere
die Frage zum Gegenstand, ob eine Insolvenz durch Zuführung von Kapital
abgewendet werden konnte. Folglich bildete die fachkundige Beratung des
Beklagten auch aus seiner eigenen Warte die Grundlage für
Sanierungsmaßnahmen der Gesellschafter und ging damit über eine reine
Prüfung hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2006, aaO Rn. 15; vom 7. Mai
2009, aaO Rn. 39). Der Beklagte musste nach dem Inhalt des Auftrages
davon ausgehen, dass seine Angaben von der Klägerin verwendet und zur
Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht werden
würden (vgl. BGH,
Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 5).
25 (2) Da die Sanierung einer Gesellschaft regelmäßig ohne die Mitwirkung
ihrer Gesellschafter nicht gelingen kann, sind die Interessen der GmbH und
des Gesellschafters bei der Feststellung einer etwaigen Insolvenzreife
gerade auch aus dem Blickwinkel eines Beraters aufs engste miteinander
verwoben. Ein Gesellschafter - gleiches gilt für einen Geschäftsführer -
wird zur Orientierung über eine Insolvenzgefahr den Rat des Abschlussprüfers
seiner Gesellschaft einholen, weil dieser über ihre finanzielle Lage
aufgrund der Vertrautheit mit ihren Verhältnissen und dank seiner besonderen
Sachkunde am besten im Bilde ist. Wenden sich Gesellschafter und
Geschäftsführer einer GmbH zur Klärung einer Insolvenzgefahr an den
ständigen, auch mit der Abschlussprüfung befassten steuerlichen Berater des
Unternehmens und werden dabei Möglichkeiten der Insolvenzabwendung erwogen,
kann sich der Berater nicht der Einsicht verschließen, dass er über die
vermögensmäßigen Belange der GmbH hinaus zugleich diejenigen des
Gesellschafters und des Geschäftsführers, die von einer Insolvenz ebenso
unmittelbar wirtschaftlich betroffen sind, zu wahren hat. Dies gilt in
besonderem Maße für den Streitfall, der dadurch geprägt ist, dass sich in
der Person der Klägerin als Alleingesellschafterin, Geschäftsführerin und
org-anschaftliche Vertreterin der GmbH sämtliche Interessen bündeln. Das
Drittinteresse des Gesellschafters als Unternehmensinhaber an der
Begutachtung liegt für den Abschlussprüfer auf der Hand; dies gilt vor allem
dann, wenn er - wie hier - auf der Grundlage der Prüfung mit dem
Gesellschafter im Rahmen einer persönlichen Kontaktaufnahme
Sanierungsmöglichkeiten erörtert (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2006, aaO
Rn. 13 aE). Dann ist dem Berater bewusst, dass seine gegenüber der GmbH
erteilten Auskünfte auch gegenüber dem Gesellschafter und Geschäftsführer
verwendet werden. Nach dem Inhalt der mit der Klägerin geführten Erörterung
musste der Beklagte erkennen, dass eine günstige Stellungnahme zu
Sanierungsaussichten der GmbH die Klägerin wie auch ihren bereits still
beteiligten Ehemann zu einer Erhöhung ihrer Beteiligung oder anstelle einer
Liquidation zumindest zu einer - gleichfalls Vermögensrisiken bergenden -
Fortsetzung der GmbH veranlassen konnte.
26 (3) Mit Rücksicht auf ihre finanziellen Interessen befand sich
die Klägerin in einer vergleichbaren Lage wie der Erwerber eines
Gesellschaftsanteils, der den Kauf von dem Inhalt einer Abschlussprüfung
abhängig macht und deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
(Urteil vom 2. April 1998, aaO, S. 262 f) in die Schutzwirkung des Vertrags
zwischen der Gesellschaft und dem Prüfer einbezogen ist. Bei der
Beurteilung der Reichweite der Schutzwirkung kann nicht aus dem Auge
gelassen werden, dass ein Gesellschafter dem Unternehmen, dessen
wirtschaftliche Lage geprüft wird, sogar näher steht als ein bloßer
Erwerbsinteressent. Da das Überleben einer in einer Krise befindlichen GmbH
in erster Linie von finanziellen Zusagen ihrer Gesellschafter abhängt, ist
der Gesellschafter in den Schutzbereich eines Prüfvertrages einbezogen, der
auf die Feststellung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und
verbleibende Sanierungsmöglichkeiten gerichtet ist. Handelt es sich - wie
auch im Streitfall - um keine Publikumsgesellschaft, sieht sich der Prüfer
nicht, was eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages ausschließen
könnte, einer unübersehbaren Vielzahl von Gesellschaftern als
Anspruchsinhabern gegenüber.
