IPR/ZPO: Keine Revisibilität der Anwendung
ausländischen Rechts nach §§ 545, 560 ZPO; internationales
Gesellschaftsrecht: Anwendung der Gründungstheorie
BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V
ZB 197/12 - OLG Frankfurt/Main
Fundstelle:
NJW 2013, 3656
BGHZ 198, 14
Amtl. Leitsatz:
Auf eine Verletzung von ausländischem Recht
kann weder die Revision noch die Rechtsbeschwerde nach dem FamFG gestützt
werden; nur eine unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen
Rechts kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.
Zentrale Probleme:
Seit der Neufassung von
§ 545 ZPO im Jahre 2009 war streitig, ob nunmehr
auch die Anwendung ausländischen Rechts revisibel ist, d.h. dessen
unrichtige Anwendung vor dem BGH gerügt werden kann. Bis zu dieser
Neufassung war unstreitig, dass ausländisches Recht nicht revisibel ist,
weil § 545 ZPO a.F. nur von der Anwendung von „Bundesrecht“ sprach. Stets
revisibel war hingegen die unrichtige Ermittlung ausländischen Rechts (§ 293
ZPO) sowie die unrichtige Anwendung des Internationalen Privatrechts (zu
letzterem s. BGH NJW 2009, 916).
Der BGH hatte die Frage bislang offen gelassen (s. etwa
BGH v. 20.7.2012 - V ZR
142/11). Er entscheidet die Streitfrage nun
dahingehend, dass ausländisches Recht
nicht revisibel ist (s.dazu bei Tz. 15 ff). Seine
Argumentation stützt er vor allem auf die Gesetzgebungsmaterialien.
Praktische Konsequenzen dürfte
die Entscheidung kaum haben, denn selbst wenn man von der Revisibilität
ausländischen Rechts ausginge, würde es, worauf auch der vorliegende
Beschluss hinweist, in den allermeisten Fällen an einem Revisionsgrund gemäß
§ 543 Abs. 2 ZPO fehlen: Ein deutsches Gericht kann schwerlich zur
Fortbildung ausländischen Rechts berufen sein (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Auch
Fälle „grundsätzlicher Bedeutung“ im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wären
wohl selten. Da die gesetzliche Ausgangslage im arbeitsgerichtlichen Verfahren
und im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren (s. dazu
BVerwG NJW
2012, 3461) anders ist, war eine
Vorlage an den GemObSen gem.
§ 2
RsprEinhG nicht erforderlich. Möglich bleibt aber eine Rüge von § 293
ZPO, wenn das ausländische Recht nicht richtig ermittelt wurde (s. dazu
zuletzt BGH v. 14.1.2014 - II
ZR 192/13).
©sl 2013
Gründe:
1 Am 14. Juli 2005 räumte die frühere
Eigentümerin des eingangs bezeichneten Grundstücks, die H. L. KG, der VR
Bank M. ein übertragbares Ankaufsrecht ein. Vereinbarungsgemäß wurde am 27.
Juli 2005 eine Auflassungsvormerkung in Abteilung II des Grundbuchs unter
der laufenden Nummer 3 eingetragen.
2 Am 22. Juni 2006 wurde die Beteiligte zu 1 als Private Company Limited by
Shares nach britischem Recht mit Sitz in Birmingham gegründet und durch den
Registrar of Companies for England and Wales im Register des Companies House
eingetragen. Am 26. April 2011 wurde die Beteiligte zu 1 dort als „Struck
off and dissolved" registriert. Danach, nämlich mit notariellem Vertrag vom
1. Juli 2011, verkaufte die H. L. KG das Grundstück an die Beteiligte zu 1
und bewilligte die Eintragung einer weiteren Auflassungsvormerkung, die am
18. Juli 2011 unter der laufenden Nummer 4 erfolgte.
3 Am 30. August 2011 trat die Rechtsnachfolgerin der VR Bank M. ihr
Ankaufsrecht an die Beteiligte zu 2 ab, die das Recht zu den vereinbarten
Bedingungen ausübte und das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 4.
Oktober 2011 an die Eheleute S. weiterverkaufte. Antragsgemäß trug das
Grundbuchamt die Beteiligte zu 2 am 27. April 2012 als Eigentümerin ein und
löschte sowohl die in Abteilung II des Grundbuchs unter der N
ummer 3 als auch - gestützt auf § 22 GBO - die unter der
Nummer 4 eingetragene Auflassungsvormerkung. Ferner trug es eine
Auflassungsvormerkung zugunsten der Eheleute S. ein; diese sind seit dem 23.
