Prof. Dr. Stephan Lorenz
Übersicht Schuldnerverzug
(vgl. auch Lorenz/Riehm,
JuS-Lern CD)
Die
Vorschriften über den Verzug (§§ 284 ff., 326) regeln die
Rechtsfolgen der vom Schuldner zu vertretenden Verzögerung der Leistung.
Ein wesentlicher Leitgedanke der gesetzlichen Regelung ist es, den Erfüllungsanspruch
so lange wie möglich zu bewahren und dem Gläubiger lediglich
Nebenansprüche auf Zinsen (§ 288) und den Verzögerungsschaden
(§ 286 I) zu verschaffen (vgl. näher Emmerich, Leistungsstörungen
§ 15 II 1). Erst beim Wegfall des Interesses (§§ 286 II,
326 II) oder nach Ablauf einer Nachfrist mit Ablehnungsandrohung (§
326 I 1) kann der Gläubiger den Vertrag liquidieren.
Voraussetzungen des Schuldnerverzuges
sind gem. § 284:
-
Bestehen einer wirksamen,
fälligen und einredefreien Leistungspflicht
Eine Leistungspflicht,
mit der der Schuldner der Verpflichtung in Verzug geraten kann, kann jede
Pflicht aus Vertrag oder Gesetz sein (z.B. auch aus § 985, vgl. §
990 II). Unvollkommene Verpflichtungen (aus Wette etc.) genügen hingegen
nicht (vgl. § 762).
Diese Leistungspflicht muß
wirksam entstanden, noch nicht erloschen und fällig sein (§ 284
I), d.h. der Gläubiger muß die Erfüllung schon und noch
verlangen können. Die Unmöglichkeit der Leistung schließt
daher den Verzug aus, weil sie zum Erlöschen der Leistungspflicht
führt (vgl. zum Verhältnis zwischen Unmöglichkeit und Verzug
hier). Eine Stundung durch den Gläubiger schließt daher die
Fälligkeit der Leistung aus.
Sonderprobleme bestehen
bei der Behandlung von Einreden des Schuldners gegen die Forderung:
-
Einreden und Verzug
Einigkeit besteht dahingehend,
daß jede geltend gemachte Einrede (z.B. Verjährung, Einrede
des nichterfüllten Vertrages, allg. Zurückbehaltungsrecht, Mängeleinrede)
die Verzugsfolgen ausschließt. Beruft sich also der Schuldner auf
Verjährung, so liegt kein Verzug vor.
Streitig ist aber für
fast alle Einreden außer der Einrede des nichterfüllten Vertrages
(§ 320) und dem allgemeinen Zurückbehaltungsrecht (§ 273),
ob und ggf. wann sich der Schuldner auf die Einrede berufen muß:
-
Nach h.M. genügt in der
Regel schon das bloße Bestehen einer Einredemöglichkeit, um
den Verzug zu verhindern. Begründet wird dies entweder damit, daß
die Forderung bei Bestehen einer Einrede nicht fällig sei (z.B. BGHZ
55, 198 = NJW 1971, 615) oder damit, daß der Schuldner die Verzögerung
nicht zu vertreten habe, wenn er eine Einrede erheben könne, da er
ja - wegen der Einredemöglichkeit - nicht zur Leistung verpflichtet
ist (Larenz, SR I a.a.O.; MK/Thode § 284 Rn. 13). Die h.M. kommt jedoch
bei strenger Durchführung zu dem widersinnigen Ergebnis, daß
der Klage auf die Leistung (mangels Erhebung der Einrede) stattzugeben
wäre, hingegen trotz früherer Mahnung kein Verzugsschaden verlangt
werden kann. Daher muß sich der Schuldner nach Larenz (a.a.O.) so
behandeln lassen, als wäre er in Verzug gekommen, wenn er sich auch
im Prozeß nicht auf die Einrede beruft.
-
Nach einer Gegenmeinung soll
erst die Erhebung der Einrede die Verzugsfolgen ausschließen, und
zwar je nach der individuellen Fallgestaltung ex tunc oder ex nunc (vgl.
Medicus, SAT Rn. 395 f.; Diederichsen JuS 1985, 825, 829).
-
Einrede des nichterfüllten
Vertrages (§ 320)
Bei synallagmatischen
Verträgen kann Verzug nicht schon dann eintreten, wenn eine Partei
die andere nach Fälligkeit mahnt. Vielmehr erfordert der Synallagma-Gedanke,
daß derjenige, der vom anderen die Leistung verlangt, auch selbst
erfüllungsbereit ist. Schließlich ist jeder Vertragspartner
im gegenseitigen Vertrag grundsätzlich nur zur Leistung Zug um Zug
verpflichtet (§ 320).