27 b) Die Klägerin ist auch in ihrer Eigenschaft als
Geschäftsführerin der GmbH in den Schutzbereich des Prüfvertrages
einbezogen.
28 aa) Der Drittschutz beruht - wie bei der Einbeziehung der
Klägerin als Gesellschafterin - darauf, dass von dem Inhalt des Gutachtens
gegenüber der Klägerin zugleich in ihrer Funktion als Geschäftsführerin
Gebrauch gemacht werden sollte. Weist das Gutachten eine
Insolvenzreife der GmbH aus, ist es Aufgabe und Verpflichtung des
Geschäftsführers, daraus die gesetzlichen Folgerungen durch die Stellung
eines Insolvenzantrages zu ziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 15a Abs. 1 Satz 1
InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF). Der Gesellschafter ist - abgesehen von dem
Sonderfall der Führungslosigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 2, § 15a Abs. 3 InsO) -
zu einer Antragstellung nicht berechtigt. Hat der Geschäftsführer den
Insolvenzantrag zu stellen, ist das Gutachten - wie der Abschlussprüfer weiß
- nicht zuletzt für dessen Gebrauch bestimmt. Mit Rücksicht auf die
Rechtsfolgen eines unterbliebenen oder verspäteten Insolvenzantrags wird die
Stellungnahme des steuerlichen Beraters zur Grundlage einer Entscheidung
über Vermögensdispositionen gemacht (vgl.
BGH, Urteil vom 20. April 2004,
aaO S. 5). Folgerichtig hat der Abschlussprüfer auch gegenüber dem
Geschäftsführer, dem er das Ergebnis seiner Prüfung mündlich
auseinandersetzt, für etwaige Fehler seiner Begutachtung einzustehen.
29 bb) Ferner ist anerkannt, dass Sachverständige nach den für
Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aufgestellten Grundsätzen
jedenfalls dann nicht nur gegenüber ihrem Vertragspartner haften, sondern
auch Dritten für die Richtigkeit ihres Gutachtens einstehen müssen, wenn der
Auftrag zur Erstattung des Gutachtens nach dem zugrunde zu legenden
Vertragswillen der Parteien den Schutz Dritter umfasst (BGH,
Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 5). Mit Rücksicht auf
die dem Geschäftsführer einer GmbH bei einer Missachtung der
Insolvenzantragspflicht drohenden Haftungsfolgen (§ 823 Abs. 2 BGB, § 15a
Abs. 1 InsO, § 64 Abs. 1 GmbHG aF; § 64 Satz 1 und 3 GmbHG, § 64 Abs. 2
GmbHG aF) schließt der Auftrag zur Feststellung der Insolvenzreife auch
unter diesem Gesichtspunkt den Schutz des Geschäftsführers als Drittem ein.
30 Von dem Inhalt der Bilanz hing ab, ob die Klägerin als Geschäftsführerin
der GmbH zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet war. Eine etwaige
Antragstellung berührte - wie dem Beklagten bewusst war - folglich die
rechtlichen Interessen sowohl der GmbH als auch ihrer Geschäftsführerin.
Soweit Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer wegen verspäteter
Antragstellung in Betracht zu ziehen sind, ist anerkannt, dass es an einem
Verschulden fehlen kann, wenn ein unabhängiger externer Berater nach
umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung
der erforderlichen Unterlagen eine Insolvenzreife ausschließt und das
Prüfergebnis einer Plausibilitäts-kontrolle durch den Geschäftsleiter
standhält (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, WM 2007, 1274 Rn. 15
ff; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, DB 2012, 1320 Rn. 16, 19). Das Risiko
der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH wegen verspäteter
Insolvenzantragstellung ist eine typische Begleiterscheinung einer
fehlerhaften Bilanzierung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR
193/10, WM 2011, 2334 Rn. 9). Vor diesem Hintergrund diente der Auftrag auch
dem Schutz der Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH (vgl.