Mai 2012 als Eigentümer eingetragen.
4 Am 16. Mai 2012 ordnete der High Court of Justice die Wiedereintragung der
Beteiligten zu 1 im Register an. Daraufhin wurde sie am 18. Juni 2012 unter
der bei ihrer ursprünglichen Eintragung vergebenen Nummer und dem Zusatz
„order of court - restoration" erneut eingetragen. Am 29. Juni 2012
bescheinigte der Registrar of Companies for England and Wales, dass die
Beteiligte zu 1 seit ihrer Gründung ununterbrochen bestanden habe.
5 Die Beteiligte zu 1 hat in den Vorinstanzen erfolglos die Eintragung eines
Amtswiderspruchs gegen die Löschung der zuvor zu ihren Gunsten eingetragenen
Auflassungsvormerkung beantragt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde,
deren Zurückweisung die Beteiligte zu 2 beantragt, verfolgt die Beteiligte
zu 1 dieses Ziel weiter.
II.
6 Nach Auffassung des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen für die
Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO nicht vor. Ob
das Grundbuchamt durch die Löschung der Auflassungsvormerkung gegen
gesetzliche Vorschriften verstoßen habe, könne ebenso dahinstehen wie die
Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb der Eheleute S. anzunehmen sei.
Das Grundbuch sei nämlich durch die Löschung der Auflassungsvormerkung nicht
unrichtig geworden, weil die Beteiligte zu 1 im Zeitpunkt der Beurkundung
des zwischen der H. L. KG und der Beteiligten zu 1 geschlossenen
Kaufvertrags am 1. Juli 2011 im Register des Companies House als „struck off
and dissolved" registriert gewesen sei, was nach dem maßgeblichen englischen
Gesellschaftsrecht die Löschung bedeute. Infolge der Löschung höre die
Gesellschaft auf, als juristische Person zu existieren; auch habe sie von
diesem Zeitpunkt an keine Vertreter oder Organe mehr, an die Zustellungen
erfolgen könnten. Der mit einer nicht existierenden Rechtspersönlichkeit
geschlossene Kaufvertrag habe keinen wirksamen Anspruch auf
Eigentumsübertragung begründen können.
7 Die nach der Löschung der Auflassungsvormerkung erfolgte Wiedereintragung
der Gesellschaft im Register des Companies House aufgrund der Entscheidung
des High Court of Justice (Restoration to the register, im Folgenden:
Restoration) ändere daran nichts. Zwar habe die Restoration nach englischem
Recht zur Folge, dass die Gesellschaft rückwirkend als nicht erloschen zu
behandeln sei. Weil es aber Zweck eines Amtswiderspruchs sei, etwaige
Amtshaftungsansprüche abzuwenden, komme es nicht auf die derzeitige
Rechtslage an. Vielmehr müsse das Grundbuch durch den Vollzug der
betroffenen Eintragung - also durch die Löschung der Auflassungsvormerkung -
unrichtig geworden sein. Weil diese noch vor der Restoration erfolgt sei,
habe das Grundbuchamt das rückwirkende Wiederaufleben der Beteiligten zu 1
nicht berücksichtigen können, zumal die Restoration noch Jahre nach der
Löschung betrieben werden könne.
III.
8 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
9 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 und 3 GBO) und auch im
Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerdeerwiderung ist die Beteiligte zu 1 beschwerdebefugt.
Dies setzt voraus, dass sie, die Unrichtigkeit der Eintragung vorausgesetzt,
einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs aus § 894 BGB hätte
(vgl. Demharter, GBO, 28. Aufl., § 71 Rn. 69 mwN). Daran fehlt es
zwar im Hinblick auf die Eintragung der neuen Eigentümer, weil der
Vormerkungsberechtigte die Beseitigung vormerkungswidriger Verfügungen nur
nach § 888 Abs. 1 BGB erreichen kann (vgl. BayObLGZ 1987, 231,
236). Die Beteiligte zu 1 wendet sich jedoch nicht gegen die
Eintragung der neuen Eigentümer, sondern gegen die von Amts wegen gemäß § 22
Abs. 1 GBO erfolgte Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen
Auflassungsvormerkung. Hiergegen kann sie sich - wie geschehen -
mit der auf die Eintragung eines Amtswiderspruchs gerichteten Beschwerde
wenden (§ 71 Abs. 2 Satz 2 GBO; vgl. BeckOK-GBO/Holzer, Edition 18, § 22 Rn.
