Gewährleistungsrecht und
Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 280 I, 311 II, 241 II BGB) nach neuem
Schuldrecht
OLG Köln vom 12.11.2004, 6
U 109/04
Fundstelle:
NJW 2005, 1666
(Eigener)
Leitsatz:
Zum Verhältnis von
Gewährleistungsrecht und der Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher
Aufklärungspflichten
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht
ein Klassikerproblem. Das OLG verneint das Vorliegen eines Sachmangels mit
m.E. sehr problematischer Begründung. Richtigerweise dürfte die Tatsache,
daß handelsübliche Kleidung bei dem Polstermöbel zu Farbabrieb und
Verschmutzungen führte, einen Fehler i.S. des objektiven Fehlerbegriffs des
§ 434 I S. 2 Nr. 2 BGB darstellen, denn üblicherweise darf man erwarten, daß
ein Sitzmöbel bei der Benutzung mit handelsüblicher Kleidung nicht
verschmutzt. Wenn dies dem Verkäufer bekannt war, kann man m.E. hier bereits
vom arglistigen Verschweigen eines Mangels ausgehen.
Geht man aber davon aus, daß kein Sachmangel vorliegt, so stellt sich das
klassische Problem der Konkurrenz von c.i.c. und
Sachmängelgewährleistung, das schon aus dem alten Schuldrecht bekannt war
(s. dazu BGHZ 60, 319;
BGH
NJW 1990, 1658 sowie die Anm. zu
BGH NJW 1997, 3227
ff;
BGH
NJW 1999,1404;
BGH
NJW 1999, 3192;
BGH NJW 2001, 2630;
BGH NJW 2001, 2875;
BGH NJW
2003, 2824;
BGH NJW 2004, 2301)
und sich auch unter dem neuen Recht stellen kann (s. dazu die Anm. zu
OLG Hamm
ZGS 2003, 394;
OLG
Düsseldorf ZGS 2004, 271).
Problematisch ist im vorliegenden Fall, daß nach h.A. die Haftung für die
fahrlässige Verletzung vorvertragliche Aufklärungspflichten bereits dann
ausgeschlossen ist, wenn der betreffende Umstand Gegenstand einer
Beschaffenheitsvereinbarung sein kann. Es kommt dabei also nicht darauf an,
ob der Umstand im konkreten Fall tatsächlich vereinbart wurde. Dem hat mit
gewichtigen Gründen für das neue Recht Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 89
ff, widersprochen. Danach ist die c.i.c. bei bloß "potentiellen"
Sachmängeln nicht verdrängt. Sachargument ist, daß der Verkäufer, der den
Käufer über den fraglichen Umstand irreführt, diesem in aller Regel den
Anlaß nehme, ihn zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung zu machen.
Folglich sei ihm die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes genommen,
und daher könne man ihm nicht entgegenhalten, er dürfe nicht auf dem Umwege
über die culpa in contrahendo erlangen, was zum Gegenstand einer
Beschaffenheitsvereinbarung zu machen ihm nicht gelungen sei.
Folgt man der h.M., so wäre hier eine Haftung aus §§ 280 I, 311 II, 241 II
BGB wegen der fahrlässigen Verletzung einer vorvertraglichen
Aufklärungspflicht zu verneinen, da es sich jedenfalls um eine Eigenschaft
handelt, die Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sein könnte. Dann
könnte man eine Haftung nur noch über einen selbständigen Beratungsvertrag
herleiten (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 1997, 3227
ff), wofür der Sachverhalt allerdings keinen
Anhaltspunkt gibt. War freilich die Aufklärungspflichtverletzung (bedingt)
vorsätzlich, was ebenfalls denkbar wäre, wäre die Haftung aus c.i.c.
ebenfalls nicht verdrängt.S. dazu jetzt BGH
NJW 2009, 2120.
©sl 2005
Zum Sachverhalt:
Im Februar 2002 kaufte der Kläger bei der Beklagten
eine helle, beigefarbene Polstergarnitur zum Preis von insgesamt 7.700,00 €.
Im schriftlichen Kaufvertrag war eine Fleckschutzimprägnierung vorgesehen,
für die die Beklagte fünf Jahre Garantie übernahm. Einige Monate nach
Lieferung der Polstergarnitur zeigten sich bereits erste dunkle
Verfärbungen, die zur Verdeutlichung exemplarisch nachfolgend wiedergegeben
werden:
Diese Verunreinigungen finden ihre Ursache in einem bei
bestimmungsgemäßem Gebrauch der Polstermöbel eintretenden Abfärben von
handelsüblichen, aber nicht farbechten Bekleidungstextilien. Unstreitig
wusste die Beklagte bereits beim Verkauf der Möbel, dass zum einen der
Verkauf nicht farbechter Textilien im Bekleidungshandel Gang und Gebe ist,
und zum anderen, dass das Tragen solcher Kleidungsstücke auf hellen Möbeln
unweigerlich Verunreinigungen der vorliegenden Art verursacht.
Das Landgericht hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
aufgeklärt, worauf der Farbabrieb auf der Polstergarnitur zurückzuführen
ist, und hat die Klage alsdann mit der Begründung abgewiesen, nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme habe ein Mangel der Kaufsache bei Übergabe nicht
vorgelegen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner
Berufung, die Erfolg hatte.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung hat im Wesentlichen auch in der Sache
Erfolg.
