Diskussionsentwurf
eines
Gesetzes zur Verhinderung
von Diskriminierungen im Zivilrecht

(Stand: 10. Dezember 2001)

 

(-> allgemeine Begründung)
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 400-2,
zuletzt geändert durch..., wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert: (-> Begründung)

a) Nach der § 105 betreffenden Zeile wird folgende Zeile eingefügt:
„§ 105a Geschäfte des täglichen Lebens".

b) Nach der § 319 betreffenden Zeile werden folgende Zeilen eingefügt:

„Untertitel 5 Verbotene Benachteiligung
§ 319a Benachteiligungsverbot
§ 319b Begriffsbestimmungen
§ 319c Beweislastregelung
§ 319d Zulässige Unterscheidungen
§ 319e Anspruch auf Unterlassung, Folgenbeseitigung und Schadensersatz".

2. Nach § 105 wird folgender § 105 a eingefügt: (-> Begründung)

„§ 105a

Geschäfte des täglichen Lebens

(1) Tätigt ein volljähriger Geschäftsunfähiger ein Geschäft des täglichen Lebens,
das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann, so gilt der von ihm
geschlossene Vertrag in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung
als wirksam, sobald Leistung und Gegenleistung bewirkt sind. (-> Begründung)

(2) Die von dem Volljährigen oder dem anderen Vertragsteil erbrachten Leistungen
gelten nicht deshalb als nicht bewirkt, weil der Volljährige bei Abschluss des
Vertrages im Sinne des Absatzes 1 geschäftsunfähig war oder dies nach diesem
Zeitpunkt geworden ist. (-> Begründung)

(3) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder
das Vermögen des Geschäftsunfähigen erforderlich ist, ordnet das Vormundschaftsgericht
an, dass Absatz 1 keine Anwendung findet. (-> Begründung)

3. In § 226 werden nach dem Wort „anderen" die Wörter „aus Gründen des Geschlechts,
der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität oder aus einem anderen
Grunde" eingefügt. (-> Begründung)

4. Nach § 319 wird folgender Untertitel eingefügt: (-> einleitende Begründung)

„Untertitel 5
Verbotene Benachteiligung

§ 319a
Benachteiligungsverbot
(1) Niemand darf aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft,
der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Identität bei
1. der Begründung, Beendigung und Ausgestaltung von Verträgen, die
a) öffentlich angeboten werden, oder
b) eine Beschäftigung, medizinische Versorgung oder Bildung zum Gegenstand
haben.
oder
2. dem Zugang zu und der Mitwirkung in Organisationen, deren Mitglieder einer
bestimmten Berufsgruppe angehören,
unmittelbar oder mittelbar benachteiligt oder belästigt werden (Benachteiligungs- und
Belästigungsverbot). (-> Begründung)

(2) Für die Benachteiligung bei dem Zugang zu und der Mitwirkung in Organisationen
der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie bei der Begründung, der Beendigung oder
der Durchführung von Arbeitsverhältnissen gelten die dafür erlassenen besonderen
Bestimmungen. (-> Begründung)

(3) Die Vorschriften dieses Untertitels finden auf das Familien- und das Erbrecht keine
Anwendung. Sie stehen der Anwendung von Vorschriften, die einen weitergehenden
Schutz gegen Benachteiligungen vorsehen, nicht entgegen. Die Vorschriften über die
Geschäftsfähigkeit und das Strafrecht bleiben unberührt. (-> Begründung)


§ 319b
Begriffsbestimmungen
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines der
in § 319a bezeichneten Merkmale in einer vergleichbaren Situation eine weniger
günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. (-> Begründung)

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Regelungen,
Kriterien oder Verfahren Personen, bei denen eines oder mehrere der in §
319a bezeichneten Merkmale vorliegen, in besonderer Weise benachteiligen können,
es sei denn, die betreffenden Regelungen, Kriterien oder Verfahren dienen einem berechtigten
Anliegen, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Anliegens angemessen
und erforderlich. (-> Begründung)

(3) Belästigungen sind Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit einem der in §
319a bezeichneten Merkmale einer Person stehen und bezwecken oder bewirken,
dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes
Umfeld geschaffen wird. (-> Begründung)

(4) Die Anweisung zur Diskriminierung einer Person aus einem der in § 319a Abs. 1
genannten Gründe gilt als Diskriminierung im Sinne des Absatzes 1 oder 2.