99).
10 2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Ein
Amtswiderspruch ist gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO nur dann einzutragen, wenn
das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung
- dazu zählt auch eine Löschung (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7.
April 2011 - V ZB 11/10, FGPrax 2011, 163 Rn. 10 mwN) - vorgenommen hat,
durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Ob dem Grundbuchamt
Verfahrensfehler unterlaufen sind, bedarf keiner Entscheidung. Denn
das Beschwerdegericht nimmt im Ergebnis zu Recht an, dass das Grundbuch
infolge der Löschung der Auflassungsvormerkung nicht unrichtig geworden ist;
nach den getroffenen Feststellungen war die Vormerkung jedenfalls deshalb
wirkungslos, weil es an einem vormerkungsfähigen Anspruch der Beteiligten zu
1 fehlte.
11 a) Zutreffend beurteilt das Beschwerdegericht die Rechtsfähigkeit der
Beteiligten zu 1 nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden englischen
Recht. Eine in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam
gegründete Gesellschaft ist nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs in einem anderen Vertragsstaat in der Rechtsform anzuerkennen,
in der sie gegründet worden ist, und zwar unabhängig von dem Ort ihres
tatsächlichen Verwaltungssitzes (vgl.
EuGH, Slg. 1999, I-1459-1498, Centros;
Slg. 2002 - I-9919-9976,
Überseering; Slg. 2003 -
I-10155-10238, Inspire Art;
BGH, Urteil vom 13. März 2003 - VII
ZR 370/98, BGHZ 154, 185 ff.;
Urteil vom 14. März 2005 - II ZR
5/03, NJW 2005, 1648, 1649; Beschluss vom 27. Juni 2007 -
XII ZB 114/06, NJW-RR 2008, 551 Rn. 10).
12 b) Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass die Existenz der
Beteiligten zu 1 nach englischem Gesellschaftsrecht vor Abschluss des
zwischen ihr und der H. L. KG geschlossenen notariellen Kaufvertrags durch
den Vermerk „Struck of and dissolved" in dem Register des Companies House
zwar (zunächst) vollständig beendet wurde; aufgrund der nach Vertragsschluss
erfolgten Restoration sei die Gesellschaft aber rückwirkend als nicht
erloschen zu behandeln. Dass die Beteiligte zu 1 in dem Zeitraum zwischen
der Löschung und der Restoration als Restgesellschaft in der Bundesrepublik
Deutschland fortbestand, verneint das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei mit
der Begründung, die Beteiligte zu 1 habe im Zeitpunkt der Löschung in der
Bundesrepublik Deutschland kein Vermögen besessen (vgl. OLG Jena, OLGR 2007,
943 ff.; Krömker/Otte, BB 2008, 964 ff.; Schmidt, ZIP 2008, 2400 ff.; Mödl,
RNotZ 2008, 1, 16).
13 c) An die Feststellungen des Beschwerdegerichts, die das Bestehen
und den Inhalt des englischen materiellen Rechts betreffen, ist das
Rechtsbeschwerdegericht gebunden (§ 72 Abs. 3 FamFG, § 560 ZPO).
14 aa) Unter der Geltung von § 27 FGG wurde angenommen, dass der
Bundesgerichtshof auch die Anwendung ausländischen Rechts nachzuprüfen habe;
der Zugang zum Bundesgerichtshof war allerdings nur im Rahmen einer
Divergenzvorlage eines Oberlandesgerichts gegeben (§ 28 Abs. 2 Satz 1 FGG;
Eichel, IPRax 2009, 389, 390 f.; Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, FGG, 15.