Allerdings hat das Landgericht im Einklang mit den Ausführungen des
Sachverständigen zutreffend angenommen, bei Gefahrübergang, also dem
Zeitpunkt der Übergabe (§ 434 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 446 Satz 1 BGB), sei
die Couchgarnitur nicht mit Mängeln behaftet gewesen, weil die einige Monate
später festgestellten Verunreinigungen auf dem Farbabrieb nicht farbechter
Textilien zurückzuführen seien. Das hindert in der Tat die Annahme, aufgrund
des erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag könne der Kläger den Kaufvertrag
gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5, 346 ff. BGB wandeln und aus desem
Grunde Rückerstattung des Kaufpreises verlangen. Die Klageabweisung trägt
diese isoliert betrachtet zutreffende Feststellung unter den im Streitfall
obwaltenden Umständen gleichwohl nicht. Denn zwischen den Parteien ist
unstreitig, dass der Kläger beim Kauf der sehr hellen, beigefarbenen und
sich nicht im niedrigen Preissegment bewegenden Couchgarnitur
ausgesprochenen Wert darauf gelegt hat, dass diese nicht sogleich
verschmutzte. Aus diesem Grunde ist Gegenstand des Kaufvertrages auch eine
Fleckschutzimprägnierung mit fünf Jahren Garantie. Unstreitig wusste die
Beklagte schon zum Zeitpunkt des Verkaufs, und zwar im Gegensatz zum Kläger,
dass der Kauf und die Benutzung dieser Couchgarnitur insoweit mit einem
erheblichen (Erhaltungs-) Risiko verbunden war, als das Tragen nicht
farbechter, aber handelsüblichen Textilien bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
der Möbel zu den Verunreinigungen führen würde, die nunmehr auch eingetreten
sind. Die Beklagte wusste zudem, dass eine Fleckschutzimprägnierung zur
Verhinderung solcher Verunreinigungen von vornherein nicht geeignet war, und
dass solche Verunreinigungen sehr und so hartnäckig sind, dass sich selbst
die Beklagte als zumindest in Köln bekanntes Möbelhaus nicht in der Lage
gesehen hat, die Möglichkeit einer erfolgreichen Reinigung anzubieten. Bei
dieser Sachlage wäre es Sache der Beklagten gewesen, den Kläger bei
anderweitiger Schadenersatzverpflichtung wegen Verschuldens bei
Vertragsschluss (§§ 311, 241, 280 BGB n.F.) auch ungefragt darauf
hinzuweisen, dass helle Möbel der später verkauften Art auch bei
bestimmungsgemäßem Gebrauch über kurz oder lang nicht behebbare, ins Auge
springende und deutliche Verunreinigungen aufweisen werden, wenn man sich
mit handelsüblicher, aber nicht farbechter Kleidung auf sie setzt. Wäre die
Beklagte dieser Verpflichtung nachgekommen, spricht alles dafür, dass der
Kläger dann von dem Kauf dieser Möbel Abstand genommen hätte, schon um nicht
jeden Gast vor dem Angebot, doch Platz zu nehmen, nach der Beschaffenheit,
der Qualität und womöglich auch noch dem Ursprung der von ihm getragenen
Kleidungsstücke befragen zu müssen. Er kann deshalb nunmehr wegen dieses
Verschuldens der Beklagten bei Vertragsschluss im Wege der
Naturalrestituti-on Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen, muss sich
allerdings anrechnen lassen, dass er durch die Nutzung der Möbel auch
Gebrauchsvorteile erzielt hat. Ungetrübte Freude an den erworbenen Möbeln
konnte der Kläger allerdings nur kurze Zeit, allenfalls wenige Monate,
empfinden. Aus diesem Grunde kann der Auffassung der Beklagten, die
Gebrauchsvorteile seien mit 10% des Kaufpreises pro Jahr der Nutzungsdauer
anzusetzen, schon im Ansatz nicht beigepflichtet werden. Insgesamt schätzt
der Senat den Wert der Gebrauchsvorteile analog § 287 Abs. 1 ZPO auf
insgesamt 700,00 €.
Mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte nach dem Vorgesagten die Rücknahme
der Couchgarnitur Zug um Zug gegen Erstattung des gezahlten Kaufpreises nach
Maßgabe der vorstehenden Einschränkung zu Unrecht verweigert hat, steht dem
Kläger allein schon wegen der unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe vor und
nach Eintritt des Verzuges (§ 300 Abs. 1 BGB) auch ein berechtigtes
Interesse im Sinne des §§ 256 Abs. 1 ZPO daran zur Seite, den Annahmeverzug
der Beklagten festgestellt zu sehen. Der Urteilstenor trägt dem Rechnung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sie
berücksichtigt, dass die Zuvielforderung des Klägers verhältnismäßig
geringfügig war und keine besonderen Kosten veranlasst hat. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO. Ein Grund, in diesem Einzelfall gemäß § 543 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO die
Revision zuzulassen, besteht ersichtlich nicht.
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