BGH, Urteil vom 20. April 2004,
aaO). Mithin ist die Klägerin ebenfalls in ihrer Stellung als
Geschäftsführerin der GmbH für eine Haftungserstreckung schutzwürdig.
31 4. Bei dieser Sachlage kann die Klage entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts begründet sein. Da die Klägerin als Gesellschafterin wie
auch als Geschäftsführerin in den Schutzbereich des zwischen der GmbH und
dem Beklagten geschlossenen Vertrags eingebunden ist, können ihr gegen den
Beklagten Schadensersatzansprüche zustehen, wenn dieser anlässlich der
Unterredung vom 10. Februar 2006 unrichtige Angaben über eine Insolvenzreife
der GmbH gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 260, 262).
III.
32 Auf die begründete Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Entscheidungsreife
gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
33 1. Nach der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht konkrete
Feststellungen über den Inhalt der zwischen den Parteien am 10. Februar 2006
geführten Unterredung zu treffen haben. Dabei ist insbesondere zu klären, ob
die Klägerin von dem Beklagten nähere Hinweise über die wirtschaftliche
Situation der GmbH verlangt hat und ob der Beklagte versäumt hat, auf eine
eingetretene oder sich abzeichnende Insolvenz hinzuweisen.
34 a) Das Berufungsgericht geht - wenn auch im Rahmen seitens der GmbH an
die Klägerin abgetretener Ansprüche - zutreffend davon aus, dass der
Beklagte, sofern ihm - was bislang nicht festgestellt ist - noch nicht
sämtliche Unterlagen für das Jahr 2005 vorlagen, grundsätzlich verpflichtet
war, die Klägerin auf die Notwendigkeit der Erstellung einer
Überschuldungsbilanz aufmerksam zu machen. Fehlerhaft meint das
Berufungsgericht hingegen, ein solcher Hinweis sei im Blick auf die bei der
Klägerin als Geschäftsführerin und Diplomvolkswirtin und bei ihrem Ehemann
als Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisse entbehrlich gewesen.
35 b) Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter muss sich der
begünstigte Dritte abgesehen von einem eigenen (Zugehör, aaO Rn. 1707)
grundsätzlich auch ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) des unmittelbaren
Vertragspartners zurechnen lassen, weil ihm keine weitergehenden Rechte als
dem unmittelbaren Vertragspartner des Schädigers zustehen (BGH,
Urteil vom 10. November 1994 - III ZR 50/94, BGHZ 127, 378, 384 f;
vom 13. November 1997 - X ZR
144/94, WM 1998, 440, 442).
36 aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts waren die
Belehrungspflichten des Beklagten nicht wegen der Zuziehung eines der
Beratung der Klägerin als Gesellschafterin und Geschäftsführerin
verpflichteten Spezialisten gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 - IX
ZR 142/99, WM 2000,
1591, 1593; vom 19. Juli 2001 - IX ZR 246/00, WM 2001, 1868, 1869). Zwischen
der Klägerin und ihrem Ehemann bestand kein den Beklagten entlastendes
Beratungsmandat. Dieser hat an dem Beratungsgespräch zwischen der Klägerin
und dem Beklagten aus ehelicher Fürsorge gefälligkeitshalber und im
Eigeninteresse als stiller Gesellschafter der GmbH mitgewirkt, aber weder
gegenüber der GmbH noch der Klägerin eine eigenständige vertragliche
Beratungspflicht übernommen.
37 bb) Für die Annahme eines in der Person der Klägerin verwirklichten
Mitverschuldens der GmbH ist ebenso kein Raum. Der Berater hat
grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit seines Auftraggebers
auszugehen. Dies gilt sogar gegenüber rechtlich und wirtschaftlich
erfahrenen Personen (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2008 - IX ZR
238/06, WM 2008, 950 Rn. 13). Im Falle eines Beratungsvertrages kann
es dem zu Beratenden nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden,
er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten
sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen
können. Selbst wenn ein Mandant über einschlägige Kenntnisse verfügt, muss
er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden
Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist
(BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn.