Aufl., § 27 Rn. 21 mwN). Dagegen stand für § 545 Abs. 1 ZPO in der
bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung außer Frage, dass das ausländische
Recht - anders als das Internationale Privatrecht - zu dem nicht revisiblen
Recht zählte; es bestand Einigkeit darüber, dass zwar eine rechtsfehlerhafte
Ermittlung des ausländischen Rechts mit der auf eine Verletzung von § 293
ZPO gestützten Verfahrensrüge angegriffen werden konnte, die Anwendung des
ausländischen Rechts als solche aber nicht der Nachprüfung durch das
Revisionsgericht unterlag (vgl. nur
Senat, Urteil vom 20. Juli 2012 - V
ZR 135/11, JZ 2013, 305 Rn. 16 mwN).
15 bb) Seit
dem 1. September 2009 kann die Rechtsbeschwerde nach dem FamFG ebenso wie
die Revision (§ 545 Abs. 1 ZPO n.F.) darauf gestützt werden, dass die
angefochtene Entscheidung auf einer „Verletzung des Rechts" beruht (§ 72
Abs. 1 Satz 1 FamFG). Ob auch ausländisches Recht als „Recht" im Sinne
dieser Normen anzusehen ist, ist umstritten; der Bundesgerichtshof
hat diese Frage für das Revisionsverfahren bislang offengelassen (Senat,
Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 54/10, BGHZ 188, 177 Rn. 14; BGH,
Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 21).
16 (1) Teilweise wird geltend gemacht, sowohl im Revisionsverfahren
als auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach dem FamFG sei die Anwendung
ausländischen Rechts durch den Tatrichter nunmehr zu überprüfen. Der
Wortlaut sei eindeutig; die Rechtsqualität des ausländischen Rechts stehe -
wie schon nach dem zuvor geltenden Verfahrensrecht - außer Frage
(für § 72 Abs. 1 FamFG: Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 2. Aufl., § 72 Rn.
10; BeckOK-Einl. IPR/Lorenz, Edition 27, Rn. 87; Eichel, IPRax 2009, 389
ff.; Hau, FamRZ 2009, 821, 824; für § 545 Abs. 1 ZPO: Zöller/Geimer, ZPO,
29. Aufl., § 293 Rn. 28; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6.
Aufl., Rn. 2601; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl.,
Rn. 334 ff.; Hess/Hübner, NJW 2009, 3132 ff.; Aden, RIW 2009, 475 ff.).
17 (2) Dagegen wird eingewendet, dass der Begriff „Recht" nur im
Sinne von „Bundes- und Landesrecht" zu verstehen sei. Der Wortlaut der
Normen sei zu weit geraten. Dies ergebe sich aus § 560 ZPO und der
Entstehungsgeschichte der Reform (zu § 72 Abs. 1 FamFG:
Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 72 Rn. 4; Roth, JZ 2009, 585, 590; zu
§ 545 ZPO: MünchKommZPO/Krüger, ZPO, 4. Aufl., § 545 Rn. 11 f.;
Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 545 Rn. 7 f.; Prütting/Gehrlein/Ackermann,
ZPO, 5. Aufl., § 545 Rn. 6; HK-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 545 Rn. 10 ff.;
Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 34. Aufl., § 545 Rn. 8 f.; Zöller/Heßler, ZPO,
29. Aufl., § 545 Rn. 8; BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, Edition 9, § 545 Rn. 7;
Althammer, IPRax 2009, 381, 389;
Sturm, JZ 2011, 74 ff.).
18 (3) Die letztere Auffassung trifft zu.
19 (a) Richtig ist zwar, dass der Wortlaut des § 72 Abs. 1 FamFG der
Einbeziehung ausländischen Rechts nicht entgegenstünde. Ausländische
Rechtsnormen sind für deutsche Gerichte Rechtssätze, nicht Tatsachen
(Zöller/ Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 293 Rn. 14 mwN; Kropholler,
Internationales Privatrecht, 6. Aufl., § 31 I 1). Schon aus der
Zusammenschau mit § 560 ZPO - der gemäß § 72 Abs. 3 FamFG entsprechend
anzuwenden ist - ergibt sich aber, dass unter „Recht" nur das inländische
Recht zu verstehen ist; anderenfalls hätte § 560 ZPO keinen
Anwendungsbereich, und die Verweisung wäre sinnlos, weil es aufgrund der
Revisibilität des gesamten inländischen Rechts keine nicht revisiblen
Gesetze im Sinne dieser Norm mehr gäbe.
20 (b) Bestätigt wird dies durch die Gesetzgebungsgeschichte.