Daraus ergibt sich, daß
ein Verzug erst dann bestehen kann, wenn der mahnende Vertragspartner selbst
vertragstreu ist und seine Gegenleistung selbst anbietet (nach a.A. genügt
es, wenn er zur Leistung bereit und imstande ist). Das Angebot muß
nach h.M. in einer Annahmeverzug begründenden Weise geschehen (Palandt/Heinrichs
§ 284 Rn. 13; BGHZ 116, 244, 249 = NJW 1992,
556). Der Schuldner muß also die Einrede des § 320 nach
ganz h.M. nicht erheben, um den Verzugsfolgen zu entgehen; vielmehr muß
der Gläubiger beweisen, daß er selbst seine Leistung angeboten
hat (vgl. BGH NJW 1999, 53).
Beweist der Gläubiger
sein Angebot im Prozeß nicht, so wird der Schuldner niemals wegen
Verzugsfolgen verurteilt (vgl. z.B. BGH NJW 1999,
2110); von der Erhebung der Einrede hängt es allerdings ab, ob
er zur Leistung Zug um Zug oder zur unbeschränkten Leistung verurteilt
wird ( BGH NJW 1999, 53).
-
Allgemeines Zurückbehaltungsrecht
(§ 273)
Im Gegensatz zur Einrede
des nichterfüllten Vertrages (§ 320), die synallagmatischen Verträgen
von Anfang an innewohnt, verhindert beim allgemeinen Zurückbehaltungsrecht
(§ 273) erst die Erhebung der Einrede den Verzugseintritt (allg. M.,
vgl. Medicus, SAT Rn. 397; Palandt/Heinrichs § 284 Rn. 12 m.w.N.).
Dies liegt zum einen daran,
daß die rechtliche Verknüpfung der konnexen Forderungen bei
§ 273 erst mit der Erhebung der Einrede eintritt. Zudem hat der Gläubiger
nach § 273 III die Möglichkeit, die Einrede des Schuldners durch
Sicherheitsleistung abzuwenden. Dieses Recht soll ihm nicht rückwirkend
genommen werden dürfen. Daher darf die Einrede des Schuldners auch
keine Rückwirkung entfalten; andernfalls könnte sich der Schuldner
durch Einrede im Prozeß rückwirkend von Verzugszinsen befreien,
ohne daß der Gläubiger rückwirkend Sicherheit leisten könnte,
um die Folgen der Einrede abzuwenden.
Daher wirkt die Erhebung
der Einrede des § 273 immer nur ex nunc, d.h. der Schuldner muß
Verzugszinsen und Verzugsschäden für die Zeit zwischen der Mahnung
und der Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht zahlen.
-
Verzug mit Geldforderungen
Handelt es sich bei der
Verpflichtung des Schuldners um eine Geldschuld, die nicht aus einem Dauerschuldverhältnis
stammt, so ist nach § 284 III 1, der mit Wirkung zum 01.05.2000 neu
eingefügt wurde und § 284 I, II modifiziert, eine Mahnung weder
erforderlich noch möglich (str.). Der Schuldner kommt vielmehr unabhängig
von einer Mahnung 30 Tage nach Zugang einer Rechnung und Fälligkeit
der Forderung in Verzug, ein früheres in-Verzug-Setzen durch Mahnung
ist nicht möglich (str.). Rechnungsstellung und Fälligkeit fallen
gem. § 271 I grundsätzlich zusammen. Räumt der Gläubiger
ein weiteres Zahlungsziel ein (z.B. "Zahlbar innerhalb von 14 Tagen nach
Erhalt der Rechnung"), so ist durch Auslegung zu ermitteln, was er damit
bewirken will: Entweder soll die Fälligkeit erst zu diesem Zeitpunkt
eintreten soll, so daß auch die 30 Tages-Frist erst dann zu laufen
beginnt (im Ergebnis träte Verzug dann nach 44 Tagen ein). Denkbar
ist auch, daß lediglich eine einseitige (rechtlich unverbindliche)
Aufforderung vorliegt, bereits innerhalb der bezeichneten Frist zu zahlen,
die auf den Verzugsbeginn keine Auswirkungen hat.