14). Das gilt auch im Anwendungsbereich des § 634 Abs. 4 BGB.
38 2. Falls dem Beklagten eine Pflichtwidrigkeit anzulasten ist,
bedarf es der weiteren Prüfung, ob der von der Klägerin geltend gemachte
Schaden darauf beruht.
39 a) Den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und
Schaden muss derjenige beweisen, der den Schadensersatzanspruch geltend
macht. Dabei kann ihm der Beweis des ersten Anscheins zustatten
kommen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1996 - IX ZR 327/95, WM 1997, 359,
360). In Verträgen mit rechtlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der
Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, wenn nach der Lebenserfahrung bei
vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten
nahegelegen hätte. Kommen als Reaktion auf eine zutreffende Beratung
hingegen mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensmöglichkeiten in
Betracht, hat der Mandant den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden
hätte. Ihn trifft in einem solchen Fall die volle Beweislast, weil der
Anscheinsbeweis bei der Möglichkeit alternativer Verhaltensweisen nicht
durchgreift (BGH, Urteil vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn.
12).
40 b) Ein Anscheinsbeweis zugunsten der Klägerin dürfte vorliegend
ausscheiden, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche
Maßnahmen in Betracht kamen. Lag bei der GmbH Insolvenzreife vor, bestand
zum einen die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen. Der Klägerin
stand jedoch die Alternative offen, innerhalb der Insolvenzantragsfrist (§
15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF) eine Umstrukturierung
vorzunehmen und insbesondere die Insolvenz durch Zuführung weiterer Mittel
abzuwenden, um für die Zukunft einen wirtschaftlich erfolgreichen
Geschäftsbetrieb der GmbH sicherzustellen. Bei dieser Sachlage ist - wenn
nicht eine Sanierungsfähigkeit der GmbH angesichts der finanziellen
Möglichkeiten der Klägerin bei vernünftiger Betrachtung von vornherein
ausgeschlossen war - für einen Anscheinsbeweis kein Raum.
41 3. Besteht ein Zurechnungszusammenhang, können die geltend gemachten
Schadensersatzansprüche begründet sein.
42 a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden
vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des
haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen,
die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst
zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden
Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung: Nur eine
Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht
ist, d.h. ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden
anzuerkennen (BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn.
18).
43 b) Im Blick auf die geltend gemachten Schäden ist zu unterscheiden, ob
die Klägerin als Gesellschafterin oder Geschäftsführerin der GmbH von einer
fehlerhaften Prüfungsleistung des Beklagten betroffen ist. Da die geltend
gemachten Schäden in beiden Fällen in der Person der Klägerin wurzeln, ging
die Abtretung von Ansprüchen der GmbH an die Klägerin mangels eines eigenen
Schadens der GmbH von vornherein ins Leere.
44 aa) Die Erstreckung des Schutzbereichs des Prüfvertrages auf die Klägerin
als Gesellschafterin der GmbH kann einen Schadensersatzanspruch begründen,
soweit sie im Vertrauen auf eine fehlende Insolvenzreife als Gegenleistung
für die stille Beteiligung ihres Ehemannes diesem durch die Eingehung eines
Schuldanerkenntnisses von 100.000 € eine Sicherung gewährt hat. Hinsichtlich
der Inanspruchnahme aus der zugunsten der H. übernommenen Bürgschaft kommt
eine Ersatzpflicht nur in Betracht, wenn feststeht, dass die Bürgschaft bei
rechtzeitiger Insolvenzantragstellung nicht zum Tragen gekommen wäre. Soweit
die Klägerin in dieser Sache kein streitiges Urteil erwirkt, sondern sich zu
einer vergleichsweisen Zahlung verpflichtet hat, dürfte dies ihren
Ersatzanspruch nicht berühren. Eine für den Schaden mitursächliche
willentliche Handlung des Verletzten schließt es nicht ohne weiteres aus,
den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang
gesetzt hat. Bestand für die Zweithandlung des Geschädigten ein
rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbegründende
Ereignis herausgefordert, erweist sich die Reaktion auch nicht als
ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der
Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen. Die
Beendigung einer rechtlichen Auseinandersetzung durch Vergleich kann
grundsätzlich ein sachgemäßes Verhalten sein, das auf die Zurechnung des
Schadens zum haftungsbegründenden Verhalten des Schuldners keinen Einfluss
hat (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1141).