Der Regierungsentwurf zu § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG sah zunächst den Begriff
„Bundesoder Landesrecht" vor. Die Gesetzesbegründung hielt - im Hinblick auf
die in § 72 Abs. 3 FamFG angeordnete entsprechende Anwendung von § 560 ZPO
-ausdrücklich fest, „dass das Rechtsbeschwerdegericht an die tatsächlichen
Feststellungen des Beschwerdegerichts über das Bestehen und den Inhalt (...)
ausländischen Rechts gebunden ist" (BT-Drucks. 16/6308, S. 210). Erst im
Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde aus „Bundes- oder Landesrecht" der
Begriff „Recht"; einzige Begründung hierfür war die sprachliche Angleichung
an § 545 Abs. 1 ZPO (BT-Drucks. 16/9733 S. 290). Erklärtes Ziel der
Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO war die Beseitigung der eingeschränkten
Revisibilität von Landesrecht (BT-Drucks. 16/9733 S. 301 f.). Revisibel
waren zuvor nur solche Bestimmungen, deren Geltungsbereich sich über den
Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckte; dies erschien infolge der
Öffnung der Revisionsinstanz für Berufungsurteile (auch) der Landgerichte
durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S.
1887) nicht mehr sachgerecht. Mit der Revisibilität ausländischen
Rechts hat sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO
dagegen nicht befasst (vgl. BT-Drucks. 16/9733 S. 301 f.).
Dies wäre aber schon wegen der weitreichenden Folgen zu erwarten gewesen,
wenn er beabsichtigt hätte, die Überprüfung ausländischer Rechtsnormen im
Revisionsverfahren zu erweitern (Sturm, JZ 2011, 74, 75 f.).
21 (c) Die einschränkende Auslegung von § 72 Abs. 1 FamFG und § 545 Abs. 1
ZPO steht mit dem beschränkten Zugang sowohl zu der Revision als auch zu der
Rechtsbeschwerde nach dem FamFG in Einklang. Insbesondere die
Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der grundsätzlichen
Bedeutung wären auf die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts nicht
ohne weiteres übertragbar (Sturm, JZ 2011, 74, 76 f.; aA
Hess/Hübner, NJW 2009, 3132, 3134). Denn inländische Gerichte haben
ausländisches Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden
Landes auslegt und anwendet (st. Rspr., BGH, Urteile vom 25.
Oktober 2006 - VII ZB 24/06, MDR 2007, 487 f.; vom 22. Juni 2003 - II ZR
305/01, NJW 2003, 2685, 2686; näher Kropholler, aaO, § 31 I 2). Aus
diesem Grund wären ungeklärte Fragen des ausländischen Rechts von
grundsätzlicher Bedeutung nicht klärungsfähig, wie es der Zulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung erfordert (vgl. Senat, Beschluss vom
27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291); auch eine
richtungsweisende Klärung für die Zukunft zur Fortbildung des Rechts könnte
der Bundesgerichtshof nicht herbeiführen (vgl. Senat, Beschluss vom
27. März 2003 - V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1944, insoweit in BGHZ 154, 288
ff. nicht abgedruckt). Denn die endgültige Klärung derartiger Rechtsfragen
wäre in jedem Fall der ausländischen Rechtspraxis vorbehalten; die
Instanzgerichte könnten sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
nicht ohne weiteres verlassen, sondern müssten die aktuelle Rechtslage im
Ausland stets aufs Neue überprüfen (Sturm, JZ 2011, 74, 76 f.).
22 (d) Schließlich verstößt die Irrevisibilität des ausländischen
Rechts nicht gegen das in Art. 18 Abs. 1 AEUV enthaltene
Diskriminierungsverbot (so aber Flessner, ZEuP 2006, 737, 738 ff.;
Gotsche, Der BGH im Wettbewerb der Zivilrechtsordnungen (2008), S. 161 ff.).
Eine - offene oder versteckte - Diskriminierung von Unionsbürgern im
Verhältnis zu Inländern liegt darin schon deshalb nicht, weil die
eingeschränkte Überprüfbarkeit ausländischen Rechts nicht allgemein an die
Staatsangehörigkeit der Rechtssuchenden anknüpft (bzw. an die
Staatszugehörigkeit einer juristischen Person, vgl. v. Bogdandy in
Grabitz/Hilf/Nettesheim, EU-Recht, Art. 18 AEUV Rn. 29 mwN). Sie
ergibt sich vielmehr aus der durch das Internationale Privatrecht
vorgegebenen Anwendung ausländischen Rechts, die Inländer gleichermaßen
betrifft, sofern deren Rechtsbeziehungen ausländischem Recht unterliegen
(Sturm, JZ 2011, 74, 78; i.E. ebenso Mankowski in Rengeling/Middeke/Gellermann,
Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl., § 37 Rn.