Die Vereinbarung eines abweichenden
Verzugsbeginns (z.B. eines kalendermäßig bestimmten Leistungstermins)
ist grundsätzlich möglich; die Parteien können auch vorsehen,
daß der Schuldner bereits vor Ablauf der 30 Tages-Frist aufgrund
einer Mahnung des Gläubigers in Verzug kommt. Nach der Auffassung
des Gesetzgebers stellt eine solche Vereinbarung gegenüber Verbrauchern
jedoch grundsätzlich eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. §§
9 II Nr. 1, 24a AGBG dar, die zur Unwirksamkeit führt (BT-Drs. 14/2752,
S. 11).
Bei Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen
(z.B. beim Mietzins oder beim Lohnanspruch eines Arbeitsnehmers) bleibt
es gem. § 284 III 2 bei § 284 II, so daß der Schuldner
bereits dann in Verzug kommt, wenn er den vereinbarten Zahlungstermin verstreichen
läßt.
-
Mahnung, Mahnungsersatz oder
Entbehrlichkeit der Mahnung (§ 284)
-
Mahnung
Charakter: empfangsbedürftige
geschäftsähnliche Handlung, durch die dem Schuldner seine Leistungsverpflichtung
noch einmal nachdrücklich vor Augen geführt werden soll.
Inhalt: Bestimmte
Leistungsverpflichtung sein: der Schuldner muß wissen, was er wem
schuldet. Zudem muß in der Mahnung eine eindeutige Leistungsaufforderung
enthalten sein. BGH NJW 1998, 2132: "Jede
eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit der der Gläubiger unzweideutig
zum Ausdruck bringt, daß er die geschuldete Leistung verlangt, wobei
diese Folgen auch durch eine in höflicher Form abgefaßte Aufforderung
ausgelöst werden kann".
Bedingungsfeindlich
(Bsp.: Mahnung "Falls Sie uns etwas schulden sollten, sind Sie hiermit
gemahnt" ist unwirksam).
Zuwenigforderung:
Schuldner kommt nur hinsichtlich des gemahnten Betrages in Verzug.
Zuvielforderung (vgl.
zuletzt BGH NJW 1999, 3115):
-
Verzug hinsichtlich des wirklichen
Betrages tritt ein, wenn nach den Umständen des Einzelfalles eine
nach Treu und Glauben vorzunehmende Würdigung ergibt, daß der
Schuldner die Erklärung als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich
geschuldeten Leistung verstehen muß und der Gläubiger auch zur
Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit
ist. Im Regelfall ist die Wirksamkeit der Mahnung auch dann zu bejahen,
wenn anzunehmen ist, daß der Schuldner auch bei einer auf den wirklichen
Rückstand beschränkten Mahnung nicht geleistet hätte.
-
Steht die Mahnung aber derartig
außer Verhältnis zur tatsächlich geschuldeten Leistung,
daß für den Schuldner der Bezug zur realen Forderung nicht mehr
erkennbar war, er vielmehr davon ausgehen mußte, daß der Gläubiger
von einer völlig anderen Forderung ausgeht, so ist die Mahnung unwirksam.
-
Mahnungsersatz
Der Mahnung stehen gem.
§ 284 I 2 die Zustellung eines Mahnbescheides (§§ 688 ff.
ZPO) im gerichtlichen Mahnverfahren sowie die Klageerhebung gem. §
253 ZPO gleich.
-
Entbehrlichkeit der Mahnung
-
Nach § 284 II (dies
interpellat pro homine), wenn eine Leistungszeit nach dem Kalender
bestimmt war oder der Termin sich nach einer Kündigung (z.B. beim
Darlehen) nach dem Kalender bestimmen läßt. Es genügt aber
nicht, wenn die Frist ab einem nicht genau bestimmten Ereignis zu laufen
anfängt (z.B. "Zahlbar 14 Tage nach Erhalt der Rechnung").
-
Nach §§ 848, 849 (fur
semper in mora), wenn der Schuldner zur Herausgabe einer durch unerlaubte
Handlung erlangten Sache verpflichtet ist.
-
Verzicht: Der Schuldner kann
auf die Mahnung vertraglich verzichten (z.B. durch das Versprechen, "unaufgefordert
zu zahlen"). Kein Verzicht durch AGB außerhalb des kaufmännischen
Verkehrs (§ 11 Nr. 4 AGBG). Für den unternehmerischen Verkehr
str.
-
Nach § 242, wenn der Schuldner
die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (Mahnung wäre
sinnloser Formalismus). Ebenso bei der sog. Selbstmahnung, bei der
der Schuldner einseitig einen bestimmten Leistungstermin zugesagt und dadurch
den Gläubiger von einer Mahnung abgehalten hat.