45 bb) Soweit die Klägerin wegen nach Eintritt der Überschuldung zu Lasten
der GmbH vorgenommener Zahlungen in Regress genommen wurde, kann ihr wegen
ihrer Einbeziehung als Geschäftsführerin in den Schutzbereich des Vertrages
ein Schadensersatzanspruch im Blick auf den ausgeurteilten Betrag von
234.707 € zustehen.
46 Dabei ist allerdings zu beachten, dass der - nach dem revisionsrechtlich
zu unterstellenden Sachverhalt - am 10. Februar 2006 mit der
Insolvenzprüfung betraute Beklagte für etwaige von der Klägerin zuvor ab
Eintritt der Überschuldung seit dem 31. Januar 2005 zu Lasten der GmbH
bewirkte Zahlungen mangels haftungsrechtlicher Zurechenbarkeit nicht
einzustehen hat. Vielmehr kommt eine Ersatzpflicht erst ab dem Zeitpunkt in
Betracht, zu dem der Beklagte nach dem Inhalt der mit der GmbH getroffenen
Abrede das Prüfungsergebnis vorzulegen hatte. Zwar darf sich der
Geschäftsführer, um Ansprüche aus § 64 Satz 1 und 2 GmbHG (§ 64 Abs. 2 GmbHG
aF) auszuschließen, nach Auftreten der Krise nicht mit einer unverzüglichen
Auftragserteilung begnügen, sondern muss außerdem auf eine unverzügliche
Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken (BGH, Urteil vom 27. März 2012 -
II ZR 171/10, DB 2012, 1320 Rn. 19).
Vorliegend geht es indessen nicht um die Vermeidung einer Inanspruchnahme
des Geschäftsführers nach den genannten Vorschriften, sondern um
vertragliche Regressforderungen eines erfolgreich wegen verbotener Zahlungen
belangten Geschäftsführers gegen seinen Berater, die auf eine unzutreffende
Beurteilung der Insolvenzreife der GmbH gestützt sind. Ein solcher
vertraglicher Rückgriff ist auch eröffnet, wenn der Geschäftsführer den
Berater verspätet - nach Erkennbarkeit der Krise - einschaltet oder nicht
auf eine unverzügliche Durchführung der Prüfung Bedacht legt. Der
Schadensersatzanspruch beruht nämlich auf dem Inhalt der getroffenen
vertraglichen Vereinbarung.
47 cc) Die zu Lasten der Klägerin entstandenen Prozesskosten von 38.271,13 €
und 12.100,55 € können ebenfalls erstattungsfähig sein.
48 Grundsätzlich hat der Schädiger für den gesamten durch seine
pflichtwidrige Handlung verursachten Schaden Ersatz zu leisten. Steht der
Schaden zwar mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang,
ist dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und
unsachgemäßes Verhalten des Geschädigten ausgelöst worden, kann allerdings
die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Schädiger das dieses
Fehlverhalten und dessen Auswirkungen als haftungsausfüllender Folgeschaden
seines Verhaltens zugerechnet werden kann (BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 -
VII ZR 315/90, NJW-RR 1991, 1428). Im Regelfall hat der Schädiger den
gesamten durch die pflichtwidrige Handlung adäquat verursachten Schaden zu
tragen. Dazu gehören auch die Kosten eines objektiv unberechtigten
Rechtsstreits, falls der Geschädigte ihn vernünftigerweise für erforderlich
halten durfte, um den Schaden abzuwenden oder gering zu halten (BGH, Urteil
vom 23. März 2000 - III ZR 152/99, WM 2000, 1023, 1025). Zu den
ersatzfähigen materiellen Schäden können also auch Aufwendungen für im
Ergebnis erfolglose Prozesse gehören, wenn die Klägerin die
Rechtsstreitigkeiten nach Lage der Dinge verständigerweise für erforderlich
halten durfte (BGH, Urteil vom 25. September 1980 - III ZR 74/78, BGHZ 78,
274, 279 f).
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