§ 319c
Beweislastregelung
(-> Begründung)
Wenn im Streitfall der Betroffene Tatsachen glaubhaft macht, die eine Verletzung des
Benachteiligungsverbots durch eine bestimmte Person vermuten lassen, trägt diese
Person die Beweislast dafür, dass schon eine Benachteiligung nicht vorliegt oder eine
zulässige Unterscheidung gegeben ist.


§ 319d
Zulässige Unterscheidungen
(-> Vorbemerkung)
(1) Eine zulässige Unterscheidung liegt vor,
1. bei Verträgen, die eine Beschäftigung zum Gegenstand haben, sowie in den
Fällen des § 319a Abs. 1 Nr. 2, wenn
a) das Vorhandensein oder Fehlen eines der in § 319a Abs. 1 bezeichneten
Merkmale entscheidende Voraussetzung für die Tätigkeit oder Zugang
zu und der Mitwirkung in einer Organisation ist oder
b) die Berücksichtigung des Alters oder einer Behinderung durch sachliche
Gründe gerechtfertigt ist.
2. in den übrigen Fällen, wenn die Berücksichtigung des Geschlechts, der Religion
oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, oder der sexuellen
Identität durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
Durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist eine Unterscheidung nur, wenn sie
sich auch durch eine zumutbare Anpassung des Vertrages oder seiner Durchführung
nicht vermeiden lässt. Satz 2 gilt für den Zugang zu und die Mitwirkung in einer Organisation
entsprechend. (-> Begründung)

(2) Als zulässig im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gelten auch Altersgrenzen,
wenn sie zum Schutz der Betroffenen oder aus beschäftigungspolitischen oder anderen
Gründen des Allgemeinwohls vorgesehen sind. (-> Begründung)

(3) Eine zulässige Unterscheidung liegt in allen Fällen des § 319a Abs. 1 ferner vor,
wenn eine unterschiedliche Behandlung zur Wahrung der berechtigten Interessen einer
betroffenen Person oder Personengruppe, insbesondere für Maßnahmen zum
Abbau von Benachteiligungen, erforderlich ist. (-> Begründung)


§ 319e
Anspruch auf Unterlassung,
Folgenbeseitigung und Schadensersatz
(1) Wer gegen das Benachteiligungsverbot verstößt, kann von dem Betroffenen auf
Unterlassung und auf eine benachteiligungsfreie Behandlung (Folgenbeseitigung) in
Anspruch genommen werden. Der Abschluss eines Vertrages oder der Zugang zu einer
Organisation kann nur beansprucht werden, wenn er ohne den Verstoß gegen
das Benachteiligungsverbot geschlossen oder ermöglicht worden wäre; dies gilt nicht,
wenn über den Vertragsgegenstand bereits ein Vertrag mit einem Dritten geschlossen
worden ist. Lässt sich die Benachteiligung nicht nach Satz 1 oder in anderer Weise
ausgleichen, kann der Betroffenen eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. (-> Begründung)

(2) Einseitige Rechtsgeschäfte, ausgenommen Auslobungen, die gegen das Benachteiligungsverbot
verstoßen, sind nichtig. (-> Begründung)

5. Dem § 2233 wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) Vermag der Erblasser weder Geschriebenes zu lesen noch hinreichend zu sprechen,
so kann er das Testament zur Niederschrift des Notars errichten, indem er vor
dem Notar seinen letzten Willen zum Ausdruck bringt." (-> Begründung)