-
Bei evidenter besonderer Dringlichkeit
der Leistung entbehrlich, wenn der Schuldner wissen mußte, daß
die Leistung sofort erfolgen muß (z.B. Klempner beim Wasserrohrbruch,
vgl. Medicus, SAT Rn. 402).
-
Nichtleistung trotz Mahnung
Der Schuldner kommt in
Verzug, wenn er nach Zugang der Mahnung schuldhaft nicht rechtzeitig leistet.
Was er dafür unternehmen muß, hängt vom konkreten Vertragstyp
ab. Nach h.M. kommt es § 284 I nicht auf den Leistungserfolg, sondern
nur auf die Leistungshandlung an, so daß der Schuldner bereits mit
der Vornahme der Leistungshandlung i.S.v. § 284 I "geleistet" hat
und aus diesem Grund nicht in Verzug kommt (Palandt/Heinrichs § 284
Rn. 26; BGH NJW 1959, 1176).
Nach a.A. kommt es zwar
grundsätzlich auf den Leistungserfolg an; allerdings hat er Schuldner
die weitere Verzögerung nach Vornahme seiner Leistungshandlung i.d.R.
nicht mehr zu vertreten, solange sie nicht auf ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen
zurückzuführen ist (Medicus, SAT Rn. 392).
-
Vertretenmüssen des
Schuldners (§ 285)
Der Schuldner kommt nach
§ 285 nicht in Verzug, wenn er die Leistungsverzögerung nicht
zu vertreten hat. Hierbei wird das Verschulden des Schuldners aber vermutet,
wie sich aus der Formulierung des § 285 ergibt (allg. M., vgl. nur
Palandt/Heinrichs § 285 Rn. 1).
Bsp. für fehlendes
Verschulden:
Vorübergehende (unverschuldete)
Unmöglichkeit der Leistung infolge höherer Gewalt oder Krankheit
(ohne die Möglichkeit der rechtzeitigen Einsetzung einer Ersatzperson).
Verweigerung der notwendigen
Mitwirkung des Gläubigers (vgl. etwa BGH
NJW 1998, 2132).
Rechtsirrtum insbesondere
über das Bestehen des Anspruchs, schließt das Vertretenmüssen
nur aus, wenn er nicht seinerseits auf Fahrlässigkeit beruht.
Kein Ausschluß
des Verschuldens bei Geldmangel.
Bei Gattungsschulden
haftet der Schuldner nach dem Gedanken des § 279 immer für das
Beschaffungsrisiko, d.h. er hat eine Verspätung auch dann zu vertreten,
wenn sein Lieferant seinerseits nicht liefert oder unerwartete Transportschwierigkeiten
auftreten. Dies fällt nach der Wertung des § 279 alles in den
Risikobereich des Gattungsschuldners, so daß er in Verzug kommt.
Dies gilt jedoch nicht für Verzögerungen bei der Gattungsschuld,
die infolge höherer Gewalt eintreten.
Hat der Schuldner die Leistungsverzögerung
nicht zu vertreten, so treten - solange kein relatives Fixgeschäft
i.S.v. § 361 vorliegt - keine Rechtsfolgen ein, d.h. der Gläubiger
behält seinen Erfüllungsanspruch weiter, kann aber keinen Ersatz
eines etwaigen Schadens fordern.
-
Keine Beendigung des Verzuges
Der Verzug wird beendet
durch den Wegfall einer seiner Voraussetzungen, insbesondere durch:
-
Erbringung der Leistung durch
den Schuldner; hierbei genügt nach h.M. die Vornahme der letzten geschuldeten
Leistungshandlung, d.h. es kommt nicht auf den Eintritt des Leistungserfolges
an (Emmerich, Leistungsstörungen § 16 VI 2a).
-
Stundung durch den Gläubiger
(dann entfällt die Fälligkeit)
-
Erlöschen der Forderung
aus anderen Gründen (z.B. Unmöglichkeit, § 275 I, Anfechtung,
§ 142 I, Rücktritt, § 346, Ablauf der Nachfrist nach §
326 I 2; zum Schicksal des Verzugsschadens bei Übergang zu SE wg.
NE nach § 326 vgl. BGH NJW 1998, 2901:
Ist i.d.R. Bestandteil des Nichterfüllungsschadens; zum rückwirkenden
Wegfall des Verzugsschadens im Falle des Rücktritts vgl. BGH
NJW 1998, 3268 sowie BGHZ 88, 46)
-
Entstehung einer Einrede (s.o.