76; Heinze, EuR
2008, 654, 687 Fn. 235).
23 (e) Soweit das Bundesarbeitsgericht ausländisches Recht als
revisibel ansieht (BAGE 27, 99 ff.), beruht dies auf der Auslegung von § 73
Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Diese Norm ist mit den in § 545 Abs. 1 ZPO und § 72
Abs. 1 FamFG getroffenen Regelungen jedenfalls aufgrund der
Gesetzgebungsgeschichte nicht vergleichbar; einer Vorlage an den Gemeinsamen
Senat der obersten Gerichtshöfe (§ 2, § 11 RsprEinhG) bedarf es aus diesem
Grund nicht.
24 c) Eine auf eine rechtsfehlerhafte Ermittlung des
englischen Rechts gestützte Verfahrensrüge hat die Beteiligte zu 1 nicht
erhoben.
25 aa) Das Verfahren zur Ermittlung ausländischen Rechts richtet sich nach
inzwischen fast einhelliger Ansicht auch im Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit nach § 293 ZPO (BayObLG, StAZ 1990, 69, 71; OLG Köln, StAZ
2012, 339, 340; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., § 26 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Prütting,
4. Aufl., § 293 Rn. 15; Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl., § 26 Rn. 18 ff.; §
30 Rn. 18). Nach anderer Auffassung ist die in § 26 FamFG normierte
Amtsermittlungspflicht maßgeblich (Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 26 Rn.
26 ff.; für § 27 FGG: OLG Köln, Rpfleger 1989, 66 f.). Welcher der beiden
Ansichten der Vorzug gebührt, kann offenbleiben, weil sie insoweit
übereinstimmen, als eine Überprüfung der Ermittlung des
ausländischen Rechts durch das Rechtsbeschwerdegericht nur auf eine
Verfahrensrüge hin erfolgen kann (§ 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG; für §
293 ZPO st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Juli 2012 - V ZR 135/11,
JZ 2013, 305 Rn. 16 mwN; für § 26 FamFG: Keidel/Sternal, aaO, § 26 Rn. 36, §
72 Rn. 24).
26 bb) Eine solche Verfahrensrüge hat die Beteiligte zu 1 indes nicht
erhoben. Innerhalb der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde hat sie
lediglich geltend gemacht, maßgeblich für die Beurteilung der Rechtslage sei
der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung; aufgrund der nach der Löschung,
aber vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts erfolgten Restoration sei
von der Existenz der Beteiligten zu 1 auszugehen. Dieser Einwand zielt nicht
auf eine unzutreffende Ermittlung des englischen Rechts ab, sondern auf die
Auslegung von § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO. Im Zusammenhang mit Verfahrensfehlern
des Grundbuchamts verweist die Rechtsbeschwerde zwar darauf, dass nach
englischem Gesellschaftsrecht eine Auflösung der Gesellschaft nur dann
bewirkt sei, wenn das Vermögen der Gesellschaft auch zur Krone eingezogen
werde. Diese Ausführungen beziehen sich aber ausschließlich auf die
Verfahrensweise des Grundbuchamts, das einen darauf bezogenen Nachweis nicht
verlangt hat, nicht dagegen auf die Ermittlung des ausländischen Rechts
durch das Beschwerdegericht; weder befasst sich die Rechtsbeschwerde mit der
von dem Beschwerdegericht herangezogenen Literatur und Rechtsprechung zum
englischen Recht noch zeigt sie auf, dass und warum die gewählte
Vorgehensweise den Anforderungen des deutschen Verfahrensrechts nicht
genügen sollte. Die Rüge, das Beschwerdegericht habe den Begriff „dissolved"
unzutreffend übersetzt, ist erst nach Ablauf der Begründungsfrist erhoben
und anschließend ein Privatgutachten zum englischen Recht eingereicht
worden; beides kann schon aufgrund des Fristablaufs keine Berücksichtigung
finden.
27 d) Auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts
zu dem Inhalt des englischen Rechts kommt die Eintragung eines
Amtswiderspruchs gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO nicht in Betracht. Maßgeblich
ist insoweit das deutsche Grundbuchverfahrensrecht als lex fori (vgl. KG,
FGPrax 2012, 236, 237; Palandt/Thorn, BGB, 72. Aufl., Einl. v. Art. 3 EGBGB
Rn. 33).
28 aa) Aus dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO folgt, dass die
Unrichtigkeit des Grundbuchs durch die Eintragung - hier die Löschung der
Auflassungsvormerkung - verursacht worden sein muss; entgegen der Ansicht
der Rechtsbeschwerde ist daher die Rechtslage im Zeitpunkt der Löschung der
Auflassungsvormerkung durch das Grundbuchamt entscheidend. Nur zusätzlich
muss die Unrichtigkeit des Grundbuchs auch bei Eintragung des
Amtswiderspruchs noch fortbestehen (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 53 Rn. 25
f.; KEHE-Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 53 Rn. 8; Meikel/Streck, GBO,
10. Aufl.,
§ 53 Rn. 66, 69).
29 bb) In dem danach maßgeblichen Zeitpunkt der Löschung der
Auflassungsvormerkung fehlte es jedenfalls an einem vormerkungsfähigen
Anspruch. Welchen Anforderungen ein Anspruch genügen muss, um durch eine
Vormerkung gesichert zu werden, richtet sich nach deutschem Recht als der
lex rei sitae (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 72. Aufl., Art. 43 EGBGB Rn. 3). Im
Hinblick auf den Kaufvertrag zwischen der H. L. KG und der Beteiligten zu 1
hat das Beschwerdegericht zwar keine näheren Feststellungen getroffen. Eine
Bestimmung des maßgeblichen Vertragsstatuts ist aber entbehrlich; auch
bedarf es keiner Entscheidung darüber, nach welcher Rechtsordnung sich die
Auswirkungen einer späteren Restoration auf den Vertrag bestimmen. Denn
entweder konnte die Beteiligte zu 1 infolge ihrer Löschung im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses - wie es das Beschwerdegericht annimmt - gar keine Rechte
erwerben; oder es entstand im Hinblick auf eine mögliche spätere Restoration
zunächst ein ungesicherter Schwebezustand, der für eine Sicherung durch
Vormerkung nicht ausreichend ist.
30 Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genießen bedingte oder
künftige Ansprüche nur dann Vormerkungsschutz, wenn für die künftige
Gestaltung des Anspruchs nicht lediglich eine bloße mehr oder weniger
aussichtsreiche tatsächliche Möglichkeit besteht, sondern bereits eine
feste, die Gestaltung des Anspruchs bestimmende Grundlage (Rechtsboden)
vorhanden ist. Denn ansonsten würde das Grundbuch mit einer unübersehbaren
Zahl gesicherter Ansprüche überlastet, die möglicherweise nie zur Entstehung
gelangten. Dies hätte eine faktische Sperre des Grundbuchs auf ungewisse
Zeit zur Folge und beeinträchtigte zudem die Verkehrsfähigkeit des
betroffenen Grundstücks (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB
27/96, BGHZ 134, 182, 184 ff.; Urteil vom 14. September 2001 - V ZR 231/00,
BGHZ 149, 1, 3; Beschluss vom 13. Juni 2002 - V ZB 31/01, Rpfleger 2002, 612
ff. jeweils mwN). Entsprechendes gilt für schwebend unwirksame Ansprüche
(vgl. MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl., § 883 Rn. 30).
31 An einer solchen Grundlage fehlt es hier. Sollte die Beteiligte zu 1 im
Hinblick auf die mögliche Restoration überhaupt ein Recht aus dem
Kaufvertrag erworben haben, setzte ein Anspruch auf Verschaffung des
Eigentums zunächst die Wiederherstellung ihrer Existenz voraus. Im Zeitpunkt
der Löschung der Vormerkung war die Restoration jedoch nicht in die Wege
geleitet. Weil ungewiss war, ob ein darauf gerichtetes Verfahren überhaupt
betrieben werden würde, - was den Feststellungen des Beschwerdegerichts
zufolge noch Jahre später möglich ist -, ist ein gesicherter Rechtsboden zu
verneinen.
IV.
32 Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des
Gegenstandswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1 KostO.
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