1.a)
-
Annahmeverzug des Gläubigers
Grundsätzlich wirkt die
Beendigung des Verzuges nur für die Zukunft, so daß bereits
aufgelaufene Verzugszinsen und -schäden zu ersetzen sind. Etwas anderes
gilt nur dann, wenn die Verzugsvoraussetzung ihrerseits rückwirkend
entfallen ist (so insbesondere bei der Anfechtung, § 142 I).
-
Rechtsfolgen des Verzugs
-
Allgemeine Folgen des Verzugs
aa. Anspruch auf
Ersatz des Verzögerungsschadens (§ 286 I)
bb. Anspruch auf
Zahlung von Verzugszinsen (§ 288 I)
cc. Haftungsverschärfung
beim Schuldner (§ 287)
-
Schadensersatzanspruch bei nicht-gegenseitigen
Leistungspflichten (§ 286 II)
Objektiver Interessewegfall.
Wegfall gerade infolge
der Verzögerung: Nicht Preisverfall, da der Gläubiger den höheren
Preis auch bei rechtzeitiger Leistung hätte zahlen müssen. Dagegen
fällt z.B. der Rücktritt eines Abnehmers des Gläubigers
unter § 286 II (vgl. BGH NJW-RR 1997, 622)
-
Verzugsfolgen bei synallagmatischen
Hauptleistungspflichten (§ 326 I):
aa. Erlöschen
des Leistungsanspruches (§ 326 I 2 Hs. 2)
bb. Schadensersatz
wegen Nichterfüllung (§ 326 I 2 Alt. 1)
cc. Rücktrittsrecht
(§ 326 I 2 Alt. 2)
Weitere Verzugsfolgen sind für
einzelne Vertragstypen speziell geregelt (zB § 554).
-
Sonderproblem: Verzug bei
Dauerschuldverhältnissen
Die harten Verzugsfolgen
des § 326 sind unpassend für Dauerschuldverhältnisse, für
die eine langfristige Bindung zwischen den Parteien charakteristisch ist,
die über einen einmaligen Leistungsaustausch hinausgeht.
-
Echte Dauerschuldverhältnisse
Bei den echten Dauerschuldverhältnissen
(z.B. Miete, Darlehen, Dienstvertrag, ...) können die Rechte des §
326 I 2 grundsätzlich nur hinsichtlich der verzögerten Teilleistung
geltend gemacht werden. Häufig wird dabei ein Rücktritt wegen
mangelnder Teilbarkeit der Gegenleistung nicht in Betracht kommen.
An die Stelle der Totalrechte
aus § 326 (Rücktritt bzw. Schadensersatz hinsichtlich des gesamten
Vertrages auch für die Zukunft) tritt bei allen echten Dauerschuldverhältnissen
das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Dieses Kündigungsrecht
wird im Wege der Gesamtanalogie aus den §§ 554a, 626, 671 III
und 723 gewonnen und wirkt lediglich ex nunc.
-
Sukzessivlieferungsverträge
Bei Sukzessivlieferungsverträgen
kann der Gläubiger der verspäteten Leistung nicht ohne weiteres
vom gesamten Vertrag auch für die Zukunft abgehen. Vielmehr ist wie
folgt zu unterscheiden (vgl. BGH NJW-RR 1995,
240):
-
Hinsichtlich der verspäteten
Rate kann der Käufer entweder Erfüllung und Schadensersatz für
den Verzugsschaden verlangen oder nach Fristsetzung und Ablehnungsandrohung
gemäß § 326 I von dem Vertragsteil zurücktreten bzw.
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
-
Falls die weitere Erfüllung
des Vertrages für den Gläubiger nicht mehr von Interesse ist
oder das Vertrauen durch das bisherige Verhalten des Schuldners derart
gestört ist, daß dem Gläubiger das weitere Festhalten am
Vertrag nicht zumutbar ist, kann er die Fristsetzung nach § 326 I
mit einer erweiterten Ablehnungsandrohung verbinden, in der er die Vernichtung
des gesamten Vertrages auch für die Zukunft androht. Leistet der Schuldner
dann immer noch nicht, kann der Gläubiger (analog § 326 I 2 Alt.
2 oder aus pFV) oder vom gesamten Vertrag für die Zukunft zurücktreten
(BGH NJW 1981, 679 = JuS 1981, 374). Für
den Interessewegfall soll es bereits ausreichen, wenn es für den Gläubiger
günstiger wäre, einen ganz neuen Vertrag abzuschließen
(Palandt/Heinrichs, Rn. 31 vor § 305, BGH
NJW 1990, 2549; 2